Protocol of the Session on May 16, 2019

Ausstattung. Aber - wie gesagt -: Es geht nicht nur um Geld.

Diese Erfahrung, die auch andere Schulen gemacht haben und die mittlerweile auch wissenschaftlicher Konsens ist, nehmen wir uns bei der Umsetzung des Bildungsbonus sehr zu Herzen. Ein wichtiger Partner dabei ist die Wübbe Stiftung, die Schulleitungen aller PerspektivSchulen auf dem Weg der kommenden fünf Jahren begleiten wird und auch selber einen bemerkenswerten Beitrag - auch das sei an diesem Ort einmal gesagt -, nämlich 1 Million €, in die Hand nimmt, um die Schulleitungen darin zu schulen, eine bessere Schulentwicklung zu machen. Dafür gilt dieser Stiftung unser Dank.

Daneben wird das IQSH umfangreiche Fortbildungsangebote für Lehrkräfte an den PerspektivSchulen anbieten und die Schulen bei der Entwicklung von Konzepten und Maßnahmen unterstützen. Auch Vernetzungsarbeit in den Quartieren und Stadtteilen wird ein wichtiges Element des Programms sein. Das heißt, es profitieren am Ende nicht nur die PerspektivSchulen selber, sondern auch das Umfeld. Das ist ein sehr, sehr wichtiger Ansatz, darum geht es, am Ende echte Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche an diesen Schulen zu erreichen. Dafür muss es im Netzwerk mit vielen Partnern wie Kindergärten, Jugendämtern, Schulträgern, Jugendeinrichtungen und Nachbarschulen - leider gelegentlich auch der Polizei gelingen, dass die PerspektivSchulen am Ende erfolgreich sein werden. Das ist ein gutes Modell.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Aber natürlich geht es auch um Geld. Dabei entscheiden wir uns bewusst gegen die Gießkanne und verteilen das Geld so, dass es dort ankommt, wo es am dringendsten gebraucht wird. Die ersten 20 Schulen werden allein 25,5 Millionen € aus dem Programm zur Verfügung gestellt bekommen. Im Durchschnitt ist es also die große Summe von 1,3 Millionen € pro Schule. Die Schulen bekommen große Freiheitsgrade, mit Konzepten selber darüber zu entscheiden, wofür dieses Geld verwendet wird. Zusätzliche Lehrkräfte, Sozialpädagogen, Schulpsychologen oder Projekte mit weiteren Bildungspartnern - ein paar sind schon aufgelistet worden sind dadurch möglich.

Am Anfang gab es Kritik an dem Plan, die Auswahl der Schulen über einen Sozialindex vorzunehmen. Man hat gesagt, die Ergebnisse wären erwartbar, und das sei eine unnötige Arbeit, die den Beginn des Bildungsbonus ergebnislos nach hinten verschieben würde. Am Anfang war ich selbst auch et

was skeptisch. Aber ich glaube, mittlerweile wissen wir, dass dieser Weg genau richtig war. Wir haben wissenschaftlich fundiert - die Schulen mit der größten Belastung identifiziert und sie untereinander gerankt. Dabei ist die eine oder andere Überraschung herausgekommen: Ich glaube nicht, dass jeder von Ihnen erwartet hätte, dass auch Schulen in Rendsburg, Husum oder Geesthacht von Beginn an von diesem Programm profitieren würden.

Gerade in Kiel haben wir einen ganz besonders traurigen Befund. Das möchte ich gerade als Kieler Abgeordneter an dieser Stelle sagen. Mit diesem Befund muss sich auch die Kieler Kommunalpolitik beschäftigen: 9 von 20 Schulen sind in der Landeshauptstadt Kiel PerspektivSchulen. Alle Schulen liegen in den Stadtteilen Gaarden und Mettenhof. Kein Schulname hat mich überrascht. Als ich allerdings die Liste der PerspektivSchulen das erste Mal gesehen habe, war ich überrascht, wie viele davon in Kiel liegen.

Ich habe diese Woche an der Kieler Kinderarmutskonferenz teilgenommen, die regelmäßig in Kiel stattfindet. Ich finde es wichtig festzuhalten, dass Kiel zu den elf Städten und Regionen in Deutschland mit der höchsten Kinderarmut gehört. In den Brennpunkten - ich habe sie gerade genannt - sind 60 % der Kinder auf Hartz IV und Sozialgeld angewiesen. Man kann sagen, Kiel ist in diesem Kontext zumindest in Schleswig-Holstein Hauptstadt der Kinderarmut. Die soziale Segregation ist so hoch wie in kaum einer anderen Stadt in der Bundesrepublik. Richtig ist, dass die Stadt in der Vergangenheit viel getan hat, um gegenzusteuern. Aber wir haben hier - das finde ich auch bei der landesweiten Beobachtung einen sehr, sehr wichtigen Punkt - eine besondere Problemlage. Der Bildungsbonus wird dabei helfen, gerade diese besonderen Problemlagen zu unterstützen, vielleicht auch neue Unterstützungsformen zu finden, neu zu denken und neue Konzepte auf den Weg zu bringen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Es ist mir an dieser Stelle ein wichtiges Anliegen, das für Kiel festzustellen.

In Kiel, aber auch in allen anderen Städten, die von diesen Programmen profitieren werden, wünsche ich mir einen Zusammenschluss von Schulen, Schulträgern, Kommunen und anderen Akteuren, dass wir gemeinsam an diesem Programm arbeiten und daraus wirklich etwas Großartiges machen. Die Chancen zu ergreifen, um die Lebensperspektiven von Kindern zu verbessern, das ist unser Ziel. Das

(Tobias Loose)

können wir in Problemquartieren im ganzen Land signifikant tun. Ich glaube, es war lange überfällig, so ein Programm auf den Weg zu bringen. Es ist gut, dass wir das jetzt haben, und so sollten wir das positiv begleiten. - Danke, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Martin Habersaat das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Meine Damen und Herren! Das hätte fast ein Auftakt in den Kieler Oberbürgermeisterwahlkampf sein können.

(Tobias Loose [CDU]: Das können Sie dem ja mal erklären, dass das richtig ist!)

- Herr Loose, dass das Ergebnis einer solchen Studie ist, dass sich in großen Städten Probleme sammeln, sie dort vermehrt auftreten, ist für die meisten hier gar keine so große Überraschung.

(Werner Kalinka [CDU]: Das ist überall so!)

- In der Tat ist es in allen großen Städten so, dass sich in bestimmten Stadtteilen die Probleme ballen. Wenn man darüber einmal nachdenken möchte, wäre dafür beispielsweise eine Landesentwicklungsstrategie ein gar nicht so schlechter Ort gewesen.

(Vereinzelter Beifall SPD - Zurufe CDU und FDP)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Loose?

Ich habe versucht, es deutlich zu machen. Ich glaube, wir teilen alle den Befund, dass sich soziale Probleme in Städten ballen. Ich finde es aber schon bemerkenswert, da wir im Land zwei große Städte mit ähnlich vielen Einwohnern und ähnlichen Strukturen, was Wirtschafts- und Sozialdaten angeht, haben, nämlich Lübeck und Kiel, dass die eine Stadt wenig von diesen PerspektivSchulen hat, zwei, und die andere neun. Das muss man dann auch einmal

so deutlich sagen: Kiel hat da eine ganz besondere Lage. Das hat auch Gründe, selbstverständlich. Ich sage auch nicht, dass allein die Kommunalpolitik dafür verantwortlich ist, aber wir scheinen in Mettenhof und Gaarden eine Problemlage zu haben, die bundesweit einmalig ist. Das muss man auch nicht damit kleinreden, dass das im städtischen Raum normal sei, denn das ist etwas Besonderes, was wir hier in Kiel haben.

(Vereinzelter Beifall CDU, FDP und Beifall Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

- Herr Kollege, was die Problemlage angeht, um die man sich kümmern müsste, teilen wir Ihre Auffassung; aber die Auffassung, dass das bundesweit einmalig sei, teilen wir nicht.

Ich will aber einmal versöhnlich anfangen: Der Bildungsbonus kommt in Kürze, und das ist gut. Das kann man als Opposition auch einmal loben. Deshalb habe ich Ihnen viermal Lob mitgebracht. In der Folge müssen Sie dann aber auch viermal Tadel - ich nenne das einmal so, für die Jamaika-Pädagogik ist das ganz passend - ertragen.

(Tobias Loose [CDU]: Sie sind ja Lehrer!)

Der wichtigste positive Punkt ist: Es gibt eine einheitliche Meinung hier im Haus, dass es dringend erforderlich ist, den Schulen in besonderen Problemlagen zu helfen. Jetzt geht es damit endlich los. - Herzlichen Glückwunsch, das ist gut so!

(Vereinzelter Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Der zweite Punkt, der mich sehr gefreut hat, ist, dass es in der Handreichung des Ministeriums unter anderem auch darum geht, eine engere Verknüpfung von Vormittagsunterricht und Ganztagsschulangeboten zu schaffen. Das bezieht sich zunächst nur auf die PerspektivSchulen und muss sich langfristig auf alle Schulen erstrecken, aber ich glaube, hier haben wir den Einstieg in einen Bereich gemacht, der uns in den kommenden Monaten und Jahren noch intensiv beschäftigen wird.

Der dritte Punkt, der mich sehr gefreut hat, ist, dass das Bildungsministerium in den Handreichungen schreibt, es gebe drei Ziele von Schulentwicklung in Schleswig-Holstein, und diese Ziele - das bezieht sich auf wissenschaftliche Aussagen - seien Leistung, Chancengleichheit und Wohlbefinden. Dass auch Wohlbefinden und Chancengleichheit zu den Zielen von Schule gehören, war nicht immer Kon

(Tobias Loose)

sens in diesem Hause. Insofern freue ich mich über diesen Schritt nach vorn.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und Beifall Ines Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Wenn wir davon ausgehen, dass das drei wichtige Ziele sind, dann müssen wir verstärkt auf die Themen Schrägversetzung und Sitzenbleiben schauen. Die haben nämlich Auswirkungen auf Leistungsvermögen und Wohlbefinden.

Das Vierte ist, dass wir schließlich und endlich einen Ton in der Debatte und in den Veranstaltungen haben, der deutlich macht: Ja, da gibt es Schulen mit besonderen Herausforderungen, und diesen Schulen helfen wir. - Zwischendurch war von Failed Schools und dergleichen die Rede. Das hat mir nicht gefallen. Zwischendurch war davon die Rede, dass Schulen untereinander in einen Wettbewerb treten, ob sie Hilfe bekommen. Das ist alles weg. Jetzt finde ich den Ton absolut in Ordnung, und in dem Sinne sollten wir weiterarbeiten.

Eher neutral stehe ich zu dem immer wieder vorgetragenen Selbstlob der Jamaika-Koalition, Schleswig-Holstein sei nun das erste Flächenland, das so etwas auf den Weg bringe. Die Ministerin hat selbst Nordrhein-Westfalen erwähnt, da gibt es 60 sogenannte Talentschulen. Nach meiner Wahrnehmung ist es zumindest ein weiteres Flächenland, was sich damit befasst. Ich verstehe auch nicht, warum es in Flächenländern grundsätzlich schwieriger sein soll als in Stadtstaaten, mit dem Thema zu starten. Nach unserem eingehenden Austausch hier müsste man eher vermuten, dass Stadtstaaten in der Hinsicht größere Probleme haben als Flächenländer. Aber wenn Ihnen das so wichtig ist: erstes westdeutsches Flächenland mit „S“. Jetzt kann sich das Saarland mal warm anziehen, meine Damen und Herren!

(Stephan Holowaty [FDP]: Sachsen auch! - Dennys Bornhöft [FDP]: Flächenland in Westdeutschland!)

- Westdeutschland, Herr Kollege, wir schauen bei Gelegenheit noch einmal nach.

(Lars Harms [SSW]: Bildung unter Jamaika! - Heiterkeit)

Jetzt gibt es aber auch Punkte - und das ist gar nicht ausschließlich Schuld der Landesregierung -, die an dem vorliegenden Programm zu kritisieren sind. Das Erste ist, dass wir gemeinsam mit der Idee und dem Ziel gestartet waren, einen sozialräumlichen Index zu schaffen, um zu schauen, wo Schulen, die tatsächlich Hilfe brauchen, in sozial-räumlich

schwierigen Gebieten liegen. Das ging nicht, weil die Daten, die wir dazu gebraucht hätten, nicht zu bekommen waren. Das war für mich überraschend, weil ich der Auffassung war, dass es im Innenministerium teilweise Förderprogramme gibt, die sich auf bestimmte Stadtteile beziehen, die sich wiederum genau auf diese Daten fokussieren. Aber ich glaube, dafür kann man in den nächsten Monaten und Jahren eine Lösung finden.

Der zweite Punkt, der aus meiner Sicht verbesserungswürdig ist, ist die Tatsache, dass es jetzt nicht eine Liste mit PerspektivSchulen gibt, sondern drei Listen. Es gibt eine Liste für Grundschulen, eine Liste für Gemeinschaftsschulen, eine Liste für Gymnasien. Es gibt dann die Entscheidung, vermutlich sehr zu Recht: Gymnasien tauchen da nicht auf. Es sind neun Grundschulen und elf Gemeinschaftsschulen. Eine gemeinsame Liste wäre aus meiner Sicht besser gewesen.

Der dritte Punkt ist, dass es jetzt eine befristete Hilfe ist und dass wir im Bildungswesen wieder befristete Stellen schaffen. Meine Damen und Herren von CDU und FDP: Gerade die Schulassistentinnen und Schulassistenten, die in den Kommunen befristet beschäftigt sind, sind befristet beschäftigt wegen Ihrer Aussage, das möglicherweise nicht dauerhaft finanzieren zu wollen. Im Digitalpakt deutet sich auch wieder die befristete Beschäftigung von Menschen an.

Jetzt mit diesem Bildungsbonusprogramm auch wieder befristete Beschäftigung neu im Bildungsbereich anzufangen, ist gerade vor dem Hintergrund, dass Wohlbefinden und Leistungsgerechtigkeit wichtige Rollen spielen, aus meiner Sicht nicht zielführend.

Der vierte Kritikpunkt ist: Wenn wir einmal vergleichen, was teilweise in Hamburg an zweistelligen Stellenzahlen pro Schule bewegt wird, stellen wir fest, in Schleswig-Holstein ist das zwar ein Anfang, aber eher ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wichtig für mich: Der Anfang ist gemacht, der Sozialindex braucht Sozialraumdaten und Schluss mit Befristungen im Bildungsbereich. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zurufe - Heiterkeit)