Protocol of the Session on March 6, 2019

(Zurufe)

Das ist jedenfalls so, wenn es nach manchen Befürwortern des Artikels 13 der Urheberrechtsrichtlinie geht.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Er meint euch!)

Meine Damen und Herren, das gemeinsame Europa steckt in einer tiefen Krise. Als Freier Demokrat will ich ein Europa, das Frieden, Freiheit und Grundrechte für alle Europäer sichert und schützt.

(Beifall FDP und CDU)

Genau darum geht es uns Kritikern des Artikels 13, die abwertend als Bots und Fakes bezeichnet werden - nicht mehr und nicht weniger. Denn genau die wird durch Artikel 13 in der EU-Urheberrechtsreform massiv eingeschränkt. Dieser Artikel legt einen Nebel über das Internet, wie wir es heute kennen. Das Internet lebt doch davon, dass jeder Inhalte teilen, dass sich jeder äußern kann.

(Zuruf SPD: Vorsicht!)

Statt einer für alle offenen Plattform wird das Internet durch Artikel 13 zu einem Werkzeug der automatisierten Überwachung der Nutzer. Diese Zensurinfrastruktur können Sie übrigens nicht nur einsetzen, um Urheberrechte durchzusetzen. Sie sind auch die passende Infrastruktur für gezielte und konsequente Meinungskontrolle und Überwachung. Seien wir ganz ehrlich: Bei Regierungen in Ungarn oder Polen sorgt das natürlich für eine gewisse Freude.

Ich will kein chinesisches Internet, in dem streng reglementiert ist, welche Meinung akzeptabel ist und welche nicht. Manch einer wird nun sagen, Moment, überdrehen wir das nicht. Wir zensieren

doch nur Urheberrechtsverletzungen. Upload-Filter, meine Damen und Herren, gehen weiter. Sie blockieren Zitate, Satire, Parodien, denn sie können sie als solche nicht erkennen. Solch eine Zensur ist für mich absolut inakzeptabel.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Lars Harms [SSW] und Volker Schnurrbusch [AfD])

Vielleicht mag der eine oder andere sagen, aber in der Richtlinie steht doch gar nichts von Upload-Filtern. - Nein, das tut es wortwörtlich nicht. Aber die Richtlinie ist unmissverständlich. Ohne UploadFilter funktioniert sie schlicht nicht, können die Vorschriften von den Anbietern gar nicht umgesetzt werden. Ich habe übrigens in keiner EU-Verordnung das Wort „Dieselfahrverbot“ gehört.

(Beifall FDP)

Es heißt, Start-ups seien nicht wirklich betroffen. Lesen Sie sich doch die Definitionen genau durch, wer von der Richtlinie nicht betroffen ist. „Schwammig“ ist der beste Ausdruck dafür, der mir dazu einfällt.

Viele Anbieter werden Gefahr laufen, in Haftung genommen zu werden, und sie haben keine Chance, die Anforderungen zu erfüllen. Das können nämlich nur die Großen wie YouTube oder Ähnliche.

Die großen Anbieter werden durch Upload-Filter übrigens noch größer. Automatisierte Verfahren zu programmieren, ist nicht einfach ein Mausklick, das geht nicht ohne Weiteres. Das ist teuer, das ist aufwendig, das ist fehleranfällig. Im Ergebnis werden alle Kleinen entsprechende Filterangebote von den Großen in Anspruch nehmen müssen und sich im Zweifel über YouTube und Co unterlizenzieren. Wir wissen doch, was das heißt: weniger Chancen für Kreative, eine Zementierung der Marktmacht der Großen. Da hilft auch eine dreijährige Ausnahmefrist für Start-ups gar nichts. Das ist Augenwischerei und verhindert neuen Wettbewerb, neue Ideen und neue Kreativität.

(Beifall FDP, CDU und Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich bin sehr gespannt, wie sich die SPD heute positioniert.

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Von Ralf Stegner habe ich zuletzt nur einen sehr ambivalenten Tweet zur Urheberrechtsreform gelesen, keine klare Aussage. Ich frage mich: Werden Sie heute Ihre Bundesjustizministerin und EuropaSpitzenkandidatin Katarina Barley stützen, die den

(Vizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber)

Filtern zugestimmt hat, oder werden Sie es nicht tun?

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Sie wissen aber schon, dass die CDU-Europaabgeordneten im Ausschuss zugestimmt haben? Die SPD war dagegen!)

Das Wort hat der Abgeordnete Stephan Holowaty.

Nur um das hier klarzustellen: Frau Barley hat die Bundesrepublik Deutschland bei der Abstimmung vertreten, und sie hat zugestimmt.

(Beifall FDP, CDU und Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und es ist völlig egal, ob sie nachher aus reinem Opportunismus auf die Presse zugeht und sagt, sie finde das alles nicht so gut. Sie hat Ja gesagt. Und deshalb muss ich sagen: Ich bin gerade den Kollegen von der CDU hier extrem dankbar: Wir haben ein gemeinsames Signal von Jamaika aus Schleswig-Holstein zu senden. Da ziehen wir alle an einem Strang. Deswegen interessiert mich gerade Ihre Position dazu ganz besonders.

(Beifall FDP, CDU und Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ein funktionierendes Urheberrecht ist wichtig. Das gibt es übrigens auch. Bisher gilt der Grundsatz: Notice and take down. Da gibt es in der Tat sicherlich den einen oder anderen Punkt, den man auch verbessern könnte. Aber mit diesem Artikel 13 eine entsprechende Sperr- und Zensurinfrastruktur aufzubauen, das geht aus meiner Sicht gar nicht.

Am 26. Mai 2019 ist Europawahl. Das gemeinsame Europa steckt heute in einer tiefen Krise. Europa braucht mehr Freiheit, mehr Frieden, mehr Grundrechte für Europäer. Europa braucht mehr Glaubwürdigkeit, nicht weniger, mehr Meinungsfreiheit, nicht weniger, Europa braucht Begeisterung und keine Upload-Filter! - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Volker Schnurrbusch [AfD])

Für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, Dr. Ralf Stegner, das Wort.

(Martin Habersaat [SPD]: Wir sind ge- spannt!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die aktuelle Urheberrechtsrichtlinie der Europäischen Union stammt aus dem Jahr 2001. Das mag sich für einige wie gestern anfühlen, am Maßstab der digitalen Welt gemessen ist das eher kurz nach der Steinzeit. Facebook ging 2004 an den Start, YouTube ein Jahr später, das iPhone kam 2007. Eine ganze Generation von jungen Menschen ist seitdem groß geworden, für die all diese Dinge selbstverständlich sind.

Ein Stück weit mag der Gegensatz die Debatte erklären, die wir in den vergangenen Wochen erlebt haben: Für die einen sind die geplanten Neuregelungen zum Europäischen Urheberrecht Selbstverständlichkeiten, die Kulturschaffende vor drohender Anarchie im Internet schützen sollen, für die anderen ein Frontalangriff auf das freie Netz. Beides ist pauschal. Selbstverständlich müssen sich Kulturschaffende darauf verlassen können, dass ihre Ansprüche geschützt werden. Aber es ist mindestens genauso wichtig, das Internet als Raum des Kreativen zu schützen. Beides muss Politik in Einklang bringen. Upload-Filter sind bereits heute bei Netzwerken wie YouTube oder Facebook Realität, wohlgemerkt: freiwillige Filter. Angesichts von 400 Stunden Videomaterial, das in jeder Minute bei YouTube hochgeladen wird, ist eine rein menschliche Kontrolle längst Utopie. Das gehört zur Ehrlichkeit in der Debatte übrigens dazu.

Die jetzt vorgesehene Neuregelung nimmt die großen Anbieter und nicht die kleinen, nicht kommerziellen Blogs in den Fokus. Das ist grundsätzlich richtig. Es ist nicht einzusehen, dass die großen Anbieter auf der einen Seite dank der Inhalte, die die Nutzer hochladen, riesige Gewinne machen, auf der anderen Seite aber jede Verantwortung für die Inhalte von sich weisen. Das passt nicht zusammen.

(Beifall SPD)

Das Problem ist nur: Nutzer und Netzwerk sind schwer zu trennen. Reglementiert man den einen, trifft man auch schnell den anderen. Und auch der kleine Blog, vordergründig von den Regelungen nicht betroffen, braucht beinahe zwangsläufig die großen Anbieter, wenn er mit seinen Inhalten eine breite Öffentlichkeit erreichen will. Kurzum: Schießt man über das Ziel hinaus, drohen Kollateralschäden für das freie Internet, was sich niemand wünschen kann.

Die aktuelle Diskussion zeigt auch anschaulich, wie weit wir noch davon entfernt sind, dass Computer uns wirklich das Denken abnehmen. Künstliche In

(Stephan Holowaty)

telligenz, die humorvoll genug wäre, eine gut gemachte Parodie von einer knallharten Urheberrechtsverletzung zu unterscheiden, ist Zukunftsmusik und wird es wohl auch bleiben. Ein bisschen natürliche Intelligenz schadet übrigens nicht.

Ginge es nur nach der SPD, wäre die deutsche Position in Sachen verpflichtende Upload-Filter klar: Man braucht sie nicht, und wir wollen sie nicht.

(Beifall SPD)

Herr Kollege Holowaty, das haben übrigens unsere Abgeordneten im zuständigen Ausschuss - dort wird es entschieden - des Europaparlaments gezeigt: Sie haben gegen den Artikel 13 gestimmt, anders als die Kollegen von der Union. Um das einmal deutlich zu sagen, damit wir wissen, worüber wir reden.

(Zurufe CDU)

Das Problem ist die Haltung der Union. Die Kanzlerin, der Wirtschaftsminister, die Staatsministerin für Kultur - sie alle zeigen, dass sie mehr oder weniger Sympathie für den Filter haben, der im Netz liebevoll Merkel-Filter genannt wird.

Es ist Justizministerin Katarina Barley zu verdanken, dass zumindest die Ausnahmen für die kleinen Plattformen ihren Weg in die Einigung gefunden haben. Der Ball liegt aber beim EU-Parlament, das der Einigung zustimmen muss. Da mache ich mir um die Position der SPD-Abgeordneten wenig Sorge, um die der anderen Parteien aber umso mehr. Die Meldungen der letzten Tage, wonach die EVPFraktion, statt sich in der Sache zu bewegen, lieber den Abstimmungszeitraum vorverlegen wollte, um den angekündigten Protestdemonstrationen zuvorzukommen, sollen zwar angeblich vom Tisch sein, sie zeigen aber deutlich, bei welcher Partei das Problem liegt - jedenfalls nicht bei der SPD, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD und Lars Harms [SSW])

Und deswegen können wir dem Antrag der Koalition heute auch ohne Bauchschmerzen zustimmen. Ich wäre aber sehr überrascht, wenn das auch beim Europa- und den Bundestagsabgeordneten der Nord-CDU ähnlich unproblematisch läuft. - Herr Ministerpräsident - er ist gerade nicht hier -: Ich würde mich freuen, wenn die klare Ansage des CDU-Landesvorsitzenden an die eigenen Leute hier auch gelten würde. Ich bin mal gespannt, wie dann dort abgestimmt wird.

Wir sollten nicht überrascht sein, wenn viele junge Menschen das Gefühl haben, die Politik entscheide

bei solchen Fragen fernab von ihrer Lebensrealität. Wer sich das Video der Rede anschaut, in der Angela Merkel vor wenigen Tagen ihre Position in Sachen Upload-Filter verteidigt hat, stellt fest - abgesehen davon, dass ich in der Sache anderer Meinung bin als sie -, wie konsequent die Kanzlerin zwischen der sogenannten realen Welt und der digitalen Welt unterscheidet.