Da heißt es nämlich: „Das Saarland stellt sich der humanitären Verantwortung für syrische Flüchtlinge.“ 589.700 Flüchtlinge im Jahr 2012, das mag sein, das sind aber nicht nur die syrischen, sondern alle Flüchtlinge, die egal woher nach Deutschland gekommen sind, vermutlich sogar die, die gemäß Dublin-II-Verordnung in andere EU-Länder zurückgeschoben wurden. Hätte man nur von syrischen Flüchtlingen gesprochen, wäre die Zahl natürlich deutlich kleiner gewesen, wie gesagt circa 7.500. Das hätte natürlich nicht so imposant gewirkt.
Außerdem ziehen Sie in Ihrem Antrag nur die Industriestaaten zum Vergleich heran. Unter den Industriestaaten stehen wir nämlich gut da. Gut, es gibt natürlich Schweden, das hat der Kollege Ulrich schon angeführt. Schweden nimmt im Verhältnis zur Einwohnerzahl wesentlich mehr syrische Flüchtlinge auf als wir. Auf 10.000 Einwohner in Schweden kommen 24 syrische Flüchtlinge, auf 10.000 Einwohner in Deutschland nur zwei! Wenn man Schweden als Maßstab genommen hätte, stünden wir ziemlich schlecht da. Aber man kann natürlich von 589.700 Flüchtlingen insgesamt sprechen, das sieht halt toller aus. Das kann man machen, ist inhaltlich auch korrekt, hat aber mit syrischen Flüchtlingen nichts zu tun.
Die Einschränkung auf die Industriestaaten ist natürlich nicht ohne Grund in Ihren Antragstext gekommen. Wissen Sie, was ich Ihren 589.700 teilweise abgewiesenen Flüchtlingen entgegenstelle? Ungefähr genauso viele, 573.000 Flüchtlinge, allein aus Syrien, und zwar alle allein in Jordanien!
Und darüber hinaus noch einmal 612.000 in der Türkei und sage und schreibe 930.000 - also fast 1 Million - im Libanon!
Klar, wenn man sich bei der Betrachtung auf „führende Industriestaaten“ beschränkt, dann fallen Länder wie der Libanon eben durchs Raster, das ist klar. Das ist genau diese Schönrednerei in Ihrem Antrag, die ich hier angreifen muss,
denn die Last liegt, wie der Kollege Ulrich schon ausgeführt hat, gerade bei den Ländern, die keine Industriestaaten sind. Da sehe ich uns in der Verantwortung, etwas zu tun, dass diese Länder entlastet werden.
Um mal ein paar aufzuzählen: Wir stehen hier weit hinter Ländern wie dem Libanon, der Türkei, Jordanien, dem Irak und Ägypten zurück. Das sind Länder, mit denen man sich als Industriestaat nicht unbedingt vergleichen will, wenn es so aussieht, dass wir hier über die Aufnahme von höchstens 25.000 Menschen reden, also 15.000 Asylbewerberinnen und Asylbewerber plus 10.000 aus dem Kontingent, diese Länder aber insgesamt über 2,5 Millionen Menschen aufgenommen haben.
An der Stelle muss ich auch einmal sagen: In Syrien herrscht Bürgerkrieg! Von 22,5 Millionen Einwohnern sind 9 Millionen auf der Flucht. 9 Millionen! Und wir reden hier über 10.000 mehr oder weniger. Es geht um 9 Millionen Menschen. Davon, das hat die Kollegin Berg auch schon herausgestellt, sind eben, je nachdem, wie man es betrachtet, 5,5 Millionen Kinder, davon 2 Millionen, die aufgrund des Bürgerkrieges in psychologische Betreuung müssen.
Nun haben Bundesinnenminister Thomas de Maizière und die Innenminister von drei Ländern, nämlich Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, die Absicht erklärt, nachdem das zweite 5.000er-Kontingent auch ausgeschöpft ist, das Flüchtlingsprogramm trotzdem fortzusetzen und weitere Flüchtlinge aufzunehmen. An der Stelle muss ich sagen, der Bundesinnenminister und die Innenminister dreier Länder tun es. Ich frage mich, warum wir nicht dabei sind.
Es dürfte klar sein, dass wir unter diesen Bedingungen dem Antrag der Koalition nicht zustimmen können. Ich gehe noch auf einige weitere Dinge ein. Herr Becker, Sie wollten eben keine Frage zulassen. Sie haben die Antwort auf meine Frage aber implizit gegeben. Diese Frage hätte gelautet, ob Sie Dublin II oder Dublin III meinten, als Sie von der Verordnung geredet haben. Nach dem, was Sie gesagt haben, können Sie nur von Dublin II gesprochen haben, denn gemäß Dublin III ist es sehr wohl möglich, genau das zu tun, was Sie als illegal bezeichnet haben. Sie sagten, wir würden mit unserem Antrag von Beamten verlangen, gegen geltendes Recht zu verstoßen.
Gemäß Dublin-III-Verordnung ist es möglich, diese Leute hier aufzunehmen. Die Dublin-III-Verordnung gilt seit Beginn dieses Jahres.
Falls Sie es noch nicht gemerkt haben, es ist schon April und Dublin III gilt schon etwas länger. Sie haben also meine Frage, von welcher Verordnung Sie sprechen, beantwortet, indem Sie gesagt haben, es wäre nicht möglich. Das ist nach der Dublin-II-Verordnung korrekt, mit Dublin III allerdings nicht mehr. - Willkommen im Jahr 2014.
Wie bereits gesagt werden wir dem Antrag der Koalition deshalb nicht zustimmen. Wir bitten weiterhin um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat Herr Fraktionsvorsitzender Hubert Ulrich von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte mich eigentlich nicht mehr zu Wort melden, aber, Kollege Becker, Ihr Redebeitrag hat mich doch dazu motiviert, mich noch einmal zu melden. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich habe den Kopf geschüttelt über die Art und Weise, wie Sie hier argumentiert haben. Ich habe das Gefühl, wie Sie hier argumentiert haben, haben Sie es nicht so getan, wie manche, wahrscheinlich sogar viele in Ihrer Fraktion das sehen und denken. Es war etwas daneben. Das sage ich Ihnen ganz offen. Sie fingen direkt mit Stammtischsätzen an: Deutschland macht alle Tore auf. - So laute der Antrag der PIRATEN und GRÜNEN.
Das hat er gesagt, das habe ich mitgeschrieben. Deutschland mache alle Türen auf. Das hat er hier so gesagt. Wir werden es im Protokoll nachlesen. Das habe ich gleich mitgeschrieben. Deshalb habe ich mich gemeldet. Das war der erste Satz, aber das haben wir nicht beantragt, wir haben beantragt, die Kontingente im Rahmen des gesetzlich Möglichen zu erhöhen. Das ist etwas völlig anderes als das, was Sie ins Feld geführt haben. Ich erwähne die Zahlen noch einmal, die der Flüchtlingsrat genannt hat. Ich denke, die Ministerin wird nachher noch zu diesem Thema reden. Ich bin gespannt auf die Zahl, die sie nennt. Der Flüchtlingsrat sagt, wir haben gerade einmal 40 Menschen aus Syrien im Saarland. Das ist aber gar nicht einmal der Kern.
Ich habe auch den Kopf geschüttelt bei Ihren direkten und indirekten Vergleichen. Auf der einen Seite leben wir, auf der anderen Seite werden massenweise Kinder und Menschen abgeschlachtet. Sie reden als Gegenargument von Pfändungsfreigrenzen. Das war das Verhältnis, in das Sie alles gesetzt haben. Da muss ich Sie einfach fragen, welcher Partei Sie angehören. Einer christlichen? Ich glaube, christlich wird anders definiert und hat nichts zu tun mit dem Impetus, den Sie mit Ihrer Art der Argumentation hier rübergebracht haben. Es tut mir leid, aber das war in der Sache völlig daneben.
Man kann wirklich darüber diskutieren, ob wir es als Land schaffen, so viele Flüchtlinge aufzunehmen oder nicht, aber in Bausch und Bogen alles wegschieben, das Elend sei zwar in der Welt, uns gehe es aber nichts an, weil die anderen auch nichts täten, das geht so nicht. Was für ein Argument ist das denn? Es ist vollkommen klar, man muss irgendwo Grenzen ziehen. Da sind wir uns einig. Aber die Grenzen liegen weit weg von dem, was wir im Saarland und in Deutschland bisher an Zahlen haben. Die 10.000 Menschen, die wir haben, das ist wirklich ein Schnapsglas von dem, was wir aufnehmen könnten. Bosnien ist mehrfach genannt worden. Da sind es über 300.000 Menschen gewesen. Vor allen Dingen muss man wissen, dass die Masse dieser Menschen in ihre Länder zurückgeht, nachdem der Bürgerkrieg beendet ist. Das war auch bei Bosnien so.
Sie haben ein schönes Beispiel genannt. Auch das ist mir aufgestoßen. Sie sagten, Sie seien von Ärzten behandelt worden. Sie haben selbst gesagt, woher diese Ärzte kamen: Es waren syrische Ärzte. Das macht einen anderen Teil der Debatte klar. Wir brauchen hier in Deutschland qualifizierte Menschen aus dem Ausland, auch qualifizierte Menschen aus Syrien. Wir wären froh, wenn es eine Reihe von qualifizierten Syrerinnen und Syrern gäbe, die hier
bleiben und unser System in Zukunft weiter stützen. Sie haben sich selbst als Beispiel angeführt. Auch das darf man in der Debatte nicht vergessen.
Sie haben eben dargestellt, wir würden Beamte zum Rechtsbruch auffordern. Herr Becker, an keiner Stelle haben wir das getan. Wir haben die politische Ebene aufgefordert, einen Rechtsrahmen zu erweitern. - Ja, da können Sie ruhig schmunzeln. Wir haben die politische Ebene, das Parlament, die Regierung und auch die Bundesregierung aufgefordert, einen Rahmen zu erweitern. Wir haben keinen einzigen Beamten zum Rechtsbruch aufgefordert. Darum geht es nicht. Das muss man einfach klarmachen.
Ich habe mir einen weiteren Punkt notiert. Es geht um eine Debatte, die ebenfalls läuft. Herr Becker, das wird Ihnen auch nicht gefallen. Die Argen bringen derzeit in die Diskussion, qualifizierte Asylbewerberinnen und -bewerber ganz gezielt anzusprechen, um sie bei uns in Handwerksberufe und Ähnliches zu bringen. Das ist ein sinnvoller Vorstoß. Das geht in dieselbe Richtung. Ich will damit unter dem Strich nur sagen, dass wir viele Menschen aus diesen Ländern brauchen. Es gibt keinen Grund, einfach die Grenzen zuzumachen, sich abzuschotten und dann zu sagen, die anderen machen auch nicht mehr. Man hat die historische Verpflichtung, man hat die menschliche Verpflichtung. Diese muss man wahrnehmen. Man kann nicht so argumentieren, wie Sie argumentiert haben. Das hörte sich für mich wirklich so an, als gehe es um die Lufthoheit über den Stammtischen, nicht um die Flüchtlingsproblematik. Herr Becker, das ist das Problem an Ihrer Art der Argumentation. Ich bitte Sie, in Zukunft bei einer solchen Frage mehr ins Thema einzusteigen und von diesen Plattitüden wegzubleiben. - Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen Landtagsabgeordnete. Herr Ulrich, ich war am Schluss schon etwas erschrocken über die Lautstärke.
Ich war erschrocken, wie Sie die Situation und die Diskussion, die bis zu diesem Zeitpunkt gut gelaufen ist, umdrehen.
(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Nein, sie ist schlecht gelaufen ab dem Zeitpunkt, ab dem der Kollege Becker geredet hat.)
Ich will Ihnen aus meiner Sicht einige Dinge darstellen. Kollege Augustin hat gesagt: „Tue Gutes und rede darüber.“ Das will ich gerne tun, indem ich Ihnen erzähle, dass Menschen, die Hilfe brauchen, im Ministerium anrufen können und an meinem Telefon landen. Als Beispiel nenne ich einen Arzt, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt und hier eine gute Position hat. Er hat gesagt, Frau Bachmann, Sie müssen mir helfen. Herr Augustin, ich erzähle Ihnen nun etwas. Ich tue Gutes, rede mit Ihnen darüber und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir zuhören würden. Dieser Arzt sagte mir, vor einigen Jahren sei seine Schwester aus Syrien gekommen und hier operiert worden. Sie sei damals schwer an Krebs erkrankt gewesen. Er habe nun alles versucht, was mit dem Kontingent von Deutschland möglich sei, um die Schwester, bei der der Krebs erneut ausgebrochen sei, wieder hierher zu holen. Es sei ihm nicht möglich gewesen. Ich habe mich persönlich dafür eingesetzt, bei jeder Stelle, die notwendig ist, um diese Frau nach Deutschland zu holen. Herr Augustin, sie wird nächste Woche in Deutschland operiert.
Ich sage Ihnen das, weil Sie gesagt haben: Tue Gutes und rede darüber. Ich tue noch etwas Gutes. Ist Ihnen eigentlich klar, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich in der Ausländerbehörde an Recht und Gesetz halten müssen, eine Verantwortung tragen? Die stehen morgens nicht auf, um dem einen oder anderen gegenüber grausam zu sein! Vielmehr haben sie es mit gesetzlichen Regelungen zu tun und wollen den Menschen, die in unserem Land Hilfe suchen und bleiben wollen, unter humanitären Gesichtspunkten helfen.
Aus diesem Grunde danke ich nicht nur den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ich danke auch den Wohlfahrtsverbänden in diesem Lande, die großartige Leistungen vollbringen bei den 1.300 und mehr Menschen, die seit Jahren oder Monaten in Lebach in der Landesaufnahmestelle leben. Ich danke der Härtefallkommission, dem Flüchtlingsrat, der großartige Arbeit leistet, auch wenn er ab und zu etwas mehr in Kontakt mit mir stehen könnte und nicht nur einfach Journalisten einladen sollte, die Praktikanten sind, die Berichte schreiben und im Ministerium noch nicht mal nachfragen, ob die Zahlen, die veröffentlicht werden, richtig sind. Ich danke auch den Kirchen.
Herr Augustin, Sie haben eben gefragt: Warum macht denn unsere Landesregierung, unsere Innenministerin nicht das Gleiche wie Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen? Wissen Sie was? Der Innenminister Kollege Jäger aus Nordrhein-Westfalen ist unser Vorsitzender, die beiden anderen sind die Vorsitzenden der A- und BLänder. Deshalb haben die für uns alle gesprochen.