Protocol of the Session on August 28, 2020

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt CDU)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Kay Richert das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um eines ganz deutlich zu sagen: Niemand stellt hier die Einhaltung von Freiheit und Menschenrechten weltweit infrage - ganz besonders nicht die Freien Demokraten.

(Beifall FDP)

Im Gegensatz zu allen anderen Parteien haben wir uns dem sogar ganz besonders verpflichtet. „Freiheit und Menschenrechte weltweit“ ist eines der sechs Parteiziele in unserem Leitbild. Bei uns ist das also ein explizit formuliertes Ziel. Können Sie das auch von sich selber sagen?

Die FDP macht, im Gegensatz zu allen anderen, auch den Mund auf. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass irgendeine andere Delegation von China demonstrativ düpiert wurde, weil sie sich deutlich zu Hongkong, den Uiguren und anderen geäußert hat. Unsere Parteifreundin Gyde Jensen, die wir heute hier begrüßen können, leitet den Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestags. Sie ist das wohltuend wahrnehmbare Gesicht für Freiheit und Menschenrechte weltweit aus Deutschland. Ich bin stolz darauf. Ich bin es leid, mir Vorschläge anzuhören, die mit wissentlich untauglichen Instrumenten Aktivitäten vortäuschen sollen.

Frau Metzner, Sie setzen sich in Ihrer Rede für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Dritten Welt ein. Das ist gut so. Das ist richtig so. Ich stehe voll dahinter. Ich finde aber auch, dass die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer es wert sind, vor ungleichen Benachteiligungen geschützt zu werden.

(Beifall FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren, eigentlich hätten wir diesen Punkt heute von der Tagesordnung absetzen können, denn der Bundeswirtschaftsminister hat das geplante Lieferkettengesetz im Bundeskabinett angehalten. Dass dieser Minister, der in der Vergangenheit nicht immer glücklich zugunsten der Wirtschaft agiert hat, das Gesetz anhält, sagt schon etwas aus. Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass das Gesetz in der angedachten Form nicht noch einmal auf den Tisch kommt. Wir wissen also gar nicht genau, was wir gemäß des Antrags gut finden sollen.

„Unternehmen, die Schäden an Mensch und Umwelt in ihren Lieferketten verursachen oder in Kauf nehmen, müssen dafür haften

(Joschka Knuth)

und wer zu Schaden kommt, kann ein Unternehmen dafür zur Rechenschaft ziehen.“

Das ist das Ziel des Lieferkettengesetzes, zitiert von der Initiative Lieferkettengesetz.

Der schon zitierte Lars Feld sagt dazu: „Ich schaue mit großem Entsetzen auf das Lieferkettengesetz“, denn damit würde „die Axt an das Erfolgsmodell der deutschen Wirtschaft“ gelegt. Kollege Kilian, das bezieht sich explizit nicht - jedenfalls lese ich das nicht daraus - auf die Ausbeutung und die Verletzung von Menschenrechten.

Er sagt weiter:

„Das Ganze hat durchaus das Potenzial, uns über Jahre so zu belasten, dass die Wirtschaftsentwicklung wesentlich geschwächt wird.“

Das ist übrigens eine tolle Botschaft für alle Selbstständigen, für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland - so direkt nach der Coronakrise.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Metzner?

Ja, bitte.

Ich möchte kurz nachfragen: Sie sprechend jetzt immer von deutschen Unternehmen.

- Sie müssen ein bisschen lauter sprechen, ich verstehe Sie nicht.

- Sie sprechen gerade von den deutschen Unternehmen, die in unverantwortlicher Weise durch das Lieferkettengesetz eingeschränkt werden sollen. Wie ist es mit den Unternehmen in Kanada, in Australien, in Frankreich, in den Niederlanden, wo solche Lieferkettengesetze schon längst an der Tagesordnung sind? Wie sehen Sie es, dass Deutschland das einzige Land in der Europäischen Union ist, das im Moment dagegen angeht, dass Umweltstandards in ein europäisches Lieferkettengesetz eingehen?

Wie kommen andere Länder eigentlich damit zurecht, dass es dort Lieferkettengesetze gibt? In Kanada gibt es das schon seit 2011. Wie sehen Sie das? Könnten Sie mir dazu eine Position der FDP darlegen?

- Ich habe Sie nicht ganz genau verstanden. Aber wenn ich das richtig deute, was ich verstanden habe, fragen Sie mich, warum das in allen anderen Ländern geht, aber in Deutschland nicht. Richtig?

- Es gibt Länder, die es schon seit längerer Zeit haben, ja.

- Gut. - Erstens ist es so, dass wir Verantwortung für Deutschland, hier für Schleswig-Holstein, tragen und nicht für alle anderen Länder weltweit. Für Kanada trage ich nicht die Verantwortung. Deshalb muss ich mir darüber keine Gedanken machen.

(Sandra Redmann [SPD]: Das ist interessant! - Wolfgang Baasch [SPD]: Das ist schön! Wunderbar! - Lachen Birte Pauls [SPD])

Ich wehre mich aber auch gar nicht dagegen, dass Umwelt- und Menschenrechtsstandards weltweit eingehalten werden. Wogegen ich mich wehre, ist die Unterstellung, dass das deutsche Geschäftsmodell, dass das Modell der deutschen Firmen, die international agieren, ausschließlich darauf beruht, Menschenrechte und Umweltstandards weltweit zu verletzen. Das ist hier nicht so.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Frau Abgeordneten?

Kennen Sie große Unternehmen, die nur in Deutschland produzieren, die nicht vom globalen Markt abhängig sind, die von diesem Lieferkettengesetz betroffen wären? Ich habe zu wenig Phantasie, mir vorzustellen, dass Sie wirklich für deutsche Unternehmen sprechen, die nur in Deutschland produzieren. Irgendwie kann ich Ihrer Logik nicht folgen.

Ich habe einen Satz im Hinterkopf, der mich im Studium immer begleitet hat, wenn ich die Treppen hochgegangen bin. Es soll ein Zitat von Engels sein: Das Kapital riskiert die Erde, wenn es 400 % Profit versprochen bekommt. - Wenn ich Ihre Darlegungen höre, kann ich jetzt, nach 40 Jahren, verstehen, was damit gemeint war.

Sind Sie wirklich der Meinung, dass deutsche Unternehmen nur für deutsche Verhältnisse zuständig sind und nicht für die Produktion in Spanien oder in Rumänien, wo

(Kay Richert)

viele deutsche Firmen produzieren? Es ist nicht Ihr Ansinnen, dass sie dort Verantwortung tragen. Ist das richtig?

- Es spricht nichts dagegen, wenn deutsche Unternehmen bei ihren Engagements im Ausland auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards verpflichtet werden. Das sollte selbstverständlich sein. Meines Wissens nach ist es das auch schon. Deutsche Unternehmen können für bestimmte im Ausland begangene Straftaten in Deutschland zur Rechenschaft gezogen werden. Wenn ich mich richtig erinnere - das Beispiel mit dem Damm in Brasilien wurde gerade angesprochen -, sehen wir doch auch, dass das passiert. Da wird ein deutsches Unternehmen für seine Leistungen im Ausland zur Rechenschaft gezogen. Von daher sehe ich in diesem Bereich den Punkt nicht.

Sie haben in Ihrer Rede zu Recht angesprochen, dass die Unternehmen selbst auf die Unversehrtheit, die Reinheit ihrer Lieferketten achten. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass in Deutschland bei den Kundinnen und Kunden, bei den Konsumenten das Bewusstsein gestiegen ist, dass das ein wichtiger Faktor ist. Von daher sehe ich den Punkt Ihrer Kritik nicht.

(Beifall FDP - Zuruf Kerstin Metzner [SPD])

Wie gesagt: Es spricht gar nichts dagegen, wenn deutsche Unternehmen bei ihren Engagements im Ausland auf die Einhaltung von Standards verpflichtet werden. Das geplante Lieferkettengesetz macht aber etwas anderes. Es soll deutsche Unternehmen verpflichten, bei fremden Unternehmen im Ausland für die Einhaltung deutscher Standards zu sorgen.

(Beifall Lars Harms [SSW])

Das ist doch absurd.

(Lars Harms [SSW]: Ach so!)

Es soll Einfluss zu nehmen auf die zuständigen Gebiete und Staaten außerhalb des Geltungsbereichs unserer Gesetze. Das ist Außenpolitik.

Wir hatten in Schleswig-Holstein schon einmal solch ein Gesetz, das die staatliche Verantwortung auf unsere Betriebe übertragen hat, und zwar auf Kosten der Menschen hier in Schleswig-Holstein. Das war das gescheiterte Tariftreue- und Vergabegesetz, TTG.

(Lars Harms [SSW]: An Ihnen gescheitert!)

- An der Realität gescheitert, Herr Kollege. - Ein Gesetz, das niemand einhalten konnte. Das wusste

auch jeder. Deshalb wurde die Einhaltung auch gar nicht kontrolliert. Herr Kollege, das ist ein Gesetz, das von der eigenen Evaluierung in der Luft zerrissen wurde und dennoch faktenfrei und folkloristisch verklärt in den Erzählungen von SPD und SSW weiterlebt.

(Beifall FDP)

Das geplante Lieferkettengesetz atmet den Geist dieses gescheiterten TTG. Es bürdet den Betrieben Pflichten und Belastungen auf, die diese gar nicht leisten können. Wir wollen aber keine unnötigen Belastungen für unsere mittelständischen Betriebe, auch nicht für die wenigen Industriebetriebe in Schleswig-Holstein. Wir wollen ein Level Playing Field, auf dem die Akteure miteinander in einen fairen Wettbewerb um die Gunst von Kundinnen und Kunden treten können. Kollege Kilian, ich finde: CDU pur könnte sich auch dafür einsetzen.

(Beifall Dennys Bornhöft [FDP])

Wenn man die Eckpunkte des geplanten Gesetzes anschaut, dann könnte man meinen, das sei alles gar nicht so schlimm. Die Belastungen sollen für Unternehmen ab 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gelten, und es soll keine Erfolgspflicht gelten. Die Betriebe müssen lediglich nachweisen, dass sie alles getan haben, um die Ziele des Gesetzes zu erreichen. Aber auch wenn Arbeitsminister Heil sagt, den Unternehmen solle nichts aufgebürdet werden, was sie nicht leisten können, so ist doch genau das der Fall. Kein Unternehmen kann sicher wissen, wie genau eingekaufte Teilprodukte hergestellt wurden, auch bei sorgfältigster Recherche nicht.