Protocol of the Session on June 25, 2014

Herr Augustin, bitte unterbrechen Sie meine Rede nicht.

(Große Heiterkeit bei den Oppositionsfraktionen.)

Was Sie eben hier abgeliefert haben, war nach meiner Beurteilung wieder ein Stück Clownerie bei einem sehr ernsten Thema. Die LINKEN haben meiner Meinung nach ein gutes Thema aufgegriffen,

aber so, wie Sie das hier in Clownerie abhandeln wollen, geht das nicht.

(Beifall bei der SPD.)

Ich möchte das aus kommunalpolitischer Sicht bewerten. Wir beobachten seit Jahren eine eher privatisierungsfreundliche Haltung der Europäischen Union auch zum deutschen System der kommunalen Daseinsvorsorge. In diesem Zusammenhang kommen immer mal wieder Privatisierungsinitiativen aus Brüssel. Derzeit müssen sich die Landkreistage in Rheinland-Pfalz und dem Saarland beispielsweise bei dem Thema Tierkörperbeseitigung einer solchen Initiative der EU-Wettbewerbskommission erwehren. In der Konsequenz zeichnet sich bereits jetzt ab, dass die Tierkörperbeseitigung für die Beteiligten, also für die Bauern und Verwerter, aber auch für die Verbraucher, teurer wird als vorher. Die bisherige Organisation der Tierkörperbeseitigung über einen länderübergreifenden Zweckverband mit RheinlandPfalz und dem Saarland muss auf Druck der EU umgebaut werden und darf zukünftig nur noch eingeschränkt das bisherige Geschäft betreiben. Der Rest wird privatisiert. Das ist ein Problem.

Es gibt existenzielle Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge, die vor einem übertriebenen Privatisierungswahn geschützt werden müssen. Dazu gehören nach meiner Einschätzung zumindest die Wassererzeugung und -verteilung, die kommunale Kulturförderung und die Gesundheitsversorgung. Bekanntlich hat ein Bürgerentscheid in Berlin die Privatisierung der Wasserversorgung abgelehnt. Dort sollte aus der Finanznot des Landes heraus die Wasserversorgung verkauft werden. Auch solche Vorgänge sprechen für einen Schutzmechanismus über einen Bürgerentscheid.

Zu beachten sind auf jeden Fall aber auch betriebswirtschaftliche Gegebenheiten. Ein Krankenhaus, das sich im Minus befindet, ist ein objektiv vorhandenes Problem, egal ob privatwirtschaftlich organisiert oder in öffentlicher Hand. Insofern müsste bei entsprechenden Bürgerentscheiden auf jeden Fall eine Finanzierungsregelung im Falle der Beibehaltung der bisherigen Eigentumsverhältnisse aufgezeigt werden. Damit soll erreicht werden, dass der abstimmende Bürger sich auch im Klaren ist darüber, wie ein Defizit gegebenenfalls ausgeglichen werden könnte. In dem Gesetzentwurf fehlt aber eine entsprechende Formulierung.

Weitere Beispiele: Die saarländischen Landkreise und der Regionalverband Saarbrücken sind als Träger von Krankenhäusern - zum Beispiel in St. Ingbert mit Beteiligung an der SHG - und als Eigentümer von Nahverkehrsgesellschaften - in Saarlouis und Neunkirchen zum Beispiel als Anteilseigner der VSE - hauptsächlich betroffen. Gerade der Verkauf von Anteilen der VSE im letzten Jahr, und da haben

(Abg. Roth (SPD) )

wir als SPD eine abweichende Meinung zu der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, hat erst den Einstieg weiterer kommunaler Anteilseigner ermöglicht und damit die Kommunalisierung der VSE vorangetrieben. Was wäre passiert, wenn durch Bürgerentscheid in einem Landkreis die Veräußerung von Anteilen zugunsten kommunaler Stadtwerke gescheitert wäre? Das Beispiel zeigt, dass es auch Bereiche kommunaler Daseinsvorsorge gibt, wo Bürgerentscheide in die falsche Richtung gehen können.

Aus meiner Sicht muss daher unterschieden werden zwischen existenziellen Bereichen der kommunalen Daseinsvorsorge, Wasser- und Gesundheitsversorgung, und eher gemeinwirtschaftlichen Bereichen: Wohnversorgung, Abfall, Abwasser, Öffentlicher Personennahverkehr, Energieversorgung.

Schließlich noch ein weiterer Hinweis: Die Landkreise sind auch als Eigentümer von Sparkassen unterwegs, der Kollege Ulrich hat das aufgezeigt. Dies wird aber durch das Saarländische Sparkassengesetz geregelt. Die Sparkassen erfüllen über den sogenannten öffentlichen Auftrag zur Versorgung der Bevölkerung mit bankenüblichen Leistungen eine gemeinwohlorientierte Aufgabe. Würden die Sparkassen auch § 21b Abs. 1 Buchst. b (neu) des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes unterworfen, hätte das erhebliche Auswirkungen auf die Marke Sparkasse insgesamt, das heißt, sie müssten sich ständig in größerem Umfang einem eventuellen oder tatsächlichen Abstimmungsprozess ausgesetzt sehen, der an die Existenz der jeweiligen Marke Sparkasse gehen könnte.

Zusammengefasst: Die Gesetzentwürfe scheinen an einer Problemlösung orientiert, insbesondere im Hinblick auf die meiner Auffassung nach häufig zu privatisierungsfreundliche Haltung der EU oder sonstiger Akteure bezüglich des deutschen Systems der kommunalen Daseinsvorsorge. Sie haben im Detail aber durchaus Regelungslücken, die nicht bedacht wurden. Ich habe versucht, diese aufzuzeigen. Wir können deshalb dem Antrag nicht zustimmen und werden ihn ablehnen.

Wir sind gegen vorwiegend PR-orientierte symbolische Schnellschüsse. Ich wiederhole es noch einmal. Solche weitreichenden Änderungen, also Eingriffe in die saarländische Landesverfassung beziehungsweise in das Gesetz über die kommunale Selbstverwaltung, müssen im breiten politischen Diskurs mit allen, insbesondere mit den kommunalpolitischen Akteuren in unseren Gemeinden und Kreisparlamenten, wachsen und reifen. Nur dann tragen solche Vorschläge wirklich. Nach meiner Kenntnis ist dies aber bisher nicht einmal ansatzweise geschehen, denn ein konkreter Antrag eines Gemeinde- oder Kreisparlaments ist mir bis dato nicht bekannt, genauso wie mir der reale Hintergrund am 25. Juni des Jahres 2014 nicht so ganz klar ist, weil

es im Moment und auch in der näheren Vergangenheit keine Fälle gab - außer den der VSE -, wo die bisherige Regelung von Vorteil gewesen wäre.

Das Thema wird sicherlich bei uns auf der Tagesordnung bleiben, zumindest kann ich das für unsere Fraktion und auch für unsere Partei sagen. Im Übrigen gibt es bisher keinen bundesweiten Beschluss der SPD zum Thema Privatisierungsbremse. Das will ich nur einmal abschließend erwähnen, nicht dass gedacht wird, die machen das landauf, landab. Diese Debatte kann natürlich nicht nur regional geführt werden, sondern sie müsste eine Nummer größer und qualitativ tiefgehender geführt werden. Schnellanträge helfen nach unserer Auffassung an der Baustelle nicht.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat für die Fraktion DIE PIRATEN Herr Abgeordneter Prof. Dr. -

(Zurufe)

- - für die Fraktion DIE LINKE Herr Prof. Dr. Heinz Bierbaum.

Herr Präsident, die Zuordnung ist eindeutig und von daher ist das gar kein Problem. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Roth hat eben die Frage des Kollegen Augustin beantwortet, mit welchen Ausreden man diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen kann. Ich muss das jetzt noch einmal aufgreifen, um deutlich zu machen, um was es uns eigentlich geht. Ich glaube, dass das gerade durch den letzten Beitrag des Kollegen Roth doch ein bisschen „verunklart“ worden ist.

Worum geht es? Es geht darum, dass wir insbesondere die Bereiche der Daseinsfürsorge schützen, das heißt, dass wir wollen, dass das Gemeinwohlinteresse dort zum Tragen kommt und dass alle Bürgerinnen und Bürger Zugang zu diesen Leistungen haben. Und das sehen wir, Herr Kollege Theis, am besten dadurch gewährleistet, dass sich so etwas im öffentlichen Eigentum befindet, zumindest durch die öffentliche Hand beherrscht wird und ein entscheidender Einfluss der öffentlichen Hand gesichert ist.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das ist der entscheidende Punkt. Deswegen trifft überhaupt nicht zu, was hier ständig angemahnt wird, nämlich der breite Diskurs. Selbstverständlich sind wir für diesen breiten Diskurs. Wir wollen mit unserem Gesetzesvorhaben genau diesen Weg öffnen. Der Punkt ist doch, dass das in den Ausschüssen beraten werden muss, wo es Anhörungen gibt und dergleichen mehr. Das ist eine gute Grundlage,

(Abg. Roth (SPD) )

um diesen breiten Diskurs auch wirklich zu ermöglichen. Das ist der Sinn und Zweck.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Natürlich gibt es eine Reihe von offenen Fragen, die hier zu Recht gestellt worden sind, beispielsweise welche Unternehmen das im Einzelnen sind, und die Frage, was muss öffentlich organisiert werden, was muss nicht öffentlich organisiert werden. Das ist sicherlich ein Diskussionspunkt zwischen uns, wo wir möglicherweise unterschiedliche Auffassungen haben. Der Kollege Ulrich hat darauf hingewiesen. Er hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es dort, wo der Staat tätig ist, nicht immer besonders gut ist. Da sagen wir ganz klar: Wenn der Staat sich verhält wie ein x-beliebiger Privatkapitalist, der sich am Profit orientiert, dann hat das mit der Gemeinwohlorientierung, die wir wollen, überhaupt nichts zu tun. Insofern geht es nicht bloß um die Frage öffentlich oder privat, sondern die Frage ist, welche Unternehmenszielsetzungen verfolgt werden, was denn wirklich im Vordergrund stehen soll. Das ist der entscheidende Punkt.

Herr Kollege Theis, Sie haben sich mit den Thesen auseinandergesetzt, die unserem Antrag zugrundeliegen, insbesondere mit der These 2, dass wir damit meinten, dass bei privat organisierten Unternehmen grundsätzlich der Zugang ausgeschlossen sei. Das halte ich für übertrieben. Das haben wir nie unterstellt, sondern wir haben gesagt, der Zugang ist besser möglich, Missbrauch und Verschlechterungen wird ein Riegel vorgeschoben. Sie haben ja zu Recht auf die Sozialbindung des Eigentums entsprechend unserem Grundgesetz hingewiesen. Aber ich glaube, der Vormittag würde nicht ausreichen, um all die Verstöße gegen diese Sozialbindung aufzuzählen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Es ist doch nicht so, dass beispielsweise die Privatisierung der Bahn zu einem Fortschritt geführt hätte. Was die Versorgung mit Dienstleistungen angeht, das sehen wir ja gerade gegenwärtig, so hat sich dieser Bereich erheblich verschlechtert.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Auch bei der Telekommunikation sollten wir nicht vergessen, was bei den Bedingungen für die Beschäftigten dort alles angerichtet worden ist. Insofern müssen wir schon sehen, dass der Verweis auf die Sozialbindung des Grundgesetzes allein nicht reicht, sondern dass wir auch entsprechend Vorsorge treffen sollten. Deswegen sind wir der Auffassung, dass es möglichst öffentlich organisiert sein soll. Und wenn eben veräußert werden soll, dann da haben Sie recht - wollen wir die Hürden hochsetzen. Das heißt nicht, dass das völlig unmöglich wird.

Auch das Thema Zeitbedarf ist nach meinem Dafürhalten kein wirklich gutes Argument. Es ist klar, dass demokratische Entscheidungen auch einen bestimmten Zeitbedarf haben. Und dass jetzt seitens der SPD - das hat mich schon etwas gewundert man mit betriebswirtschaftlichen Überlegungen kommt, das finde ich schon etwas befremdlich.

Ich will dazu noch etwas Grundsätzliches sagen: Die Unterstellung, dass privat grundsätzlich besser organisiert ist als öffentlich, ist einfach falsch.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich sage aber umgekehrt nicht, dass öffentlich besser ist als privat, damit Sie nicht den Umkehrschluss ziehen. Der Punkt ist doch der: Wirklich effizient und gut organisiert werden kann es sowohl öffentlich als auch privat. Und wenn ich mir die Entwicklung von einigen Unternehmen im Saarland anschaue, der Kollege Lafontaine hat auf die Entwicklung der Schraubenfabrik in Beckingen hingewiesen, dann kann ich nur sagen, da konnte von einem effektiven Management und effizienter Führung überhaupt nicht die Rede sein.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Um es noch einmal deutlich zu machen, worum es geht: Es ist zu Recht davon gesprochen worden, dass wir keinen Ausschluss der Privatisierung wollen, sondern wir wollen eine Privatisierungsbremse, sozusagen als Korrektiv zu der von Ihnen befürworteten Schuldenbremse, damit nicht unter dem Diktat der Schuldenbremse auch noch das Tafelsilber verkauft wird und öffentliche Leistungen und Daseinsfürsorge schlechter werden. Das ist unser Punkt und deswegen wollen wir dies durch eine andere Organisation schützen, deswegen wollen wir entsprechende Hürden aufbauen.

Den Hinweis auf den Finanzierungsvorbehalt bei den Volksentscheiden nehmen wir gerne auf. Es gibt bestimmte Lücken, die korrigiert werden müssen. Ich glaube aber nicht, dass das ein grundsätzlicher Einwand gegen die Zielsetzung unseres Antrags ist. Das können wir alles in den Ausschüssen im Einzelnen diskutieren.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Es geht nicht darum, dass wir der Auffassung sind, dass die SPD jetzt insgesamt auf Bundesebene einen Beschluss gefasst hätte. Aber es ist schon etwas merkwürdig, dass wir in Berlin, in Hessen und Thüringen entsprechende Initiativen haben, wo dieser Weg geöffnet wird mit durchaus ähnlichen, ja fast gleichlautenden Anträgen. Warum sollten wir hier nicht auch in einen Dialog kommen? Deswegen noch einmal: Stimmen Sie unseren Entwürfen zu! Dann haben wir die Möglichkeit, einen wirklich breiten Diskurs zu organisieren, alles das zu machen, was Sie einfordern, auch zu diskutieren, was sinn

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

voll ist und was nicht sinnvoll ist. Darüber können wir uns auseinandersetzen.

Aber wir müssen uns doch darüber einig sein, dass wir, was die Daseinsfürsorge betrifft, was Wohnen und dergleichen angeht, Verschlechterungen verhindern wollen. Durch Privatisierung ist die Daseinsfürsorge, darauf hat der Kollege Ulrich zu Recht hingewiesen, in vielen Fällen schon verschlechtert worden, seien es die Verkehrsbetriebe in Pforzheim, seien es die Wohnungen in Dresden. Die Wasserversorgung, die Abfallentsorgung, das Wohnen, öffentliche Leistungen im Verkehrsbereich, auch die Gesundheitsfürsorge müssen so organisiert werden, dass das Ergebnis qualitativ hochwertig ist. Wir müssen Zugang zu diesen Leistungen haben, dürfen diesbezüglich keine Verschlechterungen erleiden. In den Fällen, in denen beabsichtigt ist, die Organisationsform in Richtung einer Privatisierung zu verändern, muss folgerichtig auch die Bevölkerung einbezogen werden. Das wäre ein Stück gelebte Demokratie. - Vielen Dank.

(Beifall von der LINKEN und B 90/GRÜNE und bei den PIRATEN.)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. - Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung des Saarlandes zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung zu überweisen und den Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes an den Ausschuss für Inneres und Sport.

Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung des Saarlandes. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes Drucksache 15/954 in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? Ich stelle fest, dass dieser Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit abgelehnt worden ist. Zugestimmt haben die Oppositionsfraktionen, abgelehnt die Regierungsfraktionen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes Drucksache 15/953 in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Inneres und Sport ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass auch dieser Gesetzentwurf, Drucksache 15/953, mit Stimmenmehrheit

abgelehnt ist. Zugestimmt haben die Oppositionsfraktionen, abgelehnt die Regierungsfraktionen.