Protocol of the Session on February 12, 2014

Wir beklagen an vielen Stellen Rückschritte statt Fortschritte, beispielsweise bei der Niedtalbahn von Dillingen nach Niedaltdorf. Die CDU der Gemeinde Rehlingen will sie auch weiter ausbauen, denn die Niedtalbahn ist für Schüler und Pendler unverzichtbar. Woher soll aber das Geld dafür kommen? Die Rosseltalbahn fährt nicht mehr. Bei Homburg/Zweibrücken reden wir seit Jahren über eine Reaktivierung und die Strecke von Merzig nach Losheim wird nur noch von der Museumsbahn genutzt.

Die Finanzierung des ÖPNV ist wegen der knappen Haushaltslage angespannt und wird sich in den fol

genden Jahren wegen der Schuldenbremse noch weiter verschlechtern. Daher schlagen wir zur Finanzierung in unserem Gesetzentwurf einen Nahverkehrsbeitrag vor, man könnte auch Mobilitätsflatrate sagen. Ziel ist es, den ÖPNV zu stärken und die Bevölkerung zur Nutzung von Bus und Bahn zu animieren. Autofahrer sollen vom Auto in die öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen. Abgase, Lärm und Unfälle sollen verringert werden.

Ich möchte unser Modell des fahrscheinlosen ÖPNV kurz erklären. Alle Saarländerinnen und Saarländer unter 18 Jahren können Bus und Bahn kostenlos nutzen. Das ist kinderfreundlich und kommt insbesondere Familien zugute.

(Beifall von den PIRATEN. - Zuruf von der CDU: Und die Oma?)

Alle Personen über 18 Jahre zahlen monatlich eine Umlage von etwa 20 Euro. Wir haben einen Betrag gewählt, den sich jeder leisten kann. Wir haben den SGB-II-Wert für Mobilität gewählt. Das sind zurzeit 19,64 Euro.

(Zuruf des Abgeordneten Pauluhn (SPD).)

Herr Pauluhn, ich erkläre es Ihnen gerne beim Kaffee.

(Zurufe von den Regierungsfraktionen: Nein, jetzt!)

Unser Konzept ist familienfreundlich gestaltet. Es entlastet Familien mit schulpflichtigen Kindern.

(Erneuter Zuruf von der CDU: Und die Oma?)

Ich möchte ein Beispiel nennen: Eine fünfköpfige Familie mit drei schulpflichtigen Kindern braucht für jedes Kind eine Monatskarte. Bei Preisen zwischen 30 und 110 Euro für eine Monatskarte kommen bei der Familie schnell 150 Euro zusammen. Mit unserem Konzept fahren die Kinder und Jugendlichen kostenlos. Die Eltern zahlen etwa 20 Euro im Monat. Das ist wesentlich weniger als bisher und entlastet Familien.

(Abg. Rink (CDU) : Und was ist mit der Oma?)

Das Konzept ist bereits in Modellstädten wie Hasselt sehr erfolgreich. Zu nennen sind auch Lübben und Templin in Brandenburg. Dort wurde leider eine andere Finanzierung gewählt. Deshalb musste aus Kostengründen eingestellt werden. In Tübingen wurde zur Einführung einer ÖPNV-Nahverkehrsabgabe eine wissenschaftliche Arbeit durch die Universität Bayreuth angefertigt. Die Idee ist bereits vor einigen Jahren als Teil der Klimaschutzkampagne „Tübingen macht blau“ entstanden. Ziel der Idee ist mehr Klimaschutz im Verkehr der Stadt. Hintergrund für die Konkretisierung der seit einiger Zeit in Tübingen diskutierten Pläne ist, dass die rot-grüne Landesregierung dort 2011 im Koalitionsvertrag festgeschrieben

( A b g. N e y s e s ( P I R A T E N ) )

hat, dass die Landesregierung eine Gesetzesänderung prüfen will, nach der sich Kommunen für den Ausbau ihres ÖPNV eigene Finanzierungsquellen erschließen können. Im Moment muss noch auf diese Gesetzesänderung gewartet werden. So lange liegen die Pläne auf Eis. Aber sollten diese Pläne umgesetzt werden, wäre Tübingen die erste Stadt in Deutschland mit einer Nahverkehrsabgabe. Der Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, treibt die Pläne auch voran. SPD, GRÜNE und LINKE sind dafür. Zurzeit spricht sehr viel dafür, dass die Pläne umgesetzt werden.

Ein Beispiel für diese Art der Finanzierung sind auch die Semestertickets an Hochschulen und Universitäten. Da alle Studenten zum Kauf verpflichtet sind, ist der Preis weitaus günstiger als Sechs-MonatsTickets, die von jedem Studenten anstelle des Semestertickets gekauft werden müssten. Das Semesterticket wurde erfolgreich eingeführt. Die Diskussion war damals die gleiche wie heute, dennoch wurde es erfolgreich eingeführt. Ich sehe auch die zweite Stufe als gute Möglichkeit, das Saarland voranzubringen.

(Beifall bei den PIRATEN.)

Ein fahrscheinloser ÖPNV für alle Saarländerinnen und Saarländer würde dem Saarland mittelfristig auf zehn Jahre gerechnet 2 Milliarden Euro bringen. Damit könnte der Nahverkehr bedeutend ausgebaut werden. Die Taktraten könnten verbessert werden und Busse würden auch in entlegenen Gebieten häufiger fahren. Wenn mehr Menschen den ÖPNV nutzen, können auch unsere Klimaziele besser erreicht werden. Wir können den demografischen Wandel mit dem fahrscheinlosen ÖPNV besser gestalten, denn ohne vernünftige Finanzierung wird es auf Dauer immer teurer, dann fahren weniger Leute mit, die Abwärtsspirale dreht sich.

Zum Schluss noch ein Wort zur rechtlichen Umsetzbarkeit. Ich höre ja immer wieder den Kommentar, das sei rechtlich so nicht möglich. Den Zweiflern empfehle ich daher die rechtliche Betrachtung von Rödl & Partner zum umlagefinanzierten ÖPNV.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie das Saarland einmal Vorreiter sein. Wir wären das erste Bundesland mit einem fahrscheinlosen öffentlichen Personennahverkehr. Entscheiden Sie nach Sachlichkeit und nicht danach, von wem der Gesetzentwurf kommt. An Ihren Zwischenrufen merke ich, dass Sie den Entwurf in der jetzigen Form nicht möchten. Dann sollten Sie ihn wenigstens in der Ersten Lesung gemeinsam mit uns annehmen und in den Ausschuss überweisen. Dort können Sie immer noch das, was Sie wünschen, ändern und in Zweiter Lesung Ihre Wünsche umsetzen.

(Abg. Hans (CDU) : Fahrscheinlos und kopflos!)

Gerne wird beim ÖPNV auch argumentiert mit „nicht seriös durchgerechnet“,

(Zuruf aus den Regierungsfraktionen: Na, na, na!)

ein Totschlagargument. Wenn Sie eine Überweisung an den Ausschuss auch nicht möchten, dann nehmen Sie wenigstens die Anregungen mit, die wir geben. Diskutieren Sie die intern, Kolleginnen und Kollegen. Das ÖPNV-Gesetz läuft 2015 aus. Dann muss es auf jeden Fall angepasst werden. Ich bitte um Zustimmung. - Vielen Dank.

Vielen Dank. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat die Abgeordnete Elke Eder-Hippler von der SPD-Landtagsfraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das saarländische ÖPNV-Gesetz muss novelliert werden. Da stimmen wir mit Ihnen überein, Kollege Neyses. Ich denke, da stimmen alle hier im Hause mit Ihnen überein. Nachdem das Personenbeförderungsgesetz vom Bund inzwischen auch angepasst wurde, ist es jetzt auch sinnvoll, diese Aufgabe in Angriff zu nehmen.

Nur fürchte ich, dass an dieser Stelle die Gemeinsamkeiten auch schon beendet sind. Denn ein ÖPNV-Gesetz, lieber Kollege, kann man nicht im stillen Kämmerlein stricken und dann die Welt damit beglücken. Vielmehr müssen Sie die Betroffenen beteiligen, und genau das macht im Moment das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr. Es hat bereits ein Workshop stattgefunden mit den Aufgabenträgern und den Städten, die eigene kommunale Verkehrsunternehmen besitzen. Dort wurden Problempunkte und künftige Strukturen diskutiert. Ein zweiter Workshop mit weiteren Akteuren des ÖPNV findet demnächst statt.

Der Gesetzentwurf befindet sich zurzeit in der internen Abstimmung, soweit ich richtig informiert bin, Kollegin Rehlinger, und soll uns noch vor der Sommerpause zugeleitet werden. Ich lade Sie, Herr Neyses und Ihre Fraktion, jetzt schon dazu ein, sich in dieses Gesetzgebungsverfahren einzubringen.

Die Zwischenzeit könnten Sie nutzen, um an Ihrem Entwurf noch etwas zu feilen. Er enthält nämlich nicht nur ein paar handwerkliche Fehler, nein, Sie haben auch ein paar ganz dicke Brocken übersehen. Mit Ihrem Gesetz wollen Sie zum Beispiel den ÖPNV zur kommunalen Pflichtaufgabe machen. Haben Sie darüber schon einmal mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in diesem Land geredet? Haben Sie die einmal gefragt, was sie davon halten? Angesichts leerer kommunaler Kassen dürf

( A b g. N e y s e s ( P I R A T E N ) )

ten die wohl nicht sonderlich davon begeistert sein, wenn sie noch den ÖPNV als kommunale Pflichtaufgabe aufs Auge gedrückt bekommen.

(Zuruf des Abgeordneten Neyses (PIRATEN).)

Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Ihr ÖPNV-Gesetz soll ja dazu führen, dass in den öffentlichen Haushalten die Mittel für den ÖPNV geradezu sprudeln werden, die Kassen werden überlaufen. Bei einer Abgabe, wie Sie sie planen, haben Sie allerdings etwas übersehen. - Wie hoch soll die monatliche Abgabe eigentlich sein? Vorhin haben Sie von 19,64 Euro gesprochen, in der Presse standen 20,40 Euro.

(Abg. Neyses (PIRATEN) : Wir verweisen auf Hartz-4-Empfänger und den Anteil für Mobilität.)

Ihr Gesetzesvorschlag nimmt Bezug auf das RBEG, dort stehen nach meiner Kenntnis 22,78 Euro drin als regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgaben der Einpersonenhaushalte. Vielleicht sollten Sie sich einmal klar darüber werden, welche Höhe Sie überhaupt wollen.

Aber im Moment ist das eigentlich egal, denn Sie haben übersehen, dass eine solche Abgabe ohnehin nicht rechtskonform wäre. Sie haben zwar ein Gutachten beziehungsweise einen Aufsatz zitiert, aber die allgemeine Rechtslage geht davon aus, dass jeder Abgabe auch eine Gegenleistung gegenüberstehen muss. Und es gibt im Saarland jede Menge Menschen, die den ÖPNV nicht nutzen wollen oder können. Mit der ersten Klage eines dieser Menschen ist die wunderschöne Finanzierung des fahrscheinlosen ÖPNV Makulatur. Ich gehe mit Ihnen jede Wette ein, dass sich die Saarländerinnen und Saarländer Ihrer Zwangsabgabe nicht widerspruchslos ergeben werden. Zumal, wie gestern Abend im Aktuellen Bericht zu hören war, Sie ja beabsichtigen, die Franzosen auch kostenlos den ÖPNV des Saarlandes nutzen zu lassen, denn die bringen ja schließlich ihre Wirtschaftskraft mit.

(Abg. Hilberer (PIRATEN) : Deutsch-französische Freundschaft.)

Ich vermute einmal, Ihre Aussage gilt nicht nur für die Franzosen, sondern auch für die Pfälzer und Luxemburger. Wenn wir schon grenzüberschreitend denken, machen wir das auch in die andere Richtung.

(Abg. Hilberer (PIRATEN) : Wir mögen unsere Nachbarn.)

Ich schätze, die Saarländerinnen und Saarländer werden Ihnen spätestens an dieser Stelle sagen, dass auch sie ihre Wirtschaftskraft mitbringen, und sie werden wohl kaum einsehen, warum sie alleine einen kostenlosen ÖPNV für alle finanzieren sollen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Die Idee eines kostenlosen ÖPNV mag für manche sicherlich sehr reizvoll sein - allein, die Finanzierung, wie sie von Ihnen angedacht ist, funktioniert leider nicht. Nutzen Sie doch die Zeit bis zur Einbringung eines Gesetzentwurfes durch die Regierung, um einen wasserdichten, gerechten und bezahlbaren Finanzierungsvorschlag zu erarbeiten! Dann werden wir auch gerne mit Ihnen ernsthaft diskutieren. Aber bitte keine Schnellschüsse, die nicht tragen!

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. - Das Wort hat nun Prof. Dr. Heinz Bierbaum von der Fraktion DIE LINKE.

A b g. P r o f. D r. B i e r b a u m ( D I E L I N K E ) : Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist sicherlich eher ungewöhnlich, dass eine Oppositionspartei einen Gesetzesentwurf mit der Begründung einbringt, dass dieses Gesetz angepasst werden muss, weil es neuere Bestimmungen gibt. Üblicherweise ist das ja Sache der Regierung. Dennoch: Dieser Gesetzesentwurf ist mehr eine Initiative zur Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs und zu einer Neuorganisation des öffentlichen Personennahverkehrs. Grundsätzlich begrüßen wir derartige Initiativen, weil wir der Auffassung sind, dass der öffentliche Personennahverkehr gestärkt werden muss. Er ist im Saarland, was die Nutzung angeht, leider nicht sehr ausgeprägt. Ideen, wie die Nutzung verbessert werden kann, wie der öffentliche Personennahverkehr insgesamt verbessert werden kann, sollten wir aufgreifen und miteinander diskutieren.

Wir haben durchaus Sympathie für den Vorschlag eines fahrscheinlosen öffentlichen Personennahverkehrs, weil die Frage der Finanzierung und was eingebracht wird, in der Tat problematisch ist. Wir wissen um die Defizite im ÖPNV, wir wissen um die Finanzierungsprobleme. Wir wissen auch, dass er viel Geld kostet für Familien, die wenig Geld haben. Für solche Familien ist es oft vorteilhafter, das Auto zu nutzen als den öffentlichen Personennahverkehr, weil er einfach eine Menge Geld kostet, wenn man an eine größere Familie denkt, die ein eher geringes Einkommen hat. Insofern muss darüber nachgedacht werden, ob der ÖPNV nicht günstiger gestaltet werden kann. Deshalb ist das durchaus ein Vorschlag, den man aufgreifen sollte und über den man diskutieren sollte.

Was allerdings den Vorschlag betrifft, dies durch eine Verkehrsabgabe zu finanzieren, muss ich sagen, dass wir diese Form der Finanzierung für falsch halten, und zwar deswegen, weil sie im Grunde genommen an die Stelle eines in der Tat vorhandenen Defizits tritt. Wenn man den öffentlichen Personennah

( A b g. E d e r - H i p p l e r ( S P D ) )

verkehr als eine öffentliche Aufgabe betrachtet - das sehen wir auch so -, dann muss er auch öffentlich finanziert werden können. Und damit sind wir natürlich bei einem Grundsatzproblem, dem Problem der Steuerpolitik. Im Grunde genommen müsste so etwas über öffentliche Mittel steuerfinanziert werden und nicht in Form einer Zwangsabgabe für jeden Einzelnen. Wobei man mit den Abgaben vorsichtig sein muss. Wir haben auch andere Gebühren. Ich denke beispielsweise an die Rundfunkgebühren und andere Dinge, die ja auch aufgebracht werden. So ganz abwegig ist der Vorschlag nicht. Wir sind aber dennoch der Auffassung, dass diese Privatfinanzierung falsch ist, bei der von jedem Einzelnen ein Beitrag erbracht werden soll, ganz unabhängig davon, wie er sozial gestellt ist und welches Einkommen er hat. Wir halten das für falsch, weil hier sozusagen ein öffentliches Defizit über eine private Finanzierung kompensiert werden soll. Insofern sollte man auch über andere Finanzierungsformen nachdenken. Und da sind wir, wie ich schon sagte, bei diesem Thema, das uns durchweg bewegt, nämlich der Frage der Steuerpolitik.

Insgesamt, denke ich, sollten wir diesen Vorstoß aufgreifen. Man sollte auch ungewöhnliche Wege gehen. Ich halte es für wichtig, dass der öffentliche Personennahverkehr gestärkt wird. Das ist aus Gründen des Umweltschutzes auch im Sinne der Erreichung der Klimaziele durchaus sinnvoll. Ich glaube, hier haben wir Nachholbedarf. Die bisherige Organisation ist sicherlich nicht voll zufriedenstellend. Deswegen sollte hier auch eine breite gesellschaftliche Diskussion geführt werden. Ich betrachte den Vorstoß der PIRATEN-Fraktion in der Richtung, dass damit auch eine breite gesellschaftliche Diskussion gewollt wird, dass über diese Dinge nachgedacht wird und neue Wege erprobt werden können. Insofern sollten wir diese Idee positiv aufgreifen. Vielen Dank.