Protocol of the Session on June 18, 2020

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Beifall Hans-Jörn Arp [CDU], Anette Röttger [CDU], Dennys Bornhöft [FDP] und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Ich habe gedacht, diese Phase wäre schon vorbei, aber wir müssen uns heute damit beschäftigen. Diese Rückwärtsgewandheit ist der rote Faden, die Sie in Ihren Antrag gesponnen haben. Es ist schlicht unnötig, auf den Schriftverkehr und den Sprachgebrauch mit dem Hinweis auf die deutsche Rechtschreibung von 2006 zu verweisen. Es ist komplett unsinnig, was Sie von der AfD hier vorhaben. Sie behaupten, dass geschlechtergerechte Sprache - ich zitiere - „eine Vielzahl von Sprachgebilden enthält, die zum einen weder korrekt gesprochen noch vorgelesen werden können

(Jörg Nobis [AfD]: Das hat er doch gerade demonstriert! Haben Sie nicht zugehört?)

und die zum anderen gegen die Regeln der Rechtschreibung, Interpunktion und Grammatik verstoßen“.

Das ist Ihre Argumentation. Es ist schon erstaunlich, dass Sie bei so wenigen Worten schon ins Straucheln kommen und Sprech- und Vorleseprobleme haben. Meine Güte, die anderen können es doch auch.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Beifall Lukas Kilian [CDU], Dennys Bornhöft [FDP] und Jette Waldinger-Thiering [SSW] - Dennys Born- höft [FDP]: Eher ein kognitives Problem!)

Sprache ist etwas Lebendiges und unterliegt einem ständigen Wandel. Ich gebe zu: Mit dem GenderSternchen habe ich auch manchmal gehadert, aber es setzt sich durch. Es gehört zur Sprache dazu, dass sie sich verändert, dass sie modern wird und dass sie versucht, die Gesellschaft so, wie sie ist, abzubilden und zu repräsentieren.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Nein, es wird durchgesetzt!)

Die Lübecker Schöpfung mit dem Gender-Doppelpunkt ist - das muss ich sagen - eine Insellösung. Das können die machen, aber wir sind da auf einem anderen Weg.

Darüber kann man denken, wie man will, es ist jedoch so: Sprache muss verständlich sein, muss präzise die Menschen ansprechen, gerade in Behörden und - ganz besonders wichtig - in Gesetzen. Frauen

und Männer in Wort und Schrift sichtbar zu machen, ist unsere Absicht und unsere Pflicht. Wir wenden uns an die Menschen und machen für die Gesetze, Erlasse und Verordnungen. Das generische Maskulinum bildet daher nicht die ganze Gesellschaft ab, aber das wollen Sie von der AfD wohl auch gar nicht. Sie sind ja auch nur Männer. Da ist es ja auch egal. Die einzige Frau haben Sie vergrault. Jetzt machen Sie es halt in männlich.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Warum machen Sie das denn nur im Gleichstellungsgesetz? - Das ist auch wieder entlarvend. Das ist Ihr Gender-Wahn. Überall lauert der GenderWahn! - So ein Quatsch! Das ist moderne Kommunikation und moderne Sprache, der verweigern Sie sich leider.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Das ist nicht modern! Das ist aufgezwungen, von einer kleinen Elite aufgezwungen!)

Ich finde es jämmerlich, dass wir uns damit beschäftigen müssen. Ich habe noch so viel zu erzählen, aber ich lasse es sein, weil bei Ihnen jedes Wort zu viel ist. Sie lernen es ja doch nicht. - Danke schön.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Beate Raudies das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Eine grundsätzliche Bemerkung zu Beginn meiner Rede: Ich verzichte in der folgenden Rede wegen der besseren Verständlichkeit auf die Verwendung der männlichen Formen, die jeweils unter der weiblichen Form subsumiert werden.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Kreativ!)

Ja, Sie haben richtig gehört: subsumiert. „Subsumieren“ bedeutet laut Duden, einen Begriff unter einen Oberbegriff unterzuordnen. Wenn es nach der AfD geht, sollen wir Frauen das tun, uns wieder unterordnen. Da hätten Sie uns gern, zurück in der Küche, an der Kette.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

(Katja Rathje-Hoffmann)

Meine arme Damen von der AfD, Sie sind jetzt mit gemeint. In Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes, das Sie immer so gern zitieren, wenn es Ihnen passt, heißt es: „Frauen und Männer sind gleichberechtigt.“ Da ist keine Rede von Unterordnung.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und Dr. Frank Brodehl [AfD])

Trotzdem finden sich Formulierungen wie die, die ich benutzt habe, in der Einleitung vieler Texte. Beispiele: Aus Gründen der Verständlichkeit wurde für diesen Text die männliche Form gewählt; nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige beider Geschlechter. - Oder: Im gesamten Text steht die männliche Form stellvertretend für Personen beiderlei Geschlechts.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Diskriminierung!)

Mein persönlicher Favorit ist nach wie vor die Formulierung: Die weiblichen Mitglieder einer Gruppe sind mit gemeint. - So werden aus 99 Polizistinnen und einem Polizisten 100 Polizisten.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen, Menschen haben aber bei der männlichen Form tatsächlich Männer vor Augen, umgekehrt fühlen sich viele Frauen und Menschen verschiedener Geschlechter nicht mit gemeint und angesprochen.

Bemühungen, diese Art der sprachlichen Unsichtbarmachung von Frauen zu vermeiden, stoßen bei vielen Menschen auf Ablehnung. Wir haben es gerade gehört: Es sei dümmlich, es sei albern, es sei überflüssig, es sei Teil eines Plans zur feministischen Weltherrschaft, auf sprachliche Alternativen zu bestehen.

(Unruhe)

Ich erinnere gern daran, dass der Abgeordnete Brodehl gestern, als es um die Debatte um das Verschleierungsverbot ging, den Islamisten vorgeworfen hat, ihre Frauen hinter der Burka unsichtbar machen zu wollen. Nichts anderes machen Sie: Sie wollen Frauen in der Sprache unsichtbar machen.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Wenn es überhaupt sachliche Argumente für eine Ablehnung gibt, sind das meistens die folgenden.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Brodehl?

Nein, das tue ich nicht. Ich gehe auf seine Argumente ein, die sind so durchschaubar.

(Anhaltende Unruhe)

Geschlechtsneutrale und geschlechtergerechte Formulierungen seien umständlich und behinderten das Leseverständnis - verzweifelter Versuch eben vorgeführt. Hier kann ich nur entgegnen: Sprache prägt unsere Realität, unsere Gesellschaft. Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle Geschlechter sichtbar sind.

Geschlechtergerechte Sprache zeigt Wertschätzung gegenüber allen Menschen, unabhängig ihres Geschlechts. Sprachliche Gleichbehandlung aller Geschlechter ist unerlässlich für eine erfolgreiche Gleichstellung. Es geht nicht nur um die gleichberechtigte Nennung von Männern und Frauen, sondern sie muss inzwischen auch auf Inter- und Transsexualität erweitert werden.

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist es keine Kleinigkeit, was die AfD hier fordert, sondern ein Schritt zurück. Nicht nur, weil das Gleichstellungsgesetz eine sozialdemokratische Handschrift trägt, sondern aus tiefster Überzeugung lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.

Meine Damen und Herren, ich möchte mit einem Zitat des Sprachwissenschaftlers Anatol Stefanowitsch enden, der sich in seinem Blog „Sprachlog Frauen natürlich ausgenommen“ mit dem Thema beschäftigt hat. Diesem Zitat - mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin - ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen. Anatol Stefanowitsch sagt:

„Geschlechtergerechte Sprache hat keinen negativen Einfluss auf die Verständlichkeit und Lesbarkeit von Texten. Wohl aber hat sie einen Einfluss auf die Einbildung männlicher Leser.“

Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Katja Rathje-Hoffmann [CDU])

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Aminata Touré das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! In ge

(Beate Raudies)

wohnter Manier versucht die AfD, mal wieder zu provozieren. Das kennen wir ja schon. Der Gesetzentwurf zeigt im Kern wieder einmal, dass die AfD frauen- und queerfeindlich ist. Jahrzehntelang schon kämpfen Akteurinnen für sprachliche Sichtbarkeit.

Mehr Aufmerksamkeit möchte ich diesem Provokationsversuch jedoch nicht schenken. Ich glaube, die Kolleginnen Rathje-Hoffmann und Raudies haben das eindrücklich getan. Stattdessen werde ich erklären, warum wir Grüne schon lange darauf pochen, geschlechtergerechte Sprache zu verwenden, und dies auch selbst tun. Wir nutzen das Sternchen. Das ist nur eine von vielen Möglichkeiten, um Frauen und nichtbinäre Personen sprachlich sichtbar zu machen.

Sprache bildet Realität ab, aber erschafft auch Realität. Das ist keine neue Erkenntnis. Was möchte ich damit konkret sagen in Bezug auf den öffentlichen Dienst? Laut DBB Beamtenbund und Tarifunion waren 2017 56 % der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Deutschland weiblich. Laut Statistischem Bundesamt leben aktuell 41 Millionen Männer und 42,1 Millionen Frauen in Deutschland. Schätzungsweise 80.000 Menschen in Deutschland sind intersexuell. Hinzu kommen weitere Menschen, die zwar nicht intersexuell sind, aber trotzdem anderen Geschlechtern als weiblich oder männlich angehören.

Das heißt, dass das generische Maskulinum weder die Realität der Menschen, die diese Sprache benutzen - denn es arbeiten mehr Frauen als Männer im öffentlichen Dienst -, noch die Realität der Menschen ausdrückt, die angesprochen werden, also die Bevölkerung, in der es ebenfalls mehr Frauen und nichtbinäre Menschen als Männer gibt. Geschlechtergerechte Sprache ist also auch im öffentlichen Dienst notwendig, um die gesellschaftliche Realität abzubilden.