Es ist nicht zu erklären, weshalb ein Geringverdiener bei einem Vergehen, das heute mit einem Bußgeld von 100 Euro belegt ist, fast ein Drittel seines Regelsatzes zahlen muss, ein Durchschnittsverdiener mit einem Einkommen von 1.600 Euro beim gleichen Vergehen und bei der genannten Strafhöhe aber nur ein Sechzehntel seines Einkommens zahlt. Ganz zu schweigen beispielsweise vom VW-Chef, der, wie heute nachzulesen war, 17,5 Millionen Euro im Jahr erhält: Für ihn sind diese 100 Euro Bußgeld überhaupt nicht spürbar. Damit wirklich Gleichheit herrscht und der Topmanager ebenso behandelt wird wie ein Geringverdiener, müsste der Manager mehr als das Hundertfache zahlen, und das könnte er bei dem Einkommen ja auch.
Wir müssen also Gerechtigkeit auch bei den Bußgeldern herstellen. Eigentlich kann doch niemand etwas dagegen haben, auch die Landesregierung
nicht. Denn schaut man in den Koalitionsvertrag von CDU und SPD, kann man auf Seite 42 nachlesen ich darf, Frau Präsidentin, zitieren -: „Für die Landesregierung sind soziale Gerechtigkeit und soziale Teilhabe Grundgedanken ihrer gemeinsamen Arbeit.“ In diesem Sinne: Lassen Sie uns gemeinsam für diese Gerechtigkeit sorgen! Lassen Sie uns gemeinsam auf Bundesebene dafür streiten, dass, die Pauschalbeträge ersetzend, Bußgelder in Form von Tagessätzen eingeführt werden, wie es das im Strafrecht schon lange gibt. Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat die Abgeordnete Elke Eder-Hippler von der SPD-Landtagsfraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich diesen Antrag der Fraktion DIE LINKE gelesen habe, ist mir zunächst durch den Kopf gegangen, dass das mal wieder so ein typischer LINKENAntrag ist: Warum einfach, wenn es auch umständlich geht? Aber wir kennen ja Ihre Vorliebe für Bundesratsinitiativen. Sie tun immer so, als könnte der Bundesrat allein Gesetze beschließen. Das verkünden Sie ja -
Er kann Anregungen geben, aber mehr leider nicht. Sie verkünden ja immer gerne, wenn es um Dinge geht wie die Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, et cetera,
(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Da sind wir doch gleicher Meinung! Ihr seid doch auch für die Vermögenssteuer! - Weitere Zurufe von der LINKEN)
wir bräuchten nur eine Bundesratsinitiative einzubringen - und schwupps, wäre die Einnahmeseite des Saarlandes verbessert. Aber leider funktioniert das Gesetzgebungsverfahren in dieser Republik eben nicht so.
Ohne den Deutschen Bundestag geht halt gar nichts auf Bundesebene. Das sollte eigentlich sogar Ihrer Fraktion bekannt sein, denn Ihr Fraktionsvorsitzender war ja schließlich schon mal Bundestagsabgeordneter. Ich habe Ihnen für alle Fälle mal ein Schaubild mitgebracht, wie in dieser Republik Gesetze entstehen, das Ganze zusammengefasst auf einer DIN-A-4-Seite.
(Abgeordnete Eder-Hippler (SPD) zeigt ein Diagramm. - Abg. Spaniol (DIE LINKE): Prima! Haben Sie eine Kopie davon? - Abg. Linsler (DIE LINKE): Vielleicht könnte man das an die Wand werfen, damit man es auch sieht?)
Wenn Sie sich einmal die untere Hälfte ansehen wollen? - Ich schenke es dir nachher, Rolf. Ja, er liebt maximal eine DIN-A-4-Seite, eine halbe ist besser. Deswegen: Du kannst dich auf den unteren Teil konzentrieren.
Du wirst sehen, dass ein Gesetzentwurf, den der Bundesrat in den Bundestag einbringt, nur dann zum Gesetz wird, wenn der Bundestag dem auch zustimmt. Deshalb machen wir hier nicht zu allem und jedem eine Bundesratsinitiative.
(Abg. Spaniol (DIE LINKE) : „Zu allem und jedem“? Das ist gut! Macht überhaupt mal eine! Ministerin Rehlinger: Ich habe doch eine gemacht!)
Denn wir sind uns bewusst, dass wir die Bundesratsmehrheit dann brauchen, wenn wir Gesetzesinitiativen auf den Weg bringen, die auch wirklich die Chance haben, im Bundestag umgesetzt zu werden. Ich muss daher sagen: So funktioniert das nicht! Wir machen uns hier nicht zum BundesratsinitiativenHansel, sondern konzentrieren uns auf die Dinge, die wirklich funktionieren.
Wenn man zudem bedenkt, dass sich der Bundestag gerade mit dem Bußgeldkatalog befasst hat, fragt man sich schon, warum die Fraktion der LINKEN im Bundestag hierzu keinen Antrag eingebracht hat. Immerhin ist schon in ihrem 100-PunkteProgramm aus dem Jahr 2008 zu lesen: „Der Bußgeldkatalog für den Straßenverkehr wird nach Höhe der Einkommen gestaffelt.“ In einer Pressemitteilung der damaligen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsfraktion DIE LINKE Gesine Lötzsch vom 21. Mai 2008, die übrigens in weiten Teilen mit Ihrer Pressemitteilung vom 25. November identisch ist,
kann man lesen - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -: „DIE LINKE wird einen entsprechenden Antrag in den Bundestag einbringen, der sich an das finnische Modell anlehnt.“ Sucht man jedoch diesen Antrag im Dokumentationssystem des Deutschen Bundestages, ist er nicht aufzufinden. Das heißt wohl, dass er nie eingebracht worden ist.
Man mag es als löblich betrachten, dass Sie zum demnächst fünfjährigen Jubiläum dieser Forderung nun doch mal versuchen, mit diesem Antrag eine Initiative auf den Weg zu bringen. Aber er ist nun einmal das falsche Mittel. Aber trotz der Bedenken, die ich allein bezüglich des eingeschlagenen Weges habe, möchte ich mich auch noch kurz inhaltlich mit dem Antrag auseinandersetzen. Ihr Ansinnen, Bußgelder nach Einkommen zu staffeln, ist der deutschen Rechtssystematik grundsätzlich nicht fremd. Die Bemessung von Geldbußen für Ordnungswidrigkeiten und Geldstrafen für Straftaten unterliegt jedoch unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen. Die Strafzumessung bei strafbewehrten Verstößen erfolgt stets einzelfall-, tat- und täterbezogen. Die Geldstrafe wird nach dem Tagessatz-System festgelegt, sodass das Einkommen des Täters gemäß § 40 StGB bei der Höhe der Geldstrafe maßgeblich berücksichtigt wird. Bei den Regelsätzen der Bußgeldkatalogverordnung für verkehrsrechtliche Verstöße handelt es sich hingegen um eine pauschale Festlegung, bei der eine Typisierung des ordnungswidrigen Verhaltens erfolgt, die eine fahrlässige Begehungsweise und gewöhnliche Tatumstände unterstellt.
Bei der Festsetzung der Bußgeld-Regelsätze wird von mittleren Einkommensverhältnissen ausgegangen. Jedoch sind die allgemeinen Bestimmungen des Ordnungswidrigkeitengesetzes anzuwenden. Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes kommen daher auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters in Betracht. Bei außerordentlich geringem Einkommen können die Bußgeld-Regelsätze vermindert werden, bei außergewöhnlich hohem Einkommen können sie durch die Verwaltungsbehörde oder durch das Gericht erhöht werden. Das ist geltende Rechtslage und wird auch so praktiziert.
Der von Ihnen, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, in Ihrem Antrag dargestellte Widerspruch ist also gar nicht vorhanden! Der zweite Halbsatz von § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG besagt lediglich, dass bei „geringfügigen“ Ordnungswidrigkeiten die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters „in der Regel“ unberücksichtigt bleiben. Wenn Sie bedenken, dass es sich bei Verkehrsordnungswidrigkeiten um jährlich millionenfach vorkommende Massendelikte handelt, ist wohl klar, dass zur Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren grundsätzlich eine summarische Behandlung und pauschalierte Festsetzung von Bußgeldern angewandt wird. Nehmen wir einmal den Artikel aus der Saarbrücker Zeitung vom 09. Januar dieses Jahres.
Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: Beamte des Verkehrsdienstes Mitte haben am Montagabend auf der A 8 einen Autofahrer erwischt, der
statt mit erlaubten 80 km/h mit 169 km/h unterwegs war. In der über vier Stunden in Höhe der Anschlussstelle Dillingen Süd eingerichteten Geschwindigkeitskontrolle wurden etliche Fahrzeuge geblitzt. 72 Autofahrer müssen mit einem Verwarnungsgeld rechnen, 40 mit einem Bußgeld.“ Macht also in gerade mal vier Stunden 112 Geschwindigkeitsüberschreitungen. Wenn Sie nun in jedem einzelnen Fall die Einkommensverhältnisse der betroffenen Autofahrerinnen und Autofahrer überprüfen wollen, bevor die Höhe des Bußgeldes festgesetzt wird, verursacht dies einen derart immensen Verwaltungsaufwand, dass das Verfahren nicht mehr verhältnismäßig und praktikabel wäre.
Sie berufen sich vor allem darauf, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse gerade bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten unberücksichtigt bleiben. Müsste in jedem einzelnen Fall das Einkommen des Betroffenen ermittelt werden, würde diese Offenlegungspflicht für die betroffenen Bürger einen unverhältnismäßigen Aufwand und eine nicht adäquate Belastung bedeuten, welche in einer solchen Generalisierung auch nicht sachdienlich wäre. Eine Offenlegung der genauen wirtschaftlichen Verhältnisse, die zur Entscheidung dann erforderlich wäre, um eine Gleichbehandlung zu ermöglichen, führt in aller Regel auch zu einer zusätzlichen persönlichen Belastung der Betroffenen - außer Sie sagen, das Finanzamt meldet den Bußgeldstellen dieser Republik automatisch das Einkommen eines jeden von uns. Aber ob das gewollt ist, möchte ich doch bezweifeln.
Mal abgesehen davon definieren Sie in Ihrem Antrag nicht einmal, für welche Fälle Sie denn ein „sozial gerechtes“ Bußgeld wollen. Gilt Ihre Forderung schon für falsches Parken oder nur für die exemplarisch aufgeführten Fälle von Geschwindigkeitsüberschreitung und Fahren unter Alkoholeinfluss? Sie definieren auch nicht, was Sie unter wirtschaftlichen Verhältnissen verstehen. Einmal zitieren Sie das Schweizer System, bei dem bei Geschwindigkeitsüberschreitungen von über 25 Stundenkilometern das gesamte Vermögen, also nicht nur das Einkommen, betrachtet wird, ein anderes Mal wollen Sie, wie bei Alkohol am Steuer in Dänemark, das Nettomonatseinkommen zugrunde legen. In Ihrer Pressemitteilung vom 25. November 2012 ist dann gar noch die Rede von einer Regelung in Schweden, die in Ihrem Antrag dann allerdings nicht mehr erscheint.
Eine kleine Bemerkung am Rande: Wie gehen Sie eigentlich mit dem Sohn des von Ihnen zitierten Einkommensmillionärs um, der als Schüler kein eigenes Einkommen hat, aber mit Papas Porsche zu schnell fährt?
Der Günter hat einen guten Vorschlag, wie man den Porschefahrer drankriegt: Umlackieren auf rosa. Das will keiner. Das ist besser als 1.000 Euro Strafe.
Ihr Antrag, meine Damen und Herren, dass sich die Regierung des Saarlandes im Rahmen einer Bundesratsinitiative dafür einsetzen soll, dass nach dem Vorbild anderer Länder in Europa - welche, sagen Sie uns leider nicht - ein Einkommensfaktor - welcher und bezogen auf welche Größe? - für die Berechnung von Bußgeldern bei Verkehrsdelikten auch hier lassen Sie uns leider im Unklaren, welche Sie meinen - eingeführt wird, ist an Unbestimmtheit kaum zu übertreffen. Irgendwie drängt sich mir der Verdacht auf, Sie wissen selbst nicht, was Sie wollen.
Meine Damen und Herrn der Fraktion DIE LINKE, Sie werden sicher verstehen, dass die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen Ihrem Antrag aus den genannten Gründen nicht zustimmen können.
(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Nein, das verstehe ich nicht. - Abg. Spaniol (DIE LINKE): Die Argumentation ist sehr dürftig. - Beifall von den Regierungsfraktionen.)
Vielen Dank, Frau Abgeordnete. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Peter Strobel von der CDU-Landtagsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mehr soziale Gerechtigkeit im Straßenverkehr - beim Lesen der Überschrift, Herr Linsler, hatte ich schon erwartet, dass Sie die S-Klasse für alle fordern.
Aber ernsthaft: Ich knüpfe an das an, was meine geschätzte Kollegin Elke Eder-Hippler soeben ausgeführt hat. Sie fordern, liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, dass bereits bei einer Ordnungswidrigkeit ein Bezug hergestellt werden soll zwischen dem Einkommen dessen, der eine Ordnungswidrigkeit begeht, und der Höhe eines zu verhängenden Bußgeldes. Dazu greifen Sie verschiedene Länderbeispiele auf, unter anderem das der Schweiz. Bei genauer Betrachtung stellt man fest, dass das Prinzip in der Schweiz dem deutschen sehr ähnlich ist. Auch dort gilt zunächst ein fester und für alle gleicher Bußgeldkatalog ohne Betrachtung der Einkommensverhältnisse, allerdings sehr viel teurer als in Deutschland. Ab einer bestimmten Vergehensgrenze, zum Beispiel mehr als 25 Stundenkilometern zu schnell auf der Autobahn, erfolgt
eine Anzeige. Dann wird über das Vergehen verhandelt und es kann eine Strafe verhängt werden, die sich am Vermögen des Verkehrsteilnehmers orientieren kann. Also zunächst ist der Bußgeldkatalog für alle gleich, ab einer bestimmten Schwere des Vergehens gibt es eine Strafe. Das entspricht dem Verfahren in Deutschland! Bußgelder werden verhängt für Ordnungswidrigkeiten, also für Vergehen im minderschweren Fall, alles darüber Hinausgehende wird in Deutschland auch als Straftat behandelt und entsprechend geahndet.
Dieses Prozedere hat sich bewährt. Wenn künftig zur Ermittlung des Strafmaßes bei Ordnungswidrigkeiten schon Gerichte herangezogen würden, würde unsere Justiz in einem inakzeptablen Maße mehr belastet. Wirklich wichtige Fälle würden noch länger auf Entscheidungen warten. Das kann man niemandem zumuten, weder den Richterinnen und Richtern noch den anderen Verfahrensbeteiligten.
Sie verweisen auf Skandinavien, Herr Linsler. Dazu ist zu sagen, dass auch dort Ordnungswidrigkeiten mit festen Bußgeldern belegt sind. Fast nur Alkoholvergehen werden mit Tagessätzen geahndet.
Ausnahme: Finnland, dort werden auch andere Vergehen mit Tagessätzen geahndet, allerdings müssen Sie auch dort, um mit Tagessätzen belegt zu werden, laut ADAC über 50 Stundenkilometer zu schnell unterwegs sein oder ein Rotlichtvergehen begehen - eine rote Ampel überfahren, nicht das, was Sie jetzt meinen.