Protocol of the Session on May 8, 2020

Hinzu kommt, dass die Bewohnerinnen und Bewohner gar nicht nennen können, mit wem sie zu

sammen waren, weil sie meistens hochgradig dement sind oder überhaupt nicht wissen, mit wem sie zusammen waren.

Erfreulich ist in dieser schweren Zeit, dass dieses aufopfernde Verhalten der Pflegenden dazu führt, dass Schleswig-Holstein und im Nachgang dann auch der Bund darüber nachgedacht und beschlossen haben, eine Prämie bis zu 1.500 € für die Pflegenden auszukehren. Das ist der sogenannte Pflegebonus. Für uns in der Jamaika-Koalition ist es in dieser Situation besonders wichtig, dass alle Pflegenden diese verdiente Anerkennung für ihre großartige Leistung erhalten.

So ist es nur folgerichtig, sich im Bundesministerium in Berlin dafür einzusetzen, dass neben den Altenpflegekräften auch die Krankenpflegekräfte die gleichen Bonuszahlungen bekommen. Ich gebe die Hoffnung noch nicht auf, ich hoffe das sehr. Dazu zählen für meine Begriffe auch die Azubis und die Hilfskräfte. Es ist wirklich vorbildlich, dass unser Bundesland dafür 40 Millionen € im Nachtragshaushalt zur Verfügung gestellt hat; darüber haben wir gestern debattiert.

Pflegekräfte in den Krankenhäusern, Altenpflegeeinrichtungen und Pflegediensten können einer möglichen und wirklichen Gefährdung nicht aus dem Weg gehen. Wir alle wissen, gerade in solchen Situationen stehen sie unter einem enormen physischen und psychischen Druck. Das alles und noch viel mehr bildet sich jedoch nicht immer im Einkommensniveau der Pflegenden ab. Eine neue Vergütungsstruktur - da haben Sie recht - ist notwendig; daran arbeiten wir. Sie darf jedoch nicht die zu pflegenden Personen zusätzlich finanziell belasten. Fortlaufend und unermüdlich arbeiten das Parlament und die Landesregierung an der Verbesserung der Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung unter Berücksichtigung der stetig steigenden Anzahl pflegebedürftiger Menschen, besseren Personalstandards und der Qualitätsverbesserungen im gesamten Bereich der Pflege.

Mit den Pflegestärkungsgesetzen des Bundes gehen wir viele Schritte in die richtige Richtung. Hier müssen wir konsequent Kurs halten und weitermachen. Dazu gehören auch klare Personaluntergrenzen in Krankenhäusern und verbesserte Arbeitsund Rahmenbedingungen in allen Teilen der Pflege.

Die Reform der Pflegeausbildung sorgt ebenfalls für Verbesserungen. - Ich sehe, dass meine Redezeit abläuft. - Hinzu kommt der Branchencheck, den Sie so blöde fanden. Ich finde, das war schon sehr interessant, und man kann sehen, wo es bei der Pflege

(Katja Rathje-Hoffmann)

hapert. Ich finde es auch wichtig, dass wir uns beim Wiedereinstieg in den Pflegeberuf engagieren, denn viele Pflegende können nicht mehr. Ihnen müssen wir neue Perspektiven bieten, und das lässt sich damit gut bewerkstelligen.

Frau Abgeordnete, das muss jetzt der letzte Satz sein.

Ja, vielen Dank. Ich kriege meine Rede leider nicht mehr zu Ende. - Wir sollten darüber diskutieren, aber nicht jetzt. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Dr. Marret Bohn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Pflegende leisten jeden Tag Herausragendes, physisch, psychisch und emotional. Wer von Ihnen selbst schon einmal in der Situation gewesen ist oder Angehörige begleitet hat, die Pflegekräfte brauchen, weiß, was für ein wichtiger Beruf das ist. Es ist wichtig, dass wir immer wieder darauf hinweisen, dass sie unsere volle Anerkennung verdient haben. Sie haben sie auch verdient.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Volle Anerkennung ist gut, Respekt ist gut, Wertschätzung ist auch gut, aber zur Zufriedenheit mit dem Beruf gehört auch eine angemessene Bezahlung. Da sind wir uns einig, da bin ich mir ganz sicher. Dieser Beruf erfordert ein hohes Maß an Sensibilität, an Integrität und den Anspruch, jeden Tag so zu pflegen, wie ethische und berufliche Bedingungen es möglich machen sollten, aber leider nicht immer so möglich machen, wie wir uns das alle wünschen.

Die Pflegekräfte sind gut ausgebildet. Wenn ich mir allerdings angucke, was eine Pflegekraft verdient, gerade auch in der Ausbildung, und was jemand in einem anderen wichtigen Beruf verdient, zum Beispiel als Kfz-Mechatroniker, habe ich den Eindruck, dass die Gehaltsschere viel zu weit auseinan

dergeht. Wenn ich mir angucke, was jemand in der Altenpflege verdient, macht mich das sehr nachdenklich. Ich bin mir sicher, dass wir alle gut daran täten, das zu ändern, Verbesserungen einzuführen. Die Altenpflege ist genauso wichtig wie alle anderen Bereiche in der Pflege und muss genauso gut bezahlt werden.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie nachts um halb drei auf eine Station in einem großen Krankenhaus in Schleswig-Holstein gehen, wird Ihnen manchmal etwas passieren, was sehr schwierig ist: Sie werden viele kranke Patientinnen und Patienten sehen, aber nur eine einzige Pflegekraft - bei 40 Patientinnen und Patienten! Wenn nur ein Patient Komplikationen bekommt, wird es in dieser Nacht für die anderen 39 Patientinnen und Patienten sehr schwierig.

Deswegen ist es zwar richtig, eine bessere Bezahlung zu schaffen, aber wir müssen vor allen Dingen mehr Personal haben, wir müssen die Arbeitsbedingungen verbessern.

Wenn Sie sich einmal auf den Intensivstationen umhören und mit den Pflegekräften sprechen, sagen die Ihnen, das Gehalt könnte besser sein, keine Frage, aber was sie sich wünschen, sind regelmäßige Wochenenden, Zeit für die eigene Familie, Zeit für die eigene Freizeit und vor allen Dingen - was in den heutigen Zeiten wichtig ist - eine ausreichende Schutzausrüstung. Dass wir die am Beginn der Coronapandemie nicht garantieren konnten, darf nie wieder passieren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Was sich in Zeiten der Coronapandemie eingebürgert hat, gerade in südlichen Ländern, ist für uns sehr ungewohnt: Polizeiautos fahren vor Kliniken und Pflegeeinrichtungen, machen ihr Blaulicht an und applaudieren dem Pflegepersonal. Das wirkt für uns zwar schön, ist aber bei uns in SchleswigHolstein nicht üblich.

Das ist ein Zeichen, dass in Zeiten der Coronapandemie viele verstanden haben, wie wichtig die Pflegekräfte sind. Ihre Belastung hat exponentiell zugenommen. Ich weiß von unendlich vielen Krisensitzungen in den Krankenhäusern zu Beginn der Coronapandemie. Auch die Pflegekräfte haben sich große Sorgen gemacht, genau wie die Landesregierung, genau wie alle Mitglieder des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Am Anfang der Coronapan

(Katja Rathje-Hoffmann)

demie war nicht klar, ob wir es schaffen würden, und es war nicht klar, ob die Kapazitäten in den Krankenhäusern ausreichen würden. Deswegen habe ich großes Verständnis dafür, dass die Stimmung dort sehr angespannt war. Ich bin froh und dankbar, dass wir im Moment den Eindruck haben, dass es ein kleines bisschen besser läuft und hoffentlich auch in den nächsten Monaten so weiterlaufen wird.

(Wortmeldung Birte Pauls [SPD])

Frau Abgeordnete Dr. Bohn, gestatten Sie eine Bemerkung der Frau Abgeordneten Pauls?

Ich möchte lieber meine Rede fortsetzen; wir können das gern bilateral klären. - Vielen Dank.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, beim Pflegebonus ist es so, dass die Bundesregierung etwas Gutes auf den Weg bringen will. Darüber freuen wir uns sehr. Wir von der Jamaika-Koalition möchten aber nicht, dass sich das auf die Altenpflege beschränkt - auch wenn das sehr wichtig ist, das habe ich gerade ausgeführt -, sondern es sollen auch die Gesundheitsund Krankenpflege und die Auszubildenden auf jeden Fall mit an Bord sein.

Es ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, das ist mir schon klar. Klatschen und Boni reichen nicht aus, auch das ist klar.

Es ist aber auch klar: All diejenigen, die jetzt in der Coronapandemie ihre große Solidarität mit den Pflegekräften mitteilen und dazu stehen, werden wir daran erinnern: Wer A sagt, muss auch B sagen. Wir müssen bei der Pflege vorankommen; wir brauchen bessere Arbeitsbedingungen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion der FDP hat der Abgeordnete Dennys Bornhöft.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Applaus und wertschätzende Worte für die Pflegekräfte sind wichtig, diesen Gesten müssen jedoch Taten folgen. Anerkennung und Lob allein können den hohen Einsatz der Pflegekräfte

nicht kompensieren oder gar vergüten. - So steht es zu Recht in den zu beratenden Anträgen. Gerade in der aktuellen Lage zeigt sich: Insbesondere diejenigen Berufe, in denen bereits eh hart und teilweise bis zur Belastungsgrenze gearbeitet wird, sind in dieser Krise umso mehr gefragt.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist wirklich ein sehr gutes Zeichen, dass das nicht einfach nur wohlwollend zur Kenntnis genommen wird, sondern dass Politik und Gesellschaft in diesen außergewöhnlichen Zeiten über eine konsequente Verbesserung der Umstände in den Pflegeberufen weiter diskutieren und insbesondere die Wertschätzung für Pflegekräfte nicht nur immateriell, sondern auch finanziell, bei der Ausstattung und den beruflichen Rahmenbedingungen zum Ausdruck bringen.

Das Ziel trennt politisch nicht, doch der Weg ist für uns an einigen zentralen Stellen ein anderer.

Frau Kollegin Pauls, Sie haben gerade von Wiederholungen gesprochen. Es gab bisher viele SPD-Anträge, vor allen Dingen von Ihnen, die unterstellen, Jamaika sei in der Pflegepolitik völlig untätig gewesen. Auch die ständige Wiederholung einer falschen Behauptung macht sie nicht wahrer.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist eher so, dass sogar ein FDP-Landessozialminister die von Ihnen getragene Bundesregierung bei der Pflege und Gesundheitspolitik regelrecht zum Jagen tragen muss. Ohne die Initiativen der Jamaika-Landesregierung würde bundespolitisch in der Pflege wenig laufen.

(Beifall FDP)

In unserer Drucksache sehen Sie, wo wir als Landtag - teilweise gemeinsam mit Ihnen - mehr Tempo in die Pflegepolitik reingebracht haben.

(Zuruf Birte Pauls [SPD])

Frau Pauls, Sie haben von Unzufriedenheit gesprochen. Da möchte ich Ihnen zur Kenntnis geben: Die Pflegekräfte in Schleswig-Holstein haben sich in den letzten Monaten und Jahren vor dem Landtag nicht hauptsächlich über die Bezahlung beschwert. Am häufigsten sind die Pflegekräfte unzufrieden und auf die Straße gegangen, um sich Gehör zu verschaffen, wegen der Pflegeberufekammer.

(Beifall FDP)

(Dr. Marret Bohn)

Hier haben weder wir im Landeshaus geschweige denn die Betroffenen, die 27.000 Pflegefachkräfte, bisher von Ihnen erfahren, was Ihre sozialdemokratische Antwort ist, wie Sie den Konflikt zwischen den Pflegekräften, die auf der Straße sind, und der Pflegeberufekammer lösen wollen. Wir warten bis heute auf eine Antwort darauf.

(Beifall FDP)