Protocol of the Session on August 27, 2020

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man gut, ich habe ein bisschen Zeit gehabt, mich wieder zu beruhigen; ich war ein bisschen aufgewühlt.

(Heiterkeit und Beifall)

Ich finde das - mit Verlaub - gar nicht witzig. Ich will hier nicht Applaus aus einer Ecke erheischen, von der ich das gar nicht möchte, aus der falschen Ecke.

(Jörg Nobis [AfD]: Das kann man sich nicht aussuchen!)

(Christian Dirschauer)

Herr Minister, ich kann manche Metapher akzeptieren, ohne Frage. Sie sind ja auf Pellworm zu Besuch gewesen und haben gemeint, den Vergleich zwischen Rungholt und Pellworm hier bringen zu können.

Wenn ich höre, dass Sie verhindern wollen, dass wir in absehbarer Zeit - wie Sie sich ausgedrückt haben - über das untergegangene Pellworm spazieren gehen, finde ich das - mit Verlaub - voll daneben.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Klatscht ihr doch mal!)

Sie sind nicht nur Klimaschutzminister. Ich kann vieles von dem, was Sie hier berichtet haben und was wir gemeinsam machen, total unterschreiben. Pellworm ist in dem Bereich immer Vorreiter gewesen. Wir haben 1979 die ersten kleinen Windmühlen gebaut, wir haben 1983 das erste Solarwerk gebaut. Da gab es die ganze Diskussion in diesem Haus wahrscheinlich noch überhaupt nicht.

Mit Verlaub, Sie sind auch Küstenschutzminister. Da kann ich Ihnen nur klipp und klar entgegnen: Sie als Minister und wir, die wir Verantwortung tragen - ich trage seit 25 Jahren auf Gemeindeebene, auf Amtsebene, auf Kreisebene und jetzt auf Landesebene Verantwortung für Umwelt- und Küstenschutz -, haben die verdammte Pflicht, alles dafür zu tun, die Küsten, die Festlandküste, die Inseln und Halligen und die Menschen, die darauf leben, zu schützen.

(Beifall)

Der Vergleich zwischen Rungholt und Pellworm war völlig unpassend.

(Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ursache und Wirkung! - Weitere Zu- rufe)

Das Wort im Rahmen der Restredezeit von 3 Minuten 30 Sekunden hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch.

Meine Damen und Herren! Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir erleben hier eine Debatte mit Zeitreisecharakter. Wir waren jetzt schon vor 8.000 Jahren auf der Doggerbank, auf Rungholt, und wir waren dank des Ministers auch schon weit in der Zukunft. Er hat uns direkt in die Zukunft gebeamt.

Ich bin noch einmal aufgestanden, um zu der Debatte beizutragen, weil der Herr Minister behauptet hat, dass wir dank der Wissenschaftler bis in die letzte Einzelheit genau wissen, was auf uns zukommt. Ich finde, so eine Aussage ist unseriös und eines Ministers nicht würdig.

(Beifall AfD)

Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben in demselben Vortrag gesagt, dass die Prognosen derselben Wissenschaftler permanent gerissen werden. Wir erleben fast wöchentlich, dass die Polarforscher, dass die Glaziologen, dass die Meeresforscher, dass die Meteorologen ihre Prognosen permanent korrigieren müssen. Sie haben selbst gesagt, die Prognosen würden immer schlimmer. Da gebe ich Ihnen recht. Deswegen werden sie aber nicht glaubwürdiger. Sie könnten in 50 Jahren oder in 70 Jahren genauso gut in eine ganz andere Richtung gehen.

Ich finde es anmaßend, sich als Nichtfachmann hier hinzustellen - ich bin auch kein Fachmann, aber ich behaupte es auch nicht - und zu sagen: Wir kennen die Zukunft genau, und das Ende der Welt ist nahe. - Das ist mittelalterliche Weltuntergangsrhetorik, das ist nicht Landespolitik.

(Beifall AfD)

Ihre Kabinettskollegin Frau Prien hat gestern dankenswerterweise gesagt, wie Wissenschaft arbeitet, nämlich mit Annahmen, mit Erkenntnissen, mit Forschung, mit Experimenten, mit Verifikation das hat sie nicht gesagt, aber das führe ich jetzt aus -, aber auch mit Revision. Es geht um das Revidieren von Ergebnissen und von Prognosen. Wir reden bei der Klimaforschung nur über Modellrechnungen - nicht über Empirie -, in die Zukunft projiziert. Die müssen revidiert werden. Sie werden revidiert. Deswegen finde ich es unseriös, wenn Sie hier so etwas behaupten.

Kurz noch einmal zu meinem Part Wirtschaft. Die Dekarbonisierung wurde von Ihnen und Ihrem Kollegen Herrn Voß angesprochen. Wir haben gestern gehört, dass Herr Tietze am liebsten die Bautätigkeit in Schleswig-Holstein reduzieren will. Dekarbonisierung in Zeiten von Corona bedeutet Deindustrialisierung in europaweitem Maßstab. Ich kann Ihnen sagen, was dann passiert. Wir haben heute Morgen über ein paar hundert Arbeitsplätze bei Galeria Karstadt Kaufhof gesprochen. Wir werden eine massive Arbeitslosigkeit in Europa bekommen, wenn wir diesen Plan, diesen grünen irren Plan mit den Milliarden von Frau von der Leyen verfolgen und die Wirtschaft dekarbonisieren. Das hält die Wirtschaft zusammen mit Corona nicht aus.

(Klaus Jensen)

Ich weiß auch schon, was dann passiert. Es passiert dasselbe, was der Kollege Rickers angesprochen hat. Wenn wir die Landwirtschaft abschaffen und stattdessen Wälderpflanzen und Moore bewässern, werden wir unsere Lebensmittel aus dem Ausland bekommen.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Ja! Afrika!)

Wenn wir deindustrialisieren, bekommen wir unsere Waren und Güter aus China. Die freuen sich jetzt schon. Die warten schon darauf, hier einzufallen. Die sind schon in Italien. Die sind schon in Griechenland. Die sind schon im ehemaligen Ostblock. Die werden auch bei uns einfallen, wenn wir diesen Weg weitergehen. Ich kann davor nur warnen. Ich bitte Sie, diese Ziele in engem Schulterschluss mit Ihrem Wirtschaftsminister, der ein bisschen realistischer ist, zu überdenken. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Eka von Kalben.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist tatsächlich bei einer Diskussion um das Klima immer sehr schwierig, den richtigen Grat zu finden, sodass man deutlich macht, wie wichtig das Problem ist, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, zu dramatisieren oder Ängste zu schüren. Natürlich hilft es dem Klimaschutz nicht, wenn man Ängste schürt, aber es hilft, wenn man Leuten ganz deutlich macht: Wir haben ein Problem, und wir müssen es lösen. - Dass das mit drastischen Worten passiert, ist offensichtlich notwendig.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Nee!)

Wir werden seit ich weiß nicht wie vielen Jahren vor den Folgen des Klimawandels gewarnt. Wenn wir darauf reagiert hätten, wären heutzutage keine drastischen Worte oder Weckrufe notwendig.

Ich habe mich gemeldet, lieber Kollege Jensen, weil mich Ihre Reaktion berührt hat. Sie sagen, Sie fühlten sich nicht verstanden oder hätten den Eindruck, dass wir Grüne sagten, es gehe um Klimaschutz, aber was auf Pellworm passiere, sei uns egal. - Das Gegenteil ist der Fall. Das Gegenteil, lieber Klaus Jensen! Natürlich muss Küstenschutz weiterhin betrieben werden. Es ist schon jetzt so, dass der Meeresspiegel ansteigt. Natürlich wird sich ein Küstenschutzminister - er tut auch etwas; es passiert auch

etwas - weiterhin um den Küstenschutz der Inseln kümmern.

Ich bin aber fest davon überzeugt, dass Klimaschutz der beste Schutz auch für die Inseln und insbesondere für Pellworm ist. Sie wissen, dass es auch Pellwormer Mitbürgerinnen und Mitbürger gibt, die zum Schutz ihrer Insel sogar schon vor das Bundesverfassungsgericht gegangen sind, weil sie sagen: Es passiert nicht genug im Klimaschutz.

Verstehen Sie das bitte nicht als despektierliches Beispiel - so ist es offensichtlich bei Ihnen angekommen -, sondern als Beispiel dafür, dass das zu verhindern ist, dass die schöne Insel Pellworm geschützt werden muss, und zwar nicht nur durch höhere Deiche, sondern insbesondere durch einen effektiven und wirklich ernst gemeinten Klimaschutz.

Ich glaube, ich kann auch für den Minister sprechen: Ich finde es bedauerlich, wenn das falsch rübergekommen ist. Ich glaube, wir müssen gemeinsam kämpfen. Gerade Pellworm ist ein gutes Beispiel. Für Pellworm lohnt es sich, sich für den Klimaschutz zu streiten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Marlies Fritzen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil ich drei Punkte aus der Debatte aufgreifen möchte. Ich möchte mit Pellworm als einem Sinnbild anfangen. Wenn man die Prognosen des Weltklimarates ernst nimmt, der letztes Jahr gesagt hat, dass wir bis 2100 damit rechnen können, bis zu 1,10 m Meeresspiegelanstieg zu haben, sofern wir das nicht verhindern, können wir damit rechnen, dass die meisten Teile der nordfriesischen Inseln und große Teile der Niederungen an der Westküste unter Wasser stehen.

Es gibt Zahlen, die sagen, dass 25 % unserer gesamten Landesfläche betroffen wären. Das bedeutet nicht, dass man aufhören sollte, Küstenschutz zu betreiben, Klaus Jensen, aber das bedeutet, dass wir auch an die Ursache herangehen müssen, weil wir Küstenschutz gar nicht so bauen könnten, dass wir das allein mit Küstenschutz regeln könnten. Ich glaube, das ist die Debatte, und ich glaube, da sind

(Volker Schnurrbusch)

wir auch zusammen. In diesem Sinne sage ich: Jeder kehre vor seiner eigenen Tür.

Hier sind Verweise genannt worden, dass es woanders viel schlimmer sei und es woanders viel höhere Einsparpotenziale gebe. Wir sind ein Land, in dem über 70 % der Landesfläche landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzt wird, und wir sind das viertmoorreichste Land in der Bundesrepublik. 10 % unserer Landesfläche sind Moore. Davon werden 15 % intensiv genutzt, also auch entwässert. Genau da - das ist mehrfach angeklungen - liegt ein riesiges Potenzial, das wir hier haben. Wir haben in großen Teilen nicht die Industrie wie NRW oder andere, wo diese Länder etwas machen können. Wir können an dieser Stelle ganz viel machen.

Das, was wir mit unserem Programm, das erst beginnt, aufgelegt haben und das wir ausgestalten wollen, ist absolut innovativ. Es setzt auf Freiwilligkeit. Es setzt darauf, dass wir Landwirten Anreize geben, dass wir ihnen Angebote machen, dass sie auf ihren Flächen, wenn sie sie nicht verkaufen wollen, entweder im Tausch oder über Vertragsnaturschutzprogramme langfristig Vernässungsprogramme machen. Keiner wird dazu gezwungen, aber es soll sich monetär attraktiv gestalten, dies zu tun.

Ich bin davon überzeugt, dass wir, wenn sich das herumgesprochen hat und es ausformuliert ist, einen großen Teil leisten können. Wir können damit rund 700.000 t CO2-Äquivalente jährlich allein durch eine angemessene klimaschonende Behandlung unserer Böden erreichen. Das ist nicht wenig. Dieses Ziel dürfen gerade wir nicht aus den Augen verlieren, weil andere Bundesländer das in dieser Form nicht machen können. Das, was hier auf den Weg gebracht wird, ist wirklich innovativ.

Ich möchte noch auf einen anderen Punkt eingehen. Vorhin hieß es, wir könnten doch nicht unsere fruchtbaren Böden und unsere Gunstlage aufgeben. Das ist genau der Gegensatz, den wir überwinden müssen. Es geht schon lange nicht mehr darum, dass wir auf unseren Flächen die Weltbevölkerung ernähren; das wäre ein Trugschluss.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Aber die Welt können wir retten?)

Es geht auch nicht darum, dass wir unsere Flächen nutzen müssten - weil sie so hoch produktiv sind -, damit in Brasilien der Regenwald nicht abgeholzt wird. Es geht nicht um ein Entweder-oder. Das Problem ist doch, dass wir ein Sowohl-als-auch haben. Wir nutzen unsere Flächen extremst intensiv, und zugleich wird in Brasilien der Regenwald abgeholzt

- um Soja für unsere Schweine anzubauen. Das zusammen funktioniert nicht mehr.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Deshalb muss man auch hier bei uns zu einer anderen, klimaschonenden Bodennutzung kommen. Wir müssen darauf achten, dass wir alle mitnehmen und die entsprechenden Bemühungen unterstützen. Das Land könnte sich das leisten; das ist ja nicht der Punkt.