Protocol of the Session on September 24, 2020

Lieber Kollege Vogel, lassen Sie mich sagen, das war auch nötig angesichts der Tatsache, dass zusammenhängende Konzepte für das Thema Fahrradfahren in Schleswig-Holstein seit dem Jahr 1998, als das letzte Konzept für ein fahrradfreundliches Schleswig-Holstein entstanden ist, in diesem Land nicht mehr entstanden sind, auch nicht in Ihrer Regierungszeit.

(Beifall FDP - Zurufe FDP: Hört, hört!)

Dass parallel dazu in Ihrer freundlichen Regierungszeit dann auch noch alle möglichen existierenden Kooperationsformen abgesungen worden sind und im Jahr 2015 der letzte Runde Tisch zum Fahrradfahren mangels Mittelausstattung eingestellt werden musste, ist kein Ruhmesblatt.

Lieber Herr Vogel, vor dem Hintergrund habe ich mir in der Tat für eine Fahrradstrategie ganz bewusst etwas Zeit gelassen, um nicht im Kleinwerk zu sagen, welche Vorstellungen im Ministerium bestehen, um nicht zu sagen: Wir machen dies und das und jenes, ein bisschen Infrastruktur hier, ein bisschen etwas dort, sondern auf die Rufe von außen zu hören, die sagen: Leute, macht es in einem geordneten Verfahren!

Ich bin schon Thomas Möller vom ADFC ausgesprochen dankbar, dass er mir damals, im Jahr 2017, bei Amtsantritt, zugerufen hat: Macht ein BYPAD-Verfahren!

Ich gebe zu, ich war zunächst sehr skeptisch: Bicycle Policy Audit - ach du grüne Neune! Dies ist aber in der Tat ein Verfahren, zu dem alle Beteilig

ten mit ihrer Expertise beitragen können, bei dem sie alles einbringen können, was aus ihrer Sicht wichtig ist, um hinterher Eckpunkte daraus zu machen.

Daran, lieber Herr Vogel, hätten Sie gern mitwirken dürfen; denn Sie waren immer eingeladen. Gekommen sind Sie leider nur zur Präsentation der Ergebnisse. Schade, dass die SPD an dieser Stelle so wenig mitgearbeitet hat.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Herr Dirschauer, das Ergebnis ist nicht, dass dieses BYPAD-Verfahren das Ende der Entwicklung einer Radstrategie war. Vielmehr haben wir uns auf der Basis dieser Eckpunkte mit den Verantwortlichen hingesetzt und eine Radstrategie entwickelt. Ich muss nicht bei Wikipedia nachlesen: Eine Strategie beschreibt Wege zu bestimmten Zielen. Dabei ist zunächst einmal wichtig, dass man bestimmte Ziele definiert.

Herr Dirschauer, in dieser Zieldefinition haben wir in drei Schwerpunktbereichen sehr klare Ziele: Erstens. Verbesserung des Modal Split, also die Verbesserung des Anteils von Radfahrerinnen und Radfahrern an der Gesamtnutzung von Verkehrsmitteln. Zweitens. Die Erhöhung der Verkehrssicherheit bis 2030 durch Halbierung der Anzahl der Radfahrunfälle. Drittens. Die Steigerung der Attraktivität im Radtourismus, um unter die Top 3 der Länder zu kommen. Das sind klare Ziele. Und dazu ein ausgefeilter Maßnahmenkatalog mit ganz vielen unterschiedlichen Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen. Das nennt man eine Strategie.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Kai Vogel?

Selbstverständlich.

Vielen Dank für die Möglichkeit der Zwischenfrage, Herr Minister. Sie haben angemerkt, dass es uns als SPDFraktion nicht möglich gewesen ist, an den Arbeitsgruppengesprächen teilzunehmen. Nehmen Sie insofern auch an, dass es vielleicht nicht glücklich war, diese Arbeitsgespräche genau parallel zur Landtagssitzung

stattfinden zu lassen, sodass es für Abgeordnete kaum möglich war, beide Termine wahrzunehmen?

- Lieber Herr Vogel, seien Sie mir nicht böse. Ich weiß, dass es da Überschneidungen gegeben hat, aber andere haben das auch gewährleisten können. Der SSW hat zum Beispiel ständig eine Mitarbeiterin geschickt. Der Abgeordnete Tietze und andere Kollegen aus diesem Haus waren auch dabei und haben es auch geschafft.

(Zurufe SPD)

Lieber Herr Vogel, ich finde schon, dass es zwischendurch schön gewesen wäre, wenn der eine oder andere konstruktive Punkt auch von Ihrer Fraktion gekommen wäre. Ich nehme aber den Hinweis an, dass es für Sie vielleicht nicht so ganz leicht war.

Lassen Sie uns an dieser Stelle noch einmal sagen: Die Ziele, die wir formuliert haben, sind schon gewaltig. Eine Steigerung des Modal Split auf bis zu 30 % innerhalb der nächsten zehn Jahre ist eine gewaltige Kraftanstrengung. Ehrlich gesagt, das ist ein Ziel, an dem wir uns messen lassen müssen und das wirklich herausfordernd ist, denn in der Vergangenheit ist dieses Ziel nicht nur nicht erreicht worden, sondern wir sind von einem Modal Split von 15 % gekommen, und der Anteil des Radverkehrs ist in den letzten Jahren auf 13 % gesunken. Das zeigt, wie groß die Herausforderung ist.

Es zeigt aber auch, dass es nicht nur um Geld für Infrastruktur geht. Als kleinen Hinweis sage ich: Bei der Addition, die Hans-Jörn Arp hier gemacht hat, ist ein Teil nicht dabei, den wir aber auch geleistet haben. Für unsere Landesstraßen haben wir in den letzten drei Jahren viel Geld ausgegeben. Immer dort, wo wir tätig waren, haben wir, lieber Herr Vogel, in der Tat bis auf zwei Fälle, in denen der Radweg nicht mitsaniert werden konnte, diesen mitsaniert. Der Grund war, dass die Eigentumsverhältnisse in Bezug auf die Verbreiterung nicht geklärt waren und deshalb eine Planfeststellung erforderlich gewesen wäre. Wir wollten aber die Landesstraßensanierung nicht schieben. Deshalb ist in den Fällen der entsprechende Radweg nicht mitsaniert worden.

Parallel haben wir in den letzten drei Jahren deshalb zusätzliche 12 Millionen € aus dem Topf für die Landesstraßen allein in die Radwegsanierung gesteckt. Das kommt zusätzlich obendrauf, und das setzen wir in den nächsten zwei Jahren fort, weil es in der Tat nötig ist.

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Richtig ist auch dies, und hierfür bin ich Ihnen dankbar. Ihrem Antrag könnte ich so nicht zustimmen. Das muss ich auch nicht, denn ich bin ja kein Parlamentarier. Ich könnte ihm so nicht zustimmen, weil er in der Tat zu sehr auf die städtische Situation abstellt. Richtig ist aber eines: In der Zukunft wird es notwendig sein, die richtige Mittelausstattung sicherzustellen, um diese Radstrategie verwirklichen zu können. Dabei geht es auch um Kümmerer, die sich in meinem Ministerium, beim LBV, aber auch außerhalb intensiv mit der Materie beschäftigen. Das ist eine Voraussetzung.

In der Tat muss man auch längerfristig bis 2030 die entsprechenden Mittel zusammenhalten. Aber noch viel notwendiger ist es, und hier bin ich ganz anderer Auffassung als Sie, dass wir vernetzt mit allen in allen Bereichen unterwegs sind und von den Erfahrungen lernen. RAD.SH kann aus meiner Sicht genau ein solches Vehikel sein. Ich würde es gern sehen, wenn wir RAD.SH zu so etwas wie dem Kompetenzzentrum des Radfahrens in SchleswigHolstein weiterentwickeln könnten,

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

wenn wir dafür sorgen könnten, dass dort die Expertise aufgebaut wird, wie man sich mit dem Thema Radfahren im Land beschäftigen kann, sodass nicht jede Kommune für sich das ganze Wissen selbst ansammeln muss. Dies haben wir übrigens im Zusammenhang mit dem Breitbandausbau mit dem Breitbandausbau-Kompetenzzentrum geschafft. Dazu bedarf es aber auch des Commitments von der kommunalen Seite.

Wir wollen diese Form des Radwegausbaus. Wir alle wissen, das größte Potenzial, den Modal Split zu erhöhen, haben Maßnahmen im Zusammenhang mit der täglichen Nutzung des Fahrrads zur Fahrt zur Arbeit und zur Schule. Das sind im Wesentlichen kommunale Radwege. Natürlich ist deshalb die Ausstattung der Kommunen mit Mitteln notwendig, aber es ist auch notwendig, dass die Kommunen an dieser Stelle ihre Prioritäten richtig setzen.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage an dieser Stelle, auch wenn dies einen SPD-Oberbürgermeister betrifft: Mit einer Veloroute 10 hier in Kiel hat man sehr viel geschaffen und sehr viel dafür getan, dass viel mehr Leute auf das

Fahrrad umsteigen. Solche Beispiele wünsche ich mir für das Land. Solche Beispiele wollen wir im Maßnahmenplan umsetzen. Hierzu haben wir eine ganze Liste von sehr vielen konkreten Dingen auf die Reise geschickt, die schon innerhalb der nächsten zwei Jahre Wirkung entfalten.

Lassen Sie mich zum Abschluss zu dem dritten Schwerpunkt des Radtourismus sagen: Es schmerzt mich, wenn in einer Broschüre des ADFC in Schleswig-Holstein als einziger touristischer Radweg der Ostseeradweg aufzufinden ist. Es schmerzt mich deshalb, weil dieses Land gerade im Binnenland über so wunderschöne Wege verfügt. Ich nenne nur den Ochsenweg, den Mönchsweg und viele andere.

Es reicht eben nicht, eine radtouristische Attraktion zu schaffen, wenn man sagt: Hier gibt es einen Radweg und eine ordentliche Beschilderung. Das reicht heute als touristische Attraktion nicht mehr aus. Da bedarf es schon einer sehr viel besseren Art der Darstellung. Da bedarf es der Möglichkeit des Aufzeigens von Einkehrmöglichkeiten, von Übernachtungsmöglichkeiten und von den Möglichkeiten, nebenbei kulturell etwas zu erleben. Es gilt, all diese Dinge exemplarisch an einem großen Radweg in Schleswig-Holstein innerhalb der nächsten zwei Jahre vorzuführen, um zu zeigen, dass wir es im Tourismus besser können. Das ist wichtig für dieses Land, und das stärkt parallel dazu noch den Binnenlandtourismus. Das würde ich gern tun.

Also: Allen Beteiligten noch einmal mein herzliches Dankeschön für die Arbeit an dieser Radstrategie. Ich glaube, wir haben nach sehr vielen Jahren, in denen dieses Thema sträflich vernachlässigt worden ist, gezeigt: Wir wollen hier echt am Rad drehen, und das tun wir auch. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Volker Schnurrbusch [AfD])

Der Minister hat die vereinbarte Redezeit um gut 3 Minuten überzogen. - Ich sehe aber keine weiteren Wortmeldungen und schließe die Beratung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Abgeordneten des SSW, Drucksache 19/2441, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Damit ist der Änderungsantrag, Drucksache 19/2441, gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der Abgeordneten des SSW abgelehnt.

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

Ich lasse über den Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP, Drucksache 19/2432, abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Das sehe ich nicht. Damit ist der Antrag -

(Zurufe SSW)

- Entschuldigung! Damit ist der Antrag, Drucksache 19/2432, bei Enthaltung des SSW angenommen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kindertagesförderungsgesetzes

Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2396

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 19/2396 dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Es ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 16 und 24 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Schülerinnen und Schüler im ÖPNV vor Infektionen schützen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/2372