Protocol of the Session on November 19, 2020

Drittens. Wir haben in Schleswig-Holstein aufgrund der geologischen Gegebenheiten eine hohe Filterwirkung der Böden für Nitrat; aber diese ist endlich. Der Minister hat bereits darauf hingewiesen, dass sehr genau zu prüfen ist, welche Konsequenzen es hat, wenn sich diese Wirkung - Stichwort: Pyrit - weiter abbaut.

Viertens. Es bleibt bei der Vorgabe der Wasserrahmenrichtlinie - die selbstverständlich weiterhin gilt -, Grundwasserkörper mit mehr als 50 mg Nitrat in einen guten Zustand zurückzuversetzen; das betrifft in Schleswig-Holstein nahezu die Hälfte aller Grundwasserkörper.

Nicht allein das Grundwasser, sondern auch die Fließgewässer, die Meere und die Luft sind vor Nährstoffeinträgen zu schützen. Die Fokussierung der Debatte auf die roten Gebiete ist auch deshalb falsch, weil wir nicht allein die Nitratrichtlinie beachten müssen; wir haben ebenso die Wasserrahmenrichtlinie, die Meeresschutzrichtlinie, die Biodiversitätsrichtlinie und die EU-NERC-Richtlinie, mit der Ammoniaküberschüsse reduziert werden

sollen, zu beachten. All das wird in den kommenden Jahren, zum Teil bereits in diesem Jahr, beginnen. Es wird in EU-Klagen enden, wenn wir da nicht konsequent vorgehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Richtig ist aber auch, dass sehr viele Bauern und Bäuerinnen nicht erst jetzt, sondern schon immer gewässerschonend wirtschaften. Sie wehren sich natürlich dagegen, pauschal an den Pranger gestellt zu werden. Nach der bestehenden, an den Grundwasserkörpern orientierten Kulisse wären Landwirte und Landwirtinnen, die das Pech haben, in diesen Gebietskulissen zu wirtschaften, durch Auflagen in Mithaftung genommen worden. Das kann man einerseits feststellen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es eine ganze Reihe von Bäuerinnen und Bauern gibt, die nach dem Prinzip „viel hilft viel“ vorgehen, oder es ist nicht genug Fläche in Stallnähe. Wenn die Gülle so ausgebracht wird, ist das eine zentrale Ursache der Probleme. Davor dürfen wir nicht die Augen verschließen.

Gleiches gilt für die Feststellung, dass Beratung notwendig ist. Manche - ich formuliere es einmal freundlich - ignorieren die Fakten bewusst; an der einen oder anderen Stelle ist es auch einfach Nichtwissen. Daran wird in Zukunft intensiver gearbeitet werden müssen; auch das ist Teil dieser Düngeverordnung.

Wir müssen die Kontrollen einerseits verstärken, andererseits aber auch erheblich effizienter machen. Was wir heute feststellen, ist alles ein Ergebnis das muss man auch draußen immer wieder sagen des Verschleppens der Düngeverordnung über mehrere Jahrzehnte. Die Bauern und Bäuerinnen haben leider Gottes die Konsequenz zu tragen, dass erheblich mehr Kontrollen und erheblich mehr Aufzeichnungen auf sie zukommen.

Es kommt jetzt darauf an, wie gut es gelingt, die tatsächlich produzierten Bilanzüberschüsse verursachergerecht dort zu identifizieren, wo sie anfallen, und auch dort zurückzuführen. Die Voraussetzung schaffen wir unter anderem dadurch, dass wir eine Meldepflicht für alle landwirtschaftlichen Betriebe bezüglich der Düngebedarfsermittlung und der tatsächlichen Düngemaßnahmen einführen. Das wird per EDV laufen. Wir haben darüber bereits im Umwelt- und Agrarausschuss diskutiert.

Ich hätte meine Redezeit auch darauf verwenden können, aufzuzählen, was ich alles an den Vorgaben der Düngeverordnung der Bundesregierung und der AVV zur Abgrenzung der belasteten Gebiete auszusetzen habe. Das ist eine ganze Menge. Aber ich

(Bernd Voß)

denke, nach dem jahrelangen Gezerre und den Abwehrkämpfen ist es dringend geboten, den Blick nach vorn zu richten und sich auf die Umsetzung zu konzentrieren sowie auf die Einhaltung der geltenden Vorgaben und die Überprüfung ihrer Wirksamkeit. Das wird zusätzliche Personal- und Sachaufwendungen auch im Landeshaushalt erfordern. Aber so schützen wir unsere Gewässer.

Die verfahrene Situation musste zu erfolgreichen Klagen der EU führen. Das war unausweichlich, da die Bundesregierung nicht reagiert hatte. Diese Situation ist das Ergebnis einer inzwischen Jahrzehnte andauernden Verweigerung der Umsetzung von europäischem Gemeinschaftsrecht und einer verschleppten Wirksamkeitsprüfung von Vorgaben. Das muss endlich ein Ende haben.

Zum Schluss noch ein Wort an meine Kollegin von der SPD: Ich hatte den Eindruck, das war eine Rede an die Bundesregierung; sie hat letztlich diese Düngeverordnung auf den Weg gebracht. Was die Nitrat- und die Phosphatkulisse anbelangt, so nehmen Sie bitte wahr: Die Phosphatregeln gelten für das ganze Land. Also ein Fortschritt! - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Oliver Kumbartzky.

(Unruhe)

- Ich möchte Sie bitten, ein bisschen ruhiger zu sein oder Ihre Gespräche draußen zu führen. Vor allem in den ersten Reihen ist es sehr laut.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir erinnern uns zurück: Vor ziemlich genau einem Jahr begannen die Proteste der Landwirte. Sie wollten erreichen, dass sie mehr Wertschätzung für ihre Arbeit erfahren. Dieser Appell wirkt bis heute nach. Ich sage es ganz klar: Die Arbeit der Landwirte hat unser aller Wertschätzung und Respekt verdient.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir werden uns auch weiter für Fairness am Markt, neue Technologien sowie einheitliche, wissenschaftlich begründete und verlässliche Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft und vor allem für Planungssicherheit einsetzen. Das bekommen die Landwirte durch die Jamaika-Koalition.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der damalige Protest entzündete sich an zwei Dingen. Das war einmal die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung und zum anderen die neue Düngeverordnung. Beides waren Folgen der unterschiedlichen nationalen Agrarpolitiken in den EU-Mitgliedstaaten, während sich die Landwirte aber im gemeinsamen europäischen Markt und europäischen Wettbewerb befinden.

Mittlerweile steht auch der Rahmen für die europäische Gemeinsame Agrarpolitik der Zukunft fest. Leider hat die EU wieder die Chance verpasst, europaweit einheitlichere Rahmenbedingungen zu setzen. Das ist bedauerlich. Konkreter gesagt: Die Bundesregierung hat die Chance verpasst, in der EU einen fairen, gemeinsamen Rahmen für die von der Gesellschaft gewünschten Leistungen für mehr Tierwohl und für mehr Naturschutz zu erreichen. Es gibt weiterhin wenig Fairness im europäischen Markt und damit wenig Fairness für die deutschen Landwirte.

(Beifall FDP)

Es ist kein Geheimnis, dass die Freien Demokraten die Düngeverordnung der Bundesregierung stark kritisiert haben. Wir halten sie auch nach wie vor für - so sage ich vorsichtig - suboptimal: Zu bürokratisch, zu kleinteilig in den Regelungen, und vor allem sind die härtesten Maßnahmen weitestgehend unwirksam für den Gewässerschutz. Für uns war klar: Die Düngeverordnung bedroht die Existenz vieler landwirtschaftlicher Betriebe. Das ist unsere große Sorge, die wir mit den Landwirten teilen. Wir wollen, dass es verursachergerecht geregelt wird. Mit der Düngeregelung dürfen nicht pauschal alle über einen Kamm geschoren werden.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und Beifall Volker Schnurrbusch [AfD])

Nun wissen Sie auch, meine Damen und Herren, dass die Freien Demokraten pragmatisch und natürlich zukunftsgewandt sind. Die Düngeverordnung wurde beschlossen, es gab dafür eine Mehrheit, wenn auch eine sehr knappe. Wir müssen nun mit bestem wissenschaftlichen Handwerkszeug diese Düngeverordnung in der Praxis umsetzen. Dafür hat der Bund die Allgemeine Verwaltungsverfügung kurz AVV genannt - erlassen, und diese AVV ist eben im Unterschied zur Bundesdüngeverordnung im ständigen Austausch mit den Ländern entstanden. Da gilt mein Dank sowohl dem Ministerium als auch dem Kollegen Heiner Rickers, der auf der CDU-Schiene dort sehr viel erreicht hat.

(Bernd Voß)

(Beifall FDP, CDU und Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Ergebnis ist nun einmal eine Landesdüngeverordnung, die wir begrüßen. Die Stickstoffkulisse, also die Kulisse, in der die härtesten Maßnahmen der Bundesdüngeverordnung greifen sollen, fällt stark verkleinert aus. Wir haben die Zahlen gehört: rund 80 % kleiner als die bisherige Kulisse. - Frau Eickhoff-Weber, das ist eine gute Nachricht für die Landwirte in Schleswig-Holstein, und das ist kein Momentum, um Panik zu verbreiten oder schmollend in der Ecke zu stehen.

(Beifall CDU, FDP und Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In Zukunft werden weniger Landwirte zu den härtesten in der Bundesdüngeverordnung erlassenen Maßnahmen verpflichtet. Das ist auch richtig so, denn eine pauschale, nicht verursachergerechte Reduzierung der Düngung halten wir nicht nur für ungerecht, eine pauschale Reduzierung bringt auch dem Gewässerschutz wenig. Um es auch ganz klar zu sagen: Die Betriebe, die ab Januar in der verbliebenen Nitratkulisse liegen, dürfen natürlich nicht alleinegelassen werden. Da gilt es, viel Beratung zu leisten.

(Beifall FDP und CDU)

Außerdem sind wir sehr dafür, dass es in Zukunft eine regelmäßige Überprüfung der Kulisse geben wird. Dafür müssen auch neue Messstellen aufgebaut werden. Das ist nur konsequent. Wir sind zuversichtlich, dass wir mit dieser Landesdüngeverordnung sowohl die Nitrat- als auch die Phosphorgrenzwerte einhalten werden.

Das Messstellennetz wird zukünftig verbessert, die Erfassung der Einträge durch Landwirtschaft auch. Wir setzen sehr darauf, dass die Düngekulissen und die Einschränkung der Düngung zunehmend verursachergerecht werden. Wir wollen eben auch erreichen, dass wir bei der Düngung und den Messungen so individuell wie technisch möglich sehen und handeln können - auf Feld-, Block- und Betriebsebene. Denn so erreichen wir eine verursachergerechtere Regulierung der Düngung, und so erreichen wir auch die Einhaltung der Stickstoffgrenzwerte.

Abschließend möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im MELUND und den nachgeordneten Behörden danken, denn es ist wirklich eine Herkulesaufgabe, diese Kulisse neu zu ziehen. Vielen Dank an das Ministerium!

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Zeit drängt. Die Länder müssen den Anforderungen der Bundesdüngeverordnung bis zum Jahresende gerecht werden. Schleswig-Holstein bekommt das hin. Wenn man zu unseren Nachbarn schaut, sieht man: Niedersachsen ist noch längst nicht so weit. Hier ist der echte Norden wieder einmal Vorreiter. Wir können die Frist einhalten. Es kommt zu einer guten Landesdüngeverordnung. Ich danke ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Christian Dirschauer.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion um eine Verschärfung der Düngeverordnung wurde lange Zeit sehr emotional geführt. Ein Höhepunkt wurde erreicht, als die erste Nitratkulisse vorgelegt wurde, wonach - das Stichwort ist heute schon gefallen - 60 % der Landesfläche als rote Gebiete ausgewiesen wurden. Wohl wissend, auch vonseiten der Landwirtschaft, dass in Bezug auf die EU-Nitratrichtlinie etwas passieren muss, war die Ausweisung der bisherigen Gebiete ein Fehler.

Wir als SSW haben die Aussagekraft der Messergebnisse beziehungsweise deren Übertragung auf den Grundwasserkörper kritisch hinterfragt. Es ist doch niemandem plausibel zu erklären, wenn vorliegende Ergebnisse von Messstellen den Wert einhalten, diese sich aber trotzdem in einer roten Kulisse befinden. Diese Art der Darstellung war von vornherein falsch, denn die einzelnen Messergebnisse wurden nicht zugrunde gelegt, und damit wurde nicht berücksichtigt, wie die Landwirte wirtschaften.

(Beifall SSW, vereinzelt CDU und FDP)

Das sorgt für Unverständnis und für Unmut in der Landwirtschaft. Mit der neuen Nitratkulisse wird nicht mehr der gesamte Grundwasserkörper in den Blick genommen, sondern die Bereiche, in denen es wirklich eine Überschreitung der Nitratschwellenwerte gibt. Damit liegt nun eine Nitratkarte vor, die nur noch rund 10 % der Landesfläche als rote Gebiete ausweist. Nicht nur für uns vom SSW, son

(Oliver Kumbartzky)

dern auch für die Landwirtschaft ist das eine nachvollziehbare Karte.

Aus unserer Sicht wird nun aber auch deutlich, dass gerade im nördlichen Landesteil Bereiche der Geest betroffen sind, also dort, wo wir sandigere Böden auffinden. Damit will ich nicht sagen, dass die Landwirte dort unbedingt schlechter gewirtschaftet haben als anderswo, sondern dass die Böden dort das Nitrat eben schlechter binden. Darum ist es aus unserer Sicht wichtig, dass die betroffenen Landwirte dort noch einmal eine besondere Beratung erhalten. Die Beratung dort muss stärker die bodenkundlichen und hydrologischen Eigenschaften berücksichtigen, und dementsprechend müssen neue Düngepläne aufgestellt werden.

Zusätzlich brauchen die Landwirte dort Programme, damit sie beispielsweise Zwischenfrüchte anbauen können. Darüber hinaus muss mit moderner Ausbringungstechnik die Nährstoffeffizienz verbessert werden. Das wären erste Schritte oder Maßnahmen, die in Betracht gezogen werden können, um die Landwirte dort nicht hängenzulassen.

(Beifall SSW, vereinzelt CDU und Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Wir als SSW sehen uns mit der neuen Nitratkulisse beziehungsweise mit der Auswertung der Messstellen auf dem richtigen Weg. Die Untersuchungen sind repräsentativ und aussagekräftig, aber wir können sie weiter verbessern, indem das Messstellennetz weiter ausgebaut wird. Wir sollten dabei auch in Betracht ziehen, weitere Messtiefen einzubeziehen, um frühzeitiger Ergebnisse einzuholen. Damit könnten wir die Ergebnisse der Düngeverordnung schneller evaluieren und eventuell auch früher gegensteuern.