Protocol of the Session on August 27, 2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Schleswig-Holstein war mit der Regierung Engholm vor mehr als 30 Jahren der Motor, eigentlich sogar der Anlasser der Ostseekooperation. Die damals, nach Ende des Ost-West-Konflikts, geschaffenen Kooperationsstrukturen sind bis heute einzigartig in Europa.

Die Ostseeregion ist die erste europäische Makroregion, für die die EU 2009 eine regionale Strategie, die EU-Ostseestrategie, und 2010 einen konkreten Aktionsplan zur Umsetzung beschlossen hat. Für meine Fraktion und mich hat außerdem der Dialog mit Russland und unserer Partnerregion Kaliningrad große Bedeutung, gerade in Zeiten, in denen die EU-Russland-Beziehungen nicht einfach sind. Auf der Ostseeparlamentarierkonferenz am Montag kamen auch die Lage in und die Sorge um Belarus zur Sprache.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Schleswig-Holstein hat die Ostseekooperation immer aktiv mitgestaltet. Dank der gewachsenen Kooperationsstrukturen ist die Ostseeregion heute eine der wohlha

(Minister Claus Christian Claussen)

bendsten und wettbewerbsfähigsten Regionen der Welt. Sie ist eine Modellregion für Kooperation, für Frieden und für Sicherheit in Europa. Im Lichte der aktuellen Herausforderungen bin ich dankbar für dieses Fundament. Die diesjährige Ostseeparlamentarierkonferenz hat am Montag in ihrer Resolution die großen Herausforderungen benannt. Ich will an dieser Stelle zwei hervorheben.

Da ist die gemeinsame Anstrengung bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie. Wie wichtig die europäische Kooperation bei der Versorgung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten und bei der Herstellung und Beschaffung von medizinischem Material und Schutzausrüstung ist, habe ich an dieser Stelle schon einmal betont.

Das nächste Thema betrifft die Migration und Integration. Da möchte ich zunächst ein herzliches Dankeschön richten an die Kollegin Aminata Touré und an den Kollegen Wolfgang Baasch, die sich beide im Rahmen der Arbeitsgruppe Migration und Integration der BSPC in den letzten drei Jahren eingebracht haben und Schleswig-Holsteins Interessen vertreten haben. Danke schön euch beiden.

(Beifall SPD)

Im Bericht der Landesregierung hingegen fehlen leider weitergehende Ansätze für gemeinsame politische Ideen und Strategien zum Thema Migration. Wir aber wollen mehr gemeinsames Handeln.

An dieser Stelle ein weiteres Wort des Dankes an unseren schleswig-holsteinischen Delegationsleiter der BSPC, den Kollegen Hartmut Hamerich und bitte richten Sie es aus, Herr Präsident - an Jutta Schmidt Holländer vom Europareferat, die unsere Teilnahme an der digitalen Konferenz sehr gründlich und mit großem Einsatz vorbereitet haben. Vielen Dank.

(Beifall SPD und Dr. Marret Bohn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Gute Nachbarschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen, und gemeinsame Ziele sind gerade in Zeiten der COVID-19-Pandemie so wichtig. Ich bin dankbar, dass die BSPC nicht abgesagt, sondern digital durchgeführt worden ist.

Nach alledem - man merkt es immer wieder - ist die Ostseekooperation nicht nur nice to have. Sie ist für uns von grundlegender Bedeutung. Sie braucht immer wieder aufs Neue unser Bekenntnis zur Bedeutung dieser Kooperation. 30 Jahre nach ihrer Begründung wird die Ostseekooperation nämlich herausgefordert durch zunehmenden Rechtspopulismus und das Erstarken antidemokratischer Kräfte

nicht nur im Ostseeraum. Da ist es dringend erforderlich, junge Menschen aktiv an den politischen Prozessen der Ostseekooperation zu beteiligen.

Das Ostseejugendbüro ist dafür eine hervorragende Institution. Ich denke aber auch an die von uns initiierte Jugendbeteiligung an der BSPC und an unsere 47 Europaschulen im Land.

(Beifall SPD und SSW)

Meine Fraktion wird deshalb nicht müde, die Aufstockung der Mittel für die Europaschulen zu fordern, gerade um Klassenreisen in die Ostseeregion zu ermöglichen. Unser Anliegen wurde von der Koalition leider wiederholt abgelehnt. Sehr schade.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, um Beteiligung geht es auch in unserem Antrag zur Konferenz zur Zukunft Europas. Ich freue mich, dass daraus ein gemeinsamer Antrag geworden ist. Denn Europas Zukunft braucht die Mitwirkung aller.

(Beifall SSW)

Das ist demokratiefördernd und macht Europa stärker, gerechter und nachhaltiger.

Ich beantrage die Überweisung des Ostseeberichtes in den Europausschuss sowie Abstimmung in der Sache zum Antrag.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ostsee ist ein Meer an Möglichkeiten. Nutzen wir sie und nehmen wir gemeinsam die Herausforderungen an. Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Hartmut Hamerich.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst möchte ich mich bedanken. Ich möchte mich bedanken bei unserem Europaminister und seinem fleißigen Team von Mitarbeitern für den Bericht der Landesregierung, also für den Ostseebericht.

(Beifall CDU)

Die Ostseeaktivitäten 2019/2020 sind super herausgearbeitet worden. Der Bericht veranschaulicht umfänglich und detailliert die vielschichtige Gremienarbeit im Ostseeraum.

(Regina Poersch)

Die facettenreiche Themenvielfalt und die wichtigen Förderinstrumente werden in großem Umfang in Anspruch genommen.

Heute wirkt der Bericht ein wenig aus der Zeit gefallen, weil er vor der Coronapandemie erstellt wurde; er ist sozusagen ein Bericht aus einer heilen Welt mit Einschränkungen. Diese Einschränkungen werden im Einführungsteil erwähnt. Dort werden die innenpolitischen Situationen und Wahlen der Ostsee-Anrainerstaaten dargestellt. Leider werden die europakritischen und allein national denkenden Parteien in fast allen Ländern stärker. Es ist das gleiche Bild wie bei den letzten Wahlen zum Europäischen Parlament.

Besonders in Polen ist die Lage höchst bedenklich, wo die nationalen Kräfte die absolute Mehrheit stellen und die Unabhängigkeit der Justiz bedroht wird. Die EU steht für Rechtsstaatlichkeit. An diesem Grundprinzip wird kräftig gerüttelt. Unser Wunsch ist deshalb, das künftige Förderungen der EU an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit der Antragssteller geknüpft sein müssen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Der Schleswig-Holsteinische Landtag ist aktiv in verschiedenen Ostseegremien vertreten. Ich nenne hier besonders die Ostseeparlamentarierkonferenz BSPC und das Parlamentsforum Südliche Ostsee PSO. Beide Konferenzformate leben vor allem von persönlichen Kontakten und Begegnungen. Gerade das haben wir festgestellt, als wir am Montag virtuell getagt haben.

Auf größere Tagungen muss aber in diesem Jahr aufgrund der Pandemie verzichtet werden. Die BSPC fand deshalb Anfang dieser Woche in Form einer Videokonferenz statt.

Wenn man darüber nachdenkt, dass 150 Teilnehmer eingeloggt waren, zusätzlich die Dolmetscher - in fünf Sprachen wurde übersetzt -, dann kann man sich vielleicht vorstellen, dass man sich gerade als Vertreter der BSPC für unser Land Schleswig-Holstein eine andere Konferenz hätte wünschen können.

Wir alle haben in den letzten Monaten unsere persönlichen Erfahrungen mit Videokonferenzen machen können. Sie ahnen deshalb sicher, wie lebendig eine Konferenz mit so vielen Teilnehmern samt Dolmetschern abläuft.

Gute Vorbereitungen haben aber Beschlusspapiere möglich gemacht. Die gefassten Beschlüsse betonen die Wichtigkeit, die anstehenden gewachsenen

Probleme für Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft solidarisch und gemeinschaftlich zu lösen.

Ein Zwischenbericht zu den Munitionsaltlasten beleuchtet die ersten Ansätze, um dieses Problem, wissenschaftlich begleitet, tatkräftig anzugehen. Absehbar ist, dass erforderliche Maßnahmen erhebliche Finanzmittel erfordern werden. Hier ist noch der Ansatz unseres Bundestagskollegen zu erwähnen, der darauf hingewiesen hat, einen freiwilligen Fonds gründen zu wollen, ohne erst lange darüber diskutieren zu müssen, wer Verursacher ist. Wir haben nämlich verschiedene Verursacher für die Munitionsreste bei uns in der Ostsee. Wenn wir uns erst darüber unterhalten würden, wer wann für was zuständig gewesen ist, dann würden wir nie damit fertig werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, große Hoffnungen setzt die Konferenz auf den deutschen Vorsitz der Helsinki-Kommission zum Meeresschutz der Ostsee. Die Umweltbelastung der Ostsee berührt alle Anrainerstaaten in besonderer Weise. Lösungen können nur gemeinsam geschaffen werden. Dabei stehen die Nährstoffüberfrachtung, Munitionsaltlasten, Meeresmüll, Klimawandel und der Schutz von marinen Arten und Lebensräumen auf der Arbeitsagenda.

Des Weiteren wird die Harmonisierung der HELCOM-Ziele mit der EU-Meeresstrategierahmenrichtlinie angestrebt. Der hierzu eingebrachte Antrag „Konferenz zur Zukunft Europas starten und aktiv mitgestalten“ wird mit voller Überzeugung von allen demokratischen Fraktionen in diesem Landtag mitgetragen. Ich bedanke mich bei der SPD-Fraktion und beim SSW für die Einreichung des Antrages. Wir sind gerne darauf eingegangen.

(Beifall SPD)

Wir alle wollen, dass sich die EU unter breiter Beteiligung der Bürger insbesondere aller Regionen in Europa für die Zukunft neu aufstellt. Die Coronapandemie hat den Staat ausgebremst. Jetzt sollte die Konferenz zügig in Angriff genommen werden. Dieses liegt in unser aller Interesse. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Bernd Voß.

(Hartmut Hamerich)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg ein herzliches Dankeschön an die Landesregierung, an den Minister und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für diesen Ostseebericht. Er gibt einen hervorragenden Überblick über die umfangreichen und vielfältigen Aktivitäten unseres Landes im Ostseeraum. Die Zahl der vielen, besonders auch zivilgesellschaftlichen Netzwerke, die in den letzten Jahren daraus hervorgegangen sind, liegt im deutlich zweistelligen Bereich. Ich glaube, wir müssen hervorheben, dass es besonders die unterschiedlichen zivilgesellschaftlichen Organisationen in Europa waren. Genau das bringt Europa erst richtig zusammen.

Das ist die Perspektive auch für die wachsende Zusammenarbeit und die Stabilisierung. Erst am Montag wurde uns in der digital abgehaltenen Ostseeparlamentarierkonferenz erneut deutlich gemacht, wie wichtig der kontinuierliche Dialog ist. Das Verständnis von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Bürgerbeteiligung ist in den Ländern ziemlich unterschiedlich, insbesondere was die russische Region anbelangt.

Es gilt, die Kontakte in der Ostseezusammenarbeit, die über Jahrzehnte gewachsen sind, stetig zu pflegen. Der Gesprächsfaden sollte nicht abreißen. Wenn die Spannungen zwischen Russland, dem Baltikum und Polen sichtbar ansteigen, muss der Kontakt auf der regionalen Ebene umso mehr gestärkt werden. Man sollte nicht unterschätzen, was die unmittelbaren persönlichen Kontakte bringen. Die Netzwerke auf regionaler Ebene haben vor allem im Zeichen der im Jahre 2014 erfolgten Annexion der Krim durch Russland - Sie erinnern sich und der sich nicht beruhigenden Situation eine tragende Funktion. Die politische Lage konnte ein Stück weit durch die unmittelbar existierenden Kontakte beruhigt werden.

Die Spannungen in der Region nehmen weiter zu; Sie wissen das. Neuestes Beispiel ist die Situation in Belarus. Wir sollten auch die besonders bedrängte Lage der großen polnischen Minderheit und der baltischen Minderheit in Weißrussland im Blick behalten. Da spielen ziemlich viele problematische Facetten hinein. So schwer es auch fällt: Auch hier helfen nur Dialog und Kontakte in die Zivilgesellschaft, um eine Bewegung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit überhaupt zu stärken. Wenn ich die letzten Jahrzehnte zurückblicke, kann ich sagen: Kontakte im Rahmen der Tschernobyl-Hilfe oder auch zwischen den Hochschulen Kiel und Minsk und deren Umfeld sind im Grunde die Vorreiter da

für, dass hier immer wieder Kontakte aufrechterhalten werden konnten.