Protocol of the Session on June 17, 2020

Drei Wochen später lag die Formulierungshilfe auf dem Tisch, wofür ich mich ausdrücklich bei Herrn von Riegen - der ist leider nicht hier; deshalb sollte man meinen Dank an ihn weitergeben - und bei seinem hervorragenden Team bedanken möchte.

Ich bedanke mich auch bei den regierungstragenden Fraktionen, die zu diesem Zeitpunkt nicht nur schon die Formulierungshilfe in einen eigenen Antrag gefasst, sondern auch die notwendige Überzeugungsarbeit in den Reihen der CDU-Fraktionsmitglieder geleistet hatten, die vorher noch ihre Skepsis ausgedrückt hatten. Ich tippe einmal auf Grüne und FDP und bedanke mich ganz herzlich dafür.

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann die Skepsis durchaus verstehen, dass die Nutzung von Videokonferenzsystemen - dieser „neuen“, ein Vierteljahrhundert alten Technik - statt Präsenzsitzungen die Gefahr bergen könnte, dass gerade ältere Kommunalvertreter ausgeschlossen werden. Nur, begründet ist diese Befürchtung nicht, wenn man ein zweites Mal hinschaut.

Auch in meiner Kreistagsfraktion sind einige ältere Abgeordnete. Sie haben nach anfänglichem Zögern die Möglichkeiten von digitalen Fraktionssitzungen

durchaus erkannt. Im Gegenteil, gerade Präsenzsitzungen schließen in Coronazeiten ältere Menschen von der Wahrnehmung ihres Mandats aus, und zwar ohne dass sie Alternativen hätten.

Auch die älteren Menschen in meiner Kreistagsfraktion haben - mit ein wenig Unterstützung - in Windeseile die Bedienung erlernt. Hatten wir in der ersten Sitzung noch diverse Leute, die das mit dem Telefon machten, saßen schon in der zweiten Sitzung alle in der Videoschalte, und in der dritten Sitzung haben alle mit den Hintergründen herumgespielt. Es zeigt sich wieder einmal: Digitalisierung ist keine Frage des Alters, sondern eine Frage des persönlichen Mehrwerts, den man sieht. Fast alle Menschen, wenn sie einen Mehrwert sehen, machen es auch und nehmen neue Technik entgegen. So ist es schlicht und ergreifend.

Gut ist, dass der Gesetzentwurf endlich eine Regelung zur Finanzierung digitaler Endgeräte enthält. Die derzeitige Rechtslage ist wirklich unbefriedigend. Selten haben wir im Kreisältestenrat so lange gerungen wie um das Thema der Finanzierung der digitalen Endgeräte. Man hätte es auch anders lösen können; wenigstens wird es jetzt gelöst.

Die regierungstragenden Fraktionen haben zudem die Gelegenheit genutzt, noch ein paar kleinere Reparaturen an der Kommunalverfassung vorzuschlagen. Das interessiert hier erfahrungsgemäß aber nur die Kommunalspezialisten, die uns wahrscheinlich alle digital ganz heftig verfolgen; das hoffe ich zumindest.

Ich freue mich auf möglichst kurze Ausschussberatungen; denn die Kommunen müssen auch noch ihre Hauptsatzungen entsprechend ändern. Wenn eine zweite Welle kommen sollte - alle sind gefordert, das zu verhindern -, dann kommt sie im Spätherbst. Das wäre mitten in den schwierigsten kommunalen Haushaltsberatungen der letzten Jahrzehnte. Bis dahin müssen wir auch an dieser Stelle vorbereitet sein, damit wir die Haushaltsberatungen abwickeln können.

Insgesamt haben hier die Opposition, die regierungstragenden Fraktionen und das Innenministerium schnell ein lösungsorientiertes Paket geschnürt. Dafür danke ich allen Beteiligten. Es zeigt sich: Wenn der gordische Knoten einmal durchschlagen ist, kann es sehr schnell gehen. Das ist vielleicht auch ein Ansatz für die Zukunft. Nach einem Vierteljahrhundert ist diese Frage endlich geklärt. Viele Menschen werden, wenn sie die zahlreichen Vorteile erst einmal erkannt haben, auch von anderen lieb gewonnen Gewohnheiten Abstand nehmen. Diese

(Dr. Kai Dolgner)

optimistische Bemerkung für die Zukunft erlaube ich mir. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Stephan Holowaty [FDP] und Kay Richert [FDP])

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Hans Hinrich Neve.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Coronapandemie hat deutlich gemacht, dass unsere Kommunalverfassung in Schleswig-Holstein keine Regelung für Fälle von höherer Gewalt enthält. Insofern gilt: Videokonferenzen sind ein geeignetes Hilfsmittel, um trotzdem notwendige Beschlüsse zu fassen; die Vorredner haben es schon deutlich gemacht. Im Gesetzentwurf stehen Videokonferenzen als Option; denn die jeweilige kommunale Körperschaft kann diese Möglichkeit in den Hauptsatzungen vorsehen, muss es aber nicht.

Es ist uns bewusst, dass noch nicht überall in Schleswig-Holstein die entsprechenden Bandbreiten zur Verfügung stehen. An dieser Stelle ein Schlenker: Der Glasfaserausbau schreitet in Schleswig-Holstein besonders schnell voran, wenn wir uns mit anderen Bundesländern vergleichen. An dieser Stelle ein Dank an die Landesregierung für die massive Unterstützung des Breitbandausbaus!

(Beifall CDU und FDP - Zuruf Dr. Kai Dolg- ner [SPD])

- Ja, das ist einen Applaus wert. - Auch Sitzungen in Form von Videokonferenzen müssen für die Öffentlichkeit zugänglich sein; darauf wird bei diesem Gesetzentwurf besonders viel Wert gelegt. Der Öffentlichkeitsgrundsatz in unserer Kommunalverfassung ist ein hohes Gut und darf auch durch Videokonferenzen nicht unterlaufen werden.

Videokonferenzen sind laut Gesetzentwurf für alle Bereiche der kommunalen Ebene vorgesehen. Insofern bedarf es Änderungen der Gemeindeordnung, der Amtsordnung, der Kreisordnung und - für die Zweckverbände - des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit.

Bisher war es nicht zulässig, dass Ehrenamtliche einen Zuschuss zur privaten IT-Ausstattung bekommen. Das wurde auch von vielen kommunalen Körperschaften bemängelt. Diese haben dann selbst Endgeräte herausgegeben. Das war aber teilweise

unbefriedigend; mancher brauchte mehrere Geräte, weil er in verschiedenen Körperschaften tätig ist.

Mit diesem Gesetzentwurf ermöglichen wir eine wirklich deutliche Flexibilisierung für die kommunale Ebene. Das gilt auch für Beiräte und Ausschüsse; eine entsprechende Regelung ist im Gesetzentwurf enthalten. Der Zuschuss kann sich nicht nur auf die Beschaffung, sondern auch auf die Betriebskosten beziehen. Die Details sind natürlich in den jeweiligen Satzungen zu regeln.

Ein weiterer Aspekt in dem Gesetzentwurf betrifft die Einladungsfrist beziehungsweise die Frage, wann zur konstituierenden Sitzung eingeladen wird. Wir hatten nach der Kommunalwahl 2018 erhebliche Probleme und Verdruss mit den konstituierenden Sitzungen. Die Kommunalwahl - jeder weiß es - fand am 6. Mai 2018 statt. Aber die Wahlperiode begann fast einen Monat später, am 1. Juni. Vor dem 1. Juni durfte keine Einladung zur konstituierenden Sitzung herausgeschickt werden. Die Frist beträgt sieben Tage. Das Wochenende zählt nicht mit; dann sind es schon neun Tage. Der erste mögliche Termin wäre der 9. Juni gewesen. Das war aber ein Samstag; da tagte niemand. Also landete man bei Montag, dem 11. Juni. Damit war man von der Kommunalwahl schon fast 40 Tage entfernt. Wenn man dann bedenkt, dass bis zum 30. Juni alles abgeschlossen sein musste - einige Ämter haben 30 Gemeinden -, dann wurde es sehr eng mit der Frist. Im Grunde blieben nur noch drei Wochen Zeit. Drei Wochen in der Kommunalpolitik - das heißt, dass effektiv nur zwölf Tage zur Verfügung standen, und das für 30 Gemeinden. Da musste sich die Verwaltung schon sputen.

Genauso ist es mit den Ämtern: Die konstituierende Sitzung der Gemeindevertretung ist die Grundlage; erst dann kann sich der Amtsausschuss konstituieren. Dafür sind Fristen gesetzt. Hier in SchleswigHolstein bilden viele Ämter einen Zweckverband; auch für diese Konstituierung sind Fristen gesetzt. Zunächst einmal muss sich der Amtsausschuss konstituieren. Man kam deutlich in die Sommerpause hinein; auch in dieser Zeit mussten konstituierende Sitzungen stattfinden.

Das haben wir entzerrt. Nunmehr darf dafür schon vor dem Termin, zu dem die Wahlperiode beginnt, eingeladen werden. Das ist eine Klarstellung, die in das Gesetz aufgenommen wird und die Arbeit der kommunalen Ebene deutlich vereinfacht.

Eine weitere Änderung ist, dass die stellvertretenden Mitglieder in den Amtsausschüssen und den Zweckverbänden zukünftig alle Sitzungsunterlagen

(Dr. Kai Dolgner)

und Protokolle bekommen sowie das Recht auf Teilnahme auch an nicht öffentlichen Sitzungen erhalten. Hierzu gab es bisher in Schleswig-Holstein Rechtsunsicherheit; diese Frage wurde unterschiedlich gehandhabt. Mit der neuen Regelung schaffen wir Gleichheit, damit auch insoweit Klarheit herrscht.

Auch die Verfahren zur Wahl der stellvertretenden Vorsitzenden der Ausschüsse des Amtes werden angeglichen. Der Amtsausschuss wählt die Vorsitzenden und die stellvertretenden Vorsitzenden der Ausschüsse. Das ist in der Gemeindeordnung und auch in der Kreisordnung schon heute so.

Meine Damen und Herren, ich bin gespannt auf die Anhörung, die wir im Ausschuss haben werden, und sage vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Stephan Holowaty.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! In der vergangenen Woche war bei der Bewältigung der Coronakrise viel von der Stunde der Exekutive die Rede. Das galt für Bürgermeister, Oberbürgermeister, Landräte und Amtsvorsteher. Doch was ist eigentlich, wenn aus der Stunde der Exekutive die Wochen der Exekutive oder sogar die Monate der Exekutive werden? Unsere Demokratie lebt davon, dass Entscheidungen von demokratisch gewählten Gremien getroffen und dann von Bürgermeistern und Landräten umgesetzt werden.

(Beifall FDP)

„Die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister leitet die Verwaltung der Gemeinde in eigener Zuständigkeit“

- das lesen Bürgermeister in der Gemeindeordnung sehr, sehr gern, aber es geht weiter -:

„nach den Zielen und Grundsätzen der Gemeindevertretung und im Rahmen der von ihr bereitgestellten Mittel.“

Es ist also nicht im Sinne unseres demokratischen Verständnisses, wenn Bürgermeister oder auch Landräte mehr als kurzfristige Maßnahmen zur Bewältigung von Krisen eigenständig treffen. Die Demokratie muss gerade bei wochen- und monatelangen Extremsituationen handlungsfähig sein, die de

mokratische Kontrolle und Steuerung auch von Bürgermeistern und Landräten muss sichergestellt werden.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, weder unsere Parlamente noch unsere Kommunalvertretungen dürfen reine Schönwetterveranstaltungen sein. Sie sind die Basis unseres Demokratieverständnisses, sie müssen bei Sonnenschein wie auch bei Regen funktionieren.

Die umfangreichen Diskussionen gerade um die tatsächlichen und möglichen Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten haben gezeigt, wie wichtig arbeitsfähige und auch in der Krise robuste demokratische Gremien sind.

Ich war im März, soweit ich weiß, der Erste, der aus diesem Haus öffentlich Videokonferenzen für politische Gremien gefordert hat. Ich traf damals auf viel Skepsis, es fiel auch in diesem Haus der Begriff der „Schnapsidee“. Das ist es aber mitnichten, meine Damen und Herren. Viele Arbeitskreise in unserem Haus, aber auch in den Kommunen unseres Landes sind durch Videokonferenzen schnell wieder arbeitsfähig geworden.

Heute gehen wir mit dem vorgelegten Gesetzentwurf den nächsten konsequenten Schritt. Wir erhöhen die Widerstandsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung, indem wir die Möglichkeit der Durchführung von Sitzungen per Videokonferenz schaffen.

(Beifall FDP und Hans Hinrich Neve [CDU])

Viele Gemeinden haben in den vergangenen Wochen bereits selbst reagiert und entsprechende Möglichkeiten zum Beispiel für Fraktions- oder auch Arbeitskreissitzungen geschaffen.

Zentral für unser Verständnis der kommunalen Selbstverwaltung ist das Öffentlichkeitsprinzip, also die Möglichkeit der Bürger, an Sitzungen teilzunehmen, sich in Fragestunden einzubringen, zu erleben, wie diskutiert und wie über ihre Angelegenheiten entschieden wird.

Auf der anderen Seite haben wir schon seit Jahren Sie erinnern sich daran, diese Debatte gab es schon in den Jahren 2015/2016 - die Diskussion um die Übertragung von Sitzungen der kommunalen Selbstverwaltung im Sinne einer Beteiligung von mehr Bürgern, die vielleicht selbst nicht an den Sitzungen teilnehmen können, geführt. Natürlich kennen wir alle die gelegentlichen Einwände, die von dem einen oder anderen ehrenamtlichen Mandatsträger kamen, dass sie oder er nicht gefilmt werden

(Hans Hinrich Neve)

wollte und das „Recht am eigenen Bild“ als entscheidend empfanden.