Protocol of the Session on August 27, 2020

- Herr Tietze, ich berichte gerade zu der Frage, mit wem man überhaupt über die Nachfolgefrage und so weiter verhandeln konnte. Ich habe auch gesagt, dass die Kommunen vor Ort Hilfe brauchen. Denn das, was ich Ihnen gerade vorgestellt habe, ist nun einmal die globale Marktwirtschaft - oder: Kapitalismus, wie immer Sie es nennen wollen -, und damit haben sich viele Kommunalpolitiker, mich eingeschlossen, 2011 schlicht und ergreifend alleingelassen gefühlt.

(Beifall SPD)

Das ist die erste Botschaft an dieser Stelle.

Die zweite Botschaft ist diese: Ich persönlich bin grundsätzlich eher der Auffassung, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist - und das war es in diesem Moment -, dass man dann für staatliche Zuschüsse auch etwas bekommen muss, zum Beispiel Garantien an den Gebäuden mit Planungsrecht und so weiter. Es gibt x staatliche Zuschüsse in die

(Kathrin Bockey)

ser Wirtschaft. Wir können gern darüber reden, ob wir die alle auf den Prüfstand stellen wollen. Aber das ist jetzt nicht mein Punkt. Wir können uns gern noch einmal darüber austauschen, wann der richtige Zeitpunkt ist, um einzugreifen.

Im Augenblick gilt ja eher die andere Methode, nämlich: Wir lassen das alles erst einmal auf uns zukommen. Das habe ich auch hier im Plenum gehört. Dabei ging es durchaus nicht nur um Ihren Redebeitrag: Das ist der Zahn der Zeit; damit muss man leben. Das ist alles unmodern. Und wir wollen nicht gutes staatliches Geld noch schlechtem privatem Geld hinterherschmeißen. - Das habe ich so auf meinem Platz wahrgenommen. Das können Sie gern richtigstellen.

Übrigens ist damals kaum eine Investition ohne staatliche Förderung erfolgt - sei es über nette Grundstückspreise oder über andere Dinge. Da könnte ich Ihnen aus den 25 Jahren meiner politischen Tätigkeit sehr viel erzählen. Ich weiß, dass kaum eine Ansiedlung ohne staatliches Entgegenkommen stattgefunden hat. Natürlich spielt man die Kommunen da gegeneinander aus. Was ich zum Thema der Ostzuschüsse erlebt habe - das steht auf überhaupt keinem Blatt. Aber das können wir an der Stelle nicht klären.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das nicht verpuffen lassen!)

Ich bin jedoch gern bereit, darüber länger mit Ihnen zu debattieren, wenn es um die Frage geht, wie die Struktur des Einzelhandels unter staatlicher Reglementierung aussieht.

Eines muss ich Ihnen als Sozialdemokrat sagen. Das Auf-sich-zukommen-Lassen, das Laissez-faire, hat zu diesem Zustand geführt. Da würde ich dann doch gern einmal Alternativvorschläge von Ihnen hören außer dem Hinweis, man müsse mit Investoren reden. Aber wenn diese keine anständige Rendite erzielen, dann war es das eben.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kollege, eine letzte Bemer- kung noch!)

Entschuldigung, Herr Dr. Tietze, noch machen wir hier die Regie. Ich habe den Abgeordneten Dr. Dolgner so verstanden, dass er die Debatte darüber zu einem späteren Zeitpunkt gern ausführlich fortsetzen würde. Haben Sie jetzt noch einen neuen Aspekt, oder wollen wir es dabei bewenden lassen?

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Alles klar!)

- Gut. Ich hoffe, Herr Dr. Dolgner, das war in Ihrem Sinne.

Ja, ich habe da keine Scheu. Wir können das hier gern auch dialogisch machen. Aber ich befürchte, dass der eigentliche Punkt - ich hatte mich ja zum Standort Rendsburg gemeldet - an der Stelle verlorengeht.

Ich konnte bereits andeuten, dass wir mindestens zentrale Strukturen brauchen, um überhaupt Waffengleichheit herzustellen.

Was ist denn dann in der Umgebung passiert? - Wir haben jetzt den Abriss mehrerer historischer Gebäude in Rendsburg, weil die schlicht und einfach verfallen sind. Da war den Eigentümern übrigens die Rendite relativ egal, weil sie wussten: Wenn sie es anfassen, dann müssen sie in das betreffende Gebäude so viel Geld hineinstecken, dass sich das nicht lohnt. Also haben sie es so lange laufenlassen, wie es nur irgendwie ging.

Diese Geschichte mit „Eigentum verpflichtet“ hat leider keine Ausführungsgesetze. Ich gucke insoweit einmal auf die rechte Seite des Parlaments und auch auf die mittlere Seite; denn darüber müsste man hier auch einmal sprechen.

Abschließend: Ich glaube übrigens nicht, dass das Modell einer belebten Innenstadt tot ist. Denn ich glaube, die Menschen haben eine tiefe Sehnsucht danach. Schauen wir uns doch einmal das FactoryOutlet in Neumünster an. Was ist das denn? - Das ist das Disneyland einer idealen Innenstadt. Die Menschen fahren dahin, um etwas quasi second hand zu bekommen, weil es im Original nicht mehr verfügbar ist. Ich glaube - und das richtet sich an alle Entscheider -, dass es etwas einfach gesagt ist, wenn man meint, die Menschen wollen das nicht mehr. Ja, gewisse Investoren wollen das wegen Flächeneffizienz und so weiter. Aber ein Factory-Outlet-Center ist nichts anderes als eine Art nachgebaute Mainstreet. Dass es dort voll ist, sollte vielen zu denken geben. Ich glaube jedenfalls nicht, dass die Analyse richtig ist, dass die Menschen keine Shopping-Erlebnisse in kleinen Läden mehr haben wollen.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

(Dr. Kai Dolgner)

Ich komme jetzt zu meinem letzten Satz. - Da muss man ganz ehrlich sagen: Es wird ja immer so ein bisschen über die Südeuropäer geschmunzelt. Aber gucken Sie doch einmal in deren Innenstädte und auch in deren Mittelstädte, dann sehen Sie, was an der Stelle noch los ist.

Herr Abgeordneter!

Da gibt es eine höhere Wirtschaftskraft als hier. Da läuft das doch auch. Das heißt aber nicht, dass alles so aussehen muss wie auf der grünen Wiese in Amerika.

(Heiterkeit und Beifall SPD)

Für die Landesregierung hat die Ministerin für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung, Dr. Sabine Sütterlin-Waack, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fühle mich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Karstadt in besonderer Weise verbunden. Vor nunmehr 43 Jahren - ich habe das eben ausgerechnet - hatte ich meine Ausbildung bei Karstadt hier in Kiel begonnen. Ich hatte einfach genug von der Schule und wollte ein bisschen Geld verdienen. Dann ging es los.

Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Und trotzdem war meine Zeit bei Karstadt total lehrreich. Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt, viele Frauen - das will ich insbesondere betonen -, die mich tief beeindruckt haben. Ich glaube, das hat mich auch etwas geprägt.

Für alle, die vom Jobverlust betroffen sind, ist die gegenwärtige Lage eine hochbelastende Situation. Darüber haben wir heute Vormittag schon ausführlich gesprochen.

Die Landesregierung ringt natürlich um jeden Standort. Wir haben frühzeitig alle Maßnahmen ergriffen. Das Wirtschaftsministerium und insbesondere unser Wirtschaftsminister Bernd Buchholz hat mit Karstadt Galeria sofort Kontakt aufgenommen,

hat Gespräche mit den Kommunen vermittelt und dem Eigentümer Verhandlungen angeboten.

Der aktuelle Stand ist allerdings, dass die Bemühungen bis jetzt erfolglos waren. Galeria Kaufhof ist nicht verhandlungsbereit. Die Voraussetzungen in Rheinland-Pfalz und in NRW, Herr Dr. Stegner, sind einfach andere. Ich empfehle Ihnen, dazu ein Gespräch mit Herrn Dr. Buchholz zu führen; der wird Ihnen dann das Nähere dazu sagen.

Aus Sicht des Konzerns sind die Standortentscheidungen betriebswirtschaftlich notwendig. Aber ich sage es ganz deutlich: Wir loten jede Möglichkeit aus. Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Meine Damen und Herren, wir haben es heute Morgen auch schon oft gehört: Für die betroffenen Kommunen ist das natürlich ein herber Schlag. Für mich sind Kaufhäuser immer noch Zugpferde für die Innenstädte. Sie locken die Menschen in die Innenstädte, beleben die Einkaufsstraßen. Wenn ein Kaufhaus schließt, zieht das Leerstand nach sich. Aus Schleswiger Erfahrung kann ich davon ein Lied singen.

Alles Weitere, was mir hier aufgeschrieben worden ist über die Innenstädte und und und, erspare ich mir, weil wir das alles schon gehört haben.

Deshalb gehe ich jetzt direkt zur Städtebauförderung über. Wir sind dort nämlich gut aufgestellt. Wir unterstützen derzeit ungefähr 120 städtebauliche Gesamtmaßnahmen der Kommunen. In diesem Jahr werden wir mehr als 20 Millionen € an Landesmitteln zur Kofinanzierung der Bundesmittel zur Verfügung stellen.

Auf Bundesebene haben wir uns dafür eingesetzt, dass die finanzielle Ausstattung der Städtebauförderung auf hohem Niveau fortgesetzt wird. Wir rechnen ab dem nächsten Jahr sogar mit mehr Mitteln für Schleswig-Holstein.

Meine Damen und Herren, wir schauen nicht auf den konkreten Leerstand, sondern auf die gesamte Innenstadt. Wir beraten die Kommunen und unterstützen sie finanziell. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber auch: Nicht das Land, sondern die Kommunen entscheiden über ihre Stadtentwicklung.

Zu Ihren Argumenten, liebe Frau Midyatli, die Kommunen bräuchten noch mehr Unterstützung: Die finanzschwachen Kommunen brauchen in der Städtebauförderung nur einen abgesenkten Anteil

zu zahlen. Ich glaube, das ist auch schon eine gewisse Erleichterung.

Über Lübeck haben wir heute etwas gehört. Lübeck hat für die städtebaulichen Gesamtmaßnahmen in der Altstadt Lübeck in den letzten Jahren von Bund und Land etwa 90 Millionen € erhalten.

In Kiel haben wir den - noch heißt er, glaube ich, so - Kleinen-Kiel-Kanal eröffnet. Ich durfte dabei sein. 11 Millionen € sind dafür aus der Städtebauförderung geflossen.

An diesen Beispielen lässt sich deutlich machen, dass die Städtebauförderung auch einen Sog für private Investitionen auslöst. In Kiel sind das immerhin 100 Millionen €. Es gibt viele weitere Beispiele: Eutin, Schleswig, Elmshorn oder Barmstedt.

Natürlich denken wir auch an die vielen kleinen Orte im Land. Zusätzlich zur Städtebauförderung hat unser Referat für ländliche Räume in den letzten drei Jahren über 200 Ortskernentwicklungskonzepte gefördert. 200 Kommunen sind ein Fünftel aller Kommunen in Schleswig-Holstein.

Knapp 4 Millionen € haben wir für die Konzepte bereitgestellt. 20 Millionen € haben wir für konkrete Projekte, wie Marktplätze und Gasthäuser, zur Verfügung gestellt.

Natürlich machen wir weiter. Wir werden unsere Städte und Kommunen weiterhin unterstützen. Wir helfen ihnen, ihre Innenstädte attraktiv zu gestalten. Und wir wollen dafür alle verfügbaren Fördermittel mobilisieren. Wir lassen keine Kommune mit ihren Problemen allein. - Danke.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zu den Abstimmungen, zunächst zu dem Antrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 19/2333. Dafür ist Abstimmung in der Sache beantragt worden.