Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben gerade die Einbringungsrede des Kollegen Augustin von den PIRATEN zu den beiden Gesetzentwürfen gehört. Sehr geehrte Damen und Herren von der Presse, ich bitte Sie, mich nicht falsch zu verstehen. Ich glaube nämlich, dass die Presse in der Lage ist, Wahlergebnisse so, wie sie heute festgestellt werden, durchaus auch unseren Bürgern transparent darzustellen. Das kann wirklich nicht der Grund sein, eine Wahlrechtsänderung herbeizuführen.
Die Anträge der Fraktion der PIRATEN zur Alternativstimme und zur Frage des Sitzverteilungsverfahrens, die uns in den Drucksachen 15/676 bezie
hungsweise 15/677 vorliegen, haben ihren Ursprung in der Anhörung im Innenausschuss unter Hinzuziehung des Rechtsausschusses am 26. September. Ich möchte an der Stelle vorwegschicken, dass die beiden Ausschüsse ihren Zeitplan haben, wie sie die Anhörung auswerten und zum Abschluss kommen. Es ist uns vom Verfassungsgerichtshof aufgegeben worden, uns mit diesen Fragen zu beschäftigen. Ich glaube, es wäre sinnvoll, die Arbeit in den Ausschüssen und den Bericht abzuwarten und sich inhaltlich im Parlament mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Jetzt vorzugreifen und diese Gesetzentwürfe in die Beratung zu geben, ist meines Erachtens zur jetzigen Zeit unpassend. Ich bin aber durchaus gerne bereit, in dieser Frage mit Ihnen zu diskutieren.
In dieser Anhörung zur Evaluation der geltenden Fünf-Prozent-Klausel zum Landtagswahlrecht wurden mehrere Sachverständige gehört. Im Zuge dieser Anhörung wurde die Alternativ- oder Ersatzstimme als Instrument vorgeschlagen; Sie haben es ausgeführt. Gültige Stimmen für Wahlvorschläge, die weniger als 5 Prozent der Stimmen erhalten haben, sollen zumindest teilweise berücksichtigt werden. Es war ein Vorschlag, der dazu dienen soll, die Auswirkung der Höhe der generellen Sperrklausel zu mindern.
Die Alternativstimme im saarländischen Wahlgesetz wäre so, wie Sie sie vorschlagen, ein Novum. Das deutsche Wahlrecht - ob im Bund oder in den Ländern - kennt die Alternativ- oder Ersatzstimme nicht. Der Vorschlag selbst ist nicht neu. Bereits vor der Anhörung im saarländischen Landtag hatte der Verein Mehr Demokratie e.V. 2008 in Berlin versucht, das Wahlrecht für die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen entsprechend zu ändern. Die Berliner Innenbehörde hatte damals verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht, denn der Vorschlag verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; sie erklärte ihn für rechtlich unzulässig. Damals wollte der Verein Mehr Demokratie den Vorschlag durch ein Volksbegehren durchsetzen. Dieses wurde bis heute nicht beantragt.
2011 hatte sich der Petitionsausschuss des Bundestages mit der Alternativstimme zu befassen. Der damalige Petent verfolgte die Einführung der Ersatzstimme bei der Erst- und Zweitstimme bei der Bundestagswahl. In der Begründung führt der Petitionsausschuss verfassungspolitische wie auch verfassungsrechtliche Gründe an. Es sind Gründe, die vielleicht nicht in Gänze übertragbar sind, aber durchaus das Spannungsfeld deutlich machen, in dem wir hier diskutieren.
Zum einen wurde ausgeführt, dass die Einführung einer Ersatzstimme, die im Schrifttum für die Wahl nach Landeslisten aus Gründen einer verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Klausel gefordert worden ist, erheblichen verfassungspolitischen Bedenken begegne, da die Gewährung einer Ersatzstimme dem im Grundgesetz zum Ausdruck kommenden Stellenwert der Wahl zum Deutschen Bundestag nicht angemessen wäre. Ich glaube, das lässt sich grundsätzlich für alle demokratischen Wahlen und Entscheidungen feststellen.
Weiterhin wurde ausgeführt: „Bei dem entscheidenden Akt der demokratischen Willensbildung kann vom Wähler eine eindeutige politische Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition erwartet werden.“ Gilt das nicht auch für jede demokratische Entscheidung und jede Wahl? Auch die Abgabe einer Ersatzstimme könne ins Leere gehen - bei der Erststimme wegen der Beschränkung einer Stichwahl auf die beiden Bestplatzierten und bei der Zweitstimme wegen der geltenden Sperrklausel.
Darüber hinaus wurde angeführt, was Sie, Herr Kollege Augustin, vorhin quasi als in Kauf zu nehmenden Nachteil dargestellt haben. Die Einführung einer Ersatzstimme würde zur Verkomplizierung des Stimmabgabeverfahrens führen und zudem die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und erheblich verzögern, während hingegen Einfachheit, Übersichtlichkeit und Verständlichkeit des Wahlverfahrens und die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisermittlung jedoch wichtige Faktoren für die verfassungspolitische Legitimität eines Wahlsystems seien.
Ich glaube, es ist ganz wichtig hervorzuheben, dass wir die Einfachheit, die Übersichtlichkeit und die Verständlichkeit des Wahlverfahrens als Voraussetzung sehen müssen genauso wie die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisermittlung. Ich bitte auch zu bedenken, dass ein Auszählverfahren in dieser Frage äußerst schwierig gestaltet wäre. Man muss bedenken, dass in der Praxis zunächst Ergebnisse festgestellt werden müssen, bevor Alternativ- oder Ersatzstimmen ausgezählt werden können. - Die Ersatzstimme ist uns so, wie Sie sie darstellen, verfassungsrechtlich auch nicht geboten.
Ein weiterer Grund, der in der Begründung zur damaligen Petition ausgeführt wurde, war, dass in der Literatur gegen die Einführung einer Ersatzstimme auch verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht werden. So wird die Auffassung vertreten, dies wäre mit dem Charakter der Stimmabgabe als vorbehaltlos abzugebender, bedingungsfeindlicher Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstieße daher gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne von Art. 38 Abs.1 Satz 1 Grundgesetz und auch gegen das Demokratieprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz.
Die Anhörung im Innenausschuss muss entsprechend ausgewertet werden, um in der gemeinsamen Sitzung beider beteiligter Ausschüsse diskutiert werden zu können. Die verfassungspolitischen Gründe, die ich Ihnen aufgezeigt habe, sowie die verfassungsrechtlichen Bedenken sprechen gegen die Einführung der Ersatz- oder Alternativstimme im saarländischen Landtag und im Kommunalrecht. Es ist nicht so wie dargestellt, dass die Alternativ- oder Ersatzstimme nur Vorteile mit sich brächte. Die Nachteile sind aufgeführt worden. Der von Ihnen eingereichte Gesetzentwurf führt meines Erachtens auch nicht zu einer Weiterentwicklung unseres Wahlrechts und aus diesem Grunde wird die CDUFraktion diesen heute ablehnen.
Sie haben noch einen zweiten Gesetzentwurf eingereicht, den Gesetzentwurf über das Zuteilungsverfahren. Das ist uns ebenfalls vom Verfassungsgerichtshof aufgegeben worden. In Ihrem Gesetzentwurf ist die Einführung des Zuteilungsverfahrens nach Sainte-Laguë/Schepers angestrebt. Wir als CDU-Fraktion lehnen dies ab.
Art. 63 Abs. 1 der saarländischen Verfassung verpflichtet uns als Gesetzgeber, die Gleichheit des Erfolgswertes der Wählerstimmen, soweit dies möglich ist und soweit keine gleichwertigen verfassungsrechtlichen Güter Differenzierungen notwendig erscheinen lassen, sicherzustellen. Der Gesetzgeber und das sind wir, der Landtag - ist jedoch nicht verpflichtet, Verbesserungen eines verfassungsgerichtlich bislang unbeanstandeten Verfahrens sofort und ohne intensive Prüfung etwaiger Vor- oder Nachteile umzusetzen.
Noch in seiner Entscheidung vom 18.03.2013 hat der saarländische Verfassungsgerichtshof festgestellt - und ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident -: „Die Gültigkeit der sich aus den Wahlen zum 15. Landtag des Saarlandes ergebenden Sitzverteilung im Landtag des Saarlandes scheitert nicht daran, dass § 38 Abs. 2 Satz 1 LWG - wonach die Sitze unter Zugrundelegung der für sie abgegebenen Stimmen nach dem Höchstzählverfahren d’Hondt verteilt werden - verfassungswidrig wäre.“ - Auch dass ein Teil der Bundesländer und auch der Bund selber vor vier Jahren Änderungen im Auszählverfahren vorgenommen hat oder dass es Modifikationen des Auszählverfahrens nach Sainte-Laguë/ Schepers auch in anderen Ländern in Europa gibt, bedeutet nicht zwingend für uns als saarländischer Landtag, dass wir diesen folgen und das Zuteilungsverfahren ändern müssen. Ich denke, das Zuteilungsverfahren nach d’Hondt - es mag seine Nachteile haben - stellt die Gleichheit des Erfolgswerts der Wählerstimmen nach wie vor sicher, und es ist nicht verfassungswidrig. Das sei an dieser Stelle
noch einmal betont. Deshalb sehen wir heute keine Notwendigkeit, das Zuteilungsverfahren zu ändern. Ich danke.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die beiden Gesetzentwürfe, die von der Fraktion der PIRATEN eingebracht worden sind, behandeln grundsätzliche Fragestellungen unserer Demokratie, nämlich welche Wahlgrundsätze wir haben, inwieweit die Sitzverteilung im Parlament und inwieweit Mehrheitsverhältnisse und Regierungen legitim zustande gekommen sind. Sie haben etwas mit der Zustimmung der Bevölkerung zu unseren demokratischen Institutionen zu tun. Ich bedaure, dass die Fraktion der PIRATEN in der Begründung ihres Gesetzentwurfes auf diese Kernfragen der demokratischen Konstitution unseres Landes im Grunde kaum eingegangen ist. Herr Kollege Augustin, Sie haben nur Ihr Unwohlsein darüber bekundet, dass die Bürgerinnen und Bürger aus dem Wahlkreis Neunkirchen mit mehr Abgeordneten vertreten sind als beispielsweise diejenigen aus dem Wahlkreis Saarbrücken. Sie haben dies auf das Auszählungsverfahren zurückgeführt.
Leider haben Sie sich dort völlig geirrt, denn egal welches Auszählungsverfahren man nimmt, dort, wo es mehr abgegebene Stimmen gibt, gibt es auch mehr Abgeordnete, unabhängig vom Auszählungsverfahren. Insofern möchte ich Sie bitten, sich an der Stelle die Sachen noch einmal genau anzuschauen.
Ich will an dieser Stelle auch keine Zwischenfragen zulassen. Das können wir sicher später noch einmal, wenn Sie sich das genauer angeschaut haben, diskutieren.
(Sprechen. - Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Schwach, schwach, schwach! Das war Feigheit vor dem Argument.)
Der Ausgangspunkt der Debatte ist der Prüfauftrag, den das saarländische Verfassungsgericht dem saarländischen Landtag mit Blick auf die Fünf-Prozent-Hürde gegeben hat. Es ist hier ja schon darauf hingewiesen worden, dass der Innenausschuss und der Verfassungs- und Rechtsausschuss dazu gemeinsam eine Anhörung durchgeführt haben. Deshalb habe ich auch kein Verständnis für die Vorge
hensweise Ihrer Fraktion, Herr Augustin, dass sie vor Abschluss dieses Anhörungsverfahrens hier schon einen Gesetzentwurf einbringt. Es gehört sich im parlamentarischen Miteinander,
dass man bei einem gemeinsam beantragten Verfahren und einer gemeinsamen Anhörung die gemeinsame Auswertung dieser Anhörung abwartet. Dass man dann unter Umständen am Ende in der Bewertung zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen kann, das ist völlig legitim. Dass man aber diesen bewährten Weg verlässt, um jetzt vor der Zeit - aus welchen Gründen auch immer - dieses Thema herauszuziehen, das ist keine gute parlamentarische Praxis. Sie missachten damit die Gepflogenheiten in diesem Parlament und erweisen der Sache keinen guten Dienst.
Dabei können wir doch, zumindest wenn man in die Begründung Ihres Antrags hineinschaut, feststellen, dass in der wesentlichen Frage, nämlich ob die Fünf-Prozent-Hürde weiterhin zu rechtfertigen ist, großer Konsens in diesem Hause besteht, zumindest zwischen Ihnen und den Mehrheitsfraktionen. Das ist ja auch der Kern. Unsere Aufgabe ist es, auch für die Zukunft zu begründen, warum die FünfProzent-Hürde verfassungsrechtlich nicht nur in Ordnung, sondern auch geboten ist. Wenn die Auswertung abgeschlossen ist, werden wir uns sicherlich noch einmal grundsätzlich im Parlament oder zumindest im Ausschuss damit befassen.
Ich möchte aber doch einige Gründe noch einmal kurz nennen. Der zentrale Grund ist die drohende Zersplitterung der Parlamente bei Wegfall der FünfProzent-Hürde. Die Gutachter haben uns das auch eindrücklich am Beispiel der Zusammensetzung von Kommunalparlamenten in deutschen Großstädten mit über 500.000 Einwohnern belegt, wo nach Wegfall der Fünf-Prozent-Hürde durchschnittlich vier zusätzliche Parteien in die Kommunalparlamente eingezogen sind. Wir haben dort Kommunalparlamente mit sechs Fraktionen und bis zu 13 unterschiedlichen Parteienvertretern. Dass die Bildung stabiler Mehrheiten unter diesen Umständen außerordentlich schwierig ist, kann sich jeder denken. Und ein Blick in die Geschichte der Länderparlamente - da können wir uns auch unser eigenes anschauen zeigt, dass bereits bei drei Parteien in einer Regierung oft schon eine zu viel ist und so etwas scheitert. Von den dreimal zustande gekommenen DreiParteien-Koalitionen in Deutschland hat keine ihre Regierungszeit zu Ende gebracht.
Gegen die Abschaffung der Fünf-Prozent-Hürde spricht auch die drohende Überbetonung von Partikularinteressen und die Möglichkeit, dass Ein-Thema-Parteien in die Parlamente einziehen, die sich
nicht mehr am Gemeinwohl orientieren, da sie nur ein Thema haben, das sie über alles andere stellen, unabhängig davon, wie groß die Bedeutung dieses Themas ist. Es ist auch die Frage, ob jede Gruppierung, kurz mal entstanden aufgrund eines Hypes in den Medien, in der Lage ist, das ausreichend qualifizierte Personal zustande zu bringen, um den wichtigen Aufgaben in den Parlamenten auch tatsächlich gerecht zu werden.
Wichtig ist - auch mit Blick in die Zukunft -, dass das Saarland vor der zentralen Herausforderung steht, seine Eigenständigkeit zu bewahren. Dafür sind schwierige Entscheidungen notwendig. Dafür ist auch der Mut zu unpopulären Entscheidungen notwendig. Eine stabile Regierung mit einem handlungsfähigen Parlament ist eine zentrale Voraussetzung dafür. Deshalb brauchen wir auch in Zukunft im Saarland die Fünf-Prozent-Hürde.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von den PIRATEN, Sie schlagen die Einführung der sogenannten Alternativstimme vor. Die Anhörung hat ergeben, dass eine solche Alternativstimme zumindest verfassungsrechtlich möglich erscheint. Die Anhörung hat aber auch ergeben, dass die Gutachter dies keinesfalls verfassungsrechtlich als zwingend erachten. Das Hauptargument, das ins Feld geführt wird, ist Folgendes: Abgegebene Stimmen, die nachher nicht im Parlament repräsentiert werden, weil die Partei, für die man gestimmt hat, unter 5 Prozent landet, seien sozusagen wertlos. Sie würden unter den Tisch fallen. Sie seien im Parlament nicht repräsentiert. Das sei demokratietheoretisch gesehen ein echtes Problem.
Wir alle wissen, dass selbst das Mehrheitswahlrecht durch das Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß festgestellt worden ist. Schauen wir uns doch große Demokratien wie die USA und Großbritannien an, wo das Mehrheitswahlrecht gilt, wo regelmäßig ein großer Teil der Stimmen nicht berücksichtigt wird. Da würde doch niemand auf die Idee kommen zu sagen, diese Länder seien keine funktionierenden Demokratien.
Bei uns im Saarland ist das Problem doch ein wesentlich geringeres, wenn in der Regel zwischen 5 und 10 Prozent, in einigen Jahren auch nur eine Quote von 2 Prozent der Stimmen, die abgegeben wurden, nachher nicht im Parlament repräsentiert sind. Das geltende Recht ist verfassungsgemäß. Ich glaube, dass jenseits juristischer Argumentationen das Argument, Stimmen würden unter den Tisch fallen, sie seien damit wertlos, politisch völlig falsch ist. Denn die Erfahrung zeigt, dass auch Parteien, die Themen aufgreifen, welche in Wettbewerb treten zu den Ideen von Parteien, die möglicherweise als eta
bliert gelten, und die damit Stimmen erzielen, politisch durchaus Einfluss haben. Die PIRATEN, auch wenn sie in den meisten Fällen nicht in die Parlamente eingezogen sind, haben dennoch ein Thema aufgegriffen und in die politische Diskussion gebracht, das wiederum andere Parteien aufgreifen. Wenn ich mir die politischen Wirkungen der AfD anschaue, so muss ich feststellen, was dort argumentiert wurde, ist doch nicht ganz spurlos an anderen Parteien vorbeigegangen. Deshalb sind Stimmen, die nachher nicht durch einen Abgeordneten repräsentiert werden, nicht unter den Tisch gefallen, sondern sie tragen ebenso zur Meinungsbildung bei, denn sie beeinflussen nachhaltig diejenigen, die nachher im Parlament vertreten sind. Also haben auch Stimmen für Parteien, die nicht im Parlament vertreten sind, ihre politische Wirkung.
Auch viele Bürgerinnen und Bürger wenden ihre Stimme bewusst so an. Schauen Sie sich an, wie viele Erststimmen beispielsweise bei der Bundestagswahl für Parteien vergeben werden, bei denen von vornherein klar ist, dass der Kandidat dieser Partei nicht direkt in den Bundestag wird einziehen können. Also ist es doch eine bewusste Entscheidung der Wählerinnen und Wähler, für diesen Kandidaten oder diese Kandidatin zu stimmen, auch wenn sie wissen, dass sie oder er gar keine Chance hat, gewählt zu werden. Insofern scheint es den Druck und die Erwartung, eine Stimme dürfe nicht „verschenkt“ werden, bei den Bürgerinnen und Bürgern so gar nicht zu geben.
Ein Weiteres muss man aus meiner Sicht ebenfalls sagen. Wir können von den Bürgerinnen und Bürgern erwarten, dass sie sich entscheiden. Sie können nicht sagen, ich wähle mal so, und wenn es nicht klappt, dann eben anders. Das wäre, wie wenn man im Restaurant sagen würde: Ich bestelle mir Gericht Nummer 1. Wenn es nicht schmeckt, hätte ich gerne noch ein zweites. Ich bezahle aber nur eines. - So geht es nicht. Wahlentscheidungen sind Entscheidungen, die man den Bürgerinnen und Bürgern abverlangen kann.
Ich möchte am Ende noch auf das Sitzverteilungsverfahren eingehen. Die Anhörung hat gezeigt, dass es kein Sitzzuteilungsverfahren gibt, das optimal ist. Alle Verfahren haben Vorteile und Nachteile.