Protocol of the Session on August 28, 2020

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/2318

Änderungsantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2366

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne somit die Aussprache.

Das Wort hat für die SPD-Fraktion die Abgeordnete Regina Poersch.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schleswig-Holstein-Urlaub ohne leckeres Essen, ohne kreative Küche, ohne versierte Servicekräfte in Restaurants, ohne moderne und gemütliche Hotels? Das ist für mich nicht vorstellbar und für unsere Gäste auch nicht. Die Erfolge unserer Tourismusstrategie sind ohne Hotels und Gast

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

stätten nicht denkbar. Dörfer ohne Landgasthöfe? Das ist für mich nicht vorstellbar und für die Menschen im ländlichen Raum auch nicht. Aber die Landgasthöfe stehen massiv unter Druck, auch weil sie sich in vielen Fällen auf Familienfeiern spezialisiert haben. Darum und weil ihnen im ländlichen Raum eine wichtige Rolle zukommt, müssen wir gemeinsam ein Gasthöfesterben verhindern.

(Beifall SPD)

Die Situation ist für die gesamte Branche außerordentlich schwierig. Die Coronapandemie bedeutet für die Gastronomie durch Schließungen und Beschränkungen, die zu verringerten Gästezahlen führen, harte Einschnitte. Öffnen ist meist teurer als Schließen.

Darüber hinaus verzeichnet der Tourismus von Januar bis Juni im Vergleich zu letztem Jahr insgesamt 43,3 % weniger Gäste und knapp 38 % weniger Übernachtungen. Diese Situation ist nicht nur schlecht für unser touristisches Angebot, das ist vor allem auch eine Gefahr für die Arbeitsplätze. Im schleswig-holsteinischen Hotel- und Gaststättengewerbe arbeiten in etwa 5.200 Betrieben mehr als 80.000 Beschäftigte. Jeder fünfte Schleswig-Holsteiner profitiert von Schleswig-Holsteins Gastgewerbe.

Während der Tourismus an der Küste in diesem Jahr wohl über die Runden kommen wird, ist die Lage in vielen Teilen unseres Landes - ich denke an das Binnenland, an die Städte und an den MICETourismus - außerordentlich düster.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Hotels und Gaststätten unternehmen so einiges für einen sicheren Betrieb. Ich habe es hier schon gelobt und will das noch einmal tun: Das Hygienekonzept, die ExitStrategie des DeHoGa zur Wiederöffnung war und ist eine große Hilfe für uns alle.

(Beifall SPD)

Für die Beschäftigten, für den Tourismus, für den ländlichen Raum lohnt sich der Einsatz für die Gastronomiebranche für die Zeit nach der Coronapandemie; denn es wird eine Zeit nach der Pandemie geben, und ich möchte, dass wir die Gastronomie als wichtigen Bestandteil der touristischen Infrastruktur dann noch vorfinden. Da ist jeder Beitrag willkommen und hilfreich.

Jede und jeder von uns kann und sollte essen gehen. Ein schönes Essen im Restaurant tut uns und den Gastronomen gut.

(Beifall SPD und Dr. Marret Bohn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Kommunen zeigen sich großzügig bei den Flächen für Außengastronomie, aber auch bei den Sondernutzungsgebühren. Danke dafür. Bund und Land haben umfangreiche Zuschuss- und Darlehensprogramme aufgelegt. Gut so.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gab und gibt für die Coronakrise keine Blaupause. Es ist unmöglich, von Anfang an alles richtig zu machen, Wirkungen und Handhabbarkeit zu antizipieren, Hilfen perfekt auszugestalten. So ist es zum Beispiel auch mit der Soforthilfe und der Überbrückungshilfe in der HoGa-Branche. Betriebe, die versucht haben, ohne staatliche Hilfen auszukommen, und die Soforthilfe erst im April oder Mai 2020 beantragt haben, sind nicht selten die Verlierer. Gleiches gilt für Landgasthöfe, wenn sie für ihre eigene Immobilie keine Pacht zahlen. Es ist aus meiner Sicht wichtig, dass Soforthilfe und Überbrückungshilfe in den Überschneidungsmonaten nicht gegeneinander aufgerechnet werden.

(Beifall Annabell Krämer [FDP])

Das käme auch anderen Branchen zugute. Ich stehe hier für den Tourismus. Andere sollen davon aber auch gern profitieren.

Unser Antrag und der Änderungsantrag der Koalition setzen zusammen ein richtig gutes, ein starkes Zeichen des Schleswig-Holsteinischen Landtags.

(Beifall SPD, Johannes Callsen [CDU] und Annabell Krämer [FDP])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Ende der Coronapandemie ist leider noch lange nicht abzusehen. Zum Schutz der Arbeitsplätze, zur Bewahrung der touristischen Infrastruktur für eine Zeit nach der Pandemie ist es notwendig, dass die Überbrückungshilfe für bedürftige Betriebe nicht im August 2020 endet. Der Koalitionsausschuss im Bund hat dazu am Dienstag das Richtige beschlossen. Aus dem Bundesfinanzministerium waren dazu vorher bereits positive Signale zu hören. Ich habe wahrgenommen, dass die Verlängerung der Überbrückungshilfe eher ein Selbstläufer in einem Paket von ganz vielen Maßnahmen war. Es kommt nun darauf an, dass das Bundeswirtschaftsministerium mit gut handhabbaren und passgenauen Förderprogrammen das Abrufen der Mittel auch möglich macht - zum Schutz der Arbeitsplätze, für das Überleben unseres touristischen Angebots und für die Zeit nach der Pandemie. - Vielen Dank.

(Regina Poersch)

(Vereinzelter Beifall SPD und Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] - Unruhe)

Liebe Kollegen und Kolleginnen, bevor wir weitermachen: Es ist sehr unruhig im Saal. Ich bitte Sie, wenn Sie Gesprächsbedarf haben, die Gespräche nach draußen zu verlagern und den Rednerinnen und Rednern hier vorn Ihre Aufmerksamkeit zu schenken.

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Tobias Koch.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Branchen haben unter der Coronapandemie stark zu leiden. Das Hotel- und Gastgewerbe gehört ohne Zweifel mit dazu. Es waren nicht nur die Wochen des Lockdowns, die der Branche zugesetzt haben, sondern auch nach der Wiedereröffnung im Mai und Juni 2020 blieben Tische und Betten vielfach leer. Die Zurückhaltung vieler Menschen ist trotz Abstandsregeln und Hygienekonzepten groß. Auf Restaurantbesuche und Hotelübernachtungen wird im Zweifelsfall lieber verzichtet, wenn ein Besuch nicht unbedingt notwendig ist.

Etwas anders sah das in den Sommermonaten in den Tourismusorten aus. Hier hat das Hotel- und Gastgewerbe vom Urlaub im eigenen Land profitiert und konnte teilweise sogar Zuwächse gegenüber dem Vorjahr verzeichnen. Das gilt aber nur für die Küste. Im Binnenland sah das auch während der Sommermonate ganz anders aus. Hier werden die Vorjahreszahlen zum Teil nach wie vor deutlich unterschritten.

Ganz besonders stark betroffen sind diejenigen Gaststätten, die ihr Geschäft auf Familienfeiern und Veranstaltungen ausgerichtet haben. Das wird oft unter dem Stichwort Landgasthöfe diskutiert - wie es die Kollegin Poersch gerade getan hat. Genau genommen geht es dabei aber weder um Stadt oder Land, auch nicht um Binnenland oder Waterkant also den Ort des Gasthofs -, sondern es geht um die Geschäftsausrichtung. Bei Familienfeiern und Veranstaltungen ist aufgrund der geltenden Coronavorschriften weitgehend ein Komplettausfall zu verbuchen. Die einzige Tätigkeit der Gastronomen besteht leider darin, Stornierungen zu bearbeiten. Es steht zu befürchten, dass diese Situation noch monatelang anhalten könnte. Familienfeiern mit Tanz

und Geselligkeit bleiben in Coronazeiten ein schwieriges Feld.

Die gestrigen Beratungen in der Ministerpräsidentenkonferenz haben das erneut deutlich gemacht. Selbst wenn Familienfeiern unter bestimmten Auflagen wieder zugelassen werden, ist zu erwarten, dass die Gäste zunächst genauso zurückhaltend bleiben, wie wir das bei der Wiedereröffnung der Restaurants im Mai und Juni 2020 erlebt haben. Damit steht für viele Hotels und Gaststätten die Existenz auf dem Spiel. Das gilt schon jetzt, und das gilt bei unveränderter Situation in den nächsten Monaten erst recht. Darauf muss die Politik reagieren.

Unsere Landesregierung hat von Anfang an die landeseigenen Wirtschaftshilfen auf den Hotel- und Gaststättenbereich konzentriert. Die 300 Millionen € des Mittelstandssicherungsfonds waren ausschließlich für das Hotel- und Gaststättengewerbe reserviert.

Wir haben diese Hilfen zusätzlich zu den Sofortund Überbrückungshilfen des Bundes zur Verfügung gestellt. Mit der Anpassung der Antragsmodalitäten haben wir Folgeanträge zugelassen und neben Darlehen auch stille Beteiligungen ermöglicht. Mit anderen Worten: maximale Hilfe und größtmögliche Flexibilität bei den Landesmitteln, um der herausragenden Stellung dieser Branche für unser Bundesland Rechnung zu tragen.

Auch der Bund hat neben den Hilfszahlungen weitere Maßnahmen ergriffen. Die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für die Gastronomie von 19 % auf 7 % ist eine gewaltige Unterstützung aber eben auch nur dort, wo Umsätze getätigt werden. Diese Absenkung sollte deshalb unbedingt über das vorgesehene Jahr hinaus verlängert werden. Sie entfaltet ihre Wirkung nämlich erst dann, wenn die Umsätze wieder anspringen. Dann ist sie aber eine echte Hilfe, um die in der Krise aufgebauten Schulden wieder abzubauen.

(Beifall CDU, Annabell Krämer [FDP] und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vielleicht schaffen wir es, CDU und SPD gemeinsam, uns auch dafür in Berlin einzusetzen - genauso wie sich die SPD mit ihrem Ursprungsantrag dankenswerterweise die Forderung der Union zu eigen gemacht hat, die Überbrückungshilfen länger als drei Monate zu gewähren.

(Beate Raudies [SPD]: Oh!)

(Regina Poersch)

- Ja, das war nicht erst bei diesem, sondern auch bei dem vorangegangenen Koalitionsgipfel die Position von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Damals war es mit der SPD allerdings nicht möglich, das so zu vereinbaren. In dieser Woche hat sich nun die Union durchgesetzt. Die Überbrückungshilfen werden bis Ende des Jahres verlängert. Ihr Antrag ist deshalb an dieser Stelle im Grunde obsolet. Aber sehr gern beschließen wir das noch einmal als deutliches Signal. Ich möchte noch einmal explizit sagen: Respekt, dass sich die SPD-Landtagsfraktion in dieser Frage gegen die eigene Partei in Berlin stellt. Danke für Ihre Unterstützung in dieser Sache!

(Vereinzelter Beifall CDU)

In dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen gehen wir noch einen Schritt weiter. Neben der Verlängerung des Zahlungszeitraums bedarf es nämlich nach unserer Auffassung auch einer Anpassung und Anhebung der monatlichen Auszahlungsbeträge. Für die Unternehmen, die seit mehr als einem halben Jahr mit dramatischen Umsatzeinbußen konfrontiert sind, werden die Probleme nämlich immer größer. Das gilt nicht nur für Hotels und Gaststätten - ich kann ja hier für alle sprechen, Frau Kollegin Poersch -, sondern auch für eine ganze Reihe von anderen Branchen. Ich nenne einmal Messebau, Diskotheken, Eventmanager und so weiter.

Deshalb sah das Ursprungskonzept von Peter Altmaier eine doppelt so hohe monatliche Auszahlung vor, wie sie bislang in der Großen Koalition in Berlin vereinbart werden konnte. Das ist genau das, was wir jetzt mit unserem Änderungsantrag hier noch einmal einbringen.

An dieser Stelle würde ich mich deshalb sehr freuen, wenn wir diese Forderung nach höheren Zahlungen mit breiter politischer Mehrheit hier im Landtag formulieren und damit Olaf Scholz hoffentlich zum Umdenken bringen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Dr. Andreas Tietze.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser Bundesland gehört neben Bayern und Mecklen

burg-Vorpommern in der Tat zu den beliebtesten deutschen Reisezielen. Gestern haben wir beim tourismuspolitischen Runden Tisch gehört, dass wir in diesem Sommer bei den Deutschen in der Frage, wo sie ihren Urlaub verbracht haben, tatsächlich sogar ganz vorn gelandet sind.

Man kann wirklich sagen, dass die Regierung Günther, Sie, Herr Dr. Buchholz, Herr Dr. Garg und Frau Heinold, in dieser Krisenzeit mit allem, wie Sie gewirkt haben, sehr nachhaltig dazu beigetragen haben, dass dieses Bundesland so gut dasteht, wie es jetzt dasteht. Das möchte ich noch einmal deutlich machen. Wenn ich an Herrn Söder, Herrn Laschet oder andere Landesregierungen denke, auch an die Ministerpräsidentenkonferenz gestern, wird das besonders deutlich. Ministerpräsident Günther macht darum nicht so ein Gewese.

Wenn man zurückschaut, stellt man fest: Gestartet ist diese Krise mit einem Ereignis im Wintertourismus in Ischgl. Gestartet ist diese Krise damit, dass Menschen ihren Spaß und ihre Reisefreudigkeit in diesem Land ausgeübt haben. Geendet ist es mit einer - wie ich finde - hohen Belastung unserer Wirtschaft und gerade und in bedeutungsvollem Ausmaß der Tourismuswirtschaft. Dass wir es in diesem Land trotzdem geschafft haben, bei all diesen Schwierigkeiten und Herausforderungen dieser Branche einen Weg aufzuzeigen, dass es durch die Krise geht, hat uns die Branche gestern bestätigt.

Dabei ist noch einmal deutlich geworden - Frau Poersch, wir haben da ja gesessen -, dass es Hand in Hand gegangen ist und wir uns hier als Akteursgemeinschaft untergehakt und in dieser Frage zusammengestanden haben. Das ist in dieser Krisenzeit keine Selbstverständlichkeit. Deswegen möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Ihnen als Landesregierung dafür bedanken, wie Sie diese Krise gemanagt haben.