Protocol of the Session on January 22, 2020

„Ihr Ziel/Zweck ist eine Transformation der Gesellschaft.“

Sie soll „Menschen in die Lage versetzen, ‚Weltbürger’ zu werden“ für „eine gerechtere, friedlichere, tolerantere, ganzheitlichere, sicherere und nachhaltigere Welt“.

„Transformation der Gesellschaft“, das ist ein hehres Ziel. Höher kann man Ziele kaum stecken. Das ist kaum vorstellbar. Hier sollten wir auf dem Boden der Tatsachen bleiben, eben bei der Lebenswirklichkeit der Schüler. Die Wirkung des Jahres für BNE wird auch dann verfehlt werden, wenn Schüler mit Anforderungen konfrontiert werden, die wir Älteren gar nicht vorleben. Auf den entsprechenden Internetseiten des Bundesministeriums liest man:

„Um die grundlegenden Dinge wirklich an der Wurzel zu packen, brauchen wir den Mut von Jugendlichen.“

Meine Damen und Herren, das Heil im Mut von der Jugend zu suchen, ist eine uralte Ausrede dafür, selbst in der Luxuszone zu verbleiben. Mit dieser Einstellung wird auf Jugendliche ein Druck ausgeübt, dem diese gar nicht standhalten können. Mit Pädagogik hat das nichts zu tun, und mit nachhaltiger Pädagogik erst recht nicht.

Last but not least: Der Ertrag des Jahres für BNE sollte auch nicht durch eine unnötig starke Politisierung in Gefahr gebracht werden, zumal wenn sie manipulativen Charakter hat. Sicherlich, gesellschaftskritische Fragen sind Teil von BNE und waren es übrigens auch bei der Vorgängerin von BNE, bei der Umweltbildung.

(Zuruf Sandra Redmann [SPD])

- Das hat sehr viel damit zu tun. Meine Herren, so wenig Ahnung auf einem Haufen, das ist schon echt stark.

(Widerspruch Sandra Redmann [SPD])

Sicherlich, gesellschaftskritische Fragen sind Teil von BNE und waren es auch in der Umweltbildung, aber im Unterricht sollten Themen wie Migration, Inklusion, Quotenregelung und die Frage nach Systemerhalt oder Systemwechsel andere Fragestellungen, vor allem aber auch die Praxis, nicht ins Abseits drängen, denn genau davon lebt wirkliche Bildung für nachhaltige Entwicklung - nicht vom Predigen, sondern davon, dass nachhaltige Entwicklung auch praktiziert wird, und auch das steht in der Roadmap.

Deshalb sollte es unser wichtiges Ziel sein, Schüler und Schulen darin zu unterstützen, selbst aktiv zu werden, zum Beispiel indem sie für ihre Schule ein Nachhaltigkeitskonzept ausarbeiten und es dann einem Praxistest unterziehen. Wenn dieser Test dann scheitert - so what, sei es drum. Das schafft Realitätssinn. Wenn es aber gelingt, dann erzeugt dies Optimismus, und Optimismus ist genau das, was junge Menschen brauchen, nämlich keine Angst vor der Zukunft, keine Hysterie und keine Alarmstimmung, sondern den Mut, dass wir unsere Zukunft gemeinsam gestalten können.

Je stärker sich Schule dabei an der Lebenswirklichkeit von den Schülern orientiert und kleine, aber wirksam Schritte praktiziert, desto größer ist die Chance, dass das Jahr für Nachhaltige Entwicklung ein Erfolg wird, und das wünsche ich den Schülern in unserem Land. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat die Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.

Sehr geehrte Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die SSW-Fraktion unterstützt alle Bemühungen zur nachhaltigen Entwicklung, auch und gerade im schulischen Bereich.

Tatsächlich haben viele Schulen in Schleswig-Holstein bereits heutzutage sehr konkrete Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit ergriffen. So sollen Studienfahrten nicht mehr mit dem Flieger absolviert werden, die Küche wurde auf regionale Produkte

(Dr. Frank Brodehl)

umgestellt, oder mit einer Schule in Kenia wird eine Partnerschaft gepflegt.

Die Zukunftsschulen in Schleswig-Holstein bestechen allesamt durch Ideenreichtum und Initiative in Sachen Nachhaltigkeit. Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler und nicht zuletzt die Eltern entwickeln und leben nachhaltig; denn sie wissen, dass in jungen Jahren die Grundlage für die spätere Lebensführung gelegt wird.

Ein Jahr der Bildung für Nachhaltige Entwicklung könnte all die Schulen erreichen, die bislang noch keine nachhaltigen Projekte umsetzen. Aber gibt es die wirklich? Verstellt nicht der vorgestellte Antrag den Blick auf das, was an den schleswig-holsteinischen Schulen bereits jetzt sehr erfolgreich läuft? Das befürchte ich nämlich. Es besteht kein Informationsdefizit, sondern ein Ressourcendefizit.

Die Schulen in unserem Land benötigen konkrete Unterstützungsangebote bei ihrer nachhaltigen Arbeit, so wie es das Programm „Hier für die Welt lernen“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vorbildlich zeigt. 80 Schulklassen profitieren von den kostenlosen Workshops, die zu Nachhaltigkeitslernmodulen gehören. Das finde ich sehr konkret und für die Lehrkräfte sicherlich eine sinnvolle Ergänzung der vermittelten Inhalte. Genau diese Konkretisierung vermisse ich im vorliegenden Antrag.

Wenn ich mir dazu noch einmal durchlese, was im letzten Jahr in „Schule aktuell“ stand, stelle ich fest, dort war zu sehen, was die Lehrkräfte an diesen Modulen machen konnten. Die Lernmodule waren zwar kostenlos, aber die Lehrkräfte konnten leider wieder keine Reisekosten bekommen, um zu diesen Lernmodulen zu fahren. Das finde ich schade. Denn schließlich führen genau die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu nichts weniger als der ökologischen Umgestaltung der Schule, die durch alle Beteiligten gemeinsam entwickelt wird. Erst nachhaltiges Schulleben bringt die nötige Glaubwürdigkeit des Lernstoffes und eben nicht Eintagsfliegen oder die Fehlinterpretation des Ganzen durch eine Stunde Nachhaltigkeit in der Woche.

Früher hieß es mal: Wer nicht weiterweiß, bildet einen Arbeitskreis. Heutzutage muss es dann schon ein Kongress sein. Das ist ein zwar durchaus interessanter Ansatz, doch die konkreten Nachhaltigkeitsmaßnahmen sind bekannt. Wir fangen hier doch nicht bei Null an: Für eine nachhaltige Bildung bedarf es gut ausgebildeter Lehrkräfte, Einbindung aller Beteiligten und der nötigen Mittel.

Keinen einzigen dieser Punkte spricht der Antrag an.

Leider erscheint mir das typisch für das Vorgehen der Landesregierung. Dem Klimaschutz wird in Reden und in Infoflyern geradezu gehuldigt, aber haushaltsrelevante Beschlüsse, zum Beispiel zur Sanierung der Schlei, werden abgelehnt. Klimaschutz soll am liebsten nichts kosten. Damit das nicht auffällt, gibt es eben solche Anträge.

Um dem Kongress möglichst gute Vorgaben machen zu können, sollten wir Expertenrat einholen. Wir haben im Bildungsausschuss ein Expertengespräch zum WiPo-Unterricht vereinbart, um die Herausforderung systematisch ausleuchten zu können. Ich gehe davon aus, dass genau das auch für die Umsetzung der nachhaltigen Bildung der nächste Schritt sein sollte. Wir sollten die Fragen nach geeigneten Strukturen, anderen Lerninhalten und einer entsprechenden Lehrerfortbildung genau unter die Lupe nehmen und darauf fußend konkrete Maßnahmen entwickeln.

Wir werden uns bei diesem Antrag der Stimme enthalten. Ich muss sagen: Ich hätte darüber gut und gerne gemeinsam im Bildungsausschuss diskutiert; denn ich glaube, hier sind alle demokratischen Parteien für Nachhaltigkeit. Aber hier geht es darum, gemeinsam zu beraten, wie wir das umsetzen.

Wenn ich in „Schule aktuell“ vom letzten Sommer lese, was für dieses Schuljahr geplant ist, dann denke ich: Das eine ist schon längst in Gang gesetzt. Wir reden heute im Januar des Jahres 2020 über das, was bereits im August 2019 auf dem Papier stand. Ich finde es gut, dass wir das erste Bundesland sind, das das macht. Aber ich hätte mir ein wenig mehr Konkretes gewünscht, über das wir im Ausschuss hätten diskutieren können. Dann wären wir auch dabei gewesen.

(Beifall SSW und Beate Raudies [SPD])

Wir kommen zu den Kurzbeiträgen. Zunächst hat das Wort der Abgeordnete der CDU-Fraktion Tobias von der Heide.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Martin Habersaat, Ihr Wortbeitrag hat mich dazu ermuntert, noch einmal nach vorne zu gehen. Es stimmt in der Tat; denn auch ich bin großer Fan von Marc-Uwe Kling. Wenn Sie die „Känguru-Chroniken“ ganz genau kennen, dann wissen Sie, dass das Asoziale

(Jette Waldinger-Thiering)

Netzwerk regelmäßig Antiterroranschläge macht. Diese Antiterroranschläge fußen ja darauf, dass man versucht, Themen zu penetrieren und immer und immer wieder darauf hinzuweisen, um in der Gesellschaft eine Veränderung herbeizuführen. Genau das ist es doch, was wir mit dem Jahr der politischen Bildung und mit dem Jahr der Bildung für Nachhaltige Entwicklung wollen. Wir wollen auf Themen hinweisen, um gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen.

(Beifall CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei diesem Ziel würde ich mich freuen, wenn Sie uns unterstützen würden. Schon in der Bewertung dessen, was wir im letzten Jahr bei der politischen Bildung erreicht haben, können Sie die Einzelmaßnahmen vielleicht kritisieren, aber im Gesamtbild habe ich wahrgenommen: Es wurde sehr, sehr viel über politische Bildung gesprochen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt dann am Ende hoffentlich auch für nachhaltige Entwicklung.

Wir waren kürzlich beim Jahresempfang des Landesjugendrings, bei dem der Landesjugendring selber vorgeschlagen hat: Lasst uns doch 2021 ein Jahr des Engagements oder ein Jahr des Ehrenamts machen. Mir scheint, dass diese Jahre auch außerhalb dieses Hauses doch irgendwie einen bemerkenswerten Einfluss haben.

Zuletzt sei Folgendes gesagt: Das Gesamtwerk von Marc-Uwe Kling hat ja verschiedene Elemente. Ich erinnere mich zum Beispiel an den Song „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten“. Ich empfehle Ihnen, da noch mal reinzuhören. Auch dazu gäbe es hier und da -

(Heiterkeit und Beifall CDU - Zuruf Dennys Bornhöft [FDP])

- Ja, das ist nicht von Marc-Uwe Kling, aber egal.

In diesem Sinne: Ich habe Ihrer Rede zugehört. Vielleicht gibt es Elemente in meinem Beitrag, die Sie haben überzeugen können. - Danke.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Vertreter und Vertreterinnen der Volkshochschulen Felde, Melsdorf und der Förde-Volkshochschule.

(Beifall)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat sich der Abgeordnete der AfD-Fraktion Dr. Frank Brodehl gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Sie haben eben alle gehört, dass Kollege Habersaat gesagt hat: „Lasst hundert Blumen blühen“, „Großer Sprung“. Sie haben also vom China der 50er-Jahre unter Mao gesprochen.

Ich muss zugeben, dass mich das Vokabular der UNESCO-Roadmap, große Transformation, im ersten Augenblick durchaus auch an das Vokabular von Mao erinnert hat. Aber dass jetzt von einer Partei, die bei historischen Fragen in der Vergangenheit ihre ganz eigene Empfindlichkeit in diesem Hause gezeigt hat, eine Parallele zwischen Mao und dem Hier und Heute gezogen wird, halte ich für unfassbar und für unverantwortlich. Wenn Sie sich mit Mao auskennen, wissen Sie, dass er ein Tyrann war, dass unter ihm 50 Millionen Menschen ermordet worden sind.

Wenn Sie schon keine Zwischenfragen zulassen, dann stellen Sie sich doch hier hin und erklären Sie einmal, was Sie damit gemeint haben! - Vielen Dank.

(Beifall AfD - Sandra Redmann [SPD]: Das ist ein Heuchler!)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat sich der Abgeordnete der SPD-Fraktion Martin Habersaat gemeldet.