Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ein Antrag ist nicht gestellt worden. Damit ist der Tagesordnungspunkt erledigt.
Meine Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags Liberale Schülerinnen und Schüler aus Schleswig-Holstein, Mitglieder des DRK Landkirchen und Kommunalpolitiker aus Osterby. Herzlich willkommen bei uns im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich sehe, das ist zaghaft, dennoch einstimmig so beschlossen.
Ich erteile für die Landesregierung der Ministerin für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Dr. Süttlerin-Waack, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Istanbul-Konvention ist seit knapp zwei Jahren in Kraft. Sie hat den Zweck, Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen sowie häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen.
Das klingt einfach und eigentlich selbstverständlich. Leider ist es das nicht. Denn im Grunde brauchen wir für die Umsetzung unsere gesamte Gesellschaft. Die Konvention bietet einerseits viele Chancen, anzupacken und an ihrer Umsetzung aktiv mitzuwirken. Nicht alle Maßnahmen erfordern finanzielle Mittel; das wird die Finanzministerin freuen. Wir sprechen andererseits über nicht mehr und nicht weniger als über einen Bewusstseinswandel hin zu echter Gleichstellung der Geschlechter als Voraussetzung für Gewaltfreiheit. Damit bohren wir ein dickes Brett. Uns muss klar sein, dass wir Erfolge nicht von heute auf morgen erreichen werden; aber mit den bisher erreichten Schritten können wir mehr als zufrieden sein.
Für die Umsetzung der Istanbul-Konvention haben wir in Schleswig-Holstein zwei Säulen geschaffen. Eine Säule ist die sogenannte Arbeitsgruppe 35 des Landespräventionsrates. Hier arbeiten seit August 2019 alle Beteiligten interdisziplinär Hand in Hand. Gemeinsam wollen wir Maßnahmen, beispielsweise zur Aus- und Fortbildung, zu speziellen Hilfsdiensten oder zur Entscheidungspraxis in Behörden, diskutieren und entwickeln. Ich will zwei konkrete Beispiele nennen.
Wie kann es gelingen, die Arbeit der Polizei und der Familiengerichte, die ja bei uns für Gewaltschutz zuständig sind, enger mit den Frauenberatungsstellen zu vernetzen, also mehr Frauen in die Beratung zu bringen?
Wie lösen wir folgenden Konflikt auf: Auf der einen Seite hat jeder Vater auch nach der Trennung von der Familie das Recht auf Umgang mit seinen Kindern. Gilt das auf der anderen Seite auch für Väter, die gegenüber ihrer Familie gewalttätig geworden sind und gegen die ein gerichtliches Näherungsverbot ausgesprochen worden ist?
Die zweite Säule ist die Schleswig-Holsteinische Initiative für Frauen - SCHIFF - des Landesverbandes Frauenberatung. Mit landesweiten Netzwerken und Vorträgen, in Gesprächen mit Medien zur Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen und mit vielen konkreten Pilotprojekten vor Ort trägt der Landesverband dazu bei, das Bewusstsein für das Thema häusliche Gewalt zu schärfen. Im Kreis Stormarn hat sich so beispielsweise 2019 eine Kooperationsgemeinschaft gegründet, die Schulen bei der Implementierung von Schutzkonzepten gegen sexuelle Gewalt unterstützt.
In Ratzeburg konnte mit der Einrichtung eines standardisierten Verfahrens für die institutions- und behördenübergreifende Zusammenarbeit in Hochrisikofällen begonnen werden - ein Thema, das uns allen unter den Nägeln brennt. Spätestens zum Weltfrauentag wird eine Plakatkampagne starten, bei der Männer andere Männer auffordern, sich gegen Gewalt an Frauen einzusetzen. Und: „Ab jetzt“ heißt die übergeordnete Kampagne, mit der über Gewalt gegen Frauen informiert wird. Das können Sie sich im Internet unter „ab-jetzt.org“ angucken; es lohnt
sich. Die Vielfältigkeit der Beispiele zeigt die Vielfältigkeit der Möglichkeiten, aber auch der Notwendigkeiten.
Kommen wir zum Geld! Das Land fördert den Gewaltschutzbereich derzeit jährlich mit rund 10 Millionen €. Das ist eine richtig große Summe.
Besonders am Herzen liegt mir das Projekt „Frauen_Wohnen“. Damit werden Frauen, die keinen akuten Schutzbedarf in einem Frauenhaus mehr haben, bei der Suche nach eigenem Wohnraum schnell und unkompliziert unterstützt. Sie können sich vorstellen, dass das in einigen Bereichen unseres Landes nicht ganz einfach ist.
Seit Ende 2017 haben - das ist Stand Oktober 2019; die letzten Zahlen haben wir noch nicht - 240 Personen, das sind 107 Frauen und 133 Kinder, ein eigenes Zuhause gefunden.
Ich darf Sie alle an dieser Stelle ermutigen, alle Vermieterinnen und Vermieter im Land anzusprechen, an diesem großartigen Projekt mitzuwirken. Falls Sie Fragen haben, können Sie auch mich gern ansprechen. Schon dieses Beispiel zeigt deutlich: Die Landesregierung nimmt die Bekämpfung häuslicher Gewalt als gesellschaftliche Aufgabe sehr ernst.
Wir gehen noch einen Schritt weiter: Mit dem für uns gut angelaufenen IMPULS-Programm können wir, wo notwendig, Frauenhäuser im Land modernisieren, sanieren und gegebenenfalls neu bauen, wie wir es in Itzehoe und Rendsburg bereits tun und demnächst in Eutin tun werden.
Darüber hinaus stellt das Bundesfrauenministerium mit seinem neuen Investitionsprogramm ab 2020 weitere investive Mittel bereit. Dadurch werden wir insgesamt etwa 4 Millionen € mehr zur Verfügung haben. Wir sollten diese Mittel aber nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilen. Wir sollten uns Zeit nehmen und mit allen Beteiligten abwägen, wie wir diese Gelder gezielt und im Interesse aller einsetzen können. Dafür werden wir die Erkenntnisse aus der aktuell laufenden Bedarfsanalyse des Hilfe- und Schutzsystems und der Arbeit zur Istanbul-Konvention einbeziehen. Von Vorteil ist, dass die Bundesmittel grundsätzlich übertragbar und somit kumulierbar sind. Es besteht kein Zeitdruck. Wir wollen so etwas schaffen, was langfristig und nachhaltig
2020 wird ein wichtiges Jahr für das Hilfe- und Unterstützungssystem in Schleswig-Holstein für von Gewalt betroffene Frauen. Ich danke an dieser Stelle allen in diesem Bereich hauptamtlich und ehrenamtlich Tätigen. Ich schaue auch nach oben auf die Tribüne: Vielen, vielen Dank für Ihren unermüdlichen Einsatz! Lassen Sie uns gemeinsam weiter anpacken! Ich freue mich auf eine weitere gute Zusammenarbeit. - Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Fachfrauen in den einzelnen Projekten, liebe Gleichstellungsbeauftragte, schön, dass Sie heute Abend dabei sind!
Ich bedanke mich ganz herzlich bei unserer Ministerin für diesen tollen Bericht und für das Engagement, das sie in Sachen Gleichstellungsarbeit an den Tag legt. Das ist sehr schön. Dass die Arbeit sinnvoll ist, haben wir soeben gehört; auch ich kann es vielleicht noch verdeutlichen.
Schleswig-Holstein tut eine Menge gegen Gewalt an Frauen. Das Engagement unseres Landes ist vorbildlich und folgt einer guten Tradition; denn wir hatten eigentlich immer gute Frauenministerinnen. Da wir wieder eine gute Frauenministerin haben, kann diese Tradition fortgeführt werden.
Die Schleswig-Holsteinische Initiative - SCHIFF des Landesverbandes Frauenberatung SchleswigHolstein ist 2018 gestartet und ergreift Initiative für Frauen. Das Projekt bringt mit verschiedenen Kampagnen und Arbeitsgruppen die Umsetzung der Istanbul-Konvention in Schleswig-Holstein auf den Weg. Es geht um die Verwirklichung der rechtlichen und der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern sowie um die Schaffung der rechtlichen Grundlagen zur Abschaffung von Gewalt gegen Frauen - aktiv und präventiv. SCHIFF legt den Fokus auf den Aufbau von Schutzsystemen und Hilfsmöglichkeiten für betroffene Frauen bei geschlechterspezifischer Gewalt. Weitere Ziele sind der Abbau struktureller Benachteiligungen von
Ende 2019 wurde der nächste Schritt auf dem Weg zur Umsetzung der Istanbul-Konvention gegangen. Der Startschuss für die Bedarfsanalyse zu ambulanten und stationären Hilfesystemen sowie zu Frauenfachberatungsstellen wurde gegeben; das Institut „Zoom“ führt die Analyse durch. Dazu hören wir im Ausschuss bestimmt noch das eine oder andere. Ich freue mich darauf. Ich habe die große Erwartung, dass uns diese Analyse dabei hilft, noch in dieser Legislaturperiode die gewonnenen Erkenntnisse umzusetzen, damit das Land den von Gewalt betroffenen Frauen bedarfsgerecht die in ihrer Lage bestmögliche Beratung und Hilfestellung geben kann.
Parallel zur Bedarfsanalyse widmet sich SCHIFF aktuell der kommunalen Umsetzung der IstanbulKonvention.
Es wurde zum Ziel ausgerufen, dass jede Bürgermeisterin und jeder Bürgermeister weiß, was diese Konvention ist und sie oder er sich damit identifizieren kann.
- Und damit er oder sie diese auch umsetzt, vielen Dank, Frau Kollegin. - Außerdem gibt es aktuell ein Projekt des Landesamts für Ausländerangelegenheiten und des Innenministeriums zum Schutz von Frauen in Landesunterkünften und zur Fortbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ausländerbehörde.
Auch in den Schulen - das Beispiel von Stormarn wurde gerade erwähnt - wird gemeinsam mit der Polizei an einem Gefährdungsmanagement gearbeitet, um Hochrisikofälle zu erkennen und Präventionsarbeit mit Schülerinnen und Schülern zu leisten. Das ist sehr gut. Ich hoffe, das macht Schule in vielen anderen Schulen.
Eine weitere wichtige Säule im Hilfssystem ist das seit Langem bestehende KIK-Konzept des Landes, das seit fast 20 Jahren erfolgreich Fachleute aus den Bereichen Justiz, Polizei, Frauen- und Familienberatung, Staatsanwaltschaft und Gleichstellungsbeauftragte sowie aus dem Bereich Verwaltung vernetzt, um Frauen und ihren Kindern in Gewaltsituationen und bei häuslicher Gewalt besser und schneller zu helfen. Das ist eine Erfolgsgeschichte.
Kurzfristig haben wir es geschafft, die Situation in den Frauenhäusern abzumildern. Der dortige Druck mit Blick auf die Frauen, die Schutz und Hilfe su
chen, ist sehr groß geworden. Die 16 Frauenhäuser haben insgesamt 30 Plätze mehr bekommen. Damit soll erst einmal der Druck von den Häusern genommen werden, um die Frauen - leider ist das manchmal der Fall - nicht mehr abweisen zu müssen.
Die Belegungssituation hat sich in den vergangenen Jahren sehr zugespitzt. Die vorhandenen 319 Frauenhausplätze reichen nicht aus - das wissen wir alle -, um allen schutzbedürftigen Frauen und Kindern Unterschlupf zu gewähren. Hier hilft flankierend das Projekt der Landesregierung Frauen_Wohnen, das Frauen, die in einem Frauenhaus Schutz gesucht haben, unterstützt, wieder eine eigene Wohnung zu beziehen, die sie auch bezahlen können.