Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wir alle haben heute Morgen der schrecklichen Ereignisse in Japan gedacht. Das Schicksal, das dieses Land getroffen hat, ist etwas, was nicht alle Tage vorkommt. Dies bedarf eindringlichen Gedenkens. Das sage ich daher auch noch mal für die FDP-Fraktion.
Die Vorkommnisse in Japan lehren uns aber, dass wir umdenken müssen. Das ist das, was die Diskussion in der Bundesrepublik in der vergangenen Woche beherrscht hat. Es wird auch umgedacht und ich denke, man muss auch dem gerecht werden, der seine Meinung ändert, wenn es Erkenntnisse gibt, die die Meinungsänderung bedingen, und das ist hier der Fall. Wie heute Morgen schon angeklungen, gab es früher in den einzelnen Parteien Zustimmung und Ablehnung hinsichtlich der Nutzung der Kerntechnologie.
Wir brauchen deswegen eine Neubewertung des nuklearen Restrisikos. Das Restrisiko besteht - das wurde heute schon mehrfach gesagt - und wir können es uns nicht weiter leisten, an der Nutzung der Atomenergie unendlich festzuhalten. Der Atomausstieg in Deutschland ist beschlossene Sache, das kann man festhalten.
Das Ereignis in Japan, aber auch schon verschiedene Ereignisse vorher haben zu einem Umdenken in der deutschen Bevölkerung geführt. Die Forderung nach dem Atomausstieg war noch nie so deutlich wie in diesen Tagen und Wochen. Gleichzeitig haben wir auch den Ausbau der erneuerbaren Energien im Blick. Es ist wichtig, dass wir bei der Ausstiegsdebatte drei wichtige Aspekte nicht aus den Augen verlieren. Erstens. Wir brauchen innovative Ideen zur Ausgestaltung des Energiekonzeptes. Wir müssen zweitens grenzüberschreitende Konzepte unterstützen. Und wir müssen drittens trotz allem die Versorgung mit Strom und Energie sicherstellen.
Beim Thema Förderung der Innovationen komme ich auf die Frage zurück: Was muss in diesem Land geschehen, dem Saarland als einem Land der Energieerzeugung? Wir müssen zunächst die Energieeffizienz steigern. Hier gibt es sehr viele Dinge, die wir zu tun haben. Ich nenne Ihnen folgende Beispiele. Wir haben neue Gewerbegebiete, zum Beispiel den Lisdorfer Berg. Wir müssen jetzt umdenken, wie wir die Gewerbegebiete einrichten. Wenn wir an die Energieeffizienz herangehen, müssen wir sehen, dass wir hier einen Betrieb haben, der viel Abwärme erzeugt, und daneben einen Betrieb, der viel Wärme benötigt. Das sind neue Schritte.
Wir müssen auch die Innovationen in der Speichertechnik fördern. Im Kraftwerk Fenne - ich habe das schon einmal in einer früheren Debatte hier gesagt -, einem Regelkraftwerk, das zuschaltbar ist, wird die derzeit modernste Energiespeichertechnik, die es weltweit gibt, erforscht und auch jetzt initiiert, nämlich der Bau einer Batterie auf Lithium-Basis. Das ist weltweit einmalig. Wenn das gelingt in Zusammenarbeit mit anderen - daran sind auch die HTW und die TU Aachen beteiligt, aber die wesentlichen Dinge werden im Saarland gemacht -, dann haben wir hier den Fuß in der Tür, und das ist sehr wichtig.
Andere Dinge in Sachen Energieeffizienz kommen hinzu. Wir müssen weiter die Stromeinsparmöglichkeiten nutzen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass wir im Saarland vollkommen neue Kraftwerkstypen bekommen mit einer Verbindung von konventionellen und erneuerbaren Energien. Ich könnte mir vorstellen, dass auf einem Kraftwerksgelände wie dem in Ensdorf auch überprüft wird - wenn es vertretbar ist -, ein Windrad zu installieren und an dem großen Kühlturm eine Fotovoltaikanlage anzubringen. Man könnte auch andere Ideen erproben, wie man das Konventionelle mit dem Erneuerbaren verbindet,
weil es hier durchaus Vorteile gibt, etwa bei den Netzen oder hinsichtlich der Gewerbeflächen, die als solche schon ausgewiesen sind.
Wir brauchen den Ausbau der erneuerbaren Energien. Das Saarland liegt diesbezüglich ziemlich weit hinten, das wissen wir. Wir haben aber im Koalitionsvertrag entsprechende Vereinbarungen. Wir müssen jetzt daran gehen, dass wir den Landesentwicklungsplan Umwelt auch umsetzen, indem wir diese Vorranggebiete aufheben. Es sind Gemeinden schon in Vorlage getreten, die ihre Flächennutzungspläne entsprechend angepasst haben. Wir müssen auch die Bürgerinnen und Bürger dafür gewinnen.
Wir müssen auch sehen, dass die Kohlekraftwerke im Saarland ja schon gefährdet waren. Ich muss in Richtung SPD und LINKE leider noch etwas sagen. Wir wissen, dass die saarländischen Kraftwerke von Evonik an ein Konsortium mehrerer Städte aus dem Ruhrgebiet verkauft wurden. Die Fraktionen der LINKEN und der SPD im Essener Stadtrat haben gefordert, die Stromlieferungen von Fenne ab 2012 einzustellen. Die Dinge werden nun Gott sei Dank revidiert; darüber bin ich mir vollkommen sicher.
Wir brauchen die Kohlekraftwerke an der Saar als ein Energieland, das energieintensive Betriebe vorzeigt - vorzeigt im wahren Sinn des Wortes, wenn Sie an die neue Saarschmiede denken -, zumindest in einer Übergangsphase, bis wir die erneuerbaren Energien stärker an das Netz bekommen. Dazu brauchen wir auch den Dialog mit den Bürgern. Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass solche Gemeinden, die sagen, dass sie die Windkraft wollen, entsprechende Vorteile genießen. In welcher Art und Weise sei dahingestellt; darüber muss man reden. Die Gemeinden müssen keine Vorranggebiete vorhalten. Sie können auch sagen, dass sie das nicht wollen.
Wichtiger für uns ist die internationale Verbindung in der Großregion. Deshalb hat die FDP-Landtagsfraktion in der vergangenen Woche diesen Sondergipfel gefordert, den der Ministerpräsident in die Regierungserklärung aufgenommen hat. Er wird kommen, er ist notwendig. Es interessiert die Saarländer am meisten, was mit dem zwölf Kilometer entfernten Kraftwerk in Cattenom geschieht. Wir haben in der vorigen Woche im Landtagsausschuss für Umwelt, Energie und Verkehr gehört, dass das Atomkraftwerk Cattenom nicht sicher ist. Das betone ich. Es ist gegen einen Flugzeugabsturz nicht gesichert, insbesondere was das Brennelementelager angeht. Deswegen müssen wir drängen. Deswegen haben wir den Interparlamentarierrat in den Achtzigerjahren einberufen, damit wir diese Probleme in der Großregion stärker angehen. Das ist das Interesse, das unsere saarländischen Mitbürger haben.
Wir müssen als weiteren Punkt die regionale Wertschöpfung bei uns behalten. Ich nenne dazu das Beispiel der grünen Tonne. Die grüne Tonne wird durch die halbe Republik gekarrt und entweder in Mannheim oder am Bodensee entsorgt. Aber wir können dies auch bei uns machen. Das ist schon in den Gedanken drin. Wir können - wie wir das von einem Besuch in der vergangenen Woche in Passau wissen - etwa 20.000 Haushalte anschließen, die mit Strom und Wärme versorgt werden. Wir müssen also alle erneuerbaren Energien nutzen, die wir brauchen, um vom Atomstrom wegzukommen.
Zum Abschluss sage ich, dass wir als Landtag eine Vorbildfunktion haben. Das gilt für die einzelnen Abgeordneten, das gilt aber auch für das Gebäude dieses Landtages. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass wir symbolhaft handeln und auf dem Dach eine entsprechende Anlage installieren und dies nicht immer mit fadenscheinigen Argumenten von uns weisen. Ich glaube, die Ereignisse der vergangenen Wochen haben gezeigt, dass das mehr als notwendig ist. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Situation, die viele Menschen seit Langem befürchtet haben, sich aber nicht wirklich vorstellen konnten, ist in Japan mit all den schrecklichen Folgen eingetroffen, die wir über die Medien wahrnehmen. Deshalb möchte ich an den Anfang meiner Rede einen Gedanken an die betroffenen Menschen in Japan stellen. Insbesondere möchte ich den Menschen Dank sagen, die unter Einsatz ihrer Gesundheit und ihres Lebens versuchen, die ganz große Katastrophe in Japan zu verhindern. Ich glaube, wir müssen auch an die Menschen denken, die insgesamt von dieser schrecklichen Katastrophe in Japan betroffen sind, auch jenseits der atomaren Bedrohung, die dort nach wie vor als Menetekel an der Wand steht.
Ich stehe hier für eine Partei, die aus dem Widerstand in diesem Land gegen die Kernkraft in den Siebziger- und Achtzigerjahren entstanden ist. Es ist eine Partei, die neben der Erhaltung der Natur von Anfang an von der Angst vor den Folgen eines nuklearen Unfalls getrieben war. Ich erinnere auch an die ganzen Demonstrationen der Siebziger- und Achtzigerjahre - Grohnde, Brokdorf, Wyhl, Wackersdorf -, bei denen viele Menschen in diesem Land versucht haben, auf diese Gefahren hinzuweisen. Ich erinnere auch daran, dass der Widerstand im Saarland gegen Cattenom mittlerweile eine dreißig
jährige Tradition hat. Die internationale Aktionsgemeinschaft gegen Cattenom ist Ende der Siebzigerjahre beziehungsweise Anfang der Achtzigerjahre hier in diesem Land entstanden.
Bis die GRÜNEN in den Deutschen Bundestag eingezogen sind, gab es damals nur Pro-Atom-Parteien. Das hat sich zum Glück dadurch geändert, dass sich nach und nach durch die ganzen Ereignisse, die wir alle traurigerweise in den letzten 30 Jahren erleben durften, politische Einstellungen innerhalb einzelner Parteien geändert haben. Das ging los mit den Sozialdemokraten in den Achtzigerjahren. Nachdem die SPD in der Opposition war, gab es dort erste kritische Stimmen gegen die Nutzung der Kernenergie. Es gab einen langsamen Wandel. Es war wirklich ein langsamer Wandel. In der ersten rotgrünen Koalition 1987 kam es - man darf ja daran erinnern - deshalb zum Crash, weil sich die SPD unter Holger Börner nicht an den Koalitionsvertrag gehalten hat und die Atomkraft in Hessen weiter ausbauen wollte. Die GRÜNEN haben damals gesagt, das machen wir nicht mit, wir steigen aus dieser Koalition aus. Auch das ist eine historische Wahrheit.
Ich sage das, weil Heiko Maas eben versucht hat, einen gewissen Vorwurf mit Blick auf die Christdemokraten zu erheben. Ich denke, das sollte man nicht tun. Man muss immer auch die Traditionen in der eigenen Partei betrachten, Herr Maas. Ich darf daran erinnern, wie der Atomausstieg 1998 in der rot-grünen Koalition gelaufen ist. Ich habe am Wochenende mit Jürgen Trittin bewusst noch einmal darüber gesprochen, weil er damals Teilnehmer bei den Koalitionsverhandlungen war. Die SPD war damals noch nicht einmal bereit, ein Atomausstiegsgesetz zusammen mit den GRÜNEN zu machen. Die SPD wollte damals nur eine Vereinbarung treffen. Eine Vereinbarung hätte keinerlei Wert gehabt. Die wäre schon lange wieder erledigt. Es hätte den Atomausstieg also real nie gegeben.
Wir als GRÜNE mussten damals mit großem Nachdruck dafür sorgen, dass die Sozialdemokraten mit uns ein Atomausstiegsgesetz gemacht haben, über das wir heute noch streiten. Auch das ist eine historische Wahrheit, die man nicht vergessen sollte. Es war also auch für die SPD ein langer Weg von der Pro-Atom-Partei zur Contra-Atom-Partei. Ich finde das gut. Ich meine das gar nicht negativ. Es war ein wichtiger Weg. Andere Parteien in Deutschland gehen diesen Weg heute ebenfalls. Ich glaube, mit Blick auf die gesamte Energiediskussion ist das positiv.
Ich möchte aber auch auf die Atomkraft an sich eingehen, weil es in der Vergangenheit eine Menge Argumente dafür gab, die immer wieder ins Feld geführt wurden. Sie sei zuverlässig, preiswert und si
cher. Seit einigen Jahren wird immer wieder ins Feld geführt, sie sei angeblich CO2-frei. Zur Zuverlässigkeit muss man nur nach Frankreich rüberschauen und muss sich die Probleme betrachten, die die Franzosen im Sommer wie im Winter haben. Wenn es im Sommer zu heiß wird, müssen die Reaktoren abgeschaltet werden. Dann ist nämlich das Kühlwasser zu heiß. Wenn es im Winter zu kalt wird, müssen die Reaktoren auch abgeschaltet werden. Dann ist das Kühlwasser nämlich zu kalt oder die Flüsse sind vereist. Das heißt, von Zuverlässigkeit kann bei dieser Energieform nicht wirklich die Rede sein.
Ich glaube, das Argument „preiswert“ entlarvt sich selbst aus vielerlei Hinsicht. Preiswert ist die Kernkraft deshalb für die Betreiber und für sonst niemanden. Für die Volkswirtschaft ist sie nämlich ein Riesenzusatzgeschäft. Preiswert für die Betreiber ist die Kernenergie heute noch in Deutschland und auch in anderen Ländern deshalb, weil die jeweiligen Nationalstaaten - auch Deutschland - viel Geld in die Forschung investiert haben, weil die Entsorgung fast komplett vom Steuerzahler finanziert wird und nicht von den Betreibern. Preiswert ist sie deshalb, weil keiner der Betreiber - weder in Deutschland, Japan oder USA - die finanziellen Folgen tragen muss, wenn ein wirklich großer Unfall passiert. Diese Kosten tragen nämlich komplett die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das heißt: Die Atomenergie ist die teuerste Energieform, die wir auf dieser Welt haben. Das wurde von ihren Gegnern schon immer gesagt. Heute ist diese Erkenntnis aufgrund der jüngsten Ereignisse - ich sage: leider Gottes - erwiesen.
Über die Sicherheit von Kernkraftwerken brauchen wir heute, denke ich, nicht mehr viel zu diskutieren. Der erste Beinaheunfall war Harrisburg. Damals bereits, im Jahr 1979, kam es zur Kernschmelze, und man ist - das ist damals gar nicht so groß diskutiert worden - dem Super-GAU nur deshalb entgangen, weil man radioaktiv verseuchte Luft aus dem Reaktorgebäude in die Umgebung abgelassen hat. Dann ist Tschernobyl mit seinen dramatischen Folgen passiert. Das haben wir alles wahrgenommen. Damals war die Hauptargumentation: Das war so ein russischer Schrottreaktor; mit der modernen westlichen Technologie kann so etwas nicht passieren. Alle diese Argumente haben sich durch die schlimmen Ereignisse in Fukushima auf eine sehr traurige Art und Weise überholt. Und es wird jetzt sehr deutlich, dass die Techniker, die die Kernkraft betreiben, vieles von dem, was passiert, wenn es wirklich zum Extremfall kommt, selbst nicht wissen. Vieles wird ja nur abgeschätzt. In Fukushima weiß man nicht, ob die Kernschmelze wirklich eingetreten ist. Man vermutet es, weil zum Beispiel Cäsium austritt, und wenn dies geschieht, weiß man eben, dass die Brennelemente trockenliegen, oder man geht davon aus, dass aus dem Reaktorkern über 1.500 Grad
heißes Cäsium austritt. Das sind alles Annahmen. Gesichertes Wissen gibt es noch nicht einmal in der Gemeinde, die eigentlich für die Sicherheit der Reaktoren verantwortlich ist. Ein Argument für mich mehr, dass wir aus dieser Technologie so schnell es geht aussteigen müssen.
Man muss sich auch Folgendes klarmachen, und auch hier kann man nur hoffen, dass es jetzt in Japan gelingt, den Super-GAU, der ja zum Glück noch nicht eingetreten ist, zu verhindern: In Tschernobyl war es so, dass in den Jahren nach dem Störfall 500- bis 600.000 sogenannte Liquidatoren - meistens Soldaten, die dorthin abkommandiert wurden eingesetzt werden mussten, um den Sarkophag zu bauen, um unter dem Reaktorkern eine Kühlung anzulegen. Viele dieser Menschen sind im Nachhinein gestorben. Die meisten sind heute todkrank. Eine solche Anzahl von Menschen nach einem solchen Ereignis an einen solchen Platz zu schicken, ist in Demokratien schlichtweg nicht vorstellbar. Das war nur in einem totalitären System machbar. Sollte in Japan wirklich der Super-GAU eintreten, werden wir und insbesondere die Japaner noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen haben als dem, was heute zu sehen ist.
Wir müssen heute über die Alternativen zur Kernkraft sprechen, und es gibt sie ja. Es gibt sie insbesondere in einem Land wie Deutschland, das zum Glück immer auf einen Energiemix gesetzt hat. Deshalb ist es ja auch möglich, sofort acht Kernreaktoren vom Netz zu nehmen, ohne den geringsten Versorgungsengpass zu bekommen. Der Strom nämlich, der in Krümmel und in den sieben Reaktoren, die ganz abgeschaltet werden, erzeugt wird, entspricht gerade einmal dem Stromexportanteil der Bundesrepublik Deutschland. Man könnte sogar sagen: Auch dann, wenn in Deutschland sofort alle Reaktoren vom Netz genommen würden, würde hier keine Lampe ausgehen.
Wenn man - das fordern wir GRÜNEN - bis zum Jahr 2017 komplett aus der Kernenergie aussteigt, dann reicht es - um die Spitzen abzudecken, die meist im Winter auftreten -, zunächst einmal kurzfristig rund 5.000 Megawatt zusätzliche Kraftwerksleistung aufzubauen. Das ist problemlos möglich, wenn man dabei nur auf Windenergie setzt, ohne neue Kohlekraftwerke zu bauen. Und wir haben jetzt einen weiteren Vorteil: Die großen deutschen Energiekonzerne wie RWE und E.ON haben sich in der deutschen Küstenlandschaft große Flächen gesichert, um große Offshore-Windparks zu bauen. Dieser Windparkbau ist im Zuge der Laufzeitverlängerungen für die Atomkraftwerke zurückgestellt worden. Es war ja eine der wesentlichen negativen Seiten dieser Laufzeitverlängerungen, dass die Windkraft nach hinten geschoben wurde. Jetzt besteht die berechtigte Hoffnung, dass die großen Energie
versorger die Windparks schneller errichten werden, dass sie schneller die Energieleistung zubauen werden, die wir in den nächsten Jahren brauchen werden, wenn die Kernkraft verschwindet, wenn aber auch die Kohleenergie in Deutschland relativ schnell verschwindet. Sie ist aus anderen Gründen - nämlich wegen der Klimakatastrophe - ebenfalls nicht mehr verantwortbar.
Die Technologie schreitet auch in anderen Bereichen relativ schnell voran. Man sagt ja immer, in Deutschland sei die Wasserkraft weitgehend ausgenutzt. Was die großen Anlagen angeht, stimmt das auch, aber mittlerweile gibt es auch sogenannte Kleinwasserkraftwerke, die an vielen Stellen eingesetzt werden können, die moderner, preiswerter, effizienter und ökologisch verträglicher sind als herkömmliche Wasserkraftwerke. Auch diese Kleinwasserkraftwerke können bei einer künftig dezentralen Energieversorgung in Deutschland vieles erzeugen. Die Kohle - ich bin bereits darauf eingegangen kann beim Ausstieg aus der Atomenergie nicht die Alternative sein. Deshalb können wir dem heutigen Antrag der SPD nicht zustimmen. Die SPD schreibt darin: Wir steigen aus der Kernkraft aus, und dafür bauen wir neue Kohlekraftwerke zu. Was bedeutet das denn? Wenn Sie heute ein neues Kohlekraftwerk errichten, dann steht es die nächsten 30 oder 40 Jahre und erzeugt CO2, einen Stoff, der ebenfalls nicht verantwortbar ist. Im selben Zeitraum, in dem ein neues Kohlekraftwerk gebaut wird, kann zur Stromerzeugung auch ein neuer Windpark entstehen. Kohlekraftwerke können also nicht wirklich die Alternative sein, und ich finde es schade, dass sich die Sozialdemokratie immer noch nicht von der Kohlephilosophie lösen kann.
Klüger und besser ist es da, zumindest für die Übergangszeit dezentrale Gaskraftwerke zuzubauen, die wirklich eine sehr gute Ergänzung zu den erneuerbaren Energien darstellen - nämlich als Puffer und Speicher - und die vor allen Dingen im Vergleich zu Kohlekraftwerken einen viel höheren Wirkungsgrad haben. Beim Kohlekraftwerk kommen Sie bei der modernsten Bauart gerade einmal auf 43 oder 44 Prozent. Beim Gas- und Dampfprozess kommen Sie auf runde 60 Prozent. Da liegt schon einiges dazwischen, und Sie haben außerdem noch insgesamt eine sehr viel bessere Abgassituation als beim Kohlekraftwerk.
Bei den erneuerbaren Energien - das ist uns allen klar - ist die Speicherung ein großes Problem, aber auch hier gibt es sehr interessante neue Ansätze. Zum Beispiel hat das Zentrum für solare Wasserstoffwirtschaft zusammen mit dem Fraunhofer-Institut ein Verfahren zur Spaltung von Wasser und der Verbindung von Wasserstoff mit CO2 zu Methangas entwickelt. Das heißt, es wird sehr bald möglich
sein, den überschüssigen Windstrom, der überall erzeugt wird, wenn der Wind eben stark weht, in Methangas umzuwandeln, dieses in das vorhandene Leitungsnetz einzuspeisen und dort einen großen Energiespeicher zu haben, mit dem wiederum Gaskraftwerke betrieben werden können. Argumente wie das der RWE, sie komme nicht an gute Gasverträge heran, um zum Beispiel in Ensdorf ein Gaskraftwerk bauen zu können, fallen in sich zusammen.
Natürlich müssen wir in Deutschland - das hat Klaus Meiser vorhin richtig angesprochen - jetzt in stärkerem Maß neue Stromleitungstrassen bauen. Wir brauchen mehr Pumpspeicherkraftwerke. All das wird politische Überzeugungsarbeit erfordern, aber diese Dinge sind notwendig und machbar. Das bedeutet natürlich auch, dass man Konflikte eingehen muss, zum Beispiel mit Landschafts- und Naturschützern, die Einwände gegen Windparks vorbringen. So kann die Diskussion nicht mehr laufen, denn die Frage, die man an dieser Stelle stellen muss, lautet: Wie sieht denn die Landschaft in 30 oder 40 Jahren aus, wenn wir weitere fossile Kraftwerke bauen, wenn der Treibhauseffekt weitergeht und wir zu ganz anderen Katastrophen kommen werden? Das kann nicht die Alternative sein.
Ich komme zum Ende. - Die Alternative muss der Windpark sein, der heute saubere Energie erzeugt und der vor allen Dingen den Kindern in unserem Land eine sichere Zukunft außerhalb der Kernkraft und der Kohlestromerzeugung gewährleistet. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch auf ein paar Aspekte der Debatte eingehen. Es wurde mehrfach ausgeführt, die Debatte sei der Tatsache geschuldet, dass wir es nach der Naturkatastrophe in Japan mit Katastrophen in einem technischen Bereich zu tun hätten, von dem immer noch einige gerade in den Industrieländern - davon ausgingen, dass die Technik beherrschbar sei. Ich denke, nach Harrisburg, Tschernobyl, Forsmark und Fukushima zeigt sich endgültig, dass wir einen anderen Weg
Ich glaube, die Debatte hat gezeigt, dass wir dabei sind, einen parteiübergreifenden Konsens zu erreichen, schnellstmöglich aus dieser Risikotechnologie auszusteigen. Es sollte uns endgültig Mahnung sein, dass eine Technik, die anfällig ist gegenüber Naturkatastrophen, aber auch gegenüber terroristischen Akten und Flugzeugabstürzen sowie gegenüber menschlichem Versagen, nicht beherrschbar ist. Ich bin ganz bei Ihnen, Kollege Lafontaine, wenn Sie sagen, dass wir nicht verantworten können, eine Technik zu wählen, die die Lebensbedingungen zukünftiger und heutiger Generationen, wie wir gerade in Japan erleben, so stark beeinträchtigt.
Allerdings, auch das möchte ich gleich vorab betonen, gilt das für mich genauso für die Verbrennung fossiler Energieträger. Wenn wir sehen, was heute in einigen Regionen der Erde beim Klimawandel zu beobachten ist, dass wir mit stärkeren Überschwemmungen und heißeren Sommern zu rechnen haben und dass das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bei uns einen volkswirtschaftlichen Schaden von 20 Milliarden Euro bis zum Jahr 2050 prognostiziert, dann ist für mich klar, dass auch die Verbrennung fossiler Energieträger, die mit erheblichen CO2-Belastungen einhergeht, kein Zukunftssignal ist. All dies ist kein Signal für die nachfolgenden Generationen. Ich bitte darum, darüber nachzudenken, auch wenn klar ist, dass uns die Kohle hier im Land noch einige Jahre begleiten wird. Wenn wir die fossilen Energieträger wirkungsvoll nutzen wollen, dann muss es mit verbesserten Wirkungsgraden und einer höheren Wärmeauskopplung im Sinne einer Kraftwärmekopplung sein. In der mittelfristigen Perspektive müssen wir von der Kohle zum Gas überleiten. Hierzu komme ich später noch.
Die Sicherheit ist ein wichtiges Thema. An welchen Kriterien machen wir die Sicherheit von Atomkraftwerken fest? Ich möchte darauf hinweisen, dass mit dem Atomausstiegsbeschluss der rot-grünen Bundesregierung erstmalig eine gesetzliche, regelmäßige Sicherheitsüberprüfung aller Atomkraftwerke mit festen Terminen vereinbart wurde. Es hat keinen Rabatt der Sicherheit gegeben. Es war erstmals eine konkrete Festlegung. Ich möchte darauf hinweisen, dass durch § 7 im neuen Gesetz die sogenannte weitere Schadensvorsorge eingeführt wurde, die nur noch freiwillig ist und von der Atomaufsicht nicht angeordnet werden kann. Meine Partei ist auf Bundesebene dabei, über eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht diese Sicherheitsstandards einzufordern.