Protocol of the Session on December 12, 2019

(Zurufe - Jette Waldinger-Thiering [SSW]: Und Bildung!)

- Und Bildung. Also dem Wirtschaftsausschuss, mitberatend dem Bildungsausschuss und dem Sozialausschuss und - noch jemand?

(Zuruf SPD: Das war schon ernst gemeint! - Weiterer Zuruf SPD: Innen- und Recht!)

Wer den Antrag dem Wirtschaftsausschuss, mitberatend dem Bildungsausschuss und dem Sozialausschuss überweisen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich sehe, dass es einstimmig so beschlossen ist.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf:

Stationäre Versorgung von kranken Kindern verbessern - Kinderkrankenhäuser auf eine sichere finanzielle Grundlage stellen

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/1805

Kinderkliniken auf sichere finanzielle Grundlagen stellen - Krankenhausfinanzierungsstrukturen in Deutschland weiterentwickeln

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/1895

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Claus Schaffer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! In den letzten Wochen haben uns Pressemeldungen mit Überschriften wie „Notfallpatient Kinderklinik“ oder „Versorgungsnotstand in den Kinderkliniken“ erreicht. Es häufen sich teils drastische Berichte, dass die Versorgungsengpässe in den Kinderkliniken - das gilt wohl gerade auch für Schleswig-Holstein - so massiv sind, dass Kinder in nicht unerhebliche Gefahren geraten können. Es gibt Berichte, dass Ärzte verzweifelt nach Intensivbetten für schwerkranke Kinder suchen und die Kinder oft hunderte von Kilometern transportiert werden müssen, damit sie ein Intensivbett erhalten.

Etwas sachlicher betrachtet muss man tatsächlich feststellen, dass Schleswig-Holstein im direkten Vergleich mit anderen Bundesländern über die wenigsten Betten in Kinderkliniken verfügt. So stehen in der Kinderheilkunde nur 15,1 Betten pro 100.000 Einwohner und in der Kinderchirurgie sogar nur 0,6 Betten pro 100.000 Einwohner zur Verfügung. Der Bericht des Sozialministers Dr. Garg hat dies auf den Punkt gebracht. Die drittgrößte Kinderklinik Schleswig-Holsteins steht in Hamburg-Altona.

(Beate Raudies [SPD]: Ja, genau!)

Aus dem Süden Schleswig-Holsteins wandern viele Eltern nach Hamburg ab und lassen ihre Kinder in der Altonaer Kinderklinik behandeln.

(Beate Raudies [SPD]: Genau richtig!)

Zudem betreibt das Altonaer Kinderkrankenhaus in Zusammenarbeit mit der Regio Klinik Pinneberg eine zentrale Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Kreis Pinneberg.

(Beate Raudies [SPD]: Ganz genau!)

Dabei wird das Personal inklusive der Notfallambulanz von der Altonaer Einrichtung gestellt. Anschaulicher lässt sich die bescheidene Situation der Kinderkliniken in Schleswig-Holstein kaum schildern.

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

(Beate Raudies [SPD]: Was? - Dr. Ralf Steg- ner [SPD]: Norddeutsche Zusammenarbeit!)

Da hilft auch keine Schönrechnerei. Es geht, wie immer, ums Geld. Der Sparzwang bei den Kinderkliniken durch das 2004 durch die Bundesregierung eingeführte Fallpauschalensystem muss jetzt beendet werden, denn dieses Fallpauschalensystem setzt Fehlanreize. So wurde seitdem insbesondere bei der Pflege gespart. Die Zahl der Kinderkrankenschwestern und -pfleger ist abgesunken, obwohl die Fallzahlen im gleichen Zeitraum gestiegen sind. Im Ergebnis müssen sich damit immer weniger Pflegekräfte um immer mehr erkrankte Kinder kümmern.

Wir müssen also weg von einem System, das einen festen Betrag pro Behandlung festlegt, unabhängig davon, wie aufwendig diese Behandlung tatsächlich sein mag. Das Fallpauschalen-System sieht nur für spezielle Fälle die Genehmigung von Zusatzentgelten vor. Fallpauschalen sind aber gerade für kleine Patienten nicht geeignet. Hierin besteht sogar Konsens mit dem Sozialministerium.

Die Landesregierung hat sich immerhin dafür eingesetzt, dass Kinderkliniken, die an der Notfallversorgung teilnehmen, seit dem 1. Januar einen Zuschlag zur Abdeckung ihrer Vorhaltekosten bekommen. Das ist zu begrüßen, aber bei Weitem nicht ausreichend.

Wir müssen also diesen Bereich aus dem Fallpauschalensystem herauslösen und den Krankenhäusern und Trägern - auch den jeweiligen Kostenträgern - die Möglichkeit geben, individuelle Vereinbarungen abzuschließen. Für diese Idee gibt es auf Bundesebene sogar unerwartete Fürsprecher. So hat beispielsweise der Gesundheitspolitiker der SPD Karl Lauterbach - das war der, der seinerzeit das Fallpauschalensystem unter der rot-grünen Bundesregierung selbst mit eingeführt hat - eingeräumt, dass für den Bereich der Kinderkliniken Handlungsbedarf bestehe und das Fallpauschalensystem aufgegeben werden müsse.

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

Eine späte Erkenntnis in der SPD, sie wird aber wohl nicht die einzige bleiben.

Der gegenwärtige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erkennt nun ebenfalls an, dass für den Bereich der Kinderkliniken der Zeit- und Pflegeaufwand höher ist. Daher sei die Herausnahme der Kinderkliniken aus dem DRG-Fallpauschalensystem immerhin eine der möglichen Lösungen des Problems der Unterfinanzierung von Kinderkliniken.

Durch das Fallpauschalensystem werden erhebliche Fehlanreize gesetzt. Das gilt für Kliniken und auch uneingeschränkt für Kinderkliniken, denn diese konzentrieren sich auf diejenigen Bereiche, die für sie einträglich sind. So gibt es zum Beispiel in den Kinderkliniken ein Überangebot an Level-1-Zentren für Frühgeborene unter 1.500 g, weil dieses Feld schlichtweg finanziell attraktiver ist. Gleichzeitig herrscht aber bei chronisch kranken Kindern mit komplexen Erkrankungen teilweise eine eklatante Unterversorgung, und zwar einzig aus dem Grund, weil sich dieser Bereich finanziell nicht rechnet. Das ist kaufmännisch nachvollziehbar, aber alles andere als sozial.

(Beifall AfD)

Wir werden also den Spagat zwischen der Finanzierung hochkomplexer und stationärer Leistungen einerseits und einer guten und flächendeckenden Grund- und Regelversorgung andererseits schaffen müssen. An dieser Stelle setzt unser Antrag an.

Ein kurzer Blick auf Ihren Alternativantrag: Er geht tatsächlich in dieselbe Richtung. Ich muss feststellen, dass wir zumindest einmal wieder anregend für die Debatte hier im Haus gewirkt haben.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Alle anderen Fraktionen sagen nun, dass sie in die gleiche Richtung wollen. Das Fallpauschalensystem wird aber leider nur in der Begründung kritisch beäugt. Ich denke, wir werden Ihrem Antrag zustimmen können, er ist nämlich herrlich harmlos.

Wenn aber nun im Bund bereits die Erkenntnis gereift ist, kann es hier in Schleswig-Holstein nicht so schwer sein. Ich bitte Sie daher, auch unserem Antrag zu folgen. Vielleicht können wir beide gemeinsam im Ausschuss besprechen. - Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall AfD)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Hans Hinrich Neve das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Unser Gesundheitssystem ist eines der besten in der gesamten Welt, aber der Wandel in der Gesellschaft und der Fortschritt in der Medizin machen permanente Anpassungen notwendig. Besonders die Krankenhausfinanzierung ist in Deutschland seit Jahren nicht auskömm

(Claus Schaffer)

lich. Das ist teilweise auf Kosten des Pflegepersonals gegangen, aber auch auf Kosten von schlecht vergüteten Abteilungen - so will ich das mal nennen -, das heißt, dass es hier teilweise zu Fehlanreizen gekommen ist, die zur Schließung von nicht wirtschaftlichen Abteilungen geführt haben. Die Krankenhausfinanzierung wird und muss dementsprechend laufend verbessert werden. Fallpauschalen gekoppelt mit einem dynamischen DRG-System schaffen Verbesserungen. Auch die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus dem DRG-System ab 2020 ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber Krankenhausbetten in Relation zu Einwohnerzahlen zu stellen, greift zu kurz.

Wir haben - auch durch den medizinischen Fortschritt bedingt - die Situation, dass sich die Verweildauer in den Krankenhäusern in den letzten Jahren deutlich verkürzt hat. Lagen wir im allgemeinen Bereich im Jahr 2000 noch bei 9,2 Tagen, handelte es sich 2017 um 6,7 Tage. Je kürzer der Aufenthalt im Krankenhaus ist, desto besser ist es für die Patienten. Das muss uns immer wieder klar sein. Ein Krankenhausaufenthalt ist auf Dauer nicht gut. Das gilt besonders auch für die jüngeren Patienten, für Kinder und Jugendliche. Ein stationärer Aufenthalt sollte auf das Nötigste begrenzt werden.

Bei Mama und Papa zu Hause werden die Kleinsten schneller und eher gesund. Insofern - das ist unser Ansatz - sind wir für sektorenübergreifende Angebote. Das Ziel muss sein, ambulante, tagesklinische und stationäre Versorgung innerhalb einer Struktur zu ermöglichen.

(Vereinzelter Beifall CDU, FDP, Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Wir fordern die Finanzierung von sektorenübergreifenden Angeboten. Sie sollten möglichst bundesweit umgesetzt werden. Aber kurzfristig sind auch rechtliche und finanzielle Voraussetzungen zu schaffen, um den Ländern Modellversuche zu ermöglichen, sodass es auch in Schleswig-Holstein möglich ist. Aber das müssen wir im Bundesrat klären. Ebenso müssen auch innerhalb der Krankenhausfinanzierung zukünftig die sogenannten Vorhaltekosten weiter berücksichtigt werden.

(Beifall CDU, Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Jette Waldinger- Thiering [SSW])

Meine Damen und Herren, wir bitten um Zustimmung zu unserem Alternativantrag, weil wir der Meinung sind: Der geht deutlich weiter. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Bernd Heinemann.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Um es klar vorwegzuschicken: Das Thema Kinder- und Jugendmedizin ist und bleibt ein wichtiges Thema der Gesundheitspolitik. Daher hatten wir die in der Presse geschilderten Problematiken auch für den Sozialausschuss angemeldet und im November 2019 gemeinsam diskutiert. Wir nehmen das, wie gesagt, sehr ernst. Das gilt sowohl stationär als auch ambulant.

In meinem Wahlkreis habe ich kürzlich in Gaarden eine Praxis für Kinderheilkunde besucht und schon im Treppenhaus gemerkt, wie stark der Andrang, wie stark das Interesse an einer pädiatrischen Versorgung ist. Schleswig-Holstein ist in der Statistik tatsächlich mit 15,1 Betten je 100.000 Einwohner in der Kinderheilkunde das Schlusslicht in Deutschland. Über diese Zahlen haben wir aber im Rahmen des Ausschusses diskutiert. Der Minister hat ausgeführt, dass die Auslastung der Betten in der Pädiatrie gesunken sei und es keine Hinweise auf Versorgungsengpässe wegen der Bettenzahl in SchleswigHolstein gebe. Eingeräumt aber sei - das gilt auch für mich -, dass es ein Personalproblem gibt.

Wir haben Personalengpässe, die die Bettennutzung einschränken, und wir haben in der Vergangenheit die Problematik gesehen und waren dagegen, dass beispielsweise die Kinderstation in Eckernförde geschlossen wurde. Das sahen einige Jamaikaner nach der Landtagswahl plötzlich anders - aber Schwamm drüber: Das ist Vergangenheit.