Protocol of the Session on November 19, 2020

Uns vom SSW geht es um die Sicherung von Qualität und Professionalität der bestehenden Angebote, aber eben auch darum, die Grundversorgung der Weiterbildungen durch eine ausreichende Anzahl an hauptberuflich geführten Volkshochschulen zu gewährleisten. Denn die Volkshochschulen sind ich zitiere aus dem „sh:z“ - „am Limit“.

Kein anderes Bundesland gibt weniger Geld für seine Volkshochschulen aus, wenn wir uns an der Zahl

(Ministerin Karin Prien)

der Einwohnerinnen und Einwohner orientieren. Schleswig-Holstein zahlt, so die Zahlen aus 2019, für seine Volkshochschulen 92 ct pro Jahr und Kopf. Der Durchschnitt aller Bundesländer liegt bei 2,21 € - und das, obwohl wir von unseren Volkshochschulen als Garant der Weiterbildung immer als wichtige vierte Säule unseres Bildungssystems reden. Was wären wir gerade in Krisensituationen bloß ohne sie gewesen?

Ich denke da auch an die Umsetzung der Sprachförderprogramme des Landes, an die Integrations- und Erstorientierungskurse des Bundes oder an die berufsorientierten Deutschkurse oder auch an die Angebote im betrieblichen Gesundheitsmanagement, an denen das Land auch als Arbeitgeber ein besonderes Interesse haben sollte. Oder blicken wir in den ländlichen Raum, wo die Volkshochschulen teilweise eine der wenigen verbliebenen Begegnungsstätten für die Bürgerinnen und Bürger sind, ob jung oder alt.

Weiterbildungen, meine Damen und Herren, sind nicht nur beruflich wichtig, sondern auch dafür, dass man sich als Mensch, als Gesellschaft weiterbildet und entwickelt, dafür, dass wir neue Fähigkeiten, Kenntnisse und Qualifikationen erwerben und unser vorhandenes Wissen aktualisieren.

In der vorigen Wahlperiode wurden auf Initiative des SSW hin die Bibliotheken gestärkt. Aber auch die Volkshochschulen geben unserer Gesellschaft sehr viel. Und jetzt sind die Volkshochschulen mal dran. Deswegen fordere ich mehr hauptamtliche Strukturen für unsere Volkshochschulen und würde mich freuen, wenn wir unseren Antrag ausführlich im Ausschuss diskutieren könnten. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SSW, SPD und Oliver Kumbartzky [FDP])

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Peer Knöfler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Gast, nein - es sind zwei an der Zahl -, liebe Gäste! Fachkräftemangel war und ist nach wie vor ein präsenter Begriff in Politik und Gesellschaft. Auch wenn Corona sich in der letzten Zeit in den Vordergrund geschoben hat, wird der Fachkräftemangel aber genau durch Corona noch verstärkt. Dies gilt nicht nur für die allseits bekannten Berufe in der IT und Technik, sondern gerade auch für Hotellerie

und für die Gastronomie und speziell das Handwerk.

Eine Frage, die sich uns immer wieder stellt, lautet: Wie bekommt man Fachkräfte? - Richtig, durch eine gute Ausbildung, eine gute Fortbildung oder/und durch eine gute Weiterbildung. Das ist ein Prinzip, dass sich im Schulischen unter dem Begriff des „Lebenslangen Lernens“ vereint und uns schon lange bekannt ist als „Man lernt eben nie aus“. Sehr gerne möchte ich in diesem Zusammenhang unseren Staatssekretär Dr. Thilo Rohlfs zitieren:

„Weiterbildung ist die erste Antwort auf den Fachkräftebedarf - und damit ein wichtiger Baustein für die Zukunftsfähigkeit des Landes.“

(Beifall CDU)

Mit dem schleswig-holsteinischen Weiterbildungsgesetz geben wir bereits einen wichtigen Impuls für guten Zugang zur Weiterbildung. Die Bildungsfreistellung und der Weiterbildungsbonus sind durchaus attraktive Bausteine im Sinne der Weiterbildung. Sicherlich haben Sie alle den Bericht gelesen, und die Zahlen sind Ihnen bekannt.

Lassen Sie uns einen kurzen Blick auf die anerkannten Bildungsveranstaltungen werfen. Von denen gab es im Jahr 2017 2.054 Formate, ein Jahr später knapp 150 mehr und 2019 noch einmal 100 mehr. Das ist, kurz gesagt, ein deutlicher Anstieg an Veranstaltungen. Zu diesen besagten Veranstaltungen gab es im Jahre 2017 67.000, im Jahre 2018 rund 70.000 und im Jahre 2019 rund 78.000 Teilnehmer. Der aufmerksame Beobachter stellt fest: Die Tendenz ist steigend. Und das ist auch gut so!

Mit den vieldiskutierten Phänomenen einer fortschreitenden Individualisierung und Pluralisierung aller Lebenslagen steigen die Anforderungen an die einzelnen Bildungskarrieren und damit gleichzeitig auch die Relevanz von Bildungsmaßnahmen.

Auch die Herausforderungen des demografischen Wandels, der Globalisierung sowie der digitalen Transformation verändern tradierte Berufs- und Qualifikationsmuster und damit die Notwendigkeit einer permanenten Weiterbildung.

Aber verglichen mit den Weiterbildungsgesetzen der anderen Bundesländer weist das Weiterbildungsgesetz Schleswig-Holstein, das frühere Bildungsfreistellungsgesetz, Lücken auf. Obgleich Weiterbildung im § 2 des Weiterbildungsgesetzes als gleichberechtigter Teil des Bildungswesens definiert wird, regelt das Weiterbildungsgesetz Schleswig-Holstein im Wesentlichen den Anspruch auf

(Jette Waldinger-Thiering)

Bildungsfreistellung und die Anerkennung von entsprechenden Weiterbildungsveranstaltungen.

Nähere Angaben zu den Fördergrundsätzen, den Förderungsvoraussetzungen oder den Förderarten macht das Weiterbildungsgesetz Schleswig-Holstein anders als die Weiterbildungsgesetze in elf anderen Bundesländern nicht.

Volkshochschulen und Bildungsstätten in Schleswig-Holstein sowie ihr Landesverband sind aus Sicht des Landes ein zentraler Partner im Bereich der Weiterbildung und Impulsgeber für Prozesse des digitalen Wandels in der Informationsgesellschaft.

Dieser Kreis muss jedoch durch Forschungseinrichtungen, Berufliche Schulen und Hochschulen erweitert werden, um das Potenzial der Weiterbildung und des lebenslangen Lernens vollends auszuschöpfen. Auch die Chancen der Digitalisierung müssen in diesem Zusammenhang genutzt werden.

So hat sich mithilfe der Servicestelle Digitalisierung im Landesverband der Volkshochschulen und der dort eingerichteten zwei Personalstellen bereits eine massive Kompetenz in Sachen Digitalisierung im Landesverband und in seinen Mitgliedseinrichtungen aufgebaut, die zu einer breiten Nutzung von digitalen Angeboten - wir haben in der Vergangenheit schon über Knotenpunkte und Ähnliches gesprochen - in den letzten Wochen und Monaten geführt hat und mit Mitteln des Landes fortgesetzt und unterstützt wird.

Sehr geehrte Damen und Herren, langer Rede kurzer Sinn: Die Weiterbildung als Teil des lebensbegleitenden Lernens weiterzuentwickeln, das ist eine unserer zentralen Aufgaben - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Heiner Dunckel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, vielen Dank für Ihren Bericht.

Das Weiterbildungsgesetz war in der Form, wie es 2012 noch kurz vor der Landtagswahl verabschiedet worden war, nach Einschätzung vieler Betroffener nicht geeignet, diese - neben Kita, Schule, Berufsbildung und Hochschule - fünfte Säule unseres

Bildungssystems voranzubringen. Wer nachrechnen mag, wird sagen, es sei die vierte Säule. Aber die Kita ist ja auch eine Säule des Bildungssystems. Die Küstenkoalition hat dieses Gesetz deswegen noch im Jahre 2017 umfassend novelliert.

Die damals beschlossenen Veränderungen sind von denen, die im Weiterbildungsbereich unterwegs waren und sind, im Wesentlichen begrüßt worden. Kritisiert wurde allerdings, dass es im Unterschied zu den entsprechenden Gesetzen in den anderen Bundesländern - wir haben es gerade schon gehört Leistungen des Landes nicht festschreibt. Es beschränkt sich in der Nachfolge des früheren Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetzes auf Art und Umfang der Bildungsfreistellung und auf die Anerkennungsmodalitäten. Deren Förderung durch das Land wird unter die Maßgabe des Haushaltes gestellt, ohne jedoch Größenordnungen dafür festzulegen.

Die Landesregierung hat entsprechend der in dem Gesetz festgelegten Berichtspflicht jetzt ihren ersten Weiterbildungsbericht auf der Grundlage dieses Gesetzes vorgelegt, der in den Umsetzungsberichten zum Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetz seine Vorläufer hat.

Schon damals mussten wir regelmäßig feststellen, dass die Zahl derer, die Bildungsfreistellung auf der Grundlage des Gesetzes in Anspruch nehmen und erhalten, sehr gering ist. 2019 waren etwa 1.060.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anspruchsberechtigt, gut 78.000 nahmen an den durchgeführten anerkannten Bildungsfreistellungsveranstaltungen teil. Gemessen an der Zahl der antragsberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land bleibt es dabei, dass die vorhandenen Angebote viel zu wenig genutzt werden.

Das hat traditionell vielfältige Gründe. Viele Menschen wissen von ihrem Recht nichts. Viele Arbeitgeber ermutigen ihre Beschäftigten auch nicht, dieses Recht in Anspruch zu nehmen. Das ist sicherlich kurzsichtig, weil auch Arbeitgeber von zusätzlichen Qualifikationen ihrer Beschäftigten profitieren können, wofür es ein geringer Preis ist, wenn diese ein paar Tage nicht im Betrieb sind.

(Beifall SSW)

Aber - das muss man natürlich auch sagen - in kleineren und mittleren Unternehmen reißt eine Abwesenheit oft schwer zu schließende Lücken.

Auch in diesem Bericht stellen Sie das geringe Weiterbildungsniveau fest. Was ich allerdings vermisse,

(Peer Knöfler)

sind Ideen und Vorschläge, wie die Nachfrage deutlich gestärkt werden kann. Bedarfsanalyen sind sicherlich ein erster Schritt, reichen aber nicht aus.

Wir müssen befürchten, dass das Coronajahr 2020 für die Weiterbildung verheerend sein wird. Viele Angebote der Weiterbildung mussten wegen des Versammlungsverbotes gestrichen werden. Für viele Angebote gab es nicht die Option, sie ins Netz zu verlagern, und die wirtschaftliche Schieflage vieler Betriebe wird zusätzlich dazu führen, dass Beschäftigte ihren Rechtsanspruch nicht wahrnehmen werden und können.

Dass Frauen eher als Männer den Weiterbildungsbonus in Anspruch nehmen, ist nur eingeschränkt eine gute Nachricht, weil sich das besonders im Bereich Gesundheit/Pflege abspielt, der nun einmal weiblich dominiert ist.

Die Coronakrise hat viele Einrichtungen der Fortund Weiterbildung in Schleswig-Holstein in eine tiefe Krise gestürzt. Die Beitragseinnahmen eines Semesters sind fast völlig weggebrochen, und es bleibt abzuwarten, was das Wintersemester 2020/21 besonders für die Volkshochschulen und Bildungsstätten bringen wird.

Die Weiterbildungsstrukturen in Schleswig-Holstein sind in der Rechtsform und in der Größe der Einrichtungen sehr unterschiedlich. Was nicht passieren darf, ist, dass der nächste Weiterbildungsbericht ein Massensterben kleiner Volkshochschulen und Bildungsstätten verkünden muss.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Was wir brauchen, ist eine abgestimmte Strategie zwischen dem Land, den Kommunen und den sonstigen Trägern der Einrichtungen, mit der sichergestellt werden muss, dass es nicht zu einem flächendeckenden Zusammenbruch unserer Weiterbildungslandschaft kommt.

Der Bericht beinhaltet die Jahre 2017 bis 2019. An nur zwei Stellen wird kurz auf die Coronapandemie eingegangen. Hier hätte ich - auch bei diesem Bericht - mehr erwartet, denn es ist uns doch allen klar, dass wir vor ganz neuen Herausforderungen in Quantität und Qualität insbesondere von OnlineFormaten und -Inhalten stehen.

In Ihrem Bericht vermisse ich noch einen zweiten Punkt. Der Weiterbildungsmarkt ist sehr unübersichtlich und die Qualität der Angebote sehr unterschiedlich. Ich glaube, dass wir, dass Sie sich mehr der Frage der Qualitätssicherung widmen müssen. In Ihrem Bericht fand ich dazu leider nichts. Darüber sollten wir uns federführend im Bildungsaus

schuss, aber auch im Wirtschaftsausschuss unterhalten, auch darüber, wie die gesetzlichen Grundlagen der Weiterbildung so weiterzuentwickeln sind, dass ihre Strukturen krisenfest werden.

Der SSW hat in seinem Antrag - und Jette Waldinger-Thiering in ihrer Rede - das Richtige dazu gesagt. Eine interministerielle Arbeitsgruppe, die mindestens die Kommunen und die Volkshochschulen in ihre Beratungen einbezieht, kann eine Strategie zur Reform und zur Stärkung der Weiterbildung erarbeiten. Wir stimmen deshalb dem Antrag des SSW zu, würden uns aber auch nicht gegen eine Überweisung des Berichts in den Ausschuss wenden. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und SSW)