Protocol of the Session on October 29, 2020

(Beifall CDU und Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Dr. Frank Brodehl)

Dieses Zusammenspiel - rechtlicher Rahmen einerseits, Ausschöpfung der Autonomie andererseits funktioniert sehr erfolgreich. Im November gilt an unseren Hochschulen, dass grundsätzlich digitale Lehrveranstaltungen gegenüber Lehrveranstaltungen in Präsenz den Vorzug haben. Das ist Ergebnis der Gespräche, die bereits gestern aufgenommen wurden und heute fortgesetzt werden.

Wir werden den künstlerischen Hochschulen den Präsenzbetrieb in kleinen Kohorten mit Mund-Nase-Bedeckung entsprechend der Vorgaben für den Probebetrieb für Orchester ermöglichen.

Prüfungen und praktische Lehrveranstaltungen sollen weiterhin in Präsenz durchgeführt werden, soweit möglich unter Einhaltung von Mindestabständen und Tragen der Maske.

Der Zugang zu den Bibliotheken wird so weit wie möglich offengehalten.

Gremiensitzungen, soweit aus Sicht der Hochschulen als unbedingt erforderlich angesehen, werden in Analogie zu den Regelungen für die kommunalen Selbstverwaltungsgremien in Präsenz möglich bleiben. Aber auch hier gilt der Vorzug der digitalen Variante vor der Präsenzvariante.

Sie sehen: Es ist schon vieles eingeübt worden. Es gibt Blaupausen für all diese Situationen. Die Hochschulen sind in der Lage, sehr schnell darauf zu reagieren und die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen.

Für die Beschäftigten an den Hochschulen gilt, so weit praktisch umsetzbar, wieder verstärkt im Homeoffice zu arbeiten. Ich bin zuversichtlich, dass unsere Hochschulen der inzwischen zu Recht gestiegenen Erwartungshaltung auch in den kommenden Wochen gerecht werden.

Meine Damen und Herren, das sind schwierige Zeiten für Studierende. Die Schließung der Gastronomie und anderer Einrichtungen verschärft nun auch wieder die finanzielle Situation für viele Studierende. Das war auch im Frühjahr leider bereits so. Wir haben als Land mit ersten Krediten über das Studentenwerk sehr früh und schnell geholfen. Der Bund hat 100 Millionen € bereitgestellt, um die pandemiebedingten finanziellen Notlagen Studierender zu mindern. In Schleswig-Holstein wurden bisher 3.680 Anträge positiv beschieden und knapp 1,6 Millionen € ausgezahlt.

Wir haben es geschafft - das war wichtig -, dass Studierende, die auf BAföG angewiesen sind, im Sommersemester keine coronabedingten finanziellen Nachteile erleiden. Wir müssen uns jetzt dafür

einsetzen - wir tun das mit den anderen Ländern -, dass das auch für das Wintersemester wieder der Fall sein wird.

Meine Damen und Herren, ich halte es allerdings für folgerichtig, Nothilfen für coronabedingte Einkommensverluste tatsächlich davon abhängig zu machen, dass die Ursache für die Notlage in der Pandemie liegt.

Coronaunabhängig indes ist der Wunsch nach einer elternunabhängigen Förderung Studierender. Sie ist richtig. Die teilen wir gemeinsam. Wir haben dazu eine gemeinsame Initiative im Bundesrat gestartet, die bisher leider nicht in dem Umfang erfolgreich ist, wie wir uns das gewünscht haben. Ich denke, wir sollten einen neuen Vorstoß unternehmen, aber dann, wenn er Aussicht auf Erfolg hat, und nicht in dieser Corona-Notsituation. Bei der nächsten Überarbeitung des BAföG - sie wird kommen, und sie muss kommen - werden wir das Thema elternunabhängige Förderung auf die Tagesordnung setzen.

Das Gleiche gilt für die Frage der Altersgrenze beim BAföG. In dieser Gesamtdiskussion zum Thema Weiterbildung werden wir auch die Frage, wie wir zukünftig mit dem BAföG und mit Altersgrenzen beim BAföG umgehen, noch einmal ganz neu austarieren müssen. Allerdings ist auch das ein coronaunabhängiges Thema. Sie wissen alle, dass Studierende, die während des Studiums das 30. Lebensjahr vollenden, selbstverständlich ihr Studium zu Ende bringen können, denn die Altersgrenze gilt immer nur für den Beginn des Ausbildungsabschnitts, für den das BAföG geleistet wird. Für diejenigen, die sich bereits im Studium befinden, ist diese Altersgrenze unerheblich.

Jetzt, in der akuten Krise, sollten wir uns aber tatsächlich darauf konzentrieren, coronabedingte finanzielle Notsituationen von Studierenden zu lindern. Wir werden die Entwicklung der nächsten Wochen und Monate hierzu sehr genau beobachten und mit dem Bund weiter über erforderliche Maßnahmen sprechen.

Meine Damen und Herren, im Blick, und da bin ich sehr dankbar für den Antrag der SPD, müssen wir natürlich die psychosozialen Auswirkungen der Pandemie auch auf die Studierenden haben. In Bezug auf die Studentinnen und Studenten bin ich den Studentenwerken dankbar, dass sie den gestiegenen Bedarfen der Studenten an sozialer und psychologischer Beratung mit viel Einsatz so weit wie möglich nachkommen. Aber, und auch das sage ich deutlich: Institutionelle Angebote entbinden uns als Gesellschaft nicht von der Mitverantwortung auch

(Ministerin Karin Prien)

für jüngere Studierende. Wir werden in den nächsten Wochen wieder besonders achtgeben müssen aufeinander, auf unsere physische und psychische Gesundheit.

Das gilt an den Hochschulen besonders für die Erstsemester. Erlauben Sie mir die persönliche Anmerkung: Ich habe einen Sohn, der jetzt gerade ein Studium aufnimmt. Ich erlebe hautnah, was es bedeutet, wenn man sich mit so vielen Hoffnungen und so viel Elan darauf gefreut hat, in eine andere Stadt zu ziehen, von zu Hause auszuziehen und einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen und dann im Leben so richtig kräftig ausgebremst wird bei dem, was man macht. Ich erlebe das, und ich glaube, das ist für viele junge Menschen eine belastende Situation.

Es ist enttäuschend. Deshalb ist es mir heute wahnsinnig wichtig, gerade diesen jungen Menschen die Botschaft mitzugeben: Es wird wieder anders werden, lasst euch an dieser Stelle nicht entmutigen! Es werden Zeiten kommen, in denen ihr euer Studium mit allem, was dazu gehört, in vollen Zügen genießen könnt. Sucht euch einzelne soziale Kontakte, mit denen ihr darüber sprechen könnt. Sucht euch in Chaträumen und in den sozialen Medien Gruppen, mit denen ihr darüber sprechen könnt. Und auch ein Appell an die älteren Studierenden: Kümmert euch um die Jüngeren! Redet mit ihnen über das, was Studium ausmacht. Wenn wir es schaffen, gemeinsam und solidarisch in diesem Sinne zu handeln, dann werden wir alle gemeinsam gut durch die Pandemie kommen.

Ich danke allen Beteiligten an den Hochschulen und im Studentenwerk sowie allen anderen, die sich an Hochschulen und für Hochschule engagieren, für ihren Einsatz und Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt SPD)

Die Ministerin hat die vereinbarte Redezeit um 3 Minuten überschritten. Diese Zeit steht jetzt auch allen Fraktionen zur Verfügung.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete der SPD-Fraktion Martin Habersaat.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Meine Damen und Herren! Ich spreche heute in Vertretung von meinem Kollegen Heiner Dunckel, dem ich gute Besserung wünschen möchte. - Vielen Dank, Frau Ministerin. Es wird deutlich, dass viele Menschen vieles

tun, aber auch, dass es viel zu tun gibt. Viele Studierende berichten uns tagtäglich von der Notlage, in der sie stecken, sei diese finanziell, sozial oder studientechnisch. Wie können wir von unseren Studierenden gute Leistungen erwarten, wenn wir sie mit dieser schwierigen Situation alleinlassen? - Das können wir nicht. Und deswegen dürfen wir sie auch nicht alleinlassen.

Wir haben schon in der 32. Tagung im Mai 2020 darüber gesprochen, dass die finanzielle Situation vieler Studierender prekär ist. Nach der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes müssen auch in Schleswig-Holstein etwa ein Drittel der Studierenden, das sind bei uns ungefähr 22.000 Menschen, zwingend einer bezahlten Nebentätigkeit nachgehen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Diese Nebentätigkeiten sind vielfach weggebrochen und werden voraussichtlich auch im kommenden Semester nicht zur Verfügung stehen. Es wird gerade noch einmal schlimmer, bevor es irgendwann hoffentlich wieder besser wird.

Die Überbrückungshilfen für die Studierenden sind ausgelaufen. Es wäre gut, wenn es vom Bund eine neue gibt. In der Tat wurden 40 % der Anträge abgelehnt - nicht deshalb, weil die Antragsteller über zu viel Geld verfügten, sondern weil ihre Notlage nicht oder nicht ausschließlich auf die Coronapandemie zurückgeht. Es gibt trotzdem eine Notwendigkeit zu handeln, wenn man sieht: Da ist jemand in einer Notlage. Die Antwort, zu sagen: „Das ist keine Corona-Notlage, in der du dich befindest“, ist nicht ausreichend.

Wir haben es im Mai gesagt, und es gilt jetzt umso mehr: Eine Überbrückung der finanziellen Notlage von Studierenden in Form von Studienkrediten ist nicht angemessen und muss durch nicht rückzahlbare Zuschüsse ersetzt werden. Wenn es nach uns geht, geschieht dies im Rahmen einer Erweiterung des BAföG, die von uns aus auch schnell und vorrübergehend beschlossen werden kann. Wir haben uns in Deutschland ja aus guten Gründen gegen ein System von ausufernden Studienkrediten entschieden, wie man sie anderswo auf der Welt kennt.

Ich appelliere hier auch an die Kolleginnen und Kollegen in der CDU und an die Bundesbildungsministerin, auf die Teile der Bundes-CDU einzuwirken, die das abgelehnt haben und es noch immer ablehnen. Es gibt ja jetzt eine Chance, neu darüber zu sprechen.

Wir leisten uns in Deutschland eine Studienfinanzierung, deren Beträge zu gering sind und die von

(Ministerin Karin Prien)

zu wenigen Studierenden in Anspruch genommen werden kann.

(Beifall FDP - Christopher Vogt [FDP]: Da kann man schon mal klatschen, Herr Kolle- ge!)

- Vielen Dank, Herr Kollege Vogt. Ich sehe, Sie kennen sich aus. - Das hat auch etwas damit zu tun, dass - wie im Tätigkeitsbericht 2019 der Bürgerbeauftragten ausgeführt - die derzeit geltenden Altersgrenzen dringend verändert werden müssen und dass, das haben wir hier bereits mehrfach festgestellt, das BAföG elternunabhängig werden muss. Wir erhoffen uns deshalb von der Landesregierung, dass sie im Bundesrat mit frischem Schwung die Initiative verfolgt. Wir hätten diese Initiative gern um die Punkte erweitert, die Sie unserem Antrag entnehmen konnten. Sie haben uns einen Änderungsantrag vorgelegt, der nicht falsch ist, der aber, wenn Sie ehrlich sind, etwas weniger Schwung beinhaltet als das, was wir uns gewünscht hätten.

Studierende und ihre Vertretungen berichten uns, dass sich die psychischen Belastungen und Belastungsfolgen seit Beginn der Coronakrise deutlich verschlechtert haben. Schwierige Wohnsituationen und damit Studienbedingungen, soziale Isolation, Probleme bei der Selbstorganisation und depressive Stimmung sind nur einige Beispiele.

Es ist deshalb auch kein Zufall, dass die Anzahl der Terminanfragen bei den psychologischen Beratungsangeboten der Studentenwerke seit März 2020 rapide angestiegen ist. Gleiches gilt offenbar auch für die Dringlichkeit und die Schwere der Probleme. Die gängigen Anlaufstellen auf dem Campus sind ausgelastet, die Wartezeit beträgt momentan örtlich bis zu sieben Wochen. Sieben Wochen sind eine ganz schön lange Zeit, wenn man sich in einer Notlage befindet. Die psychologische Studienberatung muss deshalb jetzt dringend zeitlich und personell ausgeweitet werden.

Ein letzter Punkt: Wir haben - das ist seit gestern sicher - ein weiteres Corona-Hybridsemester vor uns, und wir müssen uns beide Seite dieses Mischlings ansehen. Studierende beklagen einerseits, dass zu wenige Präsenzveranstaltungen stattfinden, obwohl genügend große Räume vorhanden wären, in denen die Abstandsregelungen eingehalten werden könnten und in denen gegebenenfalls entsprechend gelüftet werden könnte. Ich weiß, dass einige Hochschulen zusätzliche Räume angemietet haben, um Präsenz zu ermöglichen. Es gibt aber auch Beispiele von leerstehenden Hörsälen, in denen selbstver

ständlich Seminare in kleinem Umfang stattfinden könnten.

Meine Damen und Herren, wenn Schülerinnen und Schüler täglich zur Schule gehen können und müssen, dann bin ich davon überzeugt, dass wir es auch an den Hochschulen hinbekommen, Präsenz zu organisieren. Frau Ministerin Prien hat es gesagt, das gilt gerade für Erstsemester und hier besonders für diejenigen, die nicht aus einem Elternhaus kommen, in dem man zumindest darüber reden kann: Wie läuft so ein Studium, was heißt das für Selbstorganisation, wenn man sich den Stundenplan selbst zusammenstellen muss? Was bedeutet das, wenn man völlig frei ist in seiner Tagesgestaltung und trotzdem ein gewisses Pensum schaffen muss?

Im Bildungsausschuss habe ich das Beispiel der Ärzte in der dritten Generation genannt. Diese jungen Leute wissen schon, was an der Uni auf sie zukommt. Um die mache ich mir weniger Sorgen als um diejenigen, die das erste Mal in ihrem Leben studieren wollen, die die ersten in ihrer Familie sind und möglicherweise in einer neuen Stadt und in einem neuen Umfeld beginnen und jetzt wenig Möglichkeiten zur persönlichen Begegnung und Hilfe haben. Ich weiß, dass die Fachschaften Tutorenprogramme und anderes organisieren, um zu unterstützen, aber ich glaube, wir dürfen dies insgesamt nicht aus dem Auge verlieren.

Wenn ich gerade dabei bin: Wir hören auch, dass es Möglichkeiten gibt, die Bibliotheken zu benutzen. Wir hören aber auch, dass das in der Praxis sehr schwierig und nicht so richtig umsetzbar ist, vor allem nicht in dem Umfang, wie die Studierenden das gern hätten. Das nur als Merkposten.

Zweiter Teil des Mischlings-/Hybridsemesters ist die digitale Lehre. Die Hochschulen und die Lehrenden hatten ein halbes Jahr Zeit, sich auf die neue Situation einzustellen. Dazu gehörte es, neue digitale Lernformen und -inhalte zu entwickeln und zu erproben. Ich gestehe, dass ich skeptisch bin, ob das flächendeckend gleichermaßen gut gelungen ist. Ich würde mich aber gern zur Mitte des Semesters durch eine Anhörung von Studierenden im Bildungsausschuss eines Besseren belehren lassen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Anette Röttger.

(Martin Habersaat)

Sehr geehrte Landtagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bildung hat höchste Priorität so beginnt unsere Ministerin immer wieder ihre Reden. Ich bin sehr dankbar, liebe Karin Prien, für den hohen Stellenwert, den Bildung auch in dieser Zeit genießt. Ich danke für diesen Bericht über Bildung an Hochschulen in Zeiten von Corona.

Mit Blick auf unsere Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein können wir feststellen: Hier hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel in eine gute Richtung weiterentwickelt. Unser Land verfügt von Heide über Flensburg, Kiel und Rendsburg bis nach Lübeck über hervorragende Hochschul- und Fachhochschulstandorte mit entsprechenden Angeboten.

Die Hochschulleitungen sind bestens besetzt. Sie verkörpern einen Geist voller Optimismus und Zusammenhalt. Das haben wir gerade in der jüngsten Sitzung des Bildungsausschusses eindrucksvoll erlebt. Sie arbeiten exzellent und leisten mit hoher gesellschaftlicher Verantwortung einen wesentlichen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit Schleswig-Holsteins.

Das alles ist gut so, aber keineswegs selbstverständlich. Als Lübecker Abgeordnete erfüllt es mich mit großer Dankbarkeit, dass sich dort inzwischen nicht nur eine Stiftungsuniversität, sondern mit der TH und der Musikhochschule auch ein stark wachsender Dreiklang mit entsprechend hoher Nachfrage entwickelt hat. Die Universität und die Hochschulen bringen Gründungen hervor, tragen maßgeblich zur Innovationskraft der Wirtschaft bei und wachsen immer besser in die Stadtgesellschaft hinein.