Protocol of the Session on September 26, 2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Gäste! Liebe Abgeordnete! Fernab vom Wahlkampf, der alles andere als hier hingehört, komme ich zurück zur Landesbauordnung.

(Beifall Bernd Heinemann [SPD])

Auch wenn ich manchmal Zweifel habe, ob das ganze Haus einstimmig oder die Landesregierung

(Ole-Christopher Plambeck [CDU]: Die Lan- desregierung?)

gleichermaßen für die Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum kämpfen, so ist doch zumindest die Überprüfung der Landesbauordnung ein wichtiger und notwendiger Ansatz. Aber - auch das betone ich -: Es ist und bleibt weiterhin lediglich nur ein Baustein von vielen.

(Beifall Beate Raudies [SPD])

Eine vernünftige Gesamtstrategie ersetzt die heutige Änderung der LBO noch lange nicht. In erster Linie - auch das habe ich bei der letzten Debatte schon ausgeführt - beinhaltet die LBO sehr fachspezifische Handlungsfelder, die aber auch eine ganze Reihe an Auswirkungen nach sich ziehen. Neben notwendigen Anpassungen an europarechtliche Vorgaben zum Bauprodukterecht enthält sie Regelungen, die unterstützen sollen - wie wir eben gehört haben -, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Um unzumutbare Kostensteigerungen zu vermeiden, soll zudem die Möglichkeit der Abweichung von sonstigen bauordnungsrechtlichen Anforderungen geschaffen werden. Gut. Erleichterung gibt es insbesondere bei der Nachverdichtung im Bestand, beim Dachgeschossausbau und bei Dachaufstockungen. Aufzüge müssen zukünftig nicht zwingend gebaut werden. Sofern dies doch gewünscht ist, soll es Erleichterungen geben. Holzbau soll leichter als bisher für die Ausbauvorhaben, aber auch im Neubaubereich eingesetzt werden können. Das Gesetz erleichtert damit auch den Einsatz brennbarer Baustoffe und die Verwendung von Holz als nachwachsendem Rohstoff.

Diese bauordnungsrechtlichen Erleichterungen dürfen aber aus unserer Sicht in keinem Fall zu einem Weniger an Sicherheit und vor allem nicht zu einem Verzicht an Barrierefreiheit führen.

(Beifall SPD)

Zukünftig sollen auch im Rahmen der Genehmigungsfreistellung Gebäude bis zur Hochhausgrenze ohne Baugenehmigung errichtet werden dürfen. Hier sind aus unserer Sicht die Kommunen stärker gefragt, entsprechende B-Pläne zu schaffen. Gefordert sind jedoch auch die Planer. Sie erhalten mehr Verantwortung und müssen sicherstellen, dass die Vorgaben der B-Pläne eingehalten werden. Genau hier haben die kommunalen Landesverbände angezweifelt, dass dies optimal gelingen kann. Die Erfahrungen mit dem Instrument der Genehmigungsfreistellung zeigen aus ihrer Sicht, dass dies bislang vielfach nicht der Fall ist. Diese Kritik ist aus unse

(Peter Lehnert)

rer Sicht nicht ganz von der Hand zu weisen. Hier bleibt abzuwarten, ob die positiven Erfahrungen, die wir im Innenausschuss aus Bayern und Sachsen gehört haben, auch hier in Schleswig-Holstein zum Tragen kommen werden.

Insbesondere die Wohnungswirtschaft, die von diesem Instrument profitieren soll, ist aus meiner Sicht besonders gefordert und muss zeigen, dass sie mit den neuen Freiräumen verantwortungsvoll umgeht. Eine Evaluierung der Umsetzungsprozesse ist aus unserer Sicht dringend angezeigt. Wir werden uns kritisch ansehen, ob und vor allem wie viel an bezahlbarem Wohnraum durch die Erleichterungen geschaffen wird.

Die Entrümpelung der LBO ist unbestritten ein wichtiger Schritt und erfüllt ihren Zweck. Wir brauchen nicht nur Widerspruchsfreiheit, sondern auch die Praxistauglichkeit aller Maßnahmen vor Ort. Auch darauf habe ich beim letzten Mal hingewiesen. Uns muss aber klar sein, dass es in den nächsten Jahren wahrscheinlich weiterer rechtlicher Änderungen bedarf, um bezahlbaren Wohnraum zu realisieren. Ein breiter Diskurs in der Fachöffentlichkeit sollte diesen Prozess dringend flankieren. Da gibt es auch im Verbund mit den anderen norddeutschen Ländern sicherlich noch Luft nach oben. Wir sollten dranbleiben. Das war auch eines der Themen in den Beratungen, die wir durchgeführt haben.

Das Ziel, eine Steigerung der Wohnungsbautätigkeit in allen Segmenten zu erreichen und dabei einen Schwerpunkt auf bezahlbaren Wohnraum zu legen, erfordert ein Umdenken bei Planungsabläufen und Bauweisen sowie kluge Konzeptionen. Auch wenn sich durch die Erleichterung des Dachgeschossausbaus und die Aufstockung von Gebäuden sicherlich mehr Wohnraum schaffen lässt, wird das unser Problem in Schleswig-Holstein allein nicht lösen können. Die Änderung der LBO ersetzt nämlich nicht innovative Wohnraumprojekte, schon gar nicht die Wohnraumförderung, weder die Sicherung von Belegbindungen noch die Eindämmung der Zweckentfremdung von Wohnraum.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Mietpreisbremse und die Kappungsgrenzen-Verordnung ersetzt sie schon mal gar nicht.

(Beifall SPD und SSW)

Ich appelliere deshalb an die Regierungskoalition, bezahlbares Wohnen umfassend und ganzheitlich anzugehen. Dazu gehört auch ein klares Bekenntnis in der Landesverfassung, womit wir uns gleich noch intensiver auseinandersetzen werden. Wir

brauchen nämlich breiten Konsens und erhebliche Anstrengungen zum bezahlbaren Wohnungsbau. Da reicht es nicht, nur die LBO zu ändern, sondern es bedarf eines ganzheitlichen Konzepts. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und Lars Harms [SSW])

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Abgeordneten Dr. Andreas Tietze das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der kürzlich stattgefundenen Messe NordBau konnte man, wenn man mutige Schritte wie bei der Entrümpelung der LBO geht, erleben, dass man auf Fachleute aus verschiedenen Bereichen trifft, die Arbeitsgemeinschaft zeitgenössisches Bauen, Architektinnen und Architekten, die sagen: Da habt ihr mal wirklich einen Ruck durchs Land gehen lassen. - Wir haben tatsächlich einen wichtigen Aspekt erkannt: Wer in Schleswig-Holstein bauen will, muss auch die Bedingungen dafür kritisch hinterfragen und sich fragen, warum nicht gebaut wird.

(Beifall Peter Lehnert [CDU] und Kay Ri- chert [FDP])

Das haben wir mit dieser Landesbauordnung tatsächlich gemacht, indem wir nicht nur geredet, sondern auch geliefert haben.

Liebe Frau Ünsal, natürlich kann man immer fragen, ob man die eierlegende Wollmilchsau - immer die Barrierefreiheit - haben will. Fordert man für jeden dieser Dachgeschossausbauten den Fahrstuhl ein, weil man sagt, man setzt die Barrierefreiheit über das Gebot, das Dachgeschoss auszubauen, muss man feststellen, dass dann wieder nicht ausgebaut wird. Natürlich werden dann Wohnungen im Parterre frei, wenn Studentinnen und Studenten, junge Leute in diese Dachgeschosswohnungen einziehen.

Man muss da kreativ nach Möglichkeiten suchen, denn nicht ausgebaute Dachgeschosse zu haben, heißt in Schleswig-Holstein, circa 44.000 Wohnungen nicht zu haben. Das ist keine Alternative, wenn wir daran gemessen werden, ob wir tatsächlich bezahlbare Wohnungen in Schleswig-Holstein schaffen.

(Özlem Ünsal)

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Meine Damen und Herren, als Grüner darf ich ganz deutlich sagen: Der Ausbau eines Dachgeschosses versiegelt keine zusätzliche Fläche. Wenn wir über das Thema Flächenfraß in unserer Republik nachdenken, stellen wir fest, dass es eine intelligente und kluge Maßnahme ist, Innenverdichtung vor Außenverdichtung gehen zu lassen und die Potenziale von Dachgeschossausbau zu nutzen.

Ich will nicht beschönigen, dass wir als Grüne - das ist hier angesprochen worden - gern ein paar Instrumente behalten hätten, wir uns im Koalitionsvertrag aber für die Überprüfung und damit auch für andere Wege entschieden haben. Das will ich nicht verhehlen. Dies tun wir gegen den Trend unserer grünen Freundinnen und Freunde in der Bundesrepublik. Die Verschärfung der Mietpreisbremse ist in unserer Bundespartei eigentlich kein Thema, über das wir uns streiten. Das wollen wir alle.

Wir haben in Schleswig-Holstein einen anderen Weg eingeschlagen und müssen genau darauf achten, dass dieser andere Weg mit dem Ziel, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und Mietwucher zu verhindern, am Ende eine echte, scharfe Waffe ist. Daran arbeiten wir mit gutem juristischen Sachverstand sowohl aus meiner Fraktion - einen Dank an meinen Kollegen Burkhard Peters - als auch von Jan Marcus Rossa und Peter Lehnert. Gemeinsam überlegen wir, wie wir die Zielfrage beantworten, über die wir uns in der Koalition einig sind, Mietwucher tatsächlich verhindern und bezahlbaren Wohnraum schaffen.

Meine Damen und Herren, die Grünen haben in der Bundesrepublik nicht 51 % der Wählerstimmen. Deshalb müssen wir Kompromisse eingehen; wenn wir denn könnten und man uns machen ließe, würden wir ein neues Wohngemeinnützigkeitsprogramm schaffen

(Martin Habersaat [SPD]: Ah!)

und eine Million dauerhaft günstige Mietwohnungen im Land schaffen.

Wir böten Menschen, die Schwierigkeiten haben, normale Mieten zu stemmen, zielgerichtet Sozialwohnungen an. Wir gingen auch bei den Baukosten runter. Das ist auch ein wichtiger Punkt. Auch günstige Baukosten sind für bezahlbare Mieten notwendig. Wir würden die warmmieteneutrale energetische Sanierung ermöglichen und einen revolvierenden Bodenfonds einrichten, um mehr Baugrund

aus kommunalen Wohnungsbaugesellschaften zu erwerben.

Wir wollen eine nachhaltige, langfristig ökologisch ausgerichtete Bodenentwicklungspolitik. Wir wollen bei Neubau eine Quote für sozialen Wohnungsbau verpflichtend festsetzen und sie von 30 % auf 50 % steigern. Wir wollen bei Zweckentfremdung konsequent Treuhänder zur Herstellung der Wohnungsnutzung einsetzen.

Sie sehen: Wir haben durchaus ambitionierte Vorstellungen. Seien Sie sicher: Wenn wir dereinst im Bund mitregieren werden, werden wir unsere Vorstellungen in Koalitionsgesprächen nachdrücklich einbringen.

(Zuruf SPD: Sie sollten mal eher anfangen! - Weitere Zurufe SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben - genauso wie Sie in der GroKo - die Situation, dass wir Koalitionsverträge unterschrieben haben, die anderes regeln. Das ist nun einmal so. Je stärker man in Wahlen abschneidet, desto mehr Möglichkeiten hat man, eigene Inhalte in Koalitionsverhandlungen zur Geltung zu bringen.

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Meine Damen und Herren, da erzähle ich Ihnen nichts Neues. Deshalb werden wir in der JamaikaKoalition zumindest dafür eintreten, dass das Wohngeld in unserer Regierungszeit erhöht wird, das Problem der Baukostensteigerungen nachhaltig angegangen wird und wir da entrümpeln, wo Bürokratie bezahlbaren Wohnraum verhindert. Das sind die drei strategischen Zielmaßnahmen. Die gehen wir an. Das ist nicht nichts, liebe Frau Ünsal. Im Gegenteil: Das ist etwas, das wir dringend brauchen, wenn wir in Schleswig-Holstein ernsthaft bezahlbaren Wohnraum schaffen wollen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Jan Marcus Rossa das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesbauordnung steht zur zweiten Lesung an und damit eine Novellierung, mit der wir aus unserer Sicht einen wichtigen Schritt machen, um den so dringend benötigten Wohnungsneubau in unserem Land zu befördern und zu beschleunigen.

(Dr. Andreas Tietze)

Meine Kollegen haben die wichtigsten Bausteine dieser Novellierung vorgestellt. Ich will sie dennoch einmal einordnen. Es sind relativ kleine Eingriffe, die notwendig gewesen sind, um auch bei den Fachleuten Zustimmung dahin gehend zu erfahren, dass das die Instrumente sind, mit denen wir den Wohnungsneubau in Schleswig-Holstein fördern und vor allen Dingen attraktiver machen können, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.

Der wichtigste Baustein in der Novellierung sind dabei sicherlich die Verbesserung der Bedingungen für die Aufstockung von Gebäuden und der Dachgeschossausbau. Die Nachverdichtung bei Wohngebäuden ist allein schon deswegen sinnvoll, weil auf Bestand aufgebaut und damit ein weiterer Flächenverbrauch vermieden wird. Mit der Neuregelung in § 6 Absatz 9 Landesbauordnung stellen wir sicher, dass die bestehenden Abstandsregelungen - viel mehr war nicht nötig - der Nachverdichtung, aber auch einer Umwidmung eines bestehenden Gebäudes zu Wohnzwecken nicht entgegenstehen.

Gleichzeitig ist geregelt, dass ein Interessenausgleich zwischen demjenigen, der ein Aufstockungsvorhaben realisieren möchte, und den Nachbarn stattfindet. Wir haben geregelt, dass gewisse Bauvorhaben nur genehmigt werden können, wenn sie berücksichtigen, dass eine Störung der Nachbarschaft vermieden wird. Das klingt fürchterlich selbstverständlich, aber es sind die kleinen Einschnitte, die notwendig gewesen sind, um eine wirkliche Novellierung der Landesbauordnung zu erreichen.

Die Befreiung von der Fahrstuhlpflicht ist erwähnt worden. Die geltende Regelung ist in der Tat ein großes Hindernis gewesen, wenn es um die Aufstockung von Wohngebäuden ging, weil die Nachrüstung mit Fahrstühlen oder die Erweiterung des Fahrstuhls in der Praxis erhebliche Probleme bereitet und zu erheblichen Kosten geführt hat.