Protocol of the Session on August 29, 2019

Zielführend ist nur ein Paket aus Maßnahmen. Daher fordern wir ein staatliches Tierwohllabel. Die sich daraus ergebenden Anforderungen müssen in der nationalen Nutztierstrategie verankert werden. Die Zeit für freiwillige Vereinbarungen, wie die Bundeslandwirtschaftsministerin sie aktuell mit ihrem freiwilligen Schweinelabel plant, sind definitiv vorbei.

(Beifall SPD)

Die Niedersächsische Landesregierung hat eine Bundesratsinitiative für ein verpflichtendes Tierwohllabel beschlossen. Wir fordern, dass Schleswig-Holstein diesen klugen Antrag unterstützt. Schade, dass der Ministerpräsident nicht da ist. Auf dem Bauerntag im vergangenen Jahr hat er sich zum Anwalt der Landwirte gemacht. Er sagte, er wolle sie verteidigen. Es wäre wunderbar, wenn der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein auch jemand wäre, der die Zukunft mitgestaltet und sich an die Seite der Niedersächsischen Landesregierung stellt, um dieses Label im Bundesrat auf den Weg zu bringen.

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Wir wollen eine flächengebundene Nutztierhaltung, ein Mehr an Tierwohl, eine deutliche Begrenzung der Tiertransporte und einen unmissverständlichen Herkunftsnachweis sowohl für Frischfleisch als auch für verarbeitete Lebensmittel, auch in der Gastronomie, der Kantine und der Mensa.

Wir müssen die Landwirtschaft bei der Neuausrichtung hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft ökologisch verträglich, sozial gerecht, ökonomisch

(Präsident Klaus Schlie)

rentabel - unterstützen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Die Konzentration in der Fleischindustrie, der Ernährungsindustrie und im Lebensmitteleinzelhandel hat dazu geführt, dass niedrigste Preise über alles entscheiden. Die Gesellschaft aber will eine klimaverträgliche, am Tierwohl orientierte Landwirtschaft. Viele Bauern wollen nachhaltig wirtschaften. Dafür brauchen sie auch faire Preise.

(Beifall SPD)

Also müssen sich doch Verbraucher und Landwirtschaft gemeinsam gegen die Macht von Industrie und Handel stellen und sich dafür stark machen, dass mehr Leistung auf den Höfen auch honoriert wird.

Hier im Landtag sind Beschlüsse gefasst worden, die in die richtige Richtung weisen: 2014 - auf Initiative der Küstenkoalition - für eine transparente und verbraucherfreundliche Kennzeichnung von Herkunft und Haltungsformen und im April 2018 - auf Antrag von Jamaika -, sich auf Bundes- und EUEbene für eine Kennzeichnung einzusetzen. Leider fehlen dem Ministerium der Wille, die Kraft oder die Zeit, diese Initiativen umzusetzen oder sich mit der nötigen Vehemenz dafür einzusetzen.

Es ist höchste Zeit! Daher fordern wir ein verpflichtendes staatliches Tierwohllabel für alle Nutztierund Haltungsarten und endlich eine Landesinitiative zur Umsetzung der nationalen Nutztierstrategie.

(Beifall SPD und SSW)

Dabei geht es um Wissenschaft, Forschung, Entwicklung, begleitende Förderinitiativen und ein Finanzierungsmodell. Bisher hat der Minister den Dialogprozess „Zukunft der Landwirtschaft“ initiiert. Da werden jetzt in kleineren Kreisen Thesen zur Zukunft der Landwirtschaft 2040 entworfen. Herr Minister, 2040? Das ist zu spät! Dann ist es für viele Betriebe hier in Schleswig-Holstein einfach vorbei. Wir müssen jetzt etwas tun. Die Möglichkeiten, die Instrumente dafür, liegen auf dem Tisch. Wir müssen sie ergreifen und konsequent nutzen, und wir müssen hier damit anfangen.

Herr Minister, für viele sind Sie Hoffnungsträger, für die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein - das ist mein Eindruck - leider nicht. - Danke.

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Heiner Rickers.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen! Liebe Frau Eickhoff-Weber, leider haben Sie von Marktwirtschaft nicht einmal die Grundbegriffe verstanden. Sie wissen nicht, wie es heute in der Wirtschaft läuft. Von diesen Entwicklungen sind natürlich in hohem Maße auch die Ernährungswirtschaft und die gesamte Landwirtschaft betroffen.

Wir befinden uns im Wettbewerb. Wir können feststellen, dass die deutsche Fleischproduktion weltweit geschätzt wird. Das sehen wir auch am Export nach China. Die Produkte werden uns aus den Händen gerissen. Ich mache es am Beispiel der Schweinehaltung fest. Das System der Schweineproduktion und -schlachtung lebt vom sogenannten fünften Viertel. Das fünfte Viertel ist das, was wir auf dem deutschen und dem gesamten europäischen Markt nicht verwerten können, weil unsere Verbraucheransprüche so sind, wie sie sind. Fette Stücke und Knorpelplatten werden hier kaum abgesetzt, aber in Fernost durchaus genutzt; sie können für gutes Geld dorthin verkauft werden. Und schon sind wir wieder beim Thema Wettbewerb. Dessen Bedeutung sollten wir nicht ausblenden.

Was ist nun problematisch? Ich will Ihnen dazu ein weiteres Beispiel nennen. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass der Wissenschaftliche Beirat Agrarpolitik der Bundesregierung bereits 2014 erste Ergebnisse vorgelegt hat. Schon damals ist das Dilemma offen diskutiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Wenn die Bundesbürger im Durchschnitt 60 kg Fleisch pro Person und Jahr verbrauchen, dann würde das Fleisch, wenn der Preis um 50 Cent pro Kilogramm stiege, um 30 € pro Jahr teurer. Das würde wohl niemanden von uns belasten; darin stimmen Sie mir sicherlich alle zu. Wir alle würden nicken und sagen: Natürlich sind wir dafür, 30 € pro Jahr mehr dafür auszugeben, dass es den Tieren gut geht und dass die Umweltstandards eingehalten werden!

Den Tieren sollte es übrigens nicht nur so gut gehen, dass sie Leistung bringen; sie sollten sich tatsächlich wohlfühlen und ihrem natürlichen Verhalten folgen können. Dazu gehört es, dass die Boxen so ausgestattet sind, dass die Tiere schlafen, essen, koten und sich bis zu einem gewissen Grad auch frei bewegen können, etwa um zu spielen. Wenn dem so wäre, würde sicherlich nicht nur ich sagen:

(Kirsten Eickhoff-Weber)

Richtig! Wir haben das Problem erkannt. 30 € pro Person und Jahr? Das kann wohl das Problem nicht sein!

Aber: Wenn wir das in Deutschland im Alleingang und auf freiwilliger Basis umsetzen wollten, würde dies vermutlich an der Ladentheke scheitern. Die großen Discounter würden morgen im Nachbarland einkaufen, weil es dort durchaus billigere Ware gibt, die unter Standards hergestellt wurden, die wir bei uns nicht haben wollen. Wir würden die Produktion ins Ausland verlagern. Damit wäre dem Tier nicht gedient, damit wäre den Bauern nicht gedient, und damit wäre letztendlich auch nicht der Wirtschaft und uns, den Verbrauchern, gedient. Das können wir allen Ernstes nicht wollen.

Also müssen wir eine Lösung finden. Diese Lösung kann nur heißen: Wir müssen eine Strategie aufstellen. Wollen wir den Wettbewerb international langfristig bedienen, oder wollen wir das, was unsere Gesellschaft will: mehr Tierwohl?

Ich habe bereits angesprochen, dass das natürlich Geld kostet. Beim Schweinefleisch wäre es so, dass der Erzeuger nicht nur 1,80 € je Kilo Schweinefleisch haben müsste, sondern durchaus 2,50 €. Da sind wir wieder bei diesen 30 € pro Fleisch essendem Bürger und Jahr. Kein Problem, würden wir sagen; aber freiwillig wird das nicht umgesetzt werden.

Also brauchen wir ein staatliches Tierwohllabel. Da kommt das Wettbewerbsrecht der EU ins Spiel. Wenn wir es in Deutschland machen würden - das wissen Sie -, würde die Kommission sofort Einspruch erheben; denn Deutschland darf sich nicht abschotten. Sie kennen das. EU-Recht würde das nicht hergeben. Also kann der erste Schritt nur ein freiwilliges Tierwohllabel sein, und zwar nicht nur in der Kennzeichnung, sondern auch in der Umsetzung der Haltungsbedingungen.

Der wissenschaftliche Beirat hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das Milliarden kosten wird, und zwar Milliarden jedes Jahr. Wenn wir nur eine Milliarde € nehmen würden, dann wären wir schon wieder bei diesen 30 € pro Person und Jahr in Deutschland.

Wir müssen uns entscheiden - auch da gebe ich Ihnen nur ein Stück weit recht -: Politik muss Rahmenbedingungen setzen, und Politik muss am Ende auch mutig sein.

Deswegen ist der Appell der CDU, dass als erster Schritt ein freiwilliges Tierwohllabel kommen muss mit der Umsetzung besserer Haltungsbedingungen

für das Tierwohl. In einem zweiten Schritt muss es um die Umsetzung auf EU-Ebene gehen, damit nicht die Konkurrenz morgen unseren Markt billig aus dem Ausland bedient.

(Beifall CDU)

Lassen Sie mich in aller Kürze noch etwas zu dem zweiten Thema dieses Tagesordnungspunktes sagen. Da geht es ja um Rinderexport in Drittlandstaaten mit schwierigem Tierschutz. Darüber haben wir hier schon einmal diskutiert. Beim letzten Mal vielleicht können Sie sich daran noch erinnern - habe ich gefragt: Wo ist das Problem? Es gibt 2.000 exportierte hochwertige und teure Zuchtrinder in Drittstaaten außerhalb der EU.

Der Käufer muss doch, weil er sehr viel Geld dafür bezahlt, darauf achten, dass die Tiere auch wohlbehalten am Zielort ankommen. Das tut er natürlich auch. Aber die Anhörung hat ergeben, dass trotz aller Beteuerungen im System durchaus Missstände aufzuzeigen und aufzudecken sind. So werden Kontrollstationen nicht angefahren, es wird nicht abgeladen, es werden keine Pausen eingehalten, und es wird zum Teil auch nicht getränkt und gefüttert. Bei all diesen Problemen müssen wir für Verbesserungen sorgen.

Da wir uns darüber einig sind, haben wir einen Alternativantrag vorgelegt; der Ausschussvorsitzende hat bereits darauf hingewiesen. In unserem Alternativantrag in dem Umdruck 19/2631 bringen wir zum Ausdruck, dass auch wir in Schleswig-Holstein langfristig dafür sorgen müssen, dass es dem Tier nicht nur beim Transport in die Drittstaaten gut geht, sondern dass auch im Drittland gewährleistet wird, dass die Haltungsbedingungen stimmen und vor allem auch die Bedingungen bei der Schlachtung den Tierschutzstandards, wie wir sie in Deutschland und Schleswig-Holstein erwarten, entsprechen. Darauf zielt unser Antrag ab.

(Beifall CDU und Oliver Kumbartzky [FDP])

Insofern ist er der weitergehende Antrag. Stimmen Sie unserem Antrag zu. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat zu seiner ersten Rede im SchleswigHolsteinischen Landtag der Abgeordnete Joschka Knuth.

(Heiner Rickers)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass ich jetzt das Vergnügen habe, hier meine erste Rede halten zu dürfen.

Auch wenn wir jetzt einmal mehr im weitesten Sinne über ein bundespolitisches Thema reden, hoffe ich doch, dass wir ein wenig klüger aus der Debatte herauskommen als heute Vormittag.

Nichtsdestotrotz komme ich nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass der Vorschlag des BML, der hier ebenfalls schon zur Debatte gestellt worden ist, nämlich ein freiwilliges Label - man höre gut zu nur für Schweine einzuführen, die Realitäten am Markt total verkennt. Außerdem verkennt er die Wirkungslogiken von Labels. Denn er ist von vornherein so ausgestaltet, dass das Label zum Scheitern verdammt ist.

Umso erfreulicher ist es - ich freue mich, darauf hinweisen zu können -, dass wir als Landtag hier mit gutem Beispiel vorangehen. Erst im vergangenen Jahr hat dieses Plenum über exakt das gleiche Thema beraten, damals unter dem Titel Haltungskennzeichnung, und dabei hat dieses Haus auch einen Antrag der Jamaika-Koalition mit deutlicher Mehrheit angenommen.

Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, aus der Drucksache 19/676. Danach hat der Landtag, eine „klare, obligatorische Kennzeichnung der Haltungssysteme bei Fleisch- und Milchprodukten“ gefordert. Und weiter:

„Das Kennzeichnungssystem sollte vergleichbar der bereits EU-weit bestehenden Kennzeichnungspflicht von Eiern vierstufig sein.“

Das bedeutet, dass wir uns als Landtag bereits für eine obligatorische Kennzeichnung ausgesprochen haben. Wir haben uns ferner ausgesprochen für ein konkretes Kennzeichnungsmodell, ein Modell, das in der Vergangenheit in der Hühnerhaltung seine Wirksamkeit am Markt bereits bewiesen hat.

Uns als Grünen - da verrate ich Ihnen kein Geheimnis - ist es ein besonderes Anliegen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage versetzt werden, auch auf Basis von leicht verständlichen Informationen ihre Kaufentscheidung zu treffen.