Protocol of the Session on March 23, 2011

Die saarländische Landesregierung hat die Laufzeitverlängerung abgelehnt. Wir haben die Notwendigkeit unter energiepolitischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht gesehen und haben deshalb auch im Bundesrat konsequent gegen die Laufzeitverlängerung votiert.

Mit der Position, dass wir abhängig von einer Übergangsphase dauerhaft auf die friedliche Nutzung der Kernenergie zur Energieversorgung verzichten wollen, ist die Bundesrepublik Deutschland im internationalen Kontext in einer Sonderstellung. Die internationalen Tendenzen gehen und gingen in eine andere Richtung. Viele Länder dieser Welt gehen, wenn es um die Darstellung der dort notwendigen Energieversorgung geht, unverändert von der dauerhaften Nutzung der Kernenergie aus. Viele Länder dieser Welt wollen zusätzliche Potenziale erschließen und neue Kernkraftwerke bauen.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, glaube ich, dass wir die Debatte in der Bundesrepublik Deutschland natürlich auch unter Einbeziehung der Tatsache führen müssen, dass die friedliche Nutzung der Kernenergie eine Frage ist, die sich immer auch im internationalen, im europäischen und bei uns auch im binationalen Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich stellt. Die saarländische Landesregierung glaubt, dass vor dem Hintergrund

der Ereignisse in Japan zwei Wege, zwei Ziele unser Handeln bestimmen sollten. Erstens. Nachdem wir erfahren haben, dass auch in einem Hochtechnologieland der GAU möglich ist, muss unser Ziel der schnellstmögliche Ausstieg aus der Atomenergie sein. Wir müssen die Brücke in das solare Zeitalter schneller bauen, als wir uns dies in der Vergangenheit vorgenommen haben, und zwar über alle Parteigrenzen hinweg. Zweitens. Soweit für eine Übergangszeit, die möglichst kurz bemessen sein muss, der Einsatz der Atomenergie unverzichtbar ist, müssen wir die damit verbundenen Risiken neu bewerten und maximale Sicherheit auf der Basis einer Neubewertung dieser Risiken erreichen.

Deshalb will ich zu beiden Punkten einige Anmerkungen aus Sicht der Landesregierung machen, erstens zur Frage der maximalen Sicherheit. Die Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland hat sich vor dem Hintergrund der Ereignisse in Japan nicht geändert. Wir brauchen nicht mit Erdbeben in vergleichbarer Größenordnung zu rechnen. Wir brauchen auch nicht mit einem Tsunami, wie er in Japan stattgefunden hat, zu rechnen. Was sich aber verändert hat, ist, dass wir mit Blick auf andere Risiken, die es bei uns gibt, davon ausgehen müssen, dass eine reale Eintrittswahrscheinlichkeit gegeben ist. Deshalb muss diese Eintrittswahrscheinlichkeit stärker gewichtet werden, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Der Flugzeugabsturz kann geschehen. Seit Japan wissen wir: Was geschehen kann, geschieht auch. Da ist die Frage der Terroranschläge. Es stellen sich neue Fragen etwa mit Blick darauf, wie wir damit umgehen, wenn infolge dieser Ereignisse langfristige Stromausfälle eintreten. Wie gehen wir um mit der Frage der Notstromversorgung? Wie sind unsere Kühlkreisläufe ausgestaltet? Und vieles andere mehr.

Dabei geht es eben nicht nur um Gefahrenabwehr, sondern auch um Gefahrenvorsorge, weil die Folgen einer Havarie eines Kernkraftwerkes so gravierend sind, wie sie eben sind. Es muss darum gehen, bereits die Entstehung einer konkreten Gefahr zu verhindern. Unter diesem Gesichtspunkt sind unsere Strukturen noch einmal zu überdenken und die Sicherungsanforderungen neu zu definieren.

Ich will dazu eine persönliche Anmerkung machen. Gestern hat die Bundesregierung eine Kommission eingesetzt, die sich genau mit diesen Fragen beschäftigen wird. Diese Kommission steht unter der Führung des früheren Bundesumweltministers und früheren Landesvorsitzenden der saarländischen CDU, Klaus Töpfer. Nicht nur die Person Klaus Töpfer, der von der Notwendigkeit des Ausstiegs aus der Kernenergie seit vielen Jahren überzeugt ist und dafür gearbeitet hat, sondern auch die Zusammensetzung der Kommission im Übrigen - etwa mit Blick auf die Wissenschaftler aus der Umweltforschung,

(Ministerpräsident Müller)

die dort vertreten sind - bis hin zu der Tatsache, dass auch der Vorsitzende der IG BCE oder der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi dieser Kommission angehören, scheinen mir Gewähr dafür zu sein, dass dies eine Kommission ist, die sich in aller Ernsthaftigkeit und in aller Unabhängigkeit diesen Fragen stellen wird. Deshalb ist dies nicht ein Manöver, um Zeit zu gewinnen, sondern es ist die ernsthafte Bemühung, um auf die neu gestellte Herausforderung eine angemessene Antwort zu finden. Ich begrüße dieses. Ich finde, das hat unsere Unterstützung verdient, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Zweitens. Vor dem Hintergrund der Ereignisse in Japan und vor dem Hintergrund der sich neu stellenden Fragen, wie maximale Sicherheit dargestellt werden kann, hat die Bundesregierung zusammen mit denjenigen Ländern, in denen sich Kernkraftwerke befinden, beschlossen, sieben Atomkraftwerke älterer Bauart zunächst einmal für ein Moratorium von drei Monaten vom Netz zu nehmen. Kernkraftwerke älterer Bauart sind hinsichtlich ihrer Störanfälligkeit nicht nur wegen ihres Alters, sondern auch wegen der Bauart, in der sie errichtet worden sind, kritischer zu bewerten, als dies bei Kernkraftwerken neuerer Bauart der Fall ist.

(Zuruf des Abgeordneten Maas (SPD).)

Lieber Herr Kollege Maas, wenn Sie in dem Zusammenhang sagen, die Nachrüstung sei verhindert worden, dann will ich Ihnen sagen, dass der Sicherheitsstandard, der für Atomkraftwerke in Deutschland gilt, im Vergleich dazu erhöht worden ist, was Bestand bei Rot-Grün war, zumal Rot-Grün sich beim Ausstiegsvertrag mit der Energiewirtschaft ausdrücklich verpflichtet hat, die Sicherheitsanforderungen nicht zu erhöhen.

(Abg. Maas (SPD) : Falsch, eindeutig. - Sprechen bei der SPD.)

Deshalb ist heute wirklich nicht der Tag, selbstgerechte Diskussionen mit Blick auf die Vergangenheit zu führen. Das wird der Situation überhaupt nicht gerecht.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Weiterhin Sprechen bei der SPD.)

Sehr geehrter Herr Kollege Maas, ich halte es für gut und richtig, dass diese sieben Atomkraftwerke auf der Basis einer Weisung nach § 19 Abs. 3 des Atomgesetzes vom Netz genommen worden sind und dass wir in einer Situation sind, die eben weit über die Szenarien der Vergangenheit hinausgeht.

(Zurufe von der SPD.)

Das dokumentiert doch der Umstand, lieber Herr Kollege Jost, dass auch nach dem rot-grünen Kon

zept sechs dieser Meiler weiter am Netz wären. Wenn sechs dieser Meiler abgeschaltet werden, die auch nach Ihrem Konzept nicht hätten abgeschaltet werden dürfen, dann ist das gut und richtig. Das zeigt, dass wir vor neuen Aufgaben und Herausforderungen stehen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Die Abschaltung dieser sieben Kernkraftwerke vor dem Hintergrund der notwendigen Neubewertung der Sicherheitsfragen ist energiepolitisch unproblematisch. Sie tragen zur Stromerzeugung mit einer Quote von etwa sieben Prozent bei. Das ist in etwa das, was die Bundesrepublik Deutschland exportiert. Im Übrigen verfügen wir über hinreichende Reservekapazitäten, um dies auszugleichen.

(Sprechen bei der SPD.)

Ich komme zu Ihren Zwischenrufen, Herr Kollege Jost. - Es ist gegenwärtig ein Moratorium für die Dauer von drei Monaten mit Blick auf diese Atomkraftwerke festgesetzt.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Mit Blick auf die Wahlen.)

Die saarländische Landesregierung geht davon aus und erwartet, dass auch nach Ablauf dieser drei Monate diese sieben Kernkraftwerke nicht mehr ans Netz gehen, sondern dass sie dauerhaft abgeschaltet bleiben.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Nach den Wahlen sehen wir das. - Sprechen bei der SPD.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, darüber hinaus ist am Ende dieser Überlegensfrist, die wir uns einräumen und deren Einräumung vor dem Hintergrund der Fragen, die wir uns stellen, richtig ist, auf der Basis neu bestimmter Sicherheitsanforderungen eine Überprüfung der verbleibenden Kernkraftwerke durchzuführen. Dabei muss der Grundsatz gelten: Vorrang für die Sicherheit. Wenn diese nicht gewährleistet werden kann, ist abzuschalten. Ansonsten ist der schnellstmögliche Ausstieg aus der Kernenergie in dieser Zeit voranzutreiben.

Wahr und richtig ist, dass mit dem Ausstieg der Bundesrepublik Deutschland aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie die internationale Dimension dieser Frage nicht erledigt ist. Wir haben zurzeit weltweit rund 440 Kernkraftwerke. Viele Staaten planen den massiven Ausbau ihrer Atomkraftwerke. China will 50 neue Meiler errichten, die Vereinigten Staaten neun, Russland 14. Der Anteil der Kernenergie an der weltweiten Energieversorgung liegt bei 14 Prozent, und auch nach und trotz Japan - wir können ja die Augen davor nicht verschließen - ist die friedliche Nutzung der Kernenergie bei vielen Ländern grundsätzlich nicht infrage gestellt. Es ist sicherlich positiv, dass an der einen oder anderen

(Ministerpräsident Müller)

Stelle Nachdenklichkeit und die Bereitschaft zu grundsätzlichen Diskussionen entstehen. Es ist sicherlich gut und richtig, dass die Vereinigten Staaten und Frankreich sagen: Wir müssen über die Sicherheit noch einmal sprechen. Dies ist eine Chance, die ergriffen werden muss. Und es gibt ein wenig Hoffnung, wenn auch in China gesagt wird: Wir wollen die Pläne für den Ausbau unserer Kernenergie vor dem Hintergrund der Ereignisse in Japan jetzt einmal aussetzen und über die Sicherheitsfrage noch einmal neu diskutieren.

Ich denke, uns, der Bundesrepublik Deutschland, kommt in dieser Situation eine doppelte Aufgabe zu. Auf der einen Seite bin ich der Meinung, dass es gut wäre, wenn es uns gelänge, den Nachweis zu führen, dass ein Hochtechnologieland, ein hoch industrialisiertes Land auch unter Verzicht auf die Kernenergie eine nachhaltige, verlässliche und kostengünstige Energieversorgung darstellen kann. Unsere zweite Aufgabe besteht darin, dass wir für die Übergangszeit maximale Sicherheitsstandards für Kernkraftwerke nicht nur in Deutschland, sondern auch auf bilateraler, europäischer und internationaler Ebene einfordern. Vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass sich die G 20 - also die Organisation der führenden Industrienationen dieser Welt - auf der Basis einer gemeinsamen deutsch-französischen Initiative mit den Sicherheitsstandards für Kernkraftwerke beschäftigen wird. Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass der deutsche Energiekommissar Günther Oettinger die Sicherheit von Kernkraftwerken zum Gegenstand von Beratungen und Entscheidungen auf europäischer Ebene machen möchte. Ich meine, dass es gut und richtig ist, dass er das Ziel verfolgt, sich auf europäische Sicherheitsstandards festzulegen und auf dieser Grundlage Stresstests für alle Kernkraftwerke in Europa durchzuführen. Diese Debatte ist alles andere als am Ziel. Wenn wir uns etwa anschauen, was Großbritannien bereits jetzt an Bedenken gegen eine solche Vorgehensweise geltend macht, dann liegt meines Erachtens unsere Aufgabe darin, diese Initiativen zu unterstützen und ihnen zum Durchbruch zu verhelfen.

Für uns in Deutschland und gerade für uns hier im Saarland ist natürlich die Situation in Frankreich von ganz besonderer Bedeutung. Kein anderer Staat auf der Welt - mir ist jedenfalls kein anderer bekannt hat seine Energieversorgung so sehr mit der Kernenergie verknüpft wie Frankreich. 80 Prozent des französischen Stroms werden in den 58 Kernkraftwerken erzeugt, die in Frankreich am Netz sind. Eines davon ist Cattenom, ein Thema, das die saarländische Landespolitik in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder beschäftigt hat. Bereits im Jahr 1976 hat sich beispielsweise der damalige saarländische Ministerpräsident Franz-Josef Röder an den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt gewandt und um Unterstützung für das Ziel

gebeten, die Zusammenballung von vier Blöcken in Cattenom zu verhindern. Die sozialdemokratische Landesregierung unter Ministerpräsident Lafontaine und Umweltminister Leinen hat politisch und juristisch versucht, Einfluss auf die Entwicklung in Cattenom zu nehmen. Bei der Neugenehmigung für dieses Kernkraftwerk hat die saarländische Landesregierung, vertreten durch den damaligen Umweltminister Stefan Mörsdorf, interveniert und zumindest bei der Ableitung von Abwässern in die Mosel Veränderungen erreicht. Übrigens, Herr Kollege Maas: Die damalige Bundesregierung hat, obwohl wir sie herzlich darum gebeten hatten, keine Stellungnahme in dieser Angelegenheit abgegeben, und es war die rot-grüne Bundesregierung, die damals gefordert war.

Wir sind auch jetzt intensiv darum bemüht, die Sicherheit des Kernkraftwerks Cattenom immer und immer wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Simone Peter ist im Gespräch mit den Verantwortlichen in Cattenom. Sie hat sich mit ihnen getroffen. Weitere Gespräche sind vereinbart. Sie waren bereits vereinbart, bevor die Ereignisse in Japan eingetreten sind. Dieses Thema bewegt die Landespolitik zu Recht, weil es natürlich die Menschen bewegt, weil die Menschen sich Sorgen machen. Wahr ist allerdings auch, dass wir mit Blick auf die Situation in Cattenom keine Entscheidungsbefugnisse haben. Wir sind in der Europäischen Union noch nicht so weit, dass grenzüberschreitend Nachbarrechte verbindlich geltend gemacht werden können. Wahr ist vielmehr, dass die Entscheidung über den Betrieb dieses Kernkraftwerks in der Souveränität unseres französischen Nachbarn liegt. Das Kraftwerk ist 25 Jahre alt. In dieser Zeit hat es 750 meldepflichtige Ereignisse gegeben. Nach dem, was wir wissen, ist eine Laufzeit von weiteren 40 Jahren geplant. Deshalb sind wir der Ansicht, dass auch vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse über Cattenom noch einmal grundsätzlich diskutiert werden muss. Auch in dieser Diskussion wird es die Maxime der saarländischen Landesregierung sein, die schnellstmögliche Abschaltung auch dieses Kraftwerks anzustreben und dazu beizutragen, dass bis zum Zeitpunkt der Abschaltung optimale Sicherheit gewährleistet wird. Sicherheitschecks, wie sie für deutsche Kernkraftwerke stattfinden, fordern wir auch mit Blick auf die Kernkraftwerke auf der anderen Seite der Grenze und damit auch mit Blick auf Cattenom.

Ich habe vor diesem Hintergrund den französischen Staatspräsidenten angeschrieben, ihm unsere Position dargelegt und den Dialog in dieser Angelegenheit angeregt. Gleichzeitig habe ich die Bundeskanzlerin gebeten, diese Sache zum Thema des nächsten deutsch-französischen Gipfels zu machen. Und schließlich habe ich den derzeitigen Präsidenten des Saar-Lor-Lux-Gipfels, den Kollegen Masseret aus Lothringen, gebeten, einen Sondergipfel mit dem

(Ministerpräsident Müller)

Ziel einzuberufen, eine gemeinsame Position zu formulieren, wie wir sie in unserer Region vertreten sollten, und anschließend gegenüber der französischen Regierung durchzusetzen - zumindest den Versuch der Durchsetzung zu unternehmen. Ich denke, dass dieses Engagement ebenfalls eine notwendige, richtige und angemessene Konsequenz aus den Ereignissen ist, die wir in diesen Tagen gemeinsam erleben müssen. Und sicherlich helfen alle Initiativen, die mit Blick auf das Thema Cattenom flankierend stattfinden. Ich nenne beispielhaft die Unterschriftensammlungen, die zurzeit in saarländischen Gemeinden stattfinden, und die Thematisierung der Sicherheitslage im Kernkraftwerk Cattenom im Interregionalen Parlamentarierrat, der sich auch schon in der Vergangenheit damit beschäftigt hat.

Neben der Sicherheitsfrage ist der schnellstmögliche Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie miteinander zu diskutieren. Atomenergie deckt zurzeit 23 Prozent der Stromerzeugung in der Bundesrepublik Deutschland. Natürlich stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang diese Lücke gedeckt werden kann und gedeckt werden muss, wenn wir in Zukunft auf die Atomenergie verzichten wollen. Die Antwort der Landesregierung in diesem Zusammenhang ist klar. Wir setzen auf einen beschleunigten Ausbau der regenerativen Energien und wir setzen auf Energieeffizienz. Ich glaube, die Redlichkeit gebietet zu sagen, dass wir bei der Frage, wie wir das substituieren, was an Stromerzeugung künftig wegfällt, wenn die Kernkraftwerke abgeschaltet werden, nicht auf fossile Energieträger setzen. Deren Anteil an der Stromproduktion liegt gegenwärtig deutlich über 50 Prozent. Die fossilen Energieträger werden in den nächsten Jahren noch in erheblichem Umfang allein aufgrund dieses Anteils zur Energieversorgung beitragen. Deshalb glauben wir nicht, dass es richtig wäre, jetzt auch noch darüber hinausgehend wegfallende Kapazitäten von Atomkraftwerken durch einen Zubau bei den fossilen Energieträgern auszugleichen.

(Zuruf des Abgeordneten Maas (SPD).)

Lieber Herr Kollege Maas, das ist die Position der saarländischen Landesregierung. - Es macht überhaupt keinen Sinn, ein Problem, das die Menschheit betrifft, nämlich das Problem der Risiken, die mit der friedlichen Nutzung der Kernenergie verbunden sind, lösen zu wollen, indem wir ein anderes Menschheitsproblem, nämlich die Frage der Klimakatastrophe, verschärfen. Deshalb sind fossile Energieträger kein Ausweg, um die Stromlücke zu decken, die entsteht, wenn die Kernkraftwerke abgeschaltet werden.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Erneuter Zuruf des Abgeordneten Maas (SPD). - Sprechen bei den Oppositionsfraktionen.)

Ohne Zweifel, lieber Kollege Maas. - Das hat eine Konsequenz für die Situation bei uns im Saarland. Diese will ich beschreiben. Wenn wir wissen, dass wir weiter fossile Energieträger brauchen mit Blick auf den Anteil, der jetzt bereits über die fossilen Energieträger dargestellt wird und den wir nur schrittweise vermindern werden, dann werden wir auch weiter Kraftwerke auf fossiler Basis brauchen. Dann stellt sich natürlich die Frage, ob wir nicht auch bei der Gestaltung dieser Kraftwerke unter CO2-Gesichtspunkten Fortschritte erreichen können. Das Erreichen dieser Fortschritte heißt beispielsweise - Herr Kollege Maas, um auf Ihren Zwischenruf zurückzukommen -, dass wir nachdenken müssen über die Erhöhung der Wirkungsgrade und die Verminderung des CO2-Ausstoßes der Kraftwerke. Das heißt, dass natürlich die Frage zu prüfen ist, ob Gaskraftwerke eine vernünftige Lösung sind und ob Gasturbinen mit traditionellen Kohlekraftwerken verbunden werden können. Das sind eben auch Fragen, die sich mit Blick auf die saarländischen Kraftwerke stellen. Wir setzen auf die Zukunft der saarländischen Kraftwerke. Wir wollen sie effizienter und umweltverträglicher machen. In diesem Sinne führen wir den Dialog über die Zukunft der saarländischen Kraftwerkslandschaft.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

An der einen oder anderen Stelle höre ich es im Lande und ich glaube, dass wir auch hier offen miteinander reden sollten. Diese Ereignisse führen aus Sicht der saarländischen Landesregierung nicht dazu, das Steinkohlefinanzierungsgesetz noch einmal infrage zu stellen. Das sozialverträgliche Auslaufen des Steinkohlebergbaus im Saarland wird weiter verfolgt. Es war richtig. Es war im Übrigen primär ökonomisch und nicht ökologisch begründet. Dieser Weg wird weitergegangen. Meine feste Überzeugung ist: Wer jetzt so tut, als ob es vor dem Hintergrund der Ereignisse in Japan eine Renaissance des Steinkohlebergbaus im Saarland geben könnte, der macht den Menschen Hoffnungen, die nicht realistisch sind. Das sollten wir gemeinsam nicht tun.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Abg. Schramm (DIE LINKE) : Wer hat so etwas gesagt? - Weitere Zurufe von den Oppositionsfraktionen.)

Stattdessen ist es unsere Aufgabe, den Weg in das solare Zeitalter darzustellen und konsequent umzusetzen. Dieser Weg wird kein einfacher Weg. Es wird ein unbequemer Weg. Um etwas über die Größe der Herausforderung zu sagen, vor der wir stehen, will ich darauf hinweisen, dass die sieben Atomkraftwerke, die jetzt abgeschaltet sind und bei denen wir davon ausgehen, dass sie abgeschaltet bleiben, etwa 40 Milliarden Kilowattstunden Strom im Jahr erzeugen. Das entspricht demjenigen, was die rund 22.000 Windkrafträder, die wir zurzeit in

(Ministerpräsident Müller)

Deutschland haben, ebenfalls erzeugen. Alle Windkraftanlagen, die wir in Deutschland haben, tragen in gleichem Umfang, nämlich zu sieben Prozent, zur Stromerzeugung in Deutschland bei, genauso wie es die sieben Meiler getan haben, die jetzt abgeschaltet sind und abgeschaltet bleiben sollen.

Wenn wir den Weg in das solare Zeitalter gehen, brauchen wir also eine Vervielfachung der Erzeugungskapazität. Wir brauchen Netze, die in der Lage sind, eine verlässliche Energieversorgung darzustellen. Da wir in diesem Zusammenhang von den Standorten dieser Anlagen her auf durchaus unterschiedliche Dinge zurückgreifen müssen, brauchen wir einen massiven Ausbau der Übertragungskapazitäten für elektrische Energie. Wir müssen die Netzwerke ausbauen. Es gibt Untersuchungen, die besagen, verlässliche Energieversorgung auf der Basis regenerativer Energien erfordert eine Vervierfachung der Netzinfrastruktur im Vergleich zur Situation, die wir heute haben. Wir werden darüber hinaus über die Frage der Speicherung und der Einrichtung von Anlagen zur Speicherung von Energie reden müssen. Wir stehen also vor der Aufgabe und Herausforderung, neue Standorte, neue Pumpspeicherwerke und die Netzinfrastruktur massiver und zügiger auszubauen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn dies langfristig ein kostensparender Weg sein wird, insbesondere wenn man eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung macht, so wird es doch kurzfristig mit erheblichen zusätzlichen Kosten verbunden sein. Den Weg ins solare Zeitalter gibt es kurzfristig nicht umsonst. Die Kosteneinsparungen werden erst langfristig zu erreichen sein. Ich will in diesem Zusammenhang nur einmal darauf hinweisen, dass bereits jetzt die Großhandelspreise für elektrische Energie um 20 Prozent gestiegen sind, was sich bei den Verbrauchern in einer Quote von etwa sieben Prozent niederschlagen wird.