Protocol of the Session on May 7, 2020

Ich hatte vorgesehen, in meiner Rede zwei Punkte besonders hervorzuheben, auf die der Herr Ministerpräsident aber schon eingegangen ist. Besonders wichtig ist mir der große Schritt bei der Kita-Betreuung am 18. Mai 2020. Im Schulbereich hat Karin Prien mit der Kultusministerkonferenz einen Stufenplan für die Schulen entwickelt. Dort befinden wir uns in dieser Woche mit dem Wiederbetrieb der 4. und 6. Klassen schon beim zweiten Schritt. Genauso hat Heiner Garg mit seinen Ministerkolleginnen und -kollegen einen Stufenplan für das Wiederhochfahren der Kitas entwickelt; und diesen Plan setzen wir jetzt um.

Wir haben gestern über konkrete Daten dafür entschieden; der Ministerpräsident hat sie genannt: Am 18. Mai 2020 gehen wir über die bisherige Notfallbetreuung hinaus, die in vollem Umfang erhalten bleibt und die wir gestern um weitere Berufsgruppen - Rechtsanwälte, Steuerberater, Sicherheitsdienste, Hausmeisterdienste - erweitert haben. Die Berufe kommen hinzu.

(Tobias Koch)

Zusätzlich werden ab dem 18. Mai 2020 auch wieder Vorschulkinder und Kinder mit besonderem Förderbedarf in Kohorten tages- und wochenweise in der Kita betreut werden können. Im Vergleich zur reinen Notfallbetreuung ist das eine Verdreifachung der Zahl der Kinder, die die Kita wieder besuchen, damit wieder Kontakt zu einem Teil ihrer Freundinnen und Freunde haben und pädagogisch gefördert werden können.

(Vereinzelter Beifall CDU und Beifall Den- nys Bornhöft [FDP])

Das ist eine ganz tolle Botschaft für die Familien, die in den letzten Wochen mit extrem schwierigen Bedingungen zu kämpfen hatten und die Betreuung auf eigene Initiative auf die Beine stellen mussten. Es ist toll, dass wir hier schrittweise für Erleichterung sorgen können und ein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen ist.

Der zweite große Punkt, den ich ansprechen möchte, ist der große Schritt, den wir im Bereich Restaurant und Hotels - also im Bereich Tourismus - machen. Diese Branche ist für unser Bundesland besonders wichtig. Wir haben gehört: Alle Einrichtungen können am 18. Mai 2020 unter den genannten Auflagen ihren Betrieb wieder aufnehmen.

Wir hatten die Branche im Vorfeld schon besonderes im Blick: Wir haben mit dem Mittelstandssicherungsfonds unsere Hilfsmaßnahmen im Darlehensbereich ausschließlich auf diese eine Branche fokussiert. Auch der Bund hat mit der Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Erleichterungen gesorgt. Zinslose Darlehen und ein reduzierter Mehrwertsteuersatz helfen aber natürlich nicht, wenn das Restaurant geschlossen ist. Deswegen ist es so wichtig, dass hier wieder eine Perspektive besteht, die sogar eine Sommersaison 2020 wieder möglich erscheinen lässt. Das sendet ein deutliches Signal aus, dass Tourismus in Schleswig-Holstein in diesem Jahr wieder stattfinden kann. Das ist der zweite, große wichtige Punkt, den wir mit diesen Änderungen heute auf den Weg bringen.

Zum Schluss möchte ich noch einen letzten Aspekt kurz erwähnen. Neben dem Schutz der Gesundheit, der ohne Frage weiterhin an erster Stelle steht, und der schrittweisen Rückkehr zum normalen, gewohnten Leben kommt es zukünftig vor allem darauf an, dass wir die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise begrenzen.

In diesem Jahr wird eine Rezession nicht zu vermeiden sein.

(Zuruf Bernd Heinemann [SPD])

Der wirtschaftliche Einbruch wird vermutlich oder mit Sicherheit noch sehr viel schlimmer ausfallen als derjenige in der Finanzkrise 2008/2009. Für das nächste Jahr müssen wir dann aber die Weichen so stellen, dass wir möglichst eine genauso schnelle Erholung erleben, wie wir es nach der Finanzkrise hinbekommen haben.

Nachdem wir den Lockdown entschlossen gemanagt haben und zurzeit die Öffnungsschritte - hoffentlich ohne erneuten Rückschlag - erfolgreich gestalten, kommt es in der dritten Phase dann darauf an, wieder neue Impulse für Aufschwung und Wirtschaftswachstum zu setzen. Wir brauchen dafür, so glaube ich, ein Konjunkturprogramm, das kluge Anreize für private Investitionen setzt. Das wird die nächste große Herausforderung sein, an der wir jetzt zu arbeiten haben. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat deren Fraktionsvorsitzende, die Abgeordnete Eka von Kalben, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Ministerpräsident, vielen Dank für den Bericht und die Aussichten, die Sie uns für die kommenden Wochen gegeben haben. Ich bin froh, dass Sie als Ministerpräsident nicht in das Horn Ihrer Kolleginnen und Kollegen geblasen haben und schon Lockerungen hinausgetrötet haben, bevor überhaupt die Schalte mit der Kanzlerin stattgefunden hatte. Das war sehr verantwortungsvoll und vernünftig. Ich glaube, dass die Menschen in diesem Land dieses umsichtige Vorgehen wertschätzen. Wir tun es auf jeden Fall.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt FDP)

Es ist klar: Nun kommt es darauf an, die getroffenen Vereinbarungen mit Leben zu füllen. Wir haben uns dafür ausgesprochen, dass es bei allen regionalen Unterschieden möglichst einen gemeinsamen Plan gibt. Politik muss nachvollziehbar sein - gerade in einer Zeit, in der wir den Menschen so viel zumuten. Die Bürgerinnen und Bürger müssen die Regeln kennen und ihren Sinn verstehen. Nur dann schaffen wir auch Akzeptanz.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Tobias Koch)

Das ist manchmal einfacher gesagt als getan, denn die Umsetzung ist schwierig, wie wir in den letzten Wochen erlebt haben. Das werden wir bei den weiteren Lockerungsschnitten erleben. Politik muss mit Widersprüchen leben und mit unterschiedlichsten Herausforderungen umgehen.

Ich weiß, wie die Regierung diese Nacht um die richtigen Lösungen gerungen und sich die Fragen gestellt hat: Wie viel Öffnung in welchem Bereich ist logisch? Welche Auswirkungen hat welche Regelung auf welche anderen Bereiche?

Wenn wir zum Beispiel die Zahl der betreuten Kinder pro Gruppe erhöhen, steigt das Risiko für Erzieherinnen und Erzieher. Wenn wir Besuche bei alten Menschen erlauben, steigt das Risiko für die Altenpflegerinnen und -pfleger sowie für die anderen Menschen in der Einrichtung. Tun wir bei sinkenden Ansteckungszahlen nichts, versteht das auch kein Mensch. Es gibt also kein Schwarz-Weiß und kein Entweder-oder.

(Beifall Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dennys Bornhöft [FDP], Christopher Vogt [FDP])

Schaut man sich die Lockerungsdiskussionen der vergangenen Wochen an, so können wir drei wesentliche Herausforderungen erkennen.

Erstens: Wir wollen, dass die Politik sich an wissenschaftlichen Fakten orientiert. Der Rat von Expertinnen und Experten wird sowohl im Bund als auch hier von der Landesregierung eingeholt, und das ist gut. Nun wurde der Wissenschaft vorgeworfen, dass sich die Ratschläge änderten. Das beste Beispiel ist der Mund-Nasen-Schutz. Wer das kritisiert, ignoriert die Tatsache, dass auch die Wissenschaft gerade auf Volldampf arbeitet, um das Virus zu verstehen. Dass Erkenntnisse sich ändern, ist geradezu Auftrag des wissenschaftlichen Arbeitens.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Dementsprechend können sich dann auch politische Entscheidungen ändern.

Gerade wird zum Beispiel eine lebhafte Debatte um das Ansteckungsgeschehen rund um Kinder und Jugendliche geführt. Manche Eltern möchten, dass wir dem dänischen oder schwedischen Vorbild folgen und es sozusagen ausprobieren, ob Kinder wirklich so unbedeutend für die Pandemie sind. Ich wäre die Erste, die froh wäre, wenn sich die Erkenntnis festigen würde, dass wir Schulen und Kitas ohne Risiko öffnen könnten. Noch wissen wir das aber nicht. Auch wenn es schwerfällt: Es ist

richtig, auch hier der Mehrheitsmeinung der Wissenschaft zu folgen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens: Die Menschen fordern von der Politik zu Recht, dass sie für Sicherheit sorgt, auch für gesundheitliche Sicherheit. Lieber Herr Stegner, Sie haben gesagt: Wir brauchen so viel Gesundheitsschutz wie möglich - völlig richtig. Auch da stehen wir aber vor einer schwierigen Frage, denn der Schutz der einen kann zur gesundheitlichen Belastung der anderen werden.

Da sind zum einen die Kinder, die seit vielen Wochen nicht mit Gleichaltrigen zusammenkommen, die nicht gefördert werden können. Sie erleiden unter Umständen gesundheitliche Schäden, die noch gar nicht absehbar sind, und zwar nicht nur diejenigen Kinder, die in Familien leben, wo sie körperlich gefährdet sind.

Da sind zum anderen die Eltern, die mit der Doppelbelastung nicht zurechtkommen, die psychisch Kranken, die mit dem Alleinsein nicht zurechtkommen, alte Menschen, die unter der Einsamkeit leiden, Menschen, die auf eine medizinische Behandlung im Krankenhaus warten, und viele andere Betroffene. Sie alle müssen wir auch im Blick behalten. Das ist ein Balanceakt, weil wir für den Schutz aller Menschen in unserer Gesellschaft zu sorgen haben und sorgen wollen.

Dritte Herausforderung: Die Menschen wollen, dass es gerecht zugeht und nicht diejenigen, die am lautesten schreien, die meisten Freiheiten bekommen. Kleine Kinder, sehr alte Menschen, Menschen mit Behinderung und besonders vulnerable Menschen sind die stilleren - jedenfalls in der Politik.

Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Tourismusverbände und Sportverbände - sie können sich stärker zu Wort melden. Aber wir müssen an alle denken: an diejenigen, die um ihre Existenz bangen, an die, die vom Unterricht zu Hause erledigt sind, an die, die in Kurzarbeit oder arbeitslos sind, an die, die Angst haben, mit der Krankheit nicht zurechtzukommen, und an die, die einsam sind. Wir alle haben genügend Menschen vor Augen, denen es im Augenblick schlecht geht. Das macht einheitliche Kriterien so schwierig. Wenn es nur nach dem Ansteckungsrisiko ginge, hätten wir vielleicht Golfplätze nie geschlossen und die Spielplätze erst viel später geöffnet. Unter sozialen Gesichtspunkten wäre das aber keine gute Lösung gewesen.

Wir haben gelernt: Eine Exit-Strategie - also eigentlich etwas Gutes - ist sehr viel schwieriger als der

(Eka von Kalben)

Punkt, an dem alles geschlossen wurde. Garantierte Termine dafür, wann mehr geht, gibt es nicht, weil niemand eine Garantie geben kann. Es gibt aber Stufen, einzelne Schritte, auf die man sich verlassen kann. Das ist genau die richtige Antwort auf die drei Herausforderungen, die ich eben genannt habe.

Es geht nicht mehr darum, ob erst die Wirtschaft oder die Kita drankommt, sondern es gibt für alle Bereiche parallel laufende Stufenmodelle, oder diese werden noch erarbeitet. Das führt zu mehr Transparenz und nimmt das Gefühl, dass es danach gehen könnte, wer am lautesten schreit oder die beste Lobby hat. Das müssen wir verhindern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und vereinzelt SPD)

Klare Stufen mit klaren Regeln hat der Ministerpräsident genannt: 1,5 m Abstand, überzeugende Hygienekonzepte. Dazu gehört in der Regel, dass nicht zu viele Menschen eine Toilette benutzen und gemeinsame Waschräume geschlossen sind. Nachvollziehbare Teilnehmerinnen und Teilnehmer heißt, es wird nicht möglich sein, eine öffentliche Veranstaltung ohne vorherige Registrierung der Menschen zu machen, damit man hinterher weiß, bei wem man sich womöglich angesteckt hat. In der ersten Stufe haben wir auch entschieden, dass es feste Sitzplätze geben muss - sehr zu meinem Bedauern, was Wattwanderungen angeht, lieber Kollege Albrecht.

Wir haben gesagt: Es ist eine klare Regelung zu sagen, ich mache eine Fortbildung oder nehme an einer Sitzung wie dieser hier teil - wir wären allerdings nach unserem Konzept zu viele, weil dies nur bis 50 Personen geht; dafür haben wir die Plexiglaswände. Es muss klare Regelungen geben, damit die Menschen nicht immerzu durcheinanderlaufen und die Luft durcheinanderwirbeln, sondern sitzen. Das kann auch bei einem Theaterbesuch oder einem Konzert sein. Das sind nachvollziehbare Dinge, die man auf alles Mögliche beziehen kann. Ich hätte zum Beispiel gesagt: Ehe die Kitas nicht alle geöffnet sind, habe ich nicht das Bedürfnis, Spielhallen zu öffnen.

Nach diesem Konzept geht es aber nicht danach, was ich oder andere gut oder besonders wichtig finden, sondern danach, was hygienemäßig sinnvoll und richtig ist. Das kann jeder nachvollziehen, und das ist rechtssicher.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und SSW)

Die heute dargestellten Schritte geben Hoffnung und Perspektive. Sie ermöglichen einen Einstieg in

den Alltag mit Corona. Darum geht es. Hoffnung für Kita-Eltern, deren Kinder ab dem 1. Juni 2020 vermutlich wenigstens für einige Stunden in die Kita gehen können. Ab 18. Mai 2020 gehen die Vorschulkinder schon stundenweise in die Kitas - das ist vielleicht untergegangen - und ab 1. Juni 2020 alle.

Parallel läuft die Notbetreuung weiter, die ausgeweitet wird, die für Alleinerziehende und bestimmte Berufe gilt. Das sind alles gute Nachrichten, aber - das muss man ehrlich sagen - wir haben noch keine Antwort darauf, wie es eigentlich für berufstätige Eltern oder überhaupt für ganztägige Kinderbetreuung perspektivisch weitergehen kann. Wir haben diese Antworten weder für die Schule noch für die Kita. Das Problem ist noch nicht gelöst. Es gehört, wenn man frohe Botschaften verkündet, auch dazu, hier zu sagen: Das ist eine wirklich große Herausforderung, ich weiß momentan noch nicht - solange die Ansteckung unklar ist und wir keinen Impfstoff haben - und habe noch nicht die Lösung gefunden, wie es gehen kann. Wenn jemand anderes eine Lösung gefunden hat, gerne her damit.

Wir geben Gastronomen und Hoteliers Hoffnung, die ab dem 18. Mai 2020 wieder Gäste empfangen können. Wenn jetzt aber die Botschaft herausgeht, am 18. Mai 2020 könnten wir alle wieder essen gehen und Urlaub machen, ist zu berücksichtigen: In den Hotels sind alle Gemeinschaftsräume geschlossen. Die Schwimmbäder und die Lounges sind geschlossen. Das heißt: Du kannst dich registrieren und auf dein Zimmer gehen - mehr nicht. In den Gaststätten kann man mit einem Paar oder mit seiner Familie mit großem Abstand zu anderen sitzen.

Es ist nicht so, dass ich mit meinem Chor den Raum mieten kann. Singen und Tanzen - oder auch Blasinstrumente spielen - sind mit Ansteckungsrisiken verbunden, die nicht gehen. Das heißt: Das ist ein anderes Leben. Ich bin begeisterte Chorsängerin und habe gerade registriert, dass im Chor zu singen wahrscheinlich im nächsten halben Jahr nicht gehen wird. Das muss man der Ehrlichkeit halber dazusagen.

Es ist Hoffnung für Kulturschaffende, die vor einem kleinen Publikum wieder auftreten können. Es ist Hoffnung für Fußballfans, die nun wieder wissen, wie sie die Samstagnachmittage gestalten können.