Protocol of the Session on September 23, 2020

(Eka von Kalben)

ne Anfrage zu diesem Thema an die Bundesregierung gestellt. Das ist die Bundestagsdrucksache 19/18033. Ich zitiere die Antwort der Bundesregierung:

„Aus Sicht der Bundesregierung ist das pauschalierende Entgeltsystem für Krankenhäuser grundsätzlich geeignet, die stationären Leistungen der Kinder- und Jugendmedizin sachgerecht abzubilden.“

(Martin Habersaat [SPD]: Welches Ministeri- um hat denn geantwortet?)

- Eines von der Großen Koalition, das Sie auch stützen, Herr Habersaat.

Ich denke, wir würden uns alle freuen -

(Zuruf - Martin Habersaat [SPD]: Immer beim Aufwachen, aber nicht, was Sie den- ken!)

- Ist das so? Naja, Hauptsache, das machen Sie nicht 300 Tage im Jahr.

Wir alle würden uns sicherlich freuen, wenn auch Sie, Herr Habersaat, wo Sie sich hier schon mit Verve in die Debatte einbringen - das freut mich an dieser Stelle -, sich bei Ihrer Bundestagsfraktion melden und einmal nachfragen, wie der Sachstand zu den angesetzten Expertengesprächen mit Verbänden und Institutionen ist, um hier Verbesserungen zu erreichen. Sie können ja beim nächsten Mal berichten, wenn Sie das gemacht haben.

Einige besondere Herausforderungen einer qualitativen Gesundheitsversorgung für Kinder sind folgende: Häufig ist keine oder nur eine kurze stationäre Versorgung von Kindern notwendig. Dafür steigt der Bedarf an komplexen ambulanten als auch an tagesklinischen Versorgungsbedarfen - es wurde schon erwähnt -, insbesondere bei chronisch kranken Kindern.

Und was ist unser Weg für eine qualitativ hochwertige Versorgung in der Kindermedizin? - Wir glauben, dass eine integrierte Versorgung hier definitiv die Zukunft ist, denn hier werden die verschiedenen Leistungsbereiche des Gesundheitswesens - die ambulante, die stationäre sowie die rehabilitative Versorgung von Patientinnen und Patienten - zusammengeführt und sektorenübergreifend vernetzt.

(Beifall FDP)

Das Mehr an Wissen und der verbesserte Informationstausch zwischen allen Beteiligten sind grundlegend für eine erfolgreiche Versorgung. Dadurch wird die Qualität deutlich und spürbar verbessert. In

Schleswig-Holstein verfügen wir bereits über ein gutes Netz an kinderärztlichen Anlaufpraxen an den Standorten der Kinderkliniken. Das bietet auch gute Grundlagen für Modellversuche, um dieses System noch zu verbessern und sektorenübergreifender zu machen.

Das Fallpauschalensystem stößt spätestens bei der Kinderheilkunde - ich habe es erwähnt - definitiv an seine Grenzen und sollte daher dringend reformiert werden, damit die Vorhaltekosten und auch der erhöhte erforderliche Personalaufwand stärker berücksichtigt werden.

(Beifall FDP und Bernd Heinemann [SPD])

Zum Ausschuss: Herr Heinemann, ich kann es bei dem Thema nachvollziehen, dass eine Ausschussdebatte sicherlich angenehm wäre. Sie stellen aber selbst fest, dass auf Bundesebene schon einiges läuft. Sie haben das erwähnt. Beispielsweise haben Sie auf Mecklenburg-Vorpommern verwiesen. Ich möchte noch einmal auf Schleswig-Holstein verweisen, wo wir in diesem Bereich voranschreiten. Ich glaube, wir sollten heute mit starkem Rückenwind etwas verabschieden. Vielleicht können Sie sich dazu durchringen, unserem Antrag zuzustimmen, damit wir unserer Landesregierung mit einem breiten Spektrum den Auftrag für den Bundesrat geben können. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Claus Schaffer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Uns liegt zunächst der Antrag der SPD-Fraktion vor mit der wohlklingenden Überschrift: Gesundheitsversorgung für Kinder und Jugendliche sichern und stärken. Ziel soll es sein, eine flächendeckende ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen verstärkt sicherzustellen. Vor allem geht es um die Umstellung der Finanzierung im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin weg von den Fallpauschalen hin zu einer sachgerechten Finanzierung, um die auskömmliche Finanzierung zu erreichen. An dieser Stelle sei angemerkt, dass im Antrag nicht dargestellt wird, wie das zukünftige System der Fi

(Dennys Bornhöft)

nanzierung der Kinder- und Jugendmedizin dann genau aussehen soll.

Zusätzlich soll sich das Land intensiv für den Fachkräftenachwuchs im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin einsetzen. All diese Forderungen sind sicherlich prinzipiell berechtigt. Dennoch ist der Antrag der SPD-Fraktion hier schlicht nicht zu Ende gedacht.

Meine Damen und Herren, wir hörten es bereits: Kinder sind unsere Zukunft. Das steht außer Frage, und das Land muss dafür sorgen, dass die Gesundheitsversorgung von Kindern unabhängig vom Wohnort und vom sozialen Status jederzeit sichergestellt ist. Richtig ist auch, dass es Probleme in der Kinder- und Jugendmedizin gibt. Doch warum ist das so?

Die Gesundheitsleistungen in der Pädiatrie sind zum Teil nicht angemessen und nicht auskömmlich finanziert, denn Krankenhausleistungen werden in Deutschland seit 2004 mit Fallpauschalen - kurz DRG-System - je nach Art und Schwere sowie Behandlungsmethode unabhängig von der Länge des Krankenhausaufenthalts vergütet. Insbesondere Kinder- und Jugendkliniken gelten in diesem Finanzierungssystem als wirtschaftlich problematisch. Die Behandlung und Pflege von Kindern ist intensiv und aufwendig, und das System der Fallpauschalen stellt dies nicht hinreichend dar. Die besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen, die eine hochindividualisierte medizinische Behandlung und eine besondere persönliche Zuwendung brauchen, werden im DRG-System schlicht ignoriert. Zudem sind die meisten Leistungen in der Pädiatrie nicht planbar, sodass die nötigen Vorhaltekosten deutlich höher liegen als bei Erwachsenen. Krankenhäuser, die nicht die entsprechenden Fallzahlen haben, können für die Vorhaltung in diesen Leistungsbereichen keine Kostendeckung erreichen.

Was wir also dringend brauchen, und das ist von vielen schon gesagt worden, ist ein neues Finanzierungssystem für die Gesundheitsversorgung insgesamt und nicht nur für den Teilbereich der Pädiatrie. Es ist zu kurz gedacht, nur die Fallpauschalen für die Kinderheilkunde abzuschaffen. Die Versorgung von Krebspatienten oder Infarktpatienten ist mindestens genauso aufwendig, um nur einige Beispiele zu nennen.

Wir müssen zu einer soliden Finanzierung von Krankenhäusern mit Regelversorgung kommen. Die Abschaffung der Fallpauschalen halten wir hierbei tatsächlich für geboten. Erforderlich ist aber mindestens eine wirklich grundlegende Reform des be

stehenden Fallpauschalensystems. Die Lösung kann die Entwicklung eines neuen Systems sein, welches auf einer prospektiv regionalen und pauschalierten Finanzierung basiert, wie es zum Beispiel die AfDBundestagsfraktion fordert.

Auch ein Blick in die europäischen Nachbarländer kann hier hilfreich sein. Das Schweizer Fallpauschalenmodell ist wesentlich flexibler und bildet die Konzentration und Spezialisierung von Leistungen besser ab als das deutsche System. Die Schweizer nehmen die Fallpauschalen nicht als fixes, unabänderliches Preissystem, sondern als Richtwert bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit eines Krankenhauses. So ergibt sich der Preis für eine Behandlung aus der Multiplikation des Basispreises, einer BaseRate, mit dem Kostengewicht, das die Komplexität oder eben den Aufwand einer bestimmten Behandlung im Vergleich zu einer anderen ausdrückt. Auf diese Weise kommen die Schweizer zu wesentlich gerechteren oder adäquateren Vergütungen als wir in Deutschland. Wichtig ist auch, dass das Fallpauschalsystem dergestalt reformiert wird, dass bei der Vergütung regionale Unterschiede und die Besonderheiten berücksichtigt werden. Das wäre zum Beispiel beim prospektiv regionalen Fallpauschalensystem der AfD der Fall.

Das DRG-System ist langfristig nicht tragbar. Auch darüber besteht hier Einigkeit. Aber durch sporadische Interventionen wie jetzt von der SPD vorgeschlagen, wird es nicht zu retten sein. In der Sache lehnen wir den Antrag daher ab. Der Alternativantrag trifft da eher auf unsere Zustimmung, denn gegen den Vorschlag eines Modellversuchs für sektorenübergreifende Versorgung spricht zunächst nichts. Da gehen wir gern mit. Wir sind allerdings auch gespannt, was aus den Ankündigungen zur Neuordnung des Fallpauschalensystems wird. Herr Minister Garg, darauf freuen wir uns schon. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat die Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering das Wort.

Sehr geehrte Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kinder und Jugendliche haben häufig andere Krankheitsbilder als Erwachsene. Ihre Versorgung ist für Mediziner nicht selten eine besondere Herausforderung. Sie sind auch nicht weniger oder seltener krank als Ältere. Für ein möglichst

(Claus Schaffer)

gesundes Aufwachsen brauchen sie daher eine verlässliche und eben in Teilen auch individuelle medizinische Versorgung. Leider scheint es hier aber immer öfter Engpässe zu geben. Deshalb haben wir wieder das Thema Pädiatrie auf der Tagesordnung.

Die Altersgruppe unter 14 Jahren macht einen Anteil der Bevölkerung von etwa 13 % aus. Für die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen verwenden wir aktuell aber nur 8 % der Gesundheitskosten. Auf diese Zahlen verweist die SPD in einem Beschluss ihres Präsidiums und fordert, dass zumindest mit Blick auf aktuelle Konjunkturmittel ein sachgerechter Anteil von 13 % für die Finanzierung kinder- und jugendmedizinischer Versorgungsstrukturen verwendet werden soll. Das ist aus Sicht des SSW absolut sinnvoll und auch Unterstützung wert.

Auch der vorliegende Antrag hat zum Ziel, die medizinischen Angebote für Kinder und Jugendliche zu verbessern. Sowohl die ambulante als auch die stationäre Versorgung junger Menschen soll flächendeckend sichergestellt und gestärkt werden. Dies wird völlig zu Recht als zentraler Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge gesehen. Das ist eine Zielsetzung und eine Begründung, die ich als Eckernförder Abgeordnete absolut teilen kann, denn auch in meiner Heimatstadt müssen junge Patientinnen und Patienten im Zweifel weite Wege in Kauf nehmen, um behandelt zu werden. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal sehr gern an die entsprechende Resolution des Kreistags Rendsburg-Eckernförde erinnern und um Unterstützung für den Klinikstandort Eckernförde werben.

Fakt ist, dass Kinder- und Jugendärzte auch bei uns in Schleswig-Holstein seit Längerem auf Versorgungsengpässe hinweisen. Vor allem im ländlichen Raum zeigt sich, dass Kinderstationen für Krankenhäuser oftmals nicht rentabel sind. Altbekannte Gründe sind die zu geringen Fallzahlen bei einem hohen Personalaufwand und natürlich das System der Fallpauschalen.

Vor dem Hintergrund scheint die Idee der SPD, die Kinder- und Jugendmedizin aus dem System der Fallpauschalen herauszunehmen, erst einmal sinnvoll. Aber eine Grundfinanzierung für alle pädiatrischen Leistungen wäre ja nichts anderes als ein Parallelsystem in nur einem Problembereich von vielen. Das ist zwar gut gemeint, aber es ist, so finde ich, nicht konsequent zu Ende gedacht.

Wenn es um das Thema Fallpauschalen geht, dann ist für uns völlig klar, dass wir eine wirklich grundlegende Reform brauchen. Ich denke, darüber, dass

uns das bestehende System nicht nur Vorteile gebracht hat, sind wir uns weitestgehend einig.

Was aber sehr viel schneller hilft, spricht die SPD als letzten Punkt an - wir haben vorhin schon einmal darüber gesprochen, und einige Dinge machen wir schon -: das Thema des Fachkräftenachwuchses und damit auch der Arbeitsbedingungen. Hier liegt eine ganz wesentliche Ursache für die aktuellen Probleme. Laut Kinderärzten mangelt es in der Pädiatrie weder an Räumen noch an Material, sondern schlicht an Personal. Pflegestellen sind nicht oder so knapp besetzt, dass Krankheiten und Urlaube nicht kompensiert werden können. Hier müssen wir ran und nicht nur für die Ausbildung, sondern auch für die Arbeitsbedingungen mehr tun, zum Beispiel durch bessere Gehälter oder flexiblere Arbeitszeitmodelle.

(Beifall SSW, SPD und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für die Landesregierung hat der Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg, das Wort.

(Beifall Christopher Vogt [FDP] - Heiterkeit)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch - oder: gerade - in der Coronakrise ist und bleibt die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung für Kinder und Jugendliche ein ganz zentrales Feld für die Landesregierung. Aus meiner Sicht sind dafür mindestens zwei grundlegende Änderungen notwendig: Zum Ersten bedarf es einer Änderung der Krankenhausfinanzierungsstruktur; das haben viele Vorrednerinnen und Vorredner angesprochen. Zum Zweiten brauchen wir eine Änderung in den Versorgungsstrukturen der Kinder- und Jugendmedizin.

Die angesprochenen Probleme bei der Fachkräfterekrutierung bleiben davon vollkommen unberührt. Ich will mir nur - ganz bescheiden - den Hinweis erlauben, dass das Fachkräfteproblem für sämtliche Bereiche in Medizin und Pflege gilt; das ist bedauerlicherweise kein Einzelproblem der Pädiatrie.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie kein anderer Fachbereich ist die Kinderheilkunde von der Ambulantisierung geprägt. Das bedeutet, dass immer weniger Kinder für immer kürzere Zeiträume in der akutstationären Versorgung bleiben. Das

(Jette Waldinger-Thiering)

führt zwangsläufig zu kleineren stationären Einheiten. Dabei schwankt die Auslastung genau dieser immer kleiner werdenden Einheiten sehr stark, was verhältnismäßig hohe Vorhaltekosten zur Folge hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau diese Vorhaltekosten sind auch in anderen Bereichen der akutstationären Versorgung ein Grundproblem. Aus diesem Grund sage ich mit vollem Ernst, auch im Hinblick auf Kollegin Schwesig, mit der ich viel gemeinsam habe, was die Aufstellung der Versorgungsstrukturen anbelangt - wir haben uns gemeinsam darum bemüht, einen bundeseinheitlichen Basisfallwert zu bekommen; das ist schon lange her, gut zehn Jahre -: Das System der Krankenhausfinanzierung bedarf einer grundlegenden Reform, die genau bei den Vorhaltekosten ansetzt.