Protocol of the Session on December 11, 2019

(Tobias Koch)

(Martin Habersaat [SPD]: Die sind aus dem Nichts gekommen!)

Der Punkt - der Kollege Habersaat hat es gesagt - ist aber: Daraus konstruieren wir keinen Vorwurf an Ihre Adresse. Ich erwarte von Ihnen als Vorsitzender dieser christdemokratischen Fraktion, dass Sie mindestens die Größe haben, den Vorwurf, den Sie an die Sozialdemokratie gemacht haben, nämlich am Scheitern der Weimarer Republik beteiligt gewesen zu sein, zurückziehen. Das ist nämlich historisch falsch und Geschichtsklitterung.

(Thomas Hölck [SPD]: So ist es! - Beifall SPD)

- Genauso ist es falsch, dass es irgendwelche Vorläufer gibt, das ist die Gnade einer Neugründung in der Nachkriegszeit. Insofern gibt es keine Vorläufer, und Sie können uns an keinem Punkt für das Verhalten irgendwelcher Parteien der Weimarer Republik verantwortlich machen.

(Thomas Hölck [SPD]: Das hat auch keiner gemacht! - Unruhe SPD)

- Ja, es ist aber trotzdem ein ganz spannender Diskurs. Dass die SPD unbestreitbare Verdienste in der Weimarer Republik hatte, erkenne ich auch jederzeit an und habe ich auch vor einem Jahr schon anerkannt.

(Christopher Vogt [FDP]: Wir reden über Po- litikunterricht, nicht Geschichtsunterricht!)

Es war das große Verdienst der SPD, die Weimarer Republik ohne Revolution und Waffengewalt auf demokratischem Weg mit geschaffen zu haben. Das wurde von mir auch schon vor einem Jahr anerkannt und gelobt. Trotzdem bleibe ich dabei: Es gibt auch eine Verantwortung der SPD für die Zeit der Weimarer Republik und für das Verhalten in dieser Weimarer Republik, für die Entscheidung, ob man eine Koalition eingeht oder eine Regierung beendet.

(Unruhe SPD)

Das Scheitern der Weimarer Republik lag nicht allein an der SPD. Wenn es so verstanden worden sein sollte, korrigiere ich es gern. Ich würde Ihnen nie den alleinigen Vorwurf machen, aber eine Mitverantwortung gibt es von allen damals. Daran halte ich auch fest. - Herzlichen Dank.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Mehr Geschichts- unterricht! - Weitere Zurufe)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat sich der Abgeordnete Dr. Kai Dolgner gemeldet.

(Zurufe - Dennys Bornhöft [FDP]: Ein Zeit- zeuge!)

Frau Präsidentin! Zu den Zwischenrufen: Im Gegensatz zu anderen habe ich in den 90er-Jahren noch Arbeit mit Zeitzeugen gemacht, um die Dinge aufzuarbeiten, die danach folgten. Ich muss ganz ehrlich sagen: Diese Redeweise von der „Gnade der späten Geburt“ erinnert fatal an die Redeweise von einer „Stunde Null“.

Natürlich mussten sich die konservativen Kräfte neu gründen, und die SPD musste sich nicht neu gründen. Das hatte Gründe, die historisch mehrfach aufgearbeitet worden sind. Wir mussten eben seit 1890 in unserer Geschichte unseren Namen nie ändern. Andere mussten das machen. Da können Sie einmal gucken, woran das lag. Ich muss Ihnen jetzt nicht die ganze ehemaligen DVP-Minister aufzählen, die die CDU mit gegründet haben. Ja, es waren auch Widerständler wie Theodor Steltzer dabei. Die CDU Rendsburg-Eckernförde hatte aber Schwierigkeiten, sich hinter ihn zu stellen, sondern hat sich lieber hinter seinen Verfolger gestellt.

(Zuruf Tobias Koch [CDU])

Das gehört auch zur Wahrheit. Der erste Ministerpräsident dieses Landes Schleswig-Holstein -

(Zuruf Tobias Koch [CDU])

- Ja, ich weiß das. Aber Sie müssten einmal zur Kenntnis nehmen, dass es nicht einen zwanghaften Übergang von der Regierung Müller II in den Nationalsozialismus gab.

(Tobias Koch [CDU]: Habe ich auch nicht behauptet!)

Danach gab es die Regierung Brüning. Sie sollten einmal mehr als nur ein Buch lesen. Die rechten Kräfte haben versucht, die Regierung Müller zu stürzen, indem sie dauernd Stöckchen hingehalten haben. Dann kam die Regierung Brüning.

Eine Sache muss ich Ihnen sagen: Im Nachhinein war es ein Fehler der Sozialdemokratie, aber aus einem ganz anderen Grund, weil die Regierung Brüning nämlich - da waren übrigens viele dabei, die sich später in Ihrer Partei wiedergefunden haben per Notverordnung viel schlimmere Maßnahmen in der Sozialgesetzgebung durchgeführt hat, als sie

(Tobias Koch)

von einer sozialdemokratisch geführten Regierung hätten durchgeführt werden können.

(Zuruf Tobias Koch [CDU])

Daraus aber jetzt zu machen, dass die SPD zum Ende der Weimarer Republik beigetragen habe, ist eine unglaubliche Geschichtsklitterung. Die konservativen Eliten des Landes haben mit der Präsidialregierung ab 1930 zusammen mit Paul von Hindenburg als Spindoktor im Hintergrund die Demokratie zerschossen, die große Teile der Konservativen DVP und Zentrum -, die übrigens tatsächlich Ihre Vordenker sind, so nicht wollten.

Ich dachte, ehrlich gesagt, dass die CDU da ein bisschen weiter in der Aufarbeitung der Geschichte wäre, und wir jetzt nicht wieder zurückfallen in die Zeit von vor 30 Jahren, wo man noch behaupten konnte, alle seien irgendwie schuld gewesen, und dann habe es eine Stunde Null gegeben, und dann sei keiner mehr schuld gewesen. - Nein, so einfach ist es nicht, Herr Kollege Koch. Ich habe mich hier noch einmal gemeldet, weil ich wirklich entsetzt bin. Sie haben einfach nicht die Größe, das zurückzunehmen. Innerlich wissen Sie es wahrscheinlich besser. Sie haben die ganze Zeit auf Ihr Pad geschaut, ich bin mir ziemlich sicher, Sie haben die diversen Wikipedia-Artikel durchgeguckt und versucht, für Ihre abstruse Theorie andere Belege zu finden.

Es war die Regierung der konservativ geprägten Präsidialsysteme, die mit ihren Sozialreformen das Elend und die Not vergrößert hat, im Gegensatz zum New Deal von Präsident Roosevelt. Das war übrigens wirtschaftlich schlicht und ergreifend das Richtige. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. In eine Krise rein zu sparen und die Unternehmer zu schonen: Ich könnte genauso gut sagen, Ihre Vorgänger hätten doch bitte schön einer gemeinsamen Erhöhung der Arbeitslosenversicherung zustimmen können!

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss, am besten jetzt. Wir sprechen schon länger nicht mehr zum Tagesordnungspunkt. Damit war ich in den letzten Minuten kulant, ich würde Sie jetzt aber wirklich bitten, zum Schluss zu kommen.

(Lars Harms [SSW]: Sehr gut!)

Okay. Es ist alles gesagt. Es liegt an Herrn Koch, die richtigen Konsequenzen zu ziehen.

(Beifall SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag zu b), Drucksache 19/1784, durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Es ist beantragt worden, den Antrag, Drucksache 19/1739 (neu), dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig so geschehen.

Ich unterbreche die Sitzung bis morgen, 10:00 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 18:38 Uhr

(Dr. Kai Dolgner)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenografischer Dienst

Anlage 1 Namentliche Abstimmung 74. Sitzung am 11. Dezember 2019 a) Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Haushaltsplanes für das Haushaltsjahr 2020 (Haushaltsgesetz 2020) - Drucksache 19/1600 - b) Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2020 - Drucksache 19/1601 - Bericht und Beschlussempfehlung des Finanzausschusses - Drucksache 19/1846 (neu) Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Nummer 31 "Planstellen der Beamtinnen und Beamtenim Vorbereitungsdienst für alle Schularten" Drucksache 19/1874

Name Abstimmung Name Abstimmung

CDU Hans-Jörn Arp Nein

Tim Brockmann Nein

Johannes Callsen Nein

Claus Christian Claussen Nein

Wolf Rüdiger Fehrs Nein

Hauke Göttsch Nein

Daniel Günther Nein

Hartmut Hamerich Nein

Andreas Hein Nein