Protocol of the Session on May 15, 2019

Aber Sie verkennen, jedenfalls diejenigen, die die Enteignung befürworten, dass wir bereits Instrumente haben, um solchen Fehlentwicklungen entgegenzuarbeiten. Man muss sie nur nutzen. Da sind vor allem die Kommunen gefragt.

(Beifall FDP und CDU)

Noch ein Punkt: Niemand leugnet, dass gerade bei Wohnungen der Sozialbindung des Eigentums eine herausragende Bedeutung zukommt. Das wird hier von niemandem infrage gestellt. Aber Sozialbindung ist eben keine Rechtfertigung für eine Enteignung.

(Beifall FDP und CDU)

Mit der heute in das Parlament eingebrachten Reform der Landesbauordnung werden wir die Nachverdichtung in den Orten Schleswig-Holsteins erleichtern und neue Potenziale für mehr Wohnraum in Schleswig-Holstein erschließen, insbesondere durch die Aufstockungen und Dachausbauten, die wir vereinfachen wollen.

Das gelingt uns, indem wir beispielsweise den Holzabbau erleichtern und teure Nachrüstungspflichten beseitigen. Außerdem wollen wir die Möglichkeit, Abstandsflächen - diese nehmen ja mit der Größe eines Gebäudes zu - zu verkleinern, um hier Gestaltungsspielräume zu erschließen.

(Dr. Andreas Tietze)

Der Gesetzentwurf sieht hier nämlich entsprechende Ausnahmereglungen vor. Diese sollten wir den Kommunen ermöglichen, um den Wohnungsbau auf kommunaler Ebene zu befördern.

(Beifall FDP und CDU)

Mit der Reform der Landesbauordnung wollen wir daher auch ein Signal setzen, dass Investitionen privater Unternehmen in Schleswig-Holstein nach wie vor willkommen sind und von Enteignungen, wenn sie die Sozialbindung des Eigentums achten, nicht bedroht sein werden.

Wir werden alles daran setzen, die Rahmenbedingungen zu verbessern; flächendeckende Enteignungen lehnen wir schlicht ab. Sie sind kontraproduktiv.

(Beifall FDP und CDU)

Das wird nicht die letzte Reform der Landesbauordnung sein; Sie alle wissen, dass wir über eine Musterbauordnung auf Bundesebene sprechen. Es wird weitere Reformen geben müssen. Auch daran werden wir uns pragmatisch und zielorientiert beteiligen.

(Beifall FDP und CDU)

Wir hoffen auf breite Zustimmung zu unserem Entwurf. Wir werden ihn im Anhörungsverfahren weiter erörtern. Wir sind davon überzeugt, dass wir damit Maßnahmen zur Verfügung stellen, die den Wohnungsbau beschleunigen und befördern werden. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat die Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.

(Jette Waldinger-Thiering [SSW]: Ich kann auch was dazu sagen!)

Ich sehe, dass sich die Kollegen des SSW geeinigt haben. Das Wort hat der Abgeordnete Lars Harms.

Das war ein netter Versuch. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Schleswig-Holsteiner erwarten von der Politik klare Signale, erwarten, dass sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt deutlich verbessern wird. Gerade in den großen Städten fehlt es an bezahlbaren Wohnungen für junge Familien,

Auszubildende, Studenten, Rentner und Alleinerziehende.

Wer beispielsweise in Flensburg nach dem Auszug der Kinder in eine kleinere Wohnung ziehen möchte, bezahlt dafür manchmal mehr als für die derzeitige Wohnung. Die Mieten steigen, weil die Nachfrage riesig ist. Da ist einiges in Schieflage geraten. Das wird eine entschlackte Landesbauordnung - zumindest nicht allein - leider nicht richten können. Aber der vorliegende Gesetzentwurf ist zumindest ein guter Anfang.

Die Erstellung und Ertüchtigung von Wohnraum ist dem SSW eine Herzensangelegenheit. Spekulanten, aber auch unangemeldete Ferienwohnungen werden mit einer entschlackten Bauverordnung kaum zur Verantwortung gezogen, ebenso wenig wie skrupellose Vermietungsfirmen, die nur auf den Profit schielen und die Mieten unheimlich verteuern. Die Kreditvergabe der Banken wird sich ebenso wenig ändern wie die Kommunen motiviert werden, günstiges Bauland unter anderem via Erbpacht zu vergeben. Viele Faktoren des Mangels werden also noch immer links liegen gelassen.

Vieles läuft schief. Ich beziehe mich dabei nicht nur auf die Baukosten; die Kosten öffentlicher Bauvorhaben erhöhen sich inzwischen regelmäßig. Zuletzt war dies der Fall beim Bau der Schule in FlensburgRamsharde, die 20 % teurer wird als ursprünglich geplant. Alle Kommunen können ein Lied davon singen. Manche Kommunen geht zwischenzeitlich auch finanziell die Puste aus. Das gilt natürlich auch für private und genossenschaftliche Bauherren.

Hinzu kommen die Baunebenkosten, die unter anderem durch statische Prüfungen verursacht werden, und die in nie gekannte Höhen steigen. Der Flensburger Arbeiter-Bauverein beklagt für seinen Neubau am Sandberg einen Anteil von 25 % Nebenkosten. Jeder vierte Euro muss dafür in die Hand genommen werden, also nicht für Steine und Beton, sondern für Papier, das noch vor dem Bau erstellt werden muss.

(Beifall SSW und vereinzelt CDU)

Das sind die Blüten eines überregulierten Bauens.

(Beifall FDP)

Genau da will die Landesbauordnung jetzt ansetzen. Das Signal ist also absolut richtig. Das allgemeine bauaufsichtliche Prüfungszeugnis kann nach dem Entwurf genehmigungsfrei werden, wenn auch nur im Einzelfall. Außerdem werden die Sachkundeanforderungen transparenter und etwas entrüm

(Jan Marcus Rossa)

pelt. Weitere Schritte sind aber durchaus denkbar. Vielleicht kommen wir noch auf einige, wenn wir die Ausschussberatung haben.

Typengenehmigungen sind ein guter Weg. Eine Begrenzung auf fünf Jahre erscheint mir richtig, aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass man danach möglicherweise zu dem Schluss kommt, dass man diese auch beibehalten kann. Diese und andere Regelungen dienen dem schnelleren Bauen. In Hamburg kann man die Erfolge sehen. Dort entstehen Mehrfamilienhäuser in Typenbauweise, die schnell vielen Menschen bezahlbaren Wohnraum ermöglichen. Es gibt durchaus ernstzunehmende ästhetische Bedenken gegen die gleichförmige Baugestaltung. Allerdings zeigt die zügige Vermietung, dass das für die Familien, die ein preiswertes Dach über dem Kopf gefunden haben, nur eine untergeordnete Rolle spielt, vor allem, wenn die Grünanlagen fantasievoll gestaltet sind. Die Erfahrung lehrt allerdings, dass Papier geduldig ist. Auch der Gesetzesvollzug muss nämlich stimmen.

Ich wünschte mir überall kooperative Bauverwaltungen, die zusammen mit den Bauherren die Projekte umsetzen. Stattdessen erlebt man auch in Schleswig-Holstein allzu oft Verantwortungsverflüchtigung und Dienst nach Vorschrift. Wie sich Engpässe in der Verwaltung bremsend auswirken können, konnten wir mittels einer Kleinen Anfrage zum Kampfmittelräumdienst in Erfahrung bringen: Der Kampfmittelräumdienst kann den Baubeginn locker um bis zu 20 Wochen verzögern, weil einfach nicht genug Personal da ist. Das ist ein Bremsklotz, der seinesgleichen sucht, vor allem, wenn er bei Erweiterungsbauten, also auf grundsätzlich vorgeprüftem Grund, genauso gilt wie für Neubauten. Auch da sollten wir vielleicht noch einmal schauen, ob wir nicht etwas in die Landesbauordnung einbauen können, was entschlackt werden kann.

Jeder hat an seinem Schreibtisch als Beamter und Angestellter im öffentlichen Dienst die richtige und gesetzlich vorgeschriebene Entscheidung getroffen. Doch in der Gesamtheit aller Entscheidungen wird ein Neubau im schlimmsten Fall über ein Jahr und länger verzögert. Das wird wohl auch mit der neuen Bauordnung auf längere Zeit so bleiben. Deshalb muss sich in der Kultur in den Verwaltungen etwas ändern. Ich bin der Ansicht, dass wir sehr genau hinschauen müssen, was die neue Bauordnung bringen kann. Werden die neuen Typengenehmigungen tatsächlich von jedem kommunalen Bauamt so gehandhabt werden, wie es das Gesetz vorsieht, oder gibt es dann doch wieder neue Bedenken? Werden durch die Kommunen wieder neue Auflagen erlas

sen, die das Bauen wieder erschweren? All das müssen wir diskutieren und das Ganze im Auge behalten.

Die neue Bauordnung ist richtig, aber sie muss vor Ort kreativ umgesetzt werden. Das bedeutet, dass wir immer wieder mit der kommunalen Ebene in Kontakt treten müssen, um sie dazu zu bewegen, nicht so viele Sondervorschriften zu erlassen, die das Bauen erschweren und vor allen Dingen dann die Mietpreise wieder erhöhen. Ich kenne genossenschaftliche Baumaßnahmen in überschaubar wichtigen Städten, um nicht meine eigene Heimatstadt zu nennen, wo man für genossenschaftliches Bauen zwischen 800 € und 1.000 € Kaltmiete bezahlen muss, weil die Auflagen so hoch und die Regeln so kompliziert waren, dass Bauen billiger nicht mehr möglich war. Das sollten wir verhindern. Auch das ist eine wichtige Aufgabe der Politik. - Vielen Dank.

(Beifall SSW)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Jörg Nobis.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Gäste! Die Landesbauordnung regelt nicht nur das Bauen von Wohnungen oder Mietwohnungen, sondern noch viel mehr. Wenn wir uns diese schon vornehmen, kann man da vielleicht noch mehr entschlacken. Herr Harms hat es gesagt. Es mutet wirklich skurril an, wenn man für ein Gartenhaus mit 30 m3 Raum eine Baugenehmigung braucht, aber zukünftig nach Gesetz bis zu 22 m hoch fast bis an die Hochhausgrenze ohne Baugenehmigung bauen kann. Vielleicht können wir noch einige alte Zöpfe, die in der Landesbauordnung stehen, rausstreichen; denn in vielen anderen Flächenländern - Bayern, Brandenburg - gelten ganz andere Größen für Gartenhäuser. Die helfen nicht auf dem Wohnungsmarkt. Das ist völlig klar.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So ein großes Haus ist das nicht, 30 m3 umbauter Raum. Vielleicht können wir da eine andere Richtschnur ansetzen, sodass man ein Gartenhaus ohne Baugenehmigung bauen kann. Das wäre auch schön. - Danke.

(Beifall AfD)

(Lars Harms)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe der Debatte aufmerksam zugehört. Es gibt viele Gemeinsamkeiten, was das Thema Bauen angeht. Aber ich habe mir den Beitrag des Kollegen Rossa angehört, und der hat mich etwas ratlos gemacht. Sie haben, glaube ich, drei- oder viermal in Ihrer Rede vor flächendeckenden Enteignungen gewarnt. Ich weiß nicht, wer das fordert und was der Punkt dafür sein soll. Der Punkt ist doch: Wir wollen eine Mietpreisbremse haben. Wir wollen genossenschaftliches Bauen fördern. Wir glauben, dass die Bodenwerte vernünftig besteuert werden müssen. In der Tat, das glauben wir auch.

Für die Fälle, in denen mit der Sozialbindung Missbrauch getrieben wird, haben wir die Enteignung. Das geht nicht entschädigungslos und braucht Zeit. Das nützt ja nichts.

Vielleicht hängt aber Ihre Sorge damit zusammen, dass Ihr Parteivorsitzender vorgeschlagen hat, den Eigentumsparagrafen im Grundgesetz zu streichen. Da sind wir allerdings dagegen; denn Eigentum verpflichtet, steht im Grundgesetz. Daran sollten wir uns in der Tat halten.

(Beifall SPD)

Es gibt überhaupt keinen Grund, hier ein Gespenst an die Wand zu malen. Sie haben gesagt, niemand habe etwas gegen die Sozialbindung des Eigentums. Das ist eine kommunale Aufgabe. Ich rate Ihnen, sich einmal anzuschauen, wie sich Ihre Abgeordneten von der FDP in Kommunalvertretungen verhalten, wenn über solche Dinge abgestimmt wird, ob sie wirklich diejenigen sind, die entschlossen mit dafür sorgen, dass wir vernünftigen, bezahlbaren Wohnraum haben. In der Regel ist das nicht der Fall.

(Zuruf FDP)

Deshalb keine Dinge an die Wand malen, die es gar nicht gibt, sondern lieber konkret an Dingen mitwirken, damit Wohnen bezahlbar bleibt. Wir haben ein Marktversagen, das gravierend ist - mit rasenden Mietanstiegen für Menschen, die sich das nicht mehr leisten können. Da müssen wir etwas tun. Da ist ein handlungsfähiger Staat mit den Instrumenten gefragt, die Frau Ünsal und andere genannt haben, aber nicht solche Schreckgespenster. Sie brauchen hier nicht die Freiheit verteidigen, weil Sie glauben,