Allerdings hat Ihr Antrag mehrere Probleme: Sie setzen eine Altersgrenze von 75 Jahren. Ich finde nicht, dass das ein guter Vorschlag ist. Der eine ist schon mit 68 so weit, dass er Hilfe braucht, und der andere ist vielleicht noch mit über 80 fit. 75 als Grenze festzulegen, ist keine gute Größenordnung. Es muss individuell bleiben.
(Heiterkeit und Beifall CDU, FDP, Dr. Mar- ret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Frank Brodehl [AfD])
Eine Beratung, die für alle angeboten werden müsste, wäre mit einem hohen Personal- und Kostenaufwand verbunden. Das ist einfach so, und es bleibt nicht bei geringen Ausgaben. Wir haben schon jetzt ein hohes Maß an Angeboten, an Informationsangeboten und an Beratungsangeboten. Bei der Pflegebedürftigkeit, die Sie nennen, gibt es Pflegestützpunkte, Sozialkassen, Sozialverbände, auch die Familie, Ärzte und Kliniken.
Sie wollen dadurch zusätzlich Nachbarschaftsaktivitäten regeln. Dazu sage ich: Ganz ehrlich, das ist nicht Sache des Staates. Nachbarschaftsaktivitäten, Seniorenbeiräte, Verbände, Gesprächskreise - wir sollten anderen die ehrenamtlichen Aufgaben nicht wegnehmen.
Wir halten es für richtig, dass Landesregierung, Kommunen, Sozialkassen, Pflegestützpunkte und Verbände alle dabei unterstützen. Wie gesagt, das jetzige Hilfsangebotesystem, das wir haben, ist ein wirklich gutes. Dies ist eine vernünftige Grundlage.
Zu den Aufgaben, um die es für die Älteren geht, will ich angesichts der Zeit nur ein paar Stichworte sagen. Wichtig ist es doch, dass wir die Mobilität
der Älteren erhalten. Ich habe es eingangs genannt, aber ich meine auch die Mobilität zum Beispiel im Verkehrsbereich. Das Hauptproblem, das jemand hat, wenn er heute im ländlichen Raum oder auch in der Stadt lebt, ist doch häufig, dass die Mobilität dort nicht so gegeben ist, wie er es sich wünscht. ALFA-Angebote, wie wir sie bei uns im Kreis Plön mit einem ganz großen Erfolg machen, vor allem von Älteren genutzt, Bürgerbusse, Sammeltaxen das sind Vorschläge, mit denen wir diese Hilfen konkret untermauern können.
Die seniorengerechte Digitalisierung finden wir ganz wichtig. Ich will Ihnen auch sagen warum, Frau Kollegin: Es kann doch nicht angehen, dass die Digitalisierung der Gesellschaft jetzt schon und mittelfristig an den Senioren vorbeigeht. Wir wollen doch nicht so tun, als ob alle, die im Seniorenalter sind, mit diesen Geräten perfekt umgehen könnten. Das ist einfach nicht so. Deshalb ist es ein wichtiger Punkt, damit Senioren von der gesellschaftlichen Entwicklung nicht abgekoppelt werden.
Vielen Dank, Herr Kollege. Vorab möchte ich sagen, dass die Zahl 75 tatsächlich eine gegriffene Zahl ist. Das ist sehr unterschiedlich ausgestaltet. Auch in den Bundesländern wird sie mal bei 70 Jahren und auch mal individuell festgelegt. An der Stelle bin ich sehr gern gesprächsbereit.
Ich höre sehr viel Kritik an dem präventiven Hausbesuch. Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern, dass das Bestandteil des Koalitionsvertrags auf Bundesebene ist und in dieser Legislaturperiode gern noch umgesetzt werden soll. Wenn es denn so weit ist, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie nicht dafür werben würden, dass das in SchleswigHolstein umgesetzt wird?
- Wir werden einen Bericht des Ministers im ersten Quartal 2021 bekommen, den werden wir uns genau anschauen. Dann schauen wir, ob irgendwo ein Handlungsdefizit sein könnte. Aber nicht alles, was
Das will ich einmal so sagen: Wir haben auch besondere Stärken in diesem Land, daher müssen wir nicht alles ausgleichen.
Einen dritten Punkt will ich noch ganz kurz hinzusetzen, das ist die verständliche Sprache, die wir leider in dieser Parlamentstagung nicht diskutieren. Auch das ist ein wichtiger Punkt für Senioren.
Lassen Sie mich noch zwei weitere Dinge hinzusetzen: Wohnungsbau - darum müssen wir uns kümmern. Da ist doch das Problem, dass viele grundsätzlich keine seniorengerechte Wohnung haben und sich auch die Verkleinerung nicht leisten können. Das sind Themen - Generationenfragen -, die eine hohe Bedeutung haben. Ein weiteres Stichwort darf nicht fehlen: die Frage, wie Kreditwürdigkeit von Banken im Alter, bei Senioren eingestuft wird.
Das Feld der Themen, über die wir uns unterhalten können, ist breit. Ich sage Ihnen ganz persönlich meine Meinung - das darf man im Parlament ja -: Ich hätte mir auch gewünscht, dass in Berlin vielleicht bei Coronahilfen auch einmal ein Blick auf die Senioren gerichtet worden wäre. Das wäre auch eine Idee gewesen - das ist meine Meinung - in den ganzen Sachen. Denn auch dort sind Mehrkosten vorhanden. Aber ich will damit keine neue Diskussion auslösen. Ich will nur sagen: Gut ist, dass wir über Seniorenpolitik sprechen. Hilfe, Beratung und Begleitung sind selbstverständlich. Wie sie geschieht, bleibt im Ergebnis immer eine persönliche Entscheidung. Wir sprechen Anfang 2021 genauer über die Dinge und freuen uns über den vom Herrn Minister dann abzugebenden Bericht. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbstbestimmung ist Freiheit, und Freiheit ist Selbstbestimmung. Seniorinnen und Senioren haben auch einen Anspruch genau wie alle anderen - auf ihre Selbstbestimmung und ihre Freiheit. Deswegen finde ich es gut - vie
len Dank an Birte Pauls und die SPD-Fraktion -, dass Sie dafür gesorgt haben, dass wir uns mit diesem Thema hier beschäftigen. Als ich den Antrag gesehen habe, habe ich spontan gesagt, dass das nach einer guten Sache klingt. Aber ein ganz wichtiger Aspekt ist gerade schon in der Kritik aufgegriffen worden: Es macht keinen Sinn zu sagen, es gibt ein starres Alter von 75 Jahren, und wenn Sie 74 Jahre alt sind, bekommen Sie keinen Besuch, Sie sitzen allein zu Hause und keiner sagt Ihnen, wo die Hilfe herkommt. - Aber da hatte ich den Eindruck, dass sich das in der Debatte ein bisschen aufgelöst hat.
Es gibt viele Fragen für Seniorinnen und Senioren, wenn es ihnen nicht gut geht: Wo bekomme ich überhaupt einen Pflegegrad her, was ist das eigentlich, was bedeutet das? Welche Anbieter gibt es da, wo ich wohne? - Wenn ich auf der Insel Föhr lebe, habe ich ganz eingeschränkte Möglichkeiten. Hat das Deutsche Rote Kreuz überhaupt noch eine Möglichkeit, mich zu unterstützen? Wenn ich in Kiel lebe, gibt es ein ganz großes Spektrum an Möglichkeiten. Da muss gerade in Schleswig-Holstein bei den vielen unterschiedlichen Regionen, die wir haben, schon individuell geschaut werden, was die Region angeht, aber auch was die Person angeht. Da gibt es ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Bedarfe. Aber ich glaube, da sind wir uns noch einig.
Uns Grünen ist ganz wichtig, dass die Seniorinnen und Senioren bei den Aktivitäten und beim Älterwerden selber entscheiden können, dass ihnen nichts aufgedrückt und gesagt wird: So, du bist pflegebedürftig, das wird jetzt so gemacht! - Diese aktive Teilhabe muss bis ins hohe Alter erhalten bleiben. Ich glaube, darin sind Sie sich alle hier im Plenum - das hoffe ich jedenfalls - einig.
Eine Beratung sollte dann erfolgen, wenn die Notwendigkeit besteht oder es einen Wunsch gibt. Ich halte gar nichts davon, dass es irgendwann an der Tür klingelt und jemand sagt: „Schönen guten Tag, der Sozialminister schickt mich, ich soll Sie hier einmal beraten!“, und die Person möchte das vielleicht gar nicht. Das meine ich mit der Freiheit und der Selbstbestimmung. Ich habe als älterer Mensch auch die Freiheit, zu sagen: Nein, das möchte ich nicht.
Das ist manchmal für die Angehörigen ganz schwierig, insbesondere für die Kinder, die sich um die pflegebedürftigen Eltern kümmern. Es ist nicht einfach, wenn Senioren und Seniorinnen sagen: Nein, das möchte ich nicht! Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Es hat ein paar Jahre gedauert, aber
wir hatten auf Föhr das große Glück, dass das Deutsche Rote Kreuz noch Plätze frei hatte, um die Begleitung im Alter mit zu unterstützen.
Ach, Entschuldigung, da war ich nicht aufmerksam, Frau Abgeordnete Pauls. - Ich habe der Bewegung von Frau Abgeordneter Dr. Bohn entnommen, dass Sie etwas fragen dürfen.
- Entschuldigung, Frau Bohn. Der Nachname ist so ungewohnt. - Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass diese ganzen Angebote, die Sie in den anderen Ländern haben, beispielsweise in Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz, in Dänemark, in Lübeck oder in Flensburg, selbstverständlich als freiwillige Angebote existieren. Das heißt, die Menschen werden im Vorfeld angeschrieben. Sie werden darüber informiert, dass dieses Angebot besteht und gefragt: Möchten Sie das annehmen oder nicht? Das ist kein Zwang, das ist keine Kontrolle. Die Leute haben sehr viel mehr Angst bei den MDK-Besuchen. Das ist aber ein ganz anderes System. Die MDK-Besuche werden von den Menschen als Kontrolle empfunden. Das hier ist eine Serviceleistung, als solche wird sie auch angeboten. Deshalb verwahre ich mich dagegen, dass wir an irgendeiner Stelle gesagt hätten, dass das verpflichtend sei.
- Dann nehme ich das gern zur Kenntnis. Ich habe das tatsächlich in Ihrem Antrag etwas anders interpretiert. Ich verwahre mich aber auch dagegen zu sagen, dass jede Mitarbeiterin oder jeder Mitarbeiter, der vom MDK kommt, als Kontrolle empfunden wird. Auch das war bei uns eine komplett andere Erfahrung. Eine erfahrene Pflegekraft hat jahrelang den Hospizbereich in der Klinik in Niebüll geleitet. Das war im offiziellen Sinne eine Begutachtung, wie das heißt, die vorher auch mit großen Ängsten und großer Aufregung in der ganzen Familie verbunden war. Es war dann aber eine hervorragende Beratung, und in ihr wurde dezidiert aufgezählt, welche Möglichkeiten es gibt, auf einem Bauernhof in Süderende auf Föhr seniorengerecht zu leben.
Insofern sind wir bei der Kritik am MDK nicht beieinander. Den anderen Punkt nehme ich gern auf. Das habe ich in der Tat in Ihrem Antrag anders gelesen.
Das war natürlich keine Kritik am MDK, von dem ich weiß, dass er sehr gute Arbeit leistet. Ich verweise da auf das Empfinden der Menschen, die besucht werden. Da ist es so - ich bin ja viele Jahre quasi als Gemeindeschwester tätig gewesen -, dass es das Empfinden vieler Menschen ist: Wenn der MDK kommt, dann ist das eine Kontrolle. Davon wollten wir weg. Das ist nicht gleichzusetzen mit dem, was ein freiwilliges Serviceangebot ist.
- Das nehme ich gern mit, Frau Kollegin Pauls. Auch dazu gibt es andere Erfahrungen aus anderen Ländern. Viele Menschen empfinden das hier so. Sie beantragen etwas, und es wird von einer anderen Person entschieden, ob sie es bekommen oder nicht. Während das skandinavische Modell ja so funktioniert, dass jemand an der Haustür klingelt, wenn das abgesprochen ist, und dann wird geguckt: Was brauchst du, was kann deine Kommune für dich tun, damit du zu Hause älter werden kannst? Ich glaube, bei dem skandinavischen Ansatz sind wir beide uns ganz schnell einig. - Da sehe ich auch schon ein bisschen Nicken. Es ist eine ganz andere Herangehensweise zu fragen, was können wir aufbauen, was kann zu Hause funktionieren, damit es geht, als zu sagen: Du darfst nur einen Antrag stellen! Wenn ich mir dann auch noch die Formulare anschaue, die Seniorinnen und Senioren ausfüllen müssen, wie sie versuchen, sich durch den dicken Packen Papier zu arbeiten, finde ich das wirklich schwierig. Da sind wir bei dem Thema bürgerfreundliche Sprache auch wieder beieinander, nämlich dass da noch sehr viel Potenzial für Verbesserung ist.
Was die Prävention angeht, Frau Kollegin Pauls, dazu muss ich ganz deutlich sagen: Da sind wir bei Jamaika ganz vorne dabei. Es ist doch völlig klar, dass Prävention langfristig Sinn ergibt - gerade bei dem großen Fachkräftemangel -: Je später jemand pflegebedürftig wird, desto besser. Das haben in
zwischen doch alle begriffen. Da brauchen wir uns bei Jamaika nicht zu verstecken, ganz im Gegenteil, da sind wir ganz weit vorn - auch bundesweit.