Protocol of the Session on November 13, 2019

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Wir sind bekannt für einfache Botschaften.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das kann man wohl sagen!)

- Deswegen lege ich gleich am Anfang damit los, damit es weg ist und wir es abgearbeitet haben, Herr Dr. Stegner. Schleswig-Holstein braucht Fachkräfte, diese Fachkräfte aber bei Flüchtlingen und Asylbewerbern zu suchen, ist nicht der richtige Weg. - Das war die einfache Botschaft, jetzt kommt die etwas komplexere Begründung.

Wir wissen aus der Antwort auf unsere Kleine Anfrage, dass der Großteil der Flüchtlinge und Asylbewerber aus den acht Hauptherkunftsländern ohne Berufsabschluss ist oder keine Angaben dazu macht. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Agentur für Arbeit stellte bereits 2017 fest, dass über 40 % dieser Menschen ohne jeden Schulabschluss hier ins Land kommen. Über 80 % haben keinerlei Ausbildung. Das BAMF meldete erst im September, dass nur die Hälfte aller Teilnehmer der Integrationskurse das Sprachniveau B 1 erreicht, das als Voraussetzung für den Arbeits

(Kay Richert)

markt gilt. 20 % aller Teilnehmer kommen ohne jegliche Lese- und Schreibkenntnisse in diese Kurse, sind also Analphabeten.

Wie sollen diese Menschen uns dabei helfen, den Fachkräftemangel zu beheben? - Das ist die große Frage. Statt den Tatsachen ins Auge zu sehen, feiert sich das Wirtschaftsministerium bei PR-trächtigen Einzelaktionen, zum Beispiel, wenn der Herr Staatssekretär einen Förderbescheid über 878.000 € an ein Projekt zur beruflichen Integration von Flüchtlingen übergibt, wie es im September geschehen ist.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Petersdotter?

Ja, unbedingt.

Vielen Dank. - Meine Frage richtet sich auf die Aussage, die Sie gerade getätigt haben, wie viele Geflüchtete keinen Schulabschluss haben. Können Sie mir sagen, wie viele davon minderjährig sind?

- Da müsste ich in meine Unterlagen sehen, aus dem Kopf weiß ich das leider nicht.

Aber die zählen schon mit zu den 40 %?

- Das ist eine Befragung unter allen Flüchtlingen. Insofern sind die mit Sicherheit mit drin. Sie sind wahrscheinlich nicht befragt worden, Herr Kollege. Ich habe extra die offizielle Zahl übernommen.

(Zurufe)

Es geht weiter: Nutznießer dieser Maßnahme und dieser 878.000 € sollen Unternehmen aus der Logistikbranche sein, die sich in der Ausbildung von Flüchtlingen engagieren. Wahr ist, dass die Branche - wie so viele andere Branchen - dringend Arbeitskräfte braucht. Es ist aber aus unserer Sicht ein völliger Trugschluss, mit immer neuen Pilotprojekten zu suggerieren, dass Asylbewerber in einer relevanten Anzahl dem Fachkräftemangel abhelfen könnten. Und so sehr ich es der Logistikbranche gönne, gute Leute zu finden, so fragwürdig finde ich es, dass das Land die Personalsuche einer Branche subventioniert, in der es im wahrsten Sinne des Wortes brummt. 878.000 € sind eine beachtliche Summe.

Große Gesten und üppige Förderbescheide sollen offenbar verdecken, dass die Ergebnisse bei nähe

rem Hinsehen äußerst bescheiden sind, denn die Zahlen sprechen eine nüchterne Sprache. Erst im September meldete die Bundesagentur für Arbeit, dass 75 % der in Deutschland gelandeten Syrer im erwerbsfähigen Alter ganz oder teilweise von Hartz IV leben. Die Arbeitslosenquote lag bei 44 %, bei Afghanen lag sie bei 43 %. Der Herr Minister sagte es eben: Hinzu kommen die Flüchtlinge, die in Integrationskursen stecken und daher nicht als arbeitslos gemeldet werden.

Auch das hat der Minister dankenswerterweise gesagt: Bei Frauen sind die Zahlen deutlich höher. Sehr geehrter Herr Minister, die Ursachen, die Sie gerade ansprachen, aber nicht ausführten, sind ganz einfach, denn das IAB, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, benennt sie ganz deutlich. In vielen Flüchtlingsfamilien aus muslimischen Ländern herrschen eben traditionelle Rollenbilder. Frauen bleiben eher zu Hause und gehen ganz bewusst nicht in den Arbeitsmarkt.

(Widerspruch Beate Raudies [SPD] und Mar- lies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Es geht um den Arbeitsmarkt. Es geht nicht um unser Programm, sondern um den Arbeitsmarkt. Diese Menschen, die zu uns kommen, kommen eben nicht für den Arbeitsmarkt in Frage. Das muss man einfach einmal nüchtern betrachten.

Statt auf niedrig qualifizierte, kulturfremde Zuwanderer zu setzen, sollte der Fokus doch erst einmal auf den gut qualifizierten Arbeitnehmern liegen, die jetzt plötzlich auf die Straße geschickt werden: Senvion - 500 Mitarbeiter aus Schleswig-Holstein müssen sich nach einer neuen Stelle umsehen. Bei Dräger in Lübeck sollen Löhne eingefroren und Stellen abgebaut werden. Die Commerzbank baut deutschlandweit mindestens 4.300 Stellen ab, schließt 200 Filialen und will die Online-Tochter Comdirect integrieren. Was das für die Mitarbeiter am Standort Quickborn bedeutet, ist noch nicht ganz klar. Und viele Mitarbeiter bei der Provinzial, über die wir in dieser Tagung noch sprechen werden, müssen auch um ihre Anstellung fürchten.

(Zurufe)

- Es geht um den Arbeitsmarkt, und ich rede über Arbeitskräfte.

Wir sehen: In Schleswig-Holstein stehen bald Hunderte von gut ausgebildeten Arbeitnehmern auf der Straße. Wir wissen, dass sich der Wirtschaftsminister auch hier sehr stark engagiert, und ich möchte ihm dafür danken. Ich danke ihm an dieser Stelle auch für den Bericht, aber wir erwarten, dass der

(Volker Schnurrbusch)

Fokus bei der Anwerbung von Fachkräften - und ich betone dabei den Begriff Fachkräfte - auf Qualität liegt und sich nicht als Wurmfortsatz der missglückten Migrationspolitik der Bundesregierung begreift.

(Beifall AfD - Zurufe)

Diese misslungene Politik ist eine Belastung für unser Industrie- und Technologieland und mitnichten eine Bereicherung. Ganz davon abgesehen, fehlen die wirklich qualifizierten Flüchtlinge auch in ihren Heimatländern. Ärzte, Ingenieure und Handwerker; sie sollen aus unserer Sicht ihre Länder wieder aufbauen, statt sich hier in Integrationsmaßnahmen mit äußerst ungewissem Ausgang zu begeben, denn wir haben es gerade gehört: Es geht auch um das Bleiberecht, es geht um die Bleibeperspektive, und es geht um die Aufenthaltsgenehmigung. Das ist alles sehr unklar für diese Menschen, was für diese Menschen mit Sicherheit eine große Belastung ist. Das wissen wir auch, aber sie als potenzielle Arbeitskräfte in Statistiken einzubringen, halte ich für unseriös. Diese Maßnahmen dürfen keine Hintertür sein, die die Asyl- und Aufenthaltsgesetze aushebeln.

Zum Arbeitsmarkt. Entschuldigung, hier habe ich noch eine Sache vergessen. Sie wissen, der Arbeitsmarkt steht auch bei uns vor zwei tiefgreifenden Veränderungen. Alle reden von Digitalisierung, also brauchen wir noch mehr hochqualifizierte Fachkräfte. Wir brauchen in vielen Bereichen nicht noch mehr Helfer. In manchen Bereichen gilt das, darüber sind wir uns einig, darüber haben wir auch gesprochen. Es gibt viele Branchen, die Helfer brauchen, aber wir reden ja über Fachkräftemangel und nicht über Helfermangel.

Wir stehen in Deutschland auch vor einer Rezession. Darum werden wir in Zukunft mit anderen Arbeitslosenzahlen rechnen müssen. Das sage nicht nur ich, sondern das ifo-Zentrum für Migrationsforschung warnt bereits jetzt davor, dass die sich abschwächende Konjunktur dafür sorgen wird, dass schlechter Qualifizierte nicht so schnell Arbeit finden wie bisher. Es weist auch darauf hin, dass Flüchtlinge mit schlechter Bleibeperspektive häufig versuchen, über Arbeit oder Ausbildung ihren Aufenthalt in Deutschland abzusichern, denn Ausbildungsverhältnisse können als Vehikel dienen, um eine Ablehnung im Asylverfahren zu verhindern, die in weit über 90 % der Fälle zu erwarten ist.

Genau diesen Eindruck musste man gewinnen, wenn man sich die Vorträge auf dem Fachtag Arbeitsmarktintegration für Geflüchteten anhörte, der

letzte Woche hier im Landeshaus stattfand. Nachdem der Herr Wirtschaftsminister nach seinen bescheidenen Erfolgsmeldungen den Saal verlassen hatte, ging es nicht mehr um den Arbeitsmarkt, sondern nur noch darum, wie man ein Bleiberecht für Personen konstruieren kann, auch für die, denen es nicht zusteht. Ein Vertreter der Caritas wurde dabei sehr deutlich. Er nannte die Beratungen, die er und Dutzende von anderen Verbänden in ihrem Netzwerk anbieten, ich zitiere mit Erlaubnis, „einen Baustein für Aufenthaltsverfestigungen“.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Er sagte weiter: Auch Leute, die keinen Anspruch auf Förderung und Arbeitsaufnahme haben, sind unsere Zielgruppe. - Selbst Personen mit einem Arbeitsverbot sollen Angebote gemacht werden, so der Caritas-Vertreter. Da wird doch deutlich, wohin die Reise geht: Hauptsache Bleiberecht, egal ob berechtigt, egal ob qualifiziert, egal ob geeignet für den Arbeitsmarkt.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Ich habe mein Leben lang gearbeitet, Herr Dr. Stegner! Im Berufsleben und in der freien Wirtschaft, mehr und länger als Sie!

(Beifall AfD)

Eine Vertreterin des Netzwerkes, das mit Landesmitteln gefördert wird, verstieg sich zu der Aussage, ich zitiere noch einmal mit Ihrer Erlaubnis, wenn ich bitten darf: Den Asylbewerbern können Identitätsklärungspflichten nicht abverlangt werden. Und weil der Reisepass die größte Hürde für eine Aufenthaltserlaubnis sei, wäre der Weg über eine immer wieder verlängerte Duldung der bessere, so diese Beraterin weiter. - Ich finde das skandalös, denn das widerspricht geltendem Recht. Zum Glück hat jemand von einer Ausländerbehörde dieser Ansicht widersprochen, aber das ist vielen dieser Herrschaften offenbar egal. Den ganzen Tag ging es nicht etwa um die Eignung von Syrern, Afghanen oder Eritreern für unseren Arbeitsmarkt, sondern darum, jeden hier im Land zu halten. Das hat mit Arbeitsmarktpolitik nichts zu tun, das ist Teil der „Flüchtlingsindustrie“.

Daher: Ja zu Fachkräfteanwerbungen in der EU, in Drittländern. Es gibt viele Beispiele, wie andere Länder das praktizieren. Ich nenne nur Polen. Die polnischen Nachbarn werben sehr erfolgreich in der Ukraine an und haben keine Probleme damit, diese Menschen sofort und ohne große Maßnahmen zu integrieren.

(Volker Schnurrbusch)

Also: Fachkräfteanwerbung ja, Einwanderungsgesetz ja, das fordern wir seit 2013, aber jede Art von Spurwechsel lehnen wir nach wie vor ab. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Begrüßen Sie mit mir gemeinsam auf unserer Besuchertribüne Studierende der Fachhochschule Kiel. Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich das Wort dem Vorsitzenden Lars Harms.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Um vielleicht mit einem Missverständnis bei den Kollegen von der AfD aufzuräumen: Es geht gar nicht so sehr um Nützlichkeitserwägungen in dieser Frage.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Menschen sind nicht hierhergekommen, um in irgendeiner Art und Weise unserer Wirtschaft nützlich zu sein, sondern die Menschen sind geflüchtet vor Armut, vor Verfolgung, vor Krieg und Tod, und unsere Aufgabe ist es, diesen Menschen hier beim Start zu helfen und ihnen hier eine entsprechende Arbeit zu ermöglichen. Das ist das Thema, das wir heute besprechen, meine Damen und Herren.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)