Protocol of the Session on August 30, 2019

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten! Der Trendbegriff unserer Zeit ist „Künstliche Intelligenz“. KI ist längst in unserem Alltag angekommen. Sie operiert zwar meist - noch - im Hintergrund, doch uns allen ist bewusst, dass die kontinuierliche Weiterentwicklung in diesem Bereich unaufhaltsam ist und dass sie unsere Arbeitswelt und unsere Gesellschaft nachhaltig verändern wird.

Die globalen Vorreiter und Wettbewerber warten nicht auf uns, daher ist es wichtig und richtig, dass wir uns auch hier in Schleswig-Holstein endlich strukturiert und strategisch mit diesem Thema auseinandersetzen, von viel diskutierten ethischen Fragen über die Frage nach priorisierten Handlungsfeldern bis hin zur Frage nach der Finanzierung.

Machen wir uns nichts vor: Die eierlegende Wollmilchsau gibt es hier nicht zu holen; das schafft zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht einmal das Silicon Valley. Unsere Aufgabe ist es stattdessen, diesen Prozess zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes politisch zu begleiten und die Entwicklung der praktischen Vorteile voranzutreiben. Wie kann uns dies gelingen?

Der vorliegende Entwurf der Landesregierung kommt insgesamt recht kurzfristig, da all dies ja noch in das Haushaltsgesetz 2019 eingeflochten werden soll. Er ist aber aus unserer Sicht grundsätzlich zu begrüßen. Es ist sinnvoll, ein solches Sondervermögen nun langfristig aufzubauen - gerade im Hinblick auf wirtschaftlich schwächere Zeiten, die uns früher oder später nun einmal ereilen werden. Gerade dann wird es wichtig sein, vielversprechenden Projekten Planungs- und Finanzierungssicherheit geben zu können.

Apropos Finanzierung: Ich will das Gesamtbudget an dieser Stelle ja nicht allzu kritisch beäugen, aber die von der Landesregierung formulierten Ansprüche, auf dem Gebiet der KI „bundesweit führend“ werden zu wollen, sind in Anbetracht der realistisch zu erwartenden Summen für das Sondervermögen doch ziemlich ambitioniert. Aber sei’s drum - wir werden uns dieser Herausforderung stellen, und daher ist es auch aus unserer Sicht notwendig, sich im Vorhinein Gedanken über eine grundlegende Prioritätenliste zu machen.

Wir vom SSW plädieren diesbezüglich insbesondere für die folgenden beiden Punkte: erstens Medizintechnik beziehungsweise Diagnostik, und zweitens bürgerfreundliche Verwaltung.

Zu Punkt eins: Mit dem UKSH und den vielen kleineren Kliniken sind wir auf dem Markt, was den

medizinischen Service angeht, sicherlich gut aufgestellt. In der Diagnostik profitieren Ärzte und Patienten schon heute von deutlich schnelleren und präziseren Befunden, welche zuvor von KI analysiert und aufbereitet wurden. Es ist ja auch vollkommen richtig, dass der Nutzen für die Menschen im Zentrum stehen sollte. Hier sollten wir ansetzen und sollten Gelder für eine weitere Verbesserung freimachen. Der Gesundheitsbereich bietet eines der größten Potenziale im KI-Bereich hier bei uns im Land, und dieses sollten wir bestmöglich nutzen.

(Beifall SSW und Dr. Marret Bohn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Zu Punkt zwei: Das bürgerfreundliche E-Government ist ja bereits von der Landesregierung groß angekündigt worden. Keine Frage: Ich bin überzeugt, dass sehr viele Bürgerinnen und Bürger ein entsprechend umfassend eingerichtetes Online-Serviceangebot gern und sofort nutzen würden; gerade in andernfalls recht zeitintensiven Verwaltungsangelegenheiten wäre das eine echte Hilfe. Wir erwarten daher gespannt die Fortschreibung des Digitalisierungsprogramms, das die Landesregierung ja ab September vorlegen will. Da, glaube ich, muss es schon einen Link geben zwischen dem Sondervermögen und dem E-Government, wenn es um die Frage geht, wie man all diese Geschichten finanzieren will. Da müssen wir relativ konkret werden. Wir reden heute nur über das Zurverfügungstellen von Geldern - aber dann müssen wir tatsächlich auch über konkrete Maßnehmen reden, meine Damen und Herren.

(Beifall SSW)

Deswegen werden wir das auch sehr genau im Auge behalten.

Fassen wir also zusammen: Im Bereich KI haben wir auf gesamtdeutscher Ebene Aufholbedarf, und wir müssen jetzt handeln. Dieses Sondervermögen ist ein erster Schritt in und für Schleswig-Holstein, um die Potenziale zu nutzen. Dabei müssen wir stets darauf achten, alle Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen. KI ist noch nicht in der Gesellschaft angekommen; vielen macht dies noch Angst.

Neben Science-Fiction-Apokalypse-Visionen denken viele natürlich in erster Linie an die Transformation des Arbeitsmarkts. Werden Jobs vernichtet, oder werden neue geschaffen? „Das kommt darauf an“, würden die Wirtschaftswissenschaftler wohl sagen. Aber darauf dürfen wir es eben nicht ankommen lassen. Wir müssen gucken, wie wir uns auch mit diesem Bereich wirtschaftlich neu aufstellen

können und wie wir neue Arbeitsplätze schaffen können.

Wir sollten dieses Thema realistisch angehen und den technischen Fortschritt zu unserem Vorteil nutzen. Vor allem sollten wir uns auf die Dinge konzentrieren, die wir jetzt schon können, bei denen wir mit künstlicher Intelligenz noch besser werden können. Dann werden alle Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner davon profitieren. Wir sehen dieses Sondervermögen also sehr positiv. - Vielen Dank.

(Beifall SSW und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen? - Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat sich der FDP-Abgeordnete Stephan Holowaty gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen. Mit dem KI-Sondervermögen stellen wir als Land relativ viel - manche sagen zu wenig Geld zur Verfügung, um im Bereich der Künstlichen Intelligenz und im Bereich der Anwendung von Künstlicher Intelligenz wichtige Forschung zu betreiben und wichtige Schwerpunkte zu setzen. Aber denken Sie bitte daran, dass wir mit diesem KI-Sondervermögen noch etwas anderes machen. Wir machen eine Tür auf, wir machen Werbung für Künstliche Intelligenz und für intelligente Anwendungen.

Das ist das Entscheidende, nämlich zwei Dinge zusammenzuführen. Zum einen ist dies, als Land Künstliche Intelligenz zu fördern, die Wissenschaft zu fördern und Initiativen zu fördern. Zum anderen bedeutet das, dass wir als Land in unseren Kommunen - dafür haben wir ja den Föderalismus - dazu animieren, intelligente und moderne Anwendungen einzuführen, jenseits des Onlinezugangsgesetzes, in dem nur klare Verwaltungsleistungen beschrieben sind.

Denken Sie einmal an einen Klassiker, eine Anwendung, die es übrigens in Hamburg schon gibt. Mit dieser können Bürger Fotos von zum Beispiel illegal abgeladenem Müll an eine Verwaltung senden.

(Beate Raudies [SPD]: Die gibt es schon in Pinneberg!)

- Wunderbar, umso besser, wenn es das in Pinneberg gibt. Das ist eine klassische Anwendung, die man, da haben Sie recht, immer wieder als Motiva

tion voranstellen kann. Das Element der Künstlichen Intelligenz liegt darin, dass diese Bilder von einer Anwendung der Künstlichen Intelligenz analysiert werden. Damit kann man mit einer sehr hohen Trefferquote feststellen, um was für eine Art von Schadstoffen es sich handelt, um dann festzustellen, mit welcher Priorität und mit welchen Mitteln diese möglicherweise entsorgt werden. Das geht in die Richtung der Melanom-Diskussion, die wir hatten.

Das ist eine ganz wichtige Botschaft, die ich an dieser Stelle noch einmal unterstützen möchte. Lassen Sie uns auch nach außen gehen. Lassen Sie uns die Kommunen und die Zweckverbände im Land motivieren, solche Arten der modernen Anwendung einzusetzen und sie nicht nur zu erforschen. Ich glaube, dann kommen wir richtig weit. - Danke schön.

(Beifall FDP, Tobias Koch [CDU] und Volker Schnurrbusch [AfD])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 19/1563 an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 31 auf:

HVV-Preiserhöhung ablehnen

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/1639

ÖPNV-Tarife kundenfreundlich gestalten

Alternativantrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/1663

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete der CDU-Fraktion Lukas Kilian.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute beraten wir einen Antrag, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, erstmals gegen eine Preiserhöhung beim HVV zu stimmen. Man könnte sich nun fragen, was wir mit dem HVV zu

(Lars Harms)

tun haben, es ist schließlich der Hamburger Verkehrsverbund. Dem Namen nach geht es dort nur um Hamburger Angelegenheiten. Tatsächlich ist der HVV als Verkehrs- und Tarifverbund eine GmbH, deren Anteile Hamburg zu 85,5 % gehören. Der Rest verteilt sich auf Schleswig-Holstein, Niedersachen und einige Hamburger Randkreise.

Gemäß dem Gesellschaftervertrag hat der HVV das Ziel, ein wirtschaftlich vertretbares, integriertes, ökologisch orientiertes ÖPNV-Leistungsangebot im Verbund zu erreichen.

Nun hat der HVV für das kommende Jahr eine Preiserhöhung von 2,2 % im Mittel vorgeschlagen ein interessantes Signal in der jetzigen Zeit. Nach einem öffentlichen Sturm der Entrüstung entschied sich der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher dazu, die Preiserhöhung ohne Rücksprache mit allen anderen Gesellschaftern auf 1,8 % im Mittel zu begrenzen. Die mediale Botschaft war: Seht her, ich schütze euch vor überzogenen Preiserhöhungen.

(Martin Habersaat [SPD]: Das können Sie besser, dachten Sie sich!)

- Das können wir tatsächlich besser, Herr Kollege Habersaat. Sie scheinen für Preiserhöhungen zu sein.

(Beifall CDU)

Leider haben wir von der CDU-Landtagsfraktion ganz genau hingeschaut. Auf Kosten von Schleswig-Holstein sollen die Fahrpreise in Hamburg tatsächlich nicht oder kaum erhöht werden. In Schleswig-Holstein aber gibt es Preiserhöhungen von bis zu 3 %. Das ist kein faires Miteinander, das ist ein Umgang mit unseren Pendlern im Hamburger Umland, der vollkommen aus der Zeit gefallen ist.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Heftig trifft es die Inhaber von Monatskarten des Gesamtbereichs. Logischerweise sind das keine Hamburger, sondern im Außenbereich Wohnende. Hier wurde der Abo-Preis in den letzten Jahren schon erheblich erhöht. Sollte die vorgeschlagene Erhöhung tatsächlich greifen, dann zahlen unsere Pendler im Hamburger Umland im Vergleich zu 2015 ab 2020 monatlich 14 € mehr für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs. Wer meint, in Zeiten von Klimademos und Fahrverboten den ÖPNV so erheblich verteuern zu können, steuert an der Realität vorbei.

(Beifall CDU, FDP und SSW)

Nun könnte man meinen und uns entgegenhalten, dass auch im schleswig-holsteinischen Nahverkehrsbund, NAH.SH, die Preise in diesem Jahr im Mittel um 1,97 % aufgrund von Kostensteigerungen erhöht wurden. Wer allerdings einen Nahverkehrsbund eines Flächenbundeslandes mit dem Nahverkehr einer Metropolregion vergleicht, vergleicht nicht Äpfel mit Birnen, sondern Ananas mit Zitronen. Wir haben eine grundlegend andere Verkehrsstruktur. Im HVV geht es insbesondere darum, schnell in die Hamburger Innenstadt zu gelangen. Eigentlich müsste es auch im Hamburger Interesse sein, dass die Bürger der Hamburger Umlandgemeinden ihre Autos stehen lassen und die Innenstadt nicht verstopfen.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Hinzu kommt, dass der ADAC gerade im Juli dieses Jahres festgestellt hat, dass der HVV der teuerste Nahverkehrsverbund in ganz Deutschland ist. Das liegt unter anderem daran, dass es einen Strukturzuschlag zu Kostensteigerungen gab. Der Strukturzuschlag, der seit 2009 zusätzlich zu den jährlichen Kostensteigerungen an die HVV-Kunden weitergereicht wurde, hat den HVV immens verteuert. Die strukturellen Verbesserungen, mit denen der Strukturzuschlag begründet wurde, haben aber überraschenderweise fast nur auf Hamburger Gebiet stattgefunden. Wir zahlen also als Schleswig-Holsteiner Pendler Verbesserungen im Hamburger Innenstadtbereich, und gedankt wird uns das mit Preiserhöhungen. Wir halten es daher für richtig, in diesem Jahr die Preiserhöhung im HVV vollkommen auszusetzen.

(Beifall CDU und FDP)