Protocol of the Session on June 18, 2020

Frauen nennen bei der Frage, was sie als gerechten Lohn für ihre Arbeit empfinden würden, Summen, die rund ein Viertel niedriger liegen als die Summen, die Männer für sich als gerecht ansehen.

Es gibt also kein Erkenntnisdefizit in dieser Frage.

Das Entgeltgleichheitsgesetz schafft seit 2017 eine höhere Transparenz bei den Entlohnungssystemen, zumindest bei denen in den größeren Betrieben. Ich sehe da bestimmt noch Verbesserungsbedarf, aber als erster Schritt sind wir da schon ziemlich weit gekommen. Aber immer noch ist es eine persönliche Initiative, die nötig ist, um die Ungleichbezahlung zu beseitigen: Frau muss darauf drängen.

Das isländische Modell, um das es in meinem Antrag geht, über den ich gern mit Ihnen am Equal Pay Day diskutiert hätte, scheint mir ein Weg zu sein, die strukturelle Benachteiligung und die strukturell schlechte Bezahlung anzugehen. Denn dieses Gesetz in Island fordert von den Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - wir hören ja immer, dass ein Großteil der schleswigholsteinischen Gesellschaft in diesen Bereich fällt -, sich daraufhin testen oder untersuchen zu lassen, ob sie Frauen beim Lohn diskriminieren. Bezahlen sie gerecht, erhalten sie ein Lohngleichheits-Zertifikat. Ich finde, wir sollten mal gucken, ob das bei uns auch funktionieren könnte. Und das fordern wir mit unserem Antrag.

Ich würde mich sehr freuen, wenn dieser Antrag eine Mehrheit findet. Aber ich nehme zur Kenntnis: Die Koalition möchte nicht nur über Entgeltgleichheit sprechen, sondern sie legt einen Alternativantrag zum Thema Gleichstellungsstrategie auf den Tisch. Mein erster Reflex war: Toll, dann reden wir jetzt endlich über die Dinge, die dazu führen, dass Frauen weniger verdienen als Männer. Beim zweiten Blick stelle ich dann aber fest, dass die konkreten Vorschläge vor allem auf den öffentlichen Dienst zielen. Na gut, dafür haben wir als Land die Regelungskompetenz und auch eine Vorbildfunktion.

Für eine landesweite Gleichstellungsstrategie, wie der Antrag ja betitelt ist, ist das aber doch ein bisschen wenig. Diese landesweite Strategie hatte Frau Ministerin Sütterlin-Waack, die nun leider nicht

hier sein kann - ich finde es extrem schade, dass wir hier Themen diskutieren, ohne dass auch die Ministerin anwesend ist; aber das lässt sich halt nicht ändern -, im Januar 2020 im Plenum angekündigt. Dann kam Corona dazwischen. Die geplanten Workshops und Diskussionsrunden konnten aufgrund der Pandemie nicht stattfinden. Insofern fehlt da jetzt vielleicht ein bisschen Unterbau.

Aber Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ist an Einfallslosigkeit kaum zu überbieten: Sie beantragen, was die Ministerin angekündigt hat. Das können Sie wörtlich nachlesen. Es passt eins zu eins zum Protokoll vom Januar. Das ergänzen Sie um die Punkte, die wir in Zusammenhang mit dem Gleichstellungsbericht für den öffentlichen Dienst besprochen haben: mehr Frauen in Führungspositionen und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Ach ja, und dann wollen Sie ja noch gucken, was sich auf europäischer Ebene tut. Das reicht nicht für eine landesweite Gleichstellungsstrategie.

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Was ist denn mit dem Thema Gewalt? Was ist mit Frauen in der Politik, in der Zivilgesellschaft, in der Wirtschaft? Was ist mit Altersarmut und Gender Pension Gap?

Ach ja, und was ist eigentlich mit Gender Budgeting? Wie schaffen wir es, mehr weibliche Auszubildende für Produktions- und Technikberufe zu interessieren und mehr weibliche Studienanfänger für die MINT-Fächer? Und wie bringen wir in die Köpfe, dass die partnerschaftliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf im 21. Jahrhundert eine Selbstverständlichkeit sein sollte, dass eben nicht vor allem Frauen für die Versorgung von Kindern und die Organisation des Familienlebens verantwortlich sind? Es braucht eine ressortübergreifende Gleichstellungstrategie, die mehr beinhaltet als Ihre fünf Punkte.

Stimmen Sie für unseren Antrag. Zu Ihrem können wir dann im Ausschuss noch einmal darüber beraten, was in so eine Gleichstellungsstrategie alles hineingehört. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Das Wort für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann.

(Beate Raudies)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu der Rede von Frau Raudies komme ich später noch. Ich beginne zunächst mit meiner Rede und möchte ausführen, wie ich die Sache sehe und wie wir sie beurteilen.

Ja, es ist ungerecht, dass Frauen im 21. Jahrhundert immer noch weniger verdienen als Männer und dass sie mit 50 % weniger Rente auskommen müssen. Das ist wirklich ungerecht.

Besonders ungerecht ist auch, dass Frauen in den sogenannten frauenspezifischen Berufen, also in Berufen, in denen zu 80 % nur Frauen arbeiten, in den meisten Fällen schlechter bezahlt werden als Frauen in den übrigen Berufen. Ja, das stimmt.

Es ist auch schade, dass wir darüber nicht am Equal Pay Day diskutieren konnten; der war in diesem Jahr am 17. März 2020. Corona hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das gleiche Problem und der Entgeltunterschied bleiben weiterhin bestehen. Das wollen wir ändern. Wir wollen auch, dass der Equal Pay Day möglichst weiter nach vorn verlagert wird, damit er irgendwann einmal am 1. Januar stattfindet, wie dies auch in anderen Ländern der Fall ist.

In Schleswig-Holstein haben wir etwas bessere Bedingungen. Bei uns beträgt der Gender Pay Gap nur etwa 15 %. Das gehört zur Wahrheit dazu. Bereinigt ist das noch etwas weniger. Trotzdem ist es für uns immer noch ein Ansporn, alles zu tun, damit dieser Gap aufgelöst wird.

Wir bitten die Landesregierung, wie es auch im Jamaika-Koalitionsvertrag steht, sich für Geschlechtergerechtigkeit und Lohngerechtigkeit einzusetzen und dafür zu sorgen, dass gleiche oder gleichwertige Arbeit auch gleich bezahlt wird. Das ist unser Ziel.

Dazu brauchen wir eine qualitativ hochwertige und flexible Betreuung für unsere Kinder, gute Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Beruf, Sorgearbeit und Familie. Und dabei sollte unser besonderes Augenmerk auch bei den Alleinerziehenden liegen; denn die haben wirklich die Last zu tragen. Alleinerziehend zu sein, ist das größte Armutsrisiko für Frauen.

Die Verwirklichung der Gleichstellung und der Chancengleichheit von Frauen und Männern ist unser erklärtes Ziel. Deswegen ist die Gleichstellungsstrategie der Landesregierung genau das richtige Instrument, um dieses Ziel nachhaltig zu erreichen.

Genau diese Strategie soll unter Beteiligung aller Ressorts der Landesregierung und weiteren gesellschaftlichen Akteuren, Verbänden und Organisationen - hört, hört! - erarbeitet werden.

Dieses Thema ist von hoher gesellschaftlicher Bedeutung. Wir wollen damit erreichen, den Frauenanteil insbesondere in den Führungs- und Leitungspositionen im öffentlichen Dienst zu steigern.

Der aktuelle Gleichstellungsbericht der Landesregierung zeigt hier genügend Arbeits- und Betätigungsfelder sowie Potenzial auf, wo gehandelt werden muss, das heißt, wo wir wirklich etwas tun müssen.

Im Mittelpunkt steht hier das Thema „Führung in Teilzeit“. Viele behaupten ja, führen könne man nicht in Teilzeit. Doch, das funktioniert! Da gibt es erhebliche Potenziale, die es zu heben gilt. Teilzeittätigkeiten und flexible Arbeitszeitmodelle müssen auch für Führungskräfte gut möglich sein und dürfen nicht zu Benachteiligungen führen.

Hier lohnt sich ein Blick zu unseren europäischen Nachbarn, die im europäischen Gleichstellungsindex vor uns liegen. Dieser Gleichstellungsindex, Frau Raudies, ist für uns auch deshalb wichtig, damit wir sehen, wo wir stehen. Wir sollten uns immer an den Besseren orientieren. Das hat mir schon meine Oma gesagt: Mich interessiert nicht, wer schlechter ist, sondern mich interessiert, wer besser ist als du. - Insofern ist das eine gute Möglichkeit, etwas von anderen zu lernen. Wir wollen von guten Beispielen lernen und es dann auch selber besser machen.

Bestandteil der Strategie ist selbstverständlich immer eine gute Vereinbarkeit von beruflicher und familiärer Arbeit.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Auch wollen wir darauf hinweisen, dass das Prinzip der gleichen und gleichwertigen Arbeit auch in der Privatwirtschaft eingehalten wird. Hierbei sollen sich Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen genauso engagieren wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre jeweiligen Vertretungen.

Ein weiterer Punkt muss berücksichtigt werden: Rollenstereotypen sollen bei der Berufswahl künftig eine viel geringere Rolle spielen. Die Berufswahl von Frauen und Männern sollte möglichst unabhängig von Rollenbildern sein. Aktionen wie Girls‘ Day und Boys‘ Day sind gute Beispiele. Auf diesem Weg sollten wir weiter vorangehen.

Das alles bringen wir auf den Weg. Das ist uns wichtig. Ich glaube, mit dieser Strategie sind wir gut davor. Ich bitte daher um Zustimmung.

Den SPD-Antrag lehnen wir ab. - Danke.

(Beifall CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Aminata Touré.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Die Große Koalition hat im Juli 2017 das Entgelttransparenzgesetz verabschiedet. Es soll dafür sorgen, dass gleicher Lohn für gleiche Arbeit in Deutschland Realität wird. Hat das funktioniert? - Nein, hat es nicht. Der Gender Pay Gap liegt unverändert bei 21 %.

Das Entgelttransparenzgesetz ist wie ein sehr grobes Sieb; in seinen Maschen bleibt nichts hängen. Alle Betriebe mit weniger als 200 Beschäftigten rauschen direkt durch; sie sind nämlich davon ausgenommen. Aber genau in diesen Betrieben arbeiten fast zwei Drittel der berufstätigen Frauen. Für sie gilt dieses Gesetz überhaupt nicht.

Auch in den verbleibenden Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten hilft das Gesetz wenig. Der fette Brocken Lohndiskriminierung wird auch dort nicht aufgefangen. Denn das Gesetz wird kaum genutzt. An der Lohnlücke von 21 % hat es in den drei Jahren seines Bestehens nichts geändert. Ein Gesetz muss aber seinen Zweck erfüllen. Bei Lohndiskriminierung sollte es die Rechte derer stärken, die diskriminiert werden.

Wir Grünen wollen ein Entgeltgleichheitsgesetz, das etwas bringt. Wir wollen kollektive Rechtschutzmöglichkeiten durch ein Verbandsklagerecht oder durch Gruppenverfahren einführen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frauen müssen gemeinsam und nicht nur individuell gegen unfaire Bezahlung wirksam vorgehen können. Das würde wirken. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens im Bundestag haben wir Grünen konkrete Vorschläge eingebracht.

Immer wieder predige ich: Die strukturelle Benachteiligung braucht auch strukturelle Gegenmaßnahmen. Deshalb wollen wir, dass eine Gleichstellungsstrategie für Schleswig-Holstein entwickelt wird. Diese muss verschiedene Punkte umfassen

wie die Entwicklung diskriminierungsfreier Digitalisierungsprozesse und die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen für die Privatwirtschaft, um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie oder Pflege zu erreichen.

Das Gute dabei: Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Feministische Akteurinnen kämpfen schon sehr lange für gleichstellungspolitische Maßnahmen. Deshalb soll die Gleichstellungsinitiative der Europäischen Kommission genutzt werden. Außerdem soll explizit auf unsere europäischen Nachbarländer geschaut werden, um zu prüfen, welche ihrer gleichstellungspolitischen Maßnahmen auch in Schleswig-Holstein anwendbar sind.

Besonders wichtig ist uns dabei, dass alle Ressorts der Landesregierung in die Erarbeitung der Gleichstellungsstrategie einbezogen werden. Gleichstellung darf nicht nur als Thema des Gleichstellungsministeriums betrachtet werden; denn damit wäre nicht alles getan. Es handelt sich um ein Querschnittsthema. Alle Frauen im öffentlichen Dienst haben das Recht auf diskriminierungsfreies Arbeiten. Alle Frauen haben das Recht auf diskriminierungsfreies Leben, sowohl in den Lebensbereichen, deren Alltag durch das Verwaltungshandeln des Gleichstellungsministeriums beeinflusst wird, als auch in den Lebensbereichen, deren Alltag durch das Verwaltungshandeln aller anderen Ministerien beeinflusst wird. Die Idealvorstellung ist, dass jede Maßnahme durch eine gleichstellungspolitische Brille betrachtet wird. Dafür gibt es schon lange einen Begriff: Gender Mainstreaming.

Besonders wichtig ist uns außerdem, dass die Gleichstellungstrategie unter Einbezug zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure erstellt wird. In den Vereinen, Verbänden und Initiativen sitzt wichtige gleichstellungspolitische Expertise. Ohne diese geht es nicht. Wir wollen keine Gleichstellungsstrategie, die an den gesellschaftlichen Realitäten vorbeigeht. Deshalb freue ich mich, dass wir als Koalition uns darauf geeinigt haben, eine Gleichstellungsstrategie auf den Weg zu bringen. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Anita Klahn.

(Katja Rathje-Hoffmann)