Protocol of the Session on May 7, 2020

(Joschka Knuth)

portbedingungen ein. Unser gemeinsames Ziel: Die Strapazen der Tiere so gut es geht zu minimieren.

(Beifall FDP)

Das Anliegen des SSW, für einen besseren Tierschutz auch außerhalb der Grenzen der EU zu streiten, unterstützen wir. Die vom SSW vorgeschlagenen Maßnahmen gehen jedoch teilweise an der Realität unserer Landwirtschaft vorbei. Heiner Rickers hat dies ein Stück weit schon ausgeführt. Ein Beispiel: die Begrenzung der Transportzeit auf nationaler Ebene auf vier Stunden in Kombination mit dem Grundsatz der Schlachtung der Tiere am nächstgelegenen Schlachthof. Die Forderung ist allein schon angesichts der wachsenden Distanzen zwischen Haltungsbetrieb und Schlachthof schlicht nicht umsetzbar. Ein Hähnchenmäster aus Schleswig-Flensburg beispielsweise muss seine Tiere zum Schlachten nach Lohne oder Wietze in Niedersachsen bringen. Das sind fix viereinhalb Stunden Fahrtzeit, obwohl dies der nächstgelegene Schlachthof für diese Hähnchen ist. Das gilt ohne Stau und irgendwelche Zwischenfälle. Die Forderung des SSW ist unter Einhaltung der Straßenverkehrsordnung schlicht nicht praktikabel. Auch wenn Lars Harms gern schnell fährt - so funktioniert das leider nicht. Entweder das eine oder das andere.

(Zuruf Lars Harms [SSW])

Die Tiere zum nächstgelegenen Schlachthof zu bringen, liegt im Eigeninteresse des Landwirts, denn auf der Fahrt verlieren die Tiere an Gewicht. Sie erleiden auch Stress, und das ist im Endeffekt nicht gut für das gewünschte Produkt. Schließlich hat es ja einen Sinn, dass die Tiere geschlachtet werden. Sie sollen später ja gegessen werden.

Viele Schlachthöfe verarbeiten aber nur Mastvieh bestimmter Größen. Oft ist der nächstgelegene Schlachthof gar nicht geeignet. Ein Fun Fact beispielsweise: Alle Griller und Broiler, die auf der Wiesn angeboten werden, werden in Sachsen-Anhalt geschlachtet. Das ist der am besten geeignete Schlachthof. Die Hähnchen müssen bei der Schlachtung auch immer ziemlich genau 1.600 g wiegen. Ansonsten werden sie dort nicht angenommen, und der Kunde auf der Wiesn möchte stets gern Hühnchen mit einem Gewicht von 1,6 kg haben. Darauf hat er einen Anspruch.

Deutschland hat mit die härtesten Tierschutzregelungen der Welt. Eine immer weitere Verschärfung führt aber dazu, dass Landwirte hier nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können und dass sie im Vergleich zu Produzenten im Ausland nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Das hat Konsequenzen. Wir

müssen bei allen Maßnahmen darauf achten, dass diese nicht dazu führen, dass Tiere statt bei uns immer mehr im Ausland unter schlechteren Bedingungen und mit weniger Tierschutz aufgezogen werden.

(Beifall FDP)

Deswegen muss eine nationale Strategie für noch mehr Tierschutz dafür sorgen, dass die Tiere trotzdem weiter in Deutschland produziert werden und nicht die Produktion verdrängt wird. Davon hat keiner was - nicht die Landwirte vor Ort und noch weniger wir als Konsumenten.

Wir setzen uns auf Bundesebene dafür ein, dass die tiertransportrechtlichen Regelungen der Verordnung Nr. 1/2005 der EG überarbeitet werden, um sicherzustellen, dass diese Regelungen bis zum endgültigen Beförderungsort eingehalten werden - insbesondere dann, wenn sich dieser außerhalb der Europäischen Union befindet. Wenn diese Standards nicht eingehalten werden, dann sollte der Export verboten werden, aber auch nur dann.

Was wir brauchen, ist Folgendes: Ein System für eine digitale Transportkontrolle, eine Datenbank mit Informationen zu Transportrouten und Versorgungsstationen in Nicht-EU-Ländern. Stellen wir Landwirte und Tiertransporte nicht unter Generalverdacht, sondern lassen Sie uns mit den smarten Technologien daran arbeiten, dass die schwarzen Schafe, diejenigen, die Tiere qualvoll hinter die Grenzen bringen, in Zukunft nicht mehr so handeln können. Quälerei ist kein Geschäftsmodell und gehört konsequent stillgelegt.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Sehr geehrte Kollegin Eickhoff-Weber, erst beschweren Sie sich darüber, dass über ein Jahr lang zu wenig passiert sei und dass wir jetzt darüber sprechen. Jetzt wollen Sie das Thema zurück in den Ausschuss bringen. Das lehnen wir hab und bitten um Abstimmung in der Sache. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Das Wort für die Fraktion der AfD hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir debattieren heute über ein Thema, das auch der AfD sehr am Herzen liegt, nämlich

(Dennys Bornhöft)

den Tierschutz. Der SSW nimmt mit seinem Antrag einen zweiten Anlauf, Tiertransporte restriktiver zu regeln - und das, obwohl wir dieses Thema bereits im März letzten Jahres sehr ausführlich in diesem Hohen Haus diskutiert und im Ausschuss sehr ausführlich beraten haben. Herr Harms, Sie haben es selbst gesagt: Damals ging es vor allem um die Rechtssicherheit der Amtstierärzte.

Leider hat sich seitdem die Situation für die Tiere kaum wesentlich geändert. Auch die beiden vorliegenden Anträge werden wohl kaum Einfluss auf das Wohlergehen der Tiere auf dem Transport haben - leider. Warum? - Weil die Handlungsmöglichkeiten der Landesregierung durch höherrangiges EU-Recht beschnitten werden, denn die EU-Verordnung 1/2005 regelt Tiertransporte und setzt die Bedingungen dafür fest. Das hat die letztjährige Debatte sehr deutlich gemacht, und die Landesregierung hat damals alles getan, was ihr in diesem Rahmen möglich war.

Der SSW will nun im zweiten Anlauf Tierexporte in Drittstaaten - also in Nicht-EU-Länder - verbieten, weil in solchen Ländern unsere hohen Tierschutzstandards unterlaufen werden. Mit solchen Ländern dürften vor allem islamische Staaten gemeint sein, die nach wie vor das für Tiere besonders qualvolle Schächten praktizieren. Die AfD hat schon in ihrem Wahlprogramm gefordert, Lebendtransporte zu ausländischen Schlachthöfen ganz zu verbieten. Insbesondere verlangen wir das ausnahmslose Verbot des betäubungslosen Schlachtens.

(Beifall Claus Schaffer [AfD])

Dennoch können wir dem SSW-Antrag nicht zustimmen, weil er praktisch alle Tiertransporte unmöglich machen würde, also auch die für die Züchtung und die Milchwirtschaft. Vier Stunden für Inlandstransporte sind außerdem völlig unrealistisch. Herr Rickers hat das gerade sehr eindrucksvoll ausgeführt.

Dass es bei Tiertransporten durchaus Verbesserungsmöglichkeiten gibt, weiß ich aus eigener Erfahrung - nicht, weil ich in der Branche unterwegs bin, aber als Industriefilmer habe ich schon selbst einige Filme über Ordnungstechniken und Kontrollmöglichkeiten von Lkw-Transporten gedreht. Das scheint mir eine wichtige Möglichkeit zur Kontrolle und damit auch zur Verbesserung der Situation der Tiere zu sein. Zu Beginn fühlen sich die Fahrer natürlich kontrolliert. Das ist auch unangenehm für den einen oder anderen, aber am Ende nutzt es der Fracht, und in dem Fall sind es lebende Wesen. Bei

mehr Kontrollen der Transporte setzt auch der Antrag der regierungstragenden Fraktionen an. Deswegen werden wir diesem Antrag zustimmen. Den SSW-Antrag lehnen als zu pauschal und realitätsfern ab. Wir appellieren gleichzeitig an die Landesregierung, sich auf EU-Ebene für eine bessere Regelung für Tiertransporte einzusetzen. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Jan Philipp Albrecht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben uns in diesem Saal tatsächlich schon häufig mit dem Leid der Tiere bei Langstreckentransporten beschäftigt, und wir haben aus Schleswig-Holstein mehrfach deutlich Initiative ergriffen, um die Bedingungen für Tiere auf den zahlreichen Tiertransporten quer durch Europa und sogar weit über die europäischen Grenzen hinaus deutlich zu verbessern. Die Tiere sind oft tagelang unterwegs, und sie leiden auf diesen Transporten. Zuletzt war dies wieder deutlich sichtbar bei den Staus an den Grenzen aufgrund der Coronapandemie.

Transporte von lebenden Tieren, die zur Schlachtung in fernen Ländern vorgesehen sind, sind deshalb aus meiner Sicht nicht vertretbar, und es gilt das Tierschutzziel des Grundgesetzes.

(Beifall FDP, SSW und Volker Schnurrbusch [AfD])

Wenn wir es Zuchttieren zumuten, über weite Strecken durch Europa oder gar über die Grenzen hinaus befördert zu werden, so ist unsere Verantwortung groß. Dann müssen wir zweifelsfrei sicherstellen, dass die Tierschutzauflagen der EU-Transportverordnung und ihre Durchführungsverordnung eingehalten werden und auch kontrollierbar sind. Daher haben wir in unserem Erlass aus dem März letzten Jahres klar geregelt, dass im Zweifel kein Langstreckentransport aus Schleswig-Holstein abgefertigt werden darf. Deshalb haben wir den Bund mehrfach aufgefordert, eine Datenbank geeigneter Versorgungsstationen im Ausland zu erstellen. Leider kommt der Bund seinen Verpflichtungen nur sehr zögerlich nach. Die geforderte Datenbank mit Informationen über die Abfertigung von langen

(Volker Schnurrbusch)

Tiertransporten ist noch immer in der Entwicklung, auch wenn demnächst eine Online-Fassung vorgestellt und mit den Ländern abgestimmt werden soll. Ich werde bei der morgigen Agrarministerkonferenz erneut darauf drängen, dass hier endlich geliefert wird.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Digitalisierung liefert weitere Möglichkeiten. So sollte es ein elektronisches Prüfsystem geben, das im Sinne eines lernenden Systems den Kontrollbehörden die Plausibilitätsprüfung bei der Abfertigung von Drittlandexporten erleichtert.

Meine Damen und Herren, auf die Anfrage Deutschlands aus dem letzten Jahr hat die Russische Föderation jetzt endlich mitgeteilt, dass dort keine Versorgungsstationen in Betrieb sind. Damit ist nun klar, dass auch ein Versenden von Tieren aus anderen Bundesländern unterbleiben muss. Ich fordere daher meine Kolleginnen und Kollegen in den anderen Ländern auf, endlich dem Beispiel unseres unmissverständlichen Erlasses zu folgen, wie dies Bayern und Hessen getan haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Darüber hinaus braucht es dringend eine offizielle Zertifizierung von Versorgungsstellen und Routen in Drittländern nach internationalen Standards durch anerkannte Fachleute. Und: Die EU-Tierschutztransportverordnung muss entsprechend angepasst werden. Auch bei den derzeitigen Regelungen zu tierschutzgerechten Temperaturen bei Transporten sehen wir Überarbeitungsbedarf. Deshalb habe ich die Bundeslandwirtschaftsministerin nun bereits mehrfach aufgefordert, sich mit dem Europäischen Parlament gemeinsam für die längst überfällige Novelle der EU-Verordnung einzusetzen.

Meine Damen und Herren, in diesem Sinne begrüße ich es ausdrücklich, dass der Landtag dieses wichtige Thema erneut aufgegriffen hat und sich für den Schutz der Tiere einsetzt. Es darf keinen Zweifel daran geben, dass die Landwirtinnen und Landwirte hier in Schleswig-Holstein zu einer tierwohlgerechten Produktion stehen. Wenn wir alle gemeinsam bereit sind, den Landwirten und Landwirtinnen auch faire Preise für regional erzeugte Lebensmittel zu zahlen, dann führt dies auch zu weniger Tiertransporten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist zunächst Ausschussüberweisung des Antrags, Drucksache 19/2048, sowie des Alternativantrags, Drucksache 19/2159, an den Umwelt- und Agrarausschuss beantragt. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten von SPD, SSW und die Abgeordnete von Sayn-Wittgenstein. Wer ist dagegen? - Das sind alle anderen Abgeordneten. Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Ich lasse zunächst über den Antrag der Abgeordneten des SSW, Drucksache 19/2048, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. Das sind die Abgeordneten des SSW. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Abgeordneten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, CDU und AfD. Wer enthält sich? - Das sind die Abgeordneten der SPDFraktion und die Abgeordnete von Sayn-Wittgenstein. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich lasse dann über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/2159, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, CDU, AfD und die Abgeordnete von Sayn-Wittgenstein. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Abgeordneten des SSW. Wer enthält sich? Das sind die Abgeordneten der SPD-Fraktion. Damit ist der Antrag angenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 und 61 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Abschaffung des „Zukunftslabors zur Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme“

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/1800

b) Bericht über die Arbeit des Zukunftslabors zur Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme

Bericht der Landesregierung Drucksache 19/2121