Protocol of the Session on October 30, 2020

(Beifall FDP und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In den letzten Jahrzehnten haben Bund, Länder und Kommunen viel zu wenig investiert. Während unsere europäischen Nachbarn im Durchschnitt rund 3 % ihrer jährlichen Wirtschaftskraft für öffentliche Investitionen aufwenden, investiert Deutschland nur etwas mehr als 2 %, also rund ein Drittel weniger, als international üblich ist. Diese Investitionslücke bestand übrigens schon vor Einführung der Schuldenbremse und hat sich danach - wenn überhaupt eher leicht verringert. Das Problem war also nicht die Schuldenbremse, sondern eine falsche Prioritätensetzung der Politik, die viel zu lange und teilweise bis heute Konsumausgaben den Vorzug gegeben hat.

Den Verschleiß unserer Infrastruktur und einen wachsenden Modernisierungsrückstand können und wollen wir uns nicht länger erlauben. Jamaika hat das Problem vom ersten Tag an erkannt und steuert kräftig dagegen.

(Beifall FDP und Dr. Marret Bohn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Die ersten Erfolge dieser kontinuierlichen Arbeit werden sichtbar, etwa bei den Landesstraßen, die wir sukzessive wieder in einen guten Zustand versetzen, auch wenn uns - das gebe ich zu - die vielen Baustellen im Land manchmal etwas nerven. Sie erinnern uns dennoch jeden Tag immer wieder daran: Es geht vorwärts in unserem Land.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die Modernisierung der Hochschulen oder der Ausbau des Glasfasernetzes schreiten voran. Die Kommunen unterstützen wir übrigens mit 275 Millionen € zur Kompensation von Steuerausfällen auch deshalb, damit sie an ihren geplanten Investitionsvorhaben festhalten können und ein verlässlicher Partner für die schleswig-holsteinische Wirtschaft bleiben.

Auch für unsere Städte und Gemeinden ist der Abbau des Sanierungsstaus eine drängende Aufgabe, um funktionsfähig und lebenswert zu bleiben. Wir dürfen uns in diesem Land keinen Stillstand erlauben.

Deshalb begrüßen wir, dass den Kommunen zusätzlich 150 Millionen € Infrastrukturmittel für Investitionen in den Bereichen Schule, Klimaschutz und Mobilität bereitgestellt werden. Hieraus finanzieren wir zum Beispiel den bisherigen Gemeindeanteil am Bundesprogramm für Ganztagsbetreuung in Schulen.

Auch von Umschichtungen innerhalb der ersten Coronamilliarde profitieren unsere Kommunen. So stehen 2021 bis 2023 insgesamt 120 Millionen € Landesmittel für den Schulbau zur Verfügung.

Der Haushaltsentwurf 2021 knüpft im Übrigen nahtlos an den Haushalt des letzten Jahres an. So setzen wir den geplanten Stellenaufwuchs in der Justiz und bei der Polizei fort. Bei der Polizei investieren wir weiter konsequent in die Verbesserung der Aus- und Fortbildung, insbesondere natürlich, um die Anwärterinnen und Anwärter angemessen und zeitgemäß auf den Polizeidienst vorzubereiten.

(Beifall FDP)

Eine gut ausgebildete Polizei ist eine Grundvoraussetzung für die Gewährleistung von Sicherheit und den Erhalt des Vertrauens in die Schutzfunktion des Staates.

Jetzt komme ich zu einem anderen Thema: Insgesamt mehr Qualität, ein verlässliches und faires Finanzierungssystem sowie ein bezahlbarer Beitragsdeckel - das war von Anfang an der Dreiklang für

(Annabell Krämer)

unsere Kita-Reform. Mit dem Haushalt 2021 werden wir auch hier Fakten schaffen und die Reform jetzt trotz der pandemiebedingten Verzögerung vollständig umsetzen. Allein zur Umsetzung des Standardqualitätskostenmodells stellen wir im Haushalt insgesamt über eine halbe Milliarde Euro für diesen Zeitraum zur Verfügung.

(Beifall FDP und Lasse Petersdotter [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem Beschluss über die Notkredite geben wir haushaltspolitisch den Weg für die nächsten Jahre vor. Es ist gut, dass wir hier einen fraktionsübergreifenden Konsens gefunden haben, ja finden mussten, weil der heutige Beschluss eine Bindungswirkung über die aktuelle Legislaturperiode hinaus entfaltet, sowohl, was die Verfügbarkeit der Kreditmittel betrifft, als auch hinsichtlich der Ausgestaltung des unvermeidbaren Einsparpfades und der verpflichtenden Tilgung, die sich vermutlich über einen Zeitraum von bis zu 40 Jahren erstrecken wird.

Der heutige Beschluss fällt uns nicht leicht; denn wir schränken künftige Haushaltsgesetzgeber durch Zins und Tilgung in ihren Gestaltungsmöglichkeiten erheblich ein; das muss uns allen bewusst sein. Und doch: Auch wenn wir uns über einzelne Maßnahmen, die wir aus der Nothilfe finanzieren wollen oder bereits finanziert haben, streiten können, ist aus meiner Sicht das Paket im Großen und Ganzen notwendig, sinnvoll und verantwortbar.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist zwingend erforderlich, Land und Kommunen in dieser Krise handlungsfähig zu halten. Wir verschaffen uns die erforderlichen Mittel, um die Infrastruktur in unserem Land weiter auf Vordermann zu bringen, damit Schleswig-Holstein lebenswert bleibt und weiterhin wirtschaftlich aufholen kann. Wir setzen uns allen das klare Ziel, die Haushaltsdefizite nach der Krise wieder abzubauen. Wir sorgen dafür, dass Steuermehreinnahmen nicht verfrühstückt werden, sondern die Neuverschuldung reduzieren. Es ist ein vernünftiger Kurs, den wir heute gemeinsam einschlagen. Hoffen wir, dass sich die wirtschaftliche Erholung fortsetzen kann und sich im nächsten Jahr verstärkt! Vertrauen wir auf die Stärke und die Innovationskraft unserer Unternehmen, sich aus dieser Krise wieder herauszuarbeiten!

(Beifall FDP, Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Neue Chancen zu ergreifen und Arbeitsplätze zu schaffen - wenn die Politik unsere Unternehmen darin bestärkt, statt ihnen Steine in den Weg zu legen, bin ich mir sicher, dass unsere Steuerquellen schon bald wieder sprudeln und wir das alles hier schaffen werden. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Bernd Heinemann [SPD])

Das Wort hat der fraktionslose Abgeordnete Jörg Nobis.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Heinold, die Kombination aus Ihrem 4. Nachtragshaushalt und dem Haushaltsentwurf für das kommende Jahr ist wahrlich eine explosive Mischung. Sie legen die Lunte an dieses Pulverfass, wohl wissend, dass Sie längst über alle Berge sind, wenn die finanzpolitische Bombe hochgeht.

(Zuruf CDU: Blödsinn, was Sie da erzählen!)

Sie missbrauchen die Feststellung der Corona-Notlage, um sich mit frischem Geld einzudecken, und das nicht nur für dieses und das nächste Jahr - was noch in Ordnung wäre -, sondern auch für die kommenden Jahre.

Es stellen sich daher hier und heute einige wichtige verfassungsrechtliche Fragen, und zwar zuallererst die Frage, ob denn die Ausgaben, die mit den Notkrediten finanziert werden sollen, überhaupt etwas mit der Pandemiesituation, also der aktuellen Notsituation, zu tun haben.

(Zuruf CDU: Haben wir doch gerade alles er- klärt!)

Notkredite auch für Klimaschutzprojekte ausgeben zu wollen, ist verfassungsrechtlich fragwürdig; denn Klimaschutz hat mit der Corona-Notlage genau gar nichts zu tun.

Es stellt sich weiter die Frage, ob es denn von unserer Verfassung gedeckt ist, sich aufgrund der jetzigen Notlage mit Geld einzudecken, das erwartbare Einnahmeausfälle in den kommenden Jahren decken soll. Ich bin der Meinung, dass Sie jedes Jahr aufs Neue das Parlament darüber entscheiden lassen müssen und ein solcher Blankoscheck für die kommenden Jahre ebenfalls verfassungsrechtlich mehr als fragwürdig ist.

(Annabell Krämer)

Und es stellt sich die Frage, ob denn der Tilgungsplan für die Notkredite, der die Rückzahlung in einem „angemessenen Zeitraum“ vorsieht - so, wie es unsere Landesverfassung zwingend vorschreibt -, verfassungskonform ist. „Angemessener Zeitraum“ bedeutet natürlich, dass es ein politisches Ermessen gibt. Aber auch dieses ist nicht grenzenlos. Das Ermessen endet dort, wo Sie die Handlungsfähigkeit zukünftiger Politikergenerationen unzulässig einschränken, indem Sie die Rückzahlung in homöopathischen Dosen auf viele Jahrzehnte verteilen.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

Auf diese Fragen liefern Sie bislang keine überzeugenden Antworten. Sie nutzen hier und heute die Gunst der Stunde, um sich mit Krediten ein „Weiter so!“ auf Pump zu finanzieren, und zwar nicht nur für dieses Jahr, sondern für die kommenden Jahre gleich mit.

Meine Damen und Herren, im Haushalt gibt es wirklich Spielräume, die ohne weitere Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes oder das Wohl und Wehe der Bürger gestrichen werden könnten, weil sie ausschließlich teure, ideologiegetriebene Klientelpolitik sind.

Ihr Kurs, Frau Heinold, führt das Land geradewegs in das finanzpolitische Verderben. Sie rauben zukünftigen Generationen den letzten haushalterischen Spielraum. Deswegen sage ich Ihnen: Diesen unverantwortlichen und potenziell verfassungswidrigen Kurs tragen wir nicht mit. Wir stimmen weder Ihren Notkrediten zu

(Thomas Hölck [SPD]: Das beruhigt aber!)

noch später Ihrem schuldenbasierten Haushalt. Vielen Dank.

(Beifall Claus Schaffer [fraktionslos] und Volker Schnurrbusch [fraktionslos])

Die Fraktionen haben noch Restredezeiten, das heißt, wir kommen jetzt in die zweite Runde. Ich verlese einmal die Restredezeiten: Die CDU-Fraktion hat noch 10 Minuten, die SPD-Fraktion 7,5 Minuten, die Grünen 7 Minuten und die FDP 4 Minuten.

Das Wort hat jetzt der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Tobias Koch.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anstelle

eines Redebeitrags im Rahmen der Restredezeit hätte ich mich jetzt im Grunde auch zu einer persönlichen Erklärung melden können, um den Spannungsbogen ein bisschen aufzubauen. - Der Einsatz, der Kampf gegen eine ausufernde Staatsverschuldung gehört für mich zum politischen Grundverständnis. So, wie sich junge Menschen heute gegen den Klimawandel engagieren, war für mich in meiner Schulzeit der Einsatz für Generationengerechtigkeit und gegen zusätzliche Belastungen der jungen Generation das entscheidende politische Motiv, mich politisch zu engagieren. Das habe ich zunächst auf kommunaler Ebene getan. 2005 war dann mein erster Landtagswahlkampf. Ich kann mich gut daran erinnern, dass wir in vielen Wahlkampfveranstaltungen einen aufblasbaren Schuldenberg der Jungen Union dabeihatten, um gegen die Verschuldungspolitik der damaligen Landesregierung zu demonstrieren.

(Vereinzelter Beifall CDU - Lukas Kilian [CDU]: Der war super!)

Kaum war ich 2005 im Landtag angekommen, war das Allererste, was wir tun mussten, einen verfassungswidrigen Haushalt mit 1,5 Milliarden € Defizit zu beschließen. Das war schon damals nicht einfach; aber auch damals war es notwendig und richtig.

(Zuruf Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Umso erfüllender beziehungsweise befriedigender war es, anschließend, 2009/2010, die Schuldenbremse in unserer Landesverfassung zu verankern. Das war kein Regierungsentwurf, sondern darüber durfte ich als finanzpolitischer Sprecher meiner Fraktion mit Monika Heinold, Katharina Loedige von der FDP und Lars Harms verhandeln. Ich glaube, wir können wirklich für uns in Anspruch nehmen: Es waren wir vier finanzpolitischen Sprecher, die das damals gemacht haben. Das mag mir die SPD jetzt nachsehen.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

- Na ja, leider nicht wirklich. Es waren diese vier Fraktionen, die damals über eine Zweidrittelmehrheit verfügten. Die entscheidenden Verhandlungen haben wir durchaus in dieser Vierergruppe geführt. Am Ende hat die SPD zugestimmt, und es war ein gemeinsamer Beschluss.