Protocol of the Session on February 13, 2019

Im Übrigen unterstützen wir die EU 27, die sich dazu verhalten, die im Übrigen beim Brexit zeigen, dass sie in großer Einvernehmlichkeit unterwegs sind, und auch zeigen, dass Europa stark ist, wenn es gemeinsam steht. Deswegen muss man bei aller Trauer über den Brexit auch einmal feststellen, dass das etwas Positives in der Europäischen Union ist und Beispiel für anderes sein könnte.

Wir als Europäische Union sollten bereit sein, den Briten mehr Zeit zu geben. Wir müssen dann aber auch sehen, dass wir von der britischen Regierung oder dem Parlament konkrete Vorschläge bekommen, was mit der Zeit gemacht werden soll. Einfach nur zu verlängern, ohne dass sich irgendetwas Konkretes andeutet, ist ein Problem. Die britischen Grünen fordern, wie sehr viele Millionen Menschen in Großbritannien, nach wie vor ein zweites Referendum. Das unterstützen wir. Wenn es andere Optionen gibt, sollte es zumindest nicht an der Zeit scheitern.

Es ist ein bisschen skurril, dass wir in erster Lesung ein Gesetz haben, von dem wir nicht genau wissen,

ob wir es überhaupt benötigen. Das ist offenkundig so. Nichtsdestotrotz ist es richtig, dass es das Gesetz gibt und wir es weiter im Europaausschuss behandeln werden. Neben dieser formalen Gesetzgebung, die wichtig ist, gibt es noch weitere Aspekte, die wir im Europaausschuss weiter beraten sollten. Das Ganze betrifft zum Beispiel auch jenseits von rechtlichen Fragen die Fragen: Welche Perspektive können wir Menschen geben, die einen britischen Pass haben und bei uns in Schleswig-Holstein leben? Welche Perspektiven können wir jungen Leuten in beiden Ländern geben, nach wie vor miteinander im Austausch zu sein?

Was ist vielleicht auch noch über Städtepartnerschaften möglich, um im Falle eines Brexit, egal ob er soft oder hard sein wird oder auch gar nicht kommt, die Kontakte nach Großbritannien nicht abreißen zu lassen? Ich glaube, das alles sind Punkte, die wir in der nächsten Ausschusssitzung in der nächsten Woche noch einmal intensiv beraten sollten.

Frau Kollegin Poersch, ich hoffe, dass wir das einvernehmlicher machen können, als es die Kritik andeutet, die Sie eben für die SPD-Fraktion verdeutlicht haben. Natürlich gibt es Unterschiede, aber, ich glaube, wir haben in der letzten Sitzung des Europaausschusses festgestellt, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen wollen. Ich meine auch, dass auf Initiative der SPD hin inzwischen ein ganz guter Antrag unterwegs ist, in dem zumindest wir Europäer uns fraktionsübergreifend sehr einig sind.

Natürlich ist der Brexit mehr als nur Wirtschaftspolitik, aber die Wirtschaftspolitik ist ein wichtiges Thema im Rahmen des Brexit. In diesem Sinne sollten wir schauen, dass wir hier einen gemeinsamen Antrag formulieren und dass wir das Übergangsgesetz konstruktiv so beraten, dass es beschlossen werden kann, sodass es - falls wir es benötigen - zum Zuge kommt. Wir alle miteinander hoffen, dass in Großbritannien vielleicht doch noch ein Umdenken stattfindet und dass wir eine Lösung finden, die für uns alle eine gute Lösung ist. Das wäre der Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP, SSW und vereinzelt SPD)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Stephan Holowaty das Wort.

(Rasmus Andresen)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Kennen Sie eigentlich Iain Macnab? Die Lauenburger unter Ihnen werden ihn möglicherweise kennen. Er ist nämlich der ehrenamtliche Bürgermeister der Gemeinde Brunsmark in Lauenburg, und er ist Schotte. Er ist übrigens ein beliebter Bürgermeister, wie die „Lübecker Nachrichten“ berichtet haben. Iain Mcnab kann nach dem Brexit nicht mehr Bürgermeister der Gemeinde Brunsmark sein. Er kann sich nicht mehr ehrenamtlich in seiner Gemeinde engagieren, zumindest nicht in dieser Rolle, weil er dann kein EU-Bürger mehr ist. Das ist eine der Folgen des Brexit.

(Zuruf Birte Pauls [SPD])

- Sie sagen tja. Wenn ich diesen Zwischenruf höre, dann zeigt er genau das, worauf ich hier hinaus will.

Wir sollten nicht nur sagen, dass es hier ein bisschen um Wirtschaft geht und ein bisschen um dies oder das. Es geht dabei um Menschen, es geht um Schicksale, über die wir hier sprechen.

(Regina Poersch [SPD]: Genau das habe ich gesagt!)

Meine Damen und Herren, für einen geregelten Brexit sind wir mit dem Brexit-Übergangsgesetz und dem Vorschlag der Landesregierung gut aufgestellt. Das gilt für den Fall, dass er geregelt wird. Aber leider wird Tag für Tag die Wahrscheinlichkeit eines ungeregelten Brexits immer größer. Es geht hier, wie wir gerade gesagt haben, liebe Frau Kollegin, um Menschen. Es geht um Lebensplanungen, es geht um Schicksale. Wenn in Großbritannien selbst keine Möglichkeit mehr besteht, Insulin herzustellen, dann ist das für die Betroffenen ein persönliches Drama.

3,5 Millionen EU-Bürger leben in Großbritannien. Viele von ihnen arbeiten übrigens im Gesundheitsoder Pflegebereich. Millionen Briten leben wie Iain Macnab in der Europäischen Union, in Resteuropa. Ein ungeregelter Brexit lässt ihre Lebenspläne platzen und hat Einfluss auf das Leben eines Einzelnen, übrigens auch auf den des Briten in Großbritannien, der feststellen muss, dass seine Ärztin, sein Arzt oder sein Pfleger das Land verlassen muss.

Meine Damen und Herren, wir haben kein Interesse daran, und wir dürfen kein Interesse daran haben, dass die britische Wirtschaft schweren Schaden nimmt. Wir haben kein Interesse daran, dass der Nordirlandkonflikt wieder aufflackert. Wir haben kein Interesse daran, dass Großbritannien destabili

siert und die Gesellschaft weiter gespalten wird. Wir haben aber ein großes Interesse daran, dass Europa weiter eng zusammenarbeitet und eine kraftvolle Rolle in der Welt spielt.

(Beifall FDP und Hartmut Hamerich [CDU])

Aber der Brexit ist, ob wir das wollen oder nicht, auch eine Chance. Er ist gerade im Jahr der Wahl zum Europäischen Parlament im Mai 2019 eine Chance. Er ist eine Chance, sehr gut zu verstehen, wo der konkrete tägliche Nutzen der EU und des gemeinsamen Europas liegt. Menschen können frei entscheiden, wo sie leben, arbeiten und wohin sie reisen wollen. Sie können überall frei ihre Meinung sagen. Sie können sich darauf verlassen, dass Lebensmittel überall gut kontrolliert und geprüft sind und dass sie bei einer Reise in ein anderes europäisches Land keine Roaming-Gebühren für ihre Handys bezahlen müssen und dass ihre Daten geschützt sind.

Gut, Sie können sich natürlich auch darauf verlassen, dass das Innere einer Pizza Napolitana überall 0,4 cm dick ist. Wir sehen, dass es also auch in der EU neue Chancen gibt, Dinge noch besser zu machen. Das sollten wir auch, denn die großen Erfolge Europas schlechtzureden und zurückzudrehen, das kann nicht unser Ziel sein. Die Zukunft Europas liegt in einem starken Europäischen Parlament. Sie liegt in einem Parlament mit Initiativrecht, das Europa voranbringen kann.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass gerade im Jahr des Brexit mit all seinen Folgen Populisten und Nationalisten die Entrechtung, ja nahezu die Auflösung des Europäischen Parlaments fordern, ist bemerkenswert, meine Damen und Herren. Lediglich in der Frage des Dagegenseins sind sich die Populisten in der Tat einig. Danach, wenn dies dann geschehen ist, werden sie bei Konflikten keine Kompromisse mehr finden können. Sie werden keine gemeinsamen Positionen suchen, sondern sie sind Gegner, Feinde und am Ende des Tages Nationalisten, die nur an ihren eigenen Vorteil denken. Ist das die Zukunft?

(Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nein!)

Im letzten Jahrhundert wurden europäische Konflikte nur zu oft auf dem Schlachtfeld ausgetragen. Heute tragen Europäer ihre Konflikte im Konferenzraum, im Parlament aus. Der Brexit zeigt, was wir Tag für Tag an jedem einzelnen Problem sehen, das Menschen haben, das auch Menschen in

Schleswig-Holstein mit dem Brexit haben, nämlich was Europa alles geschafft hat, was das gemeinsame Europa für die Menschen bewirkt hat und was wir ohne ein gemeinsames Europa verlieren können und werden. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor drei Wochen fand hier im Landtag eine hitzige Debatte statt: Hier die vermeintlich überzeugten Europäer, die den Brexit an sich verurteilen, und dort die Populisten der AfD, die es mit vereinten Kräften niederzuringen galt. Was für eine Show, schade, dass ich nicht dabei war.

(Zuruf Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dabei wird gern vergessen, dass auch die AfD aus Europäern besteht, die gern in Europa leben, die gemeinsame Werte hochhalten und die sich nur erlauben, die EU in ihrer jetzigen Form zu kritisieren. Nicht mehr und nicht weniger.

Heute kehren wir zum Glück zur Realpolitik zurück, und das ist auch dringend notwendig, meine Damen und Herren, denn durch Hysterie und AntiAfD-Parolen kommen wir diesem komplexen Thema, für das es keine Präzedenz gibt, nicht bei.

Frau Ministerin, ich danke Ihnen für den vorliegenden Gesetzentwurf, denn Schleswig-Holstein muss gut vorbereitet sein. Die durch den Brexit möglicherweise zu erwartenden Folgen sind auch für Schleswig-Holstein schwer abschätzbar. Wir erkennen dies an aktuellen Stellungnahmen der Wirtschaftsverbände, die nach wie vor nicht mit einem harten Brexit rechnen und sich deshalb mit unnötigen Spekulationen darüber zu Recht zurückhalten.

Das britische Unterhaus hat zwar klar entschieden, dass es den von Theresa May vorgelegten Ausstiegsvertrag nicht gutheißt, sich aber auch in einer mit großer Mehrheit angenommenen Resolution ganz klar gegen einen harten Ausstieg gewandt. Einen wie auch immer gearteten Vertrag soll es also geben. Jetzt wird in Brüssel und in London gepokert. Die eine Seite zeigt die kalte Schulter, wenn es um Zugeständnisse geht, die andere Seite spekuliert auf den steigenden Druck, der auf den Abgeordne

ten lastet, die ihr Land nicht in einen harten Brexit entlassen wollen.

Ja, der derzeitige Schwebezustand zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich sorgt für Verunsicherung. Dagegen ist der aktuelle Pragmatismus in der Wirtschaft hervorzuheben, der einmal mehr im krassen Gegensatz zur Aufgeregtheit der auf politischer Ebene geführten Debatte steht.

Da auch weiterhin zuallererst die EU-Kommission, die EU-Mitgliedstaaten und die Regierung Großbritanniens am Zuge sind, sollten wir unbeirrt und möglichst unemotional schrittweise vorgehen und deshalb darauf hören, was im britischen Unterhaus gesagt wird. Bereits morgen ist dort eine weitere Abstimmungsrunde in Sachen Brexit vorgesehen. Das entscheidende Votum soll aber möglicherweise erst Ende März erfolgen, so die Fraktionschefin der Tories, Andrea Leadsom. Es kann also noch richtig spannend und sehr knapp werden. Viele Beobachter gehen davon aus, dass das Parlament der Premierministerin mehr Zeit gewähren wird, um das Abkommen in Brüssel nachzuverhandeln.

Bisher hat die EU jegliche Änderung kategorisch abgelehnt, aber mit dieser Haltung wird man nach unserer Überzeugung nicht weiterkommen. Auch eine Verschiebung des Austrittstermins muss Teil der Verhandlungsmasse sein. Wenn die EU-Unterhändler kurz vor den Wahlen im Mai 2019 meinen, sie können an den Briten ein Exempel statuieren, dann sind sie schlecht beraten, denn die EU-kritischen Kräfte werden in jedem Fall in beachtlicher Anzahl ins Europäische Parlament einziehen und dann dort für überfällige Reformen sorgen.

In dieser geradezu historischen Umbruchphase ist das jetzt von der Landesregierung vorgelegte Gesetz zur Regelung des Übergangszeitraums bis Ende 2020 der notwendige nächste Schritt für den Fall eines geregelten Brexits. Wir erreichen dadurch Rechtssicherheit und die Fortgeltung des schleswigholsteinischen Landesrechts während der Übergangsphase, so sie denn eintritt.

Darüber hinaus ist es natürlich sinnvoll, auch für den Fall eines ungeregelten Brexits Vorsorge zu treffen; aber so weit sind wir eben noch nicht. Diese Entscheidung obliegt den Volksvertretern in London, deren Votum wir hier genauso zu respektieren haben wie das Votum des Volkes. Es nützt auch dem härtesten Brexit-Kritiker nichts, immer wieder auf dem Ausgang des Referendums herumzuhacken. Das war und ist gelebte Demokratie.

(Beifall Jörg Nobis [AfD])

(Stephan Holowaty)

Gerade diejenigen, die meinen, sie hätten die Demokratie für sich allein gepachtet, sollten niemanden verhöhnen, der schlichtweg von seinem guten Recht Gebrauch gemacht hat, nämlich zu wählen.

(Beifall AfD und Doris Fürstin von Sayn- Wittgenstein [fraktionslos])

Da nehme ich gern Bezug auf Herrn Dr. Stegner er ist leider nicht mehr da, sondern anscheinend schon in der Mittagspause -, der heute Morgen J. Edgar Hoover vom FBI zitiert hat:

„Es gibt Menschen, die sich nicht vorstellen können, dass auch die Mehrheit einmal recht hat.“

Ganz genau! Es gibt eine Mehrheit für den Brexit, und das ist Fakt.

Diejenigen, die hier vor drei Wochen am lautesten gegen die AfD polemisiert haben, sollten sich ein Beispiel an der Besonnenheit der Wirtschaft nehmen, die übrigens auch für dieses Jahr weiterhin mit einer positiven Entwicklung rechnet. Die Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein hat dies gerade vor wenigen Tagen bestätigt und straft all diejenigen Lügen, die den Untergang Britanniens heraufbeschwören, um mögliche Nachahmer zu verschrecken. Handel und Verkehr wird es auch nach dem 29. März 2019 geben, komplizierter als bisher, ja; aber mit der Schweiz und Norwegen klappt es auch ganz gut, von unseren wichtigen Handelspartnern China und USA ganz zu schweigen. Eine pragmatische begleitende Politik ist unverändert die einzig sinnvolle Antwort auf den Brexit, wie immer er sich auch gestalten mag. Lassen Sie uns also gern in den Ausschüssen weiter darüber beraten. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat die Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering das Wort.