Protocol of the Session on October 14, 2014

Das Wort hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abgeordneter Klaus Kessler.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute den fünften Haushalt dieses Landes unter dem Diktat der Schuldenbremse und den dritten Haushalt der Großen Koalition. Heute, zur Mitte der Legislaturperiode, stehen wir an einem Punkt, an dem wir einmal bewerten müssen, ob diese Koalition mit der Vorlage des Haushaltes auch einen echten Beitrag dazu leistet, nicht nur die Eigenständigkeit des Landes zu sichern, sondern auch dessen Zukunftsfähigkeit zu gewährleisten. Kollegin Berg, ich hätte auch keine Probleme damit zu sagen: die Zukunftsfähigkeit unserer Heimat zu gewährleisten.

(Beifall von B 90/GRÜNE.)

Allerdings habe ich erhebliche Zweifel, wenn ich jetzt sehe, dass dieser Haushalt unserer Auffassung nach hoch risikobehaftet ist und auf sehr tönernen Füßen steht. Es ist nur auf den ersten Blick zufriedenstellend, wenn die Obergrenze der zulässigen Kreditaufnahme unterschritten wird. Festzustellen ist, dass auch hier die Luft deutlich dünner wird. Hatten wir im letzten Jahr noch 131 Millionen Euro Abstand zur Obergrenze, sind es in diesem Jahr gerade mal noch 83 Millionen Euro. Selbst das gelingt der Landesregierung nur, weil sie im Grunde bei dieser Haushaltsaufstellung volles Risiko fährt. Sie verlässt sich nach wie vor auf eine noch gute Entwick

lung der Steuereinnahmen - ich sage ganz bewusst „noch“; es wird ja eingeräumt, dass das nicht so bleiben muss - und zum Zweiten auf das extrem niedrige Zinsniveau. Brechen diese beiden Säulen zusammen, dann fällt dieser Haushalt wie ein Kartenhaus zusammen. Insofern setzt diese Landesregierung bei der Haushaltsaufstellung auf das Prinzip Hoffnung.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das zweite Prinzip dieser Haushaltsgestaltung ist das des Rasenmähers. Ich bleibe dabei, Herr Kollege Finkler: Wenn in allen Bereichen gespart wird, ist das eine Rasenmähermethode. Wir GRÜNE sind auch für Sparmaßnahmen, verschließen uns diesen auch nicht. Aber wir sagen, es muss dort gespart werden, wo es für die Saarländerinnen und Saarländer die geringsten negativen Auswirkungen hat, heute und in der Zukunft. Das heißt, wir müssen Prioritäten setzen, und zwar in den Bereichen, wo die Zukunftsfähigkeit des Landes gesichert werden muss. Wir dürfen nicht den Fehler machen, kurzfristige Mitteleinsparungen auf Kosten langfristiger Investitionsgewinne zu beschließen.

(Zuruf von der CDU: Mach mal einen Vorschlag!)

Ich meine, die Landesregierung macht diese Fehler. Zentrale Bereiche für die Zukunft des Landes werden nicht von Sparmaßnahmen ausgenommen. Es wird gespart in der Bildung, an den Hochschulen durch Streichung von Fächern und durch Kürzung der Globalmittel in Millionenhöhe oder in den Schulen durch die Streichung von 588 Lehrerstellen bis zum Jahr 2020. Die erste und größere Tranche dazu wird jetzt in diesem Haushalt vollzogen. Diese Sparmaßnahmen, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehen in die völlig falsche Richtung, da sie weder den volkwirtschaftlichen und demografischen Nutzen unserer Hochschulen noch die Notwendigkeit erheblicher Qualitätsverbesserungen in unseren Schulen berücksichtigen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Herr Minister, Sie sagten gestern, Sie wollten klug gestalten und Schwerpunkte setzen. Und Sie nennen im Zusammenhang mit der Bildung kleinere Klassen. Dazu stelle ich fest: Der Klassenteiler auch an Grundschulen ist nach wie vor bei 29 Kindern. Wir haben nicht die flächendeckende Regelung, dass es keine Klassen über 22 Kinder mehr gibt an den Grundschulen und an den weiterführenden Schulen, keine Regelung, dass es keine Klassen von über 25 Kindern gibt, wie Sie es doch noch im Koalitionsvertrag festgelegt hatten.

Nächstes Stichwort: Inklusion. Wir sind ja alle dafür, aber es gibt doch heute - das wissen wir - nicht ausreichend Lehrpersonal zur Umsetzung der Inklusion. Deshalb sage ich, dass es nahezu fahrlässig ist, in

(Abg. Berg (SPD) )

den Grundschulen Lehrerstellen zu streichen, wenn man die Inklusion umsetzen will.

(Beifall bei den GRÜNEN.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der anderen Seite übt sich diese Landesregierung in hoffnungsloser Schadensbegrenzung ihrer eigenen Skandale. Stichwort Vierter Pavillon. Sie sagen heute dazu Erweiterungsbau. Der Saarländer sagt dazu Anbau. Für diesen Anbau stehen mittlerweile 39 Millionen Euro im Raum. Herr Minister, vor drei Jahren hätte man den Bau noch für 26 Millionen Euro haben können.

(Beifall bei GRÜNEN und PIRATEN.)

Wir warten darauf, wie die Kostenberechnung dieses skandalträchtigen Baus am Ende aussehen wird.

(Sprechen.)

Stichwort HTW-Hochhaus. Hier steht seit Monaten ein Bau wegen des Streits um den Brandschutz und die studentische Nutzerzahl leer. Zusätzliche Kosten von 4,4 Millionen Euro sind bisher entstanden, da es offensichtlich das verantwortliche Finanzministerium versäumt hat, bei der Vertragsgestaltung die Zahl 1.000 Studierende zur Nutzung festzulegen. Stichwort Gondwana. Auch hier steht ein Betrag in zweistelliger Millionenhöhe auf dem Spiel, der in das Projekt investiert wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zusammengerechnet ergibt sich eine Summe von mindestens 37 Millionen Euro, die für dieses Land auf dem Spiel stehen. Ich sage hier in aller Deutlichkeit: Das ist Missmanagement in Höchstform! Ich würde mir von dieser Landesregierung nicht einmal ein Haus bauen lassen!

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Dabei ist die Große Koalition noch mit ganz großen Versprechungen und Erwartungen angetreten und das auch mit Blick auf die riesengroßen Möglichkeiten, die wir durch unsere Bundesminister Altmaier und Maas in Berlin haben. Die Bilanz sieht heute eher dürftig aus. Was hatten wir bislang davon? Es gibt keine Verhandlungen mit Frankreich zur Abschaltung von Cattenom. Das Saarland wird vom Fernverkehr durch die Streichung einer ICE-Verbindung zunehmend abgekoppelt. Der Altschuldentilgungsfonds, den wir dringend bräuchten, ist eigentlich schon vom Tisch; alle Signale deuten darauf hin. Zinsbeihilfen nutzen dem Land beim Schuldenstand von 14 Milliarden Euro im Grunde genommen gar nichts.

Somit sind die Erwartungen unseres Finanzministers nicht erfüllt, der stets von einem Dreiklang in der Konsolidierung gesprochen hat. Kollegin Berg hat den Dreiklang auch erwähnt: Altschuldenregelung,

Ausgabenbegrenzung und Einnahmeverbesserung. Bleiben wir bei den Einnahmeverbesserungen. Mit Blick auf diese wird es wohl seitens der Landesregierung überhaupt keine Initiativen mehr in Richtung von mehr Steuergerechtigkeit geben. Das Thema Spitzensteuersatz, die Anhebung der Erbschaftssteuer - beides einmal Anliegen der SPD und des DGB - sind offensichtlich zur Tabuzone dieser Großen Koalition erklärt worden.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Die Anhebung der Grunderwerbssteuer um 1 Prozent bringt uns zwar an dieser Stelle einen bundesweiten Spitzenplatz, wenn aber gleichzeitig in den Finanzämtern, wo Steuereinnahmen erzielt werden können, Stellen gestrichen werden, bleibt aus meiner Sicht das Ganze doch fragwürdig. Auch die Verschiebung von Stellen aus der Betriebsprüfung in die Steuerfahndung führt nur begrenzt zu Mehreinnahmen und ist im Endeffekt nur ein Wechsel von der linken Tasche in die rechte Tasche.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was die Einnahmeverbesserungen angeht, hat die Landesregierung ganz offensichtlich irgendwie einen neuen Weg, um nicht zu sagen, eine neue Quelle entdeckt. Sie konsolidiert sich zunehmend auf dem Rücken der Landkreise und Kommunen. Der kommunale Entlastungsfonds, der ohnehin nur ein Tropfen auf den Schei… - Entschuldigung - auf den heißen Stein war -

(Große Heiterkeit.)

Ja, es darf applaudiert werden. - Dieser Fonds läuft im kommenden Jahr aus.

(Vereinzelt Beifall.)

Die Grunderwerbssteuer fließt nicht mehr den Gemeindeverbänden zu und Kürzungen bei den Jugendhilfezahlungen an die Kreise stehen an. Die Große Koalition hat es immerhin geschafft - das ist eine erstaunliche Leistung -, dass die Konflikte zwischen dem Land und den Kommunen zugenommen haben. Mit einer Klage der Landkreise gegen das Land wegen Vertragsbruch bei der Zuzahlung der Pflegekosten bei der Grundsicherung im Alter ist sozusagen ein Höhepunkt in der gemeinsamen Konsolidierungsanstrengung aller politischen Ebenen in diesem Land erreicht. In dieser Situation noch von einer notwendigen und viel beschworenen gemeinsamen Anstrengung aller politischen Ebenen zur Rettung der Eigenständigkeit des Landes zu reden, ist ein Treppenwitz, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn in diesem Land jeder gegen jeden kämpft, dann ist das der Weg in die Kannibalisierung.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Diesem Land fehlt eine gemeinsame Linie. Es fehlt diesem Land eine Strategie zur Erhaltung der Zu

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) )

kunftsfähigkeit, die mehr ist als der einfach nur teuere Spruch „Großes entsteht immer im Kleinen“. Wir als GRÜNE stehen dazu, dass wir eine echte Verwaltungsreform brauchen, die gemeinsam zur Entlastung des Haushaltes erarbeitet wird und die auch nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird.

Wir brauchen aber auch - Kollege Hilberer hat darauf hingewiesen - einen transparenten, aussagekräftigen, evaluierten Subventionsbericht, um einen Einblick in die Finanzhilfen des Landes in allen Bereichen zu erhalten. Was Sie dazu gestern vorgelegt hatten, ist völlig unzureichend.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der jetzt vorliegende Haushalt ist gekennzeichnet vom Prinzip Hoffnung bezüglich der Konjunktur- und Zinsentwicklung, vom falschen Sparen in den Zukunftsbereichen Bildung und Wissenschaft und vom fehlenden Konzept einer gemeinsam zu erstellenden Verwaltungsstrukturreform insbesondere mit Blick auf die saarländischen Landkreise. Ich bin der Auffassung, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sind in dieser Hinsicht - das belegen auch Umfragen - schon ein ganzes Stück weiter. Deshalb lehnen wir diesen Haushalt ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat der Herr Finanzminister Stephan Toscani.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich für die Landesregierung auf einige Argumente und Beiträge eingehen, die die Opposition im bisherigen Verlauf der Haushaltsdebatte vorgebracht hat. Die Opposition hat mindestens ein Problem. Zu einer zentralen Grundbedingung der Landespolitik gehört die Schuldenbremse. Sie ist eine Grundbedingung unserer Landespolitik. Ob man sie nun aus Sicht der Generationengerechtigkeit befürwortet oder ob man sie schlicht als Verfassungswirklichkeit akzeptiert - sie steht im Grundgesetz und ist deshalb Grundbedingung unserer Landespolitik. Dazu müssen Sie sich äußern, aber Sie tun es nicht. Sind Sie für die Schuldenbremse oder sind Sie dagegen? Akzeptieren Sie die Schuldenbremse oder akzeptieren Sie sie nicht? Heute Morgen gab es dazu von keiner der Oppositionsfraktionen eine klare Antwort.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wer sie ablehnt, handelt schlicht verfassungswidrig; damit ist der betreffende Debattenbeitrag einfach nicht ernst zu nehmen. Wenn Sie die Schulden

bremse akzeptieren und sich damit auf dem Boden seriöser, ernst zu nehmender Politik bewegen, dann, meine Damen und Herren von der Opposition, ist die Frage, wie Sie sie einhalten wollen. Kollege Bierbaum hat richtigerweise gesagt, alleine durch Sparen ist Konsolidierung nicht möglich. Da sind wir beisammen! Da sagen wir als Koalition, es braucht als Strategie zur Einhaltung der Schuldenbremse einen Dreiklang, nämlich Sparen, aber auch Einnahmen erhöhen und zum Dritten eine Entlastung bei den uns so stark drückenden Altlasten. Aber, lieber Kollege Bierbaum, so richtig die Aussage ja ist - alleine durch Sparen ist eine Konsolidierung nicht möglich! Der Umkehrschluss ist aber auch richtig. Ohne Sparen geht es halt auch nicht! Darum drücken Sie sich herum.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Wenn es ums Sparen geht, ist die Opposition in dieser Debatte regelrecht sprachlos.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Das stimmt doch gar nicht!)

Welche konkreten Einsparvorschläge haben wir heute Morgen von der Opposition gehört?

(Lautes Sprechen. - Weiterer Zuruf des Abgeord- neten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Kein einziger konkreter Einsparvorschlag in dieser Debatte. Nullkommanull an Einsparvorschlägen von der Opposition, meine Damen und Herren, das ist nicht seriös, das ist keine ernst zu nehmende Politik.