Es gibt also das Bodenschutzprogramm von 1997. Dort sind die Ziele festgeschrieben, die wir beim Bodenschutz erreichen wollen, also die Bodenvorsorge, die Reduzierung von Flächeninanspruchnahme, Sanierung von Altlasten, von bebauten Flächen, die mit Altlasten belastet sind, und so weiter. Da wird auch von den Zielen gesprochen: Wir wollen sparsam ausweisen, wenn wir bauen; wir sollen in der Bebauung mehr konzentrieren; wir sollen Altflächen sanieren, den ÖPNV fördern und letztlich Fläche einsparen. Das alles sind gute Ansätze, diese sind aber seit 1997 nicht fortgeschrieben worden.
Was hat sich bei uns verändert, auch bei uns in Schleswig-Holstein? - Das ist die Kernaussage, die ich Ihnen hier heute mit auf den Weg geben möchte: Die Versiegelung oder der Wegfall landwirtschaftlicher Nutzfläche hat in den letzten 25 Jahren extrem zugenommen. Da muss man sich bei uns in der Gesellschaft berechtigt fragen, ob das eine richtige Entwicklung ist. Wir werden aufgrund des demografischen Wandels bei uns nicht mehr Menschen, wir bräuchten also theoretisch auch nicht mehr Fläche, die wir versiegeln und nicht mehr als Acker und Naturfläche nutzen. Aber nach wie vor werden in großem Ausmaß Flächen aus der Nutzung als Natur- oder Ackerboden genommen.
Dazu möchte ich Ihnen eine aus meiner Sicht deutliche Zahl nennen, die uns vor Augen führt, wie es um diesen Flächenfraß und die Inanspruchnahme dieser wertvollen Böden steht: Von 1999 bis 2017 sind insgesamt 34.000 ha - 34.000 ha! - landwirtschaftliche Nutzfläche in Schleswig-Holstein verlorengegangen. Wir haben nur knapp 1 Million ha Nutzfläche insgesamt. 1999 lagen wir bei 1,06 Millionen ha, heute liegen wir nur noch bei 960.000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche. Diese Fläche ist nicht nur der Landwirtschaft verlorengegangen, sondern natürlich auch dem Naturhaushalt.
Damit Sie wissen, wie viel das täglich für Schleswig-Holstein ausmacht, möchte ich Ihnen hier noch eine Zahl nennen, damit sich das jeder vorstellen kann: 5 ha an Verlust landwirtschaftlicher Nutzfläche täglich seit dem Jahr 1999 bis zum Jahr 2017. 5 ha täglich entsprechen der Größe von zehn Fußballfeldern. Da wird jedem bewusst, dass wir hier ein Problem haben, das wir politisch gemeinsam angehen müssen.
Ich freue mich ganz besonders, dass es uns in der Jamaika-Koalition gelungen ist, mit diesem Antrag ein Landesprogramm zum Schutz der Böden und zur Minderung des Flächenverbrauchs fortzuführen und neu auf den Weg zu bringen. Sie werden gelesen haben, dass wir in etlichen Unterpunkten auch schon konkrete Vorschläge aufgeführt haben, wie wir diesen Flächenfraß, die Flächeninanspruchnahme, reduzieren können.
Mir persönlich und der CDU-Fraktion gefallen da insbesondere drei von sieben Punkten: Das ist zum Beispiel die Erhebung des Brachflächenbestandes im Innenbereich mittels eines Brachflächen-, Baulücken- und Abrisskatasters. Was soll das bewirken? - Das soll bewirken, dass man weiß, wo man abreißen und neu bauen kann, sodass man nicht wieder die grüne Wiese dafür in Anspruch nehmen muss.
Das Zweite ist: Wir müssen Möglichkeiten zur Entsiegelung von Flächen und zum Rückbau sowie zur Renaturierung aufgelassener Verkehrsflächen schaffen. Das heißt, wir müssen die vorhandenen Standorte nutzen, oder, wenn wir sie nicht mehr nutzen, wieder der Natur oder auch der landwirtschaftlichen Nutzfläche zuführen. Wir dürfen nicht einfach grüne Wiese in Anspruch nehmen, sondern können das nutzen, was wir schon haben.
Das Dritte wäre die Nutzung von Ersatz- und Ausgleichsgeldern - ganz wichtig! - für die Revitalisierung von Industriebrachen und nicht mehr benötigten Verkehrsflächen. Auch das würde dazu beitragen, dass wir am Ende nicht auf der grünen Wiese bauen, sondern wieder dort aufbauen, wo wir heute schon Altbestand haben, wo sich der Abriss aber ohne die Gelder vielleicht nicht lohnt, weil der Neubau auf grüner Wiese im ländlichen Raum in der Regel billiger ist.
Wenn wir diese Ziele gemeinsam verfolgen, dann sind wir in Jamaika auf einem guten Weg. Wir werden dabei aber natürlich die Infrastrukturmaßnahmen und das Wirtschaftswachstum nicht aus den Augen verlieren. Insofern ist das ein ganz hervorragender Antrag. Stimmen Sie ihm bitte so zu, stellen wir ein neues Programm auf. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Kirsten Eickhoff-Weber.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der aktuellen Homepage des MELUND ist das Wichtigste zum Thema Bodenschutz gut und richtig zusammengefasst. Das Ministerium kommt zu dem Ergebnis:
„Das im September 1997 vom SchleswigHolsteinischen Landtag verabschiedete Bodenschutzprogramm besitzt in seinen programmatischen Aussagen immer noch Aktualität.“
Die Bedeutung des Bodenschutzes hat in Schleswig-Holstein Tradition. Das erste Bodenschutzprogramm wurde hier im Landtag beschlossen, bevor es ein Bundesbodenschutzgesetz gab. Das kam erst im März 1998, unser Landesbodenschutzgesetz ist von März 2002. Wir wissen also, Schleswig-Holstein kümmert sich schon lange um die Böden.
Wenn wir uns an 2015 erinnern, das Jahr, das die Vereinten Nationen zum Jahr des Bodens erklärt hatten, dann erinnern wir uns auch an vielfältige Aktionen, Informationsveranstaltungen, und Minister Habeck hat sogar in der Hauptstadtvertretung Schleswig-Holsteins einen Abend dazu veranstaltet. Der Minister betonte damals:
„Der Bodenschutz hat in unserer politischen und täglichen Arbeit einen hohen Stellenwert. Wir werden ihn aber auch den neuen Herausforderungen anpassen.“
Da Minister Habeck dazu offensichtlich nicht mehr gekommen ist, ist es richtig, dass Sie jetzt die Aktualisierung des Bodenschutzprogramms auf den Weg bringen, und Ihre Begründung, die Sie in den Antrag geschrieben haben, teilen wir voll und ganz.
Befremdlich ist allerdings der bunte Strauß an Wünschen, den Sie in Ihrem Antrag dem Bodenschutz mitgeben. Das ist fast ein Omnibusverfahren für Landesprogramme. Der Bodenschutz ist eindeutig im MELUND angesiedelt. Ihre Hauptforderung für die Minderung des Flächenverbrauchs allerdings lässt sich nur im Innenministerium erfüllen. Aber das Innenministerium hat mit einer Vorabregelung zum neuen Landesentwicklungsplan gerade erst die bisherige Bau-Obergrenze deutlich angehoben. Das bedeutet einen Anstieg des Flächenverbrauchs. Dagegen sind nicht nur die Naturschutzverbände Sturm gelaufen. Die Innenstaatsekretärin hält das alles nicht für dramatisch. Sie wird nach einem Pressegespräch am 19. Dezember 2018 - ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten - zitiert mit: Die Reduzierung des Flächenverbrauchs ist nur ein Grundsatz, aber kein Ziel.
Da müssen wir uns doch fragen: Welchen Wert haben bei Jamaika eigentlich Grundsätze, wenn daraus nicht Ziele abgeleitet werden?
Ich befürchte, dass die Sorgen - die hat der Kollege Rickers gerade eindrücklich geschildert -, die Sie mit diesem Antrag zum Ausdruck bringen, mehr als berechtigt sind. Flächenschutz ist für die Landesplanung in Schleswig-Holstein nur ein Grundsatz, aber kein Ziel. Da helfen ihre Prüfaufträge nun wirklich überhaupt nicht weiter. Das ist weiße Salbe, und das wissen Sie.
Die Erhebung des Brachflächenbestands im Innenbereich hört sich gut an. Aber wie dürfen wir uns das vorstellen? Macht das das Land? Machen das die Kommunen? Wer bezahlt das? Haben Sie dafür Fördermittel im Haushalt bereitgestellt?
Die Konzentration von Förderung auf die Innenraumverdichtung ist auch so ein Schlagwort. Das klingt auf den ersten Blick richtig gut, darf aber keine falschen Anreize setzen, denn sie führen da
Was Sie vorschlagen, ist absolut richtig. Es ist aber ein mühsames Geschäft. Schauen wir einmal nach Nordrhein-Westfalen. Da hat beispielsweise das Land den Kommunen für den Aufkauf von Schrottimmobilien richtig viel Geld bereitgestellt, damit dieses Problem angegangen werden kann. Also, nur Prüfaufträge und fromme Wünsche helfen nicht weiter.
Die Nutzung von Ersatzgeldern für die Revitalisierung von Industriebrachen - ist das jetzt der Abschied vom Verursacherprinzip?
Ich bin gespannt, wie Sie all diese dicken Knoten auflösen wollen. Für mich klingt da alles reichlich unausgegoren. Wie schon gesagt: Ich bin gespannt.
Die Reduzierung des Flächenverbrauchs ist eine große Herausforderung. Das muss angesichts von Klimawandel, Wohnungsmangel und notwendigen Infrastrukturprojekten mit klugen Konzepten und ehrgeizigen Planungen gemeinsam mit den Kommunen angegangen werden. Herumexperimentieren unter dem eigenen Kirchturm reicht da nicht mehr. Hier müssen konsequent Erkenntnisse, Wissen und Erfahrungen über die Gemeindegrenzen hinweg zusammenwirken. Wir brauchen Raum und Orte für nachhaltige Entwicklung.
Wir brauchen Platz für die Innenentwicklung der Dörfer, für mutige Sanierungen der Siedlungsgebiete der Nachkriegszeit, für Lebensqualität in den Städten. Dafür brauchen wir kompetente Beratung, Förderprogramme, unterstützende Regelungen insbesondere aus dem Innenministerium. Mit Prüfaufträgen kommen wir da nicht weiter.
Wir als SPD - darauf können Sie sich verlassen haben Grundsätze. Daraus leiten wir unsere Ziele ab. - Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir haben seit vielen Jahren Bodenschutzprogramme, und trotzdem ist Boden nicht so in der öffentlichen
Wahrnehmung, wie dies zum Beispiel beim Wasserschutz oder beim Verlust der Artenvielfalt der Fall ist. Böden sind etwas, das wir irgendwie für selbstverständlich nehmen. Trotzdem sind sie ganz sensibel und bedroht.
Es ist mehrfach darauf hingewiesen worden: Sie sind auch durch verschiedene Ursachen sehr bedroht. Sie sind eine sehr dünne, empfindliche Schicht unserer Erdkruste, die sich über Jahrtausende gebildet hat und die für uns alle die Lebensgrundlage darstellt, für Pflanzen, für Tiere, aber auch für uns Menschen. Wir müssen sie schützen, damit wir unsere Welt, unsere Lebensgrundlage unseren Kindern und Kindeskindern erhalten, denn Böden sind praktisch nicht vermehrbar.
Es ist vielfältig darauf hingewiesen worden, welchen verschiedenen Belastungen unsere Böden ausgesetzt sind. Deshalb geht die Diskussion um Bodenschutz gern ein bisschen durcheinander. Es gibt Wind- und Wassererosion, die durch den Klimawandel vermutlich noch stark zunehmen werden, die unsere Böden bedrohen. Es sind Schadstoffeinträge, die die Fruchtbarkeit vermindern und über Jahrzehnte möglicherweise unmöglich machen. Am Ende ist es auch der Flächenverbrauch für Straßen und Siedlungen.
Wir Grüne haben uns 2012 auf den Weg gemacht und ein Gutachten in Auftrag gegeben. Gerade wurden Zahlen genannt. Ich kann sie durch das Gutachten unterfüttern. Im Zeitraum von 1960 bis 2009, also in nur 50 Jahren, sind rund 100.000 ha landwirtschaftliche Fläche in Schleswig-Holstein verlorengegangen. Das sind 8 % der gesamten Fläche. Im gleichen Zeitraum nahmen die Siedlungsflächen um knapp 70.000 ha zu, die Verkehrsflächen um etwa 14.000 ha.
Der Flächenverbrauch 2012 betrug noch etwa 4 ha pro Tag. Heute sind 2,7 ha. Das ist ein kleiner Fortschritt, aber er ist immer noch viel zu gering. Die Umrechnung in Fußballfelder ist beliebt. Meine Umrechnung lautet wie folgt: Rund 3 ha am Tag sind 1.400 Fußballfelder im Jahr.
Die Bundesregierung - nicht nur die derzeitige - hat schon seit Langem das Ziel, den Verbrauch auf 30 ha am Tag zu begrenzen. Sie verfehlt dieses Ziel, wie viele Bundesregierungen vor ihr dieses Ziel verfehlt haben. Weil man das Ziel verfehlt, sagt man, die Zielerfüllung ist nicht mehr 2010 - das war die ursprüngliche Vorstellung -, sondern wir gehen in das Jahr 2030. Wir kennen das auch aus
Es ist schwierig, dieses Ziel zu erreichen. Der Landesentwicklungsplan ist angesprochen worden. Er zeigt, wie schwierig das ist. Wir brauchen mehr Wohnraum. Darüber führen wir muntere Debatten. Das stimmt auch. Wir sind uns darüber einig. Zu diesem Wohnraum müssen auch Straßen führen. Wenn wir mehr Menschen haben, brauchen wir mehr Kitas und Schulen, die gebaut werden. Sportstätten sollen gebaut werden. Auch Windenergieanlagen benötigen letztlich einen festen Untergrund. Es sieht danach aus, als wäre es die Quadratur des Kreises, die zu lösen ist. Das ist sie aus meiner Sicht auch.
Wir zeigen dieses Problem mit unserem Koalitionsvertrag auf. Wir sind uns im Bereich Umwelt und Agrar einig gewesen, dass wir den Flächenverbrauch drastisch zugunsten nicht versiegelter Flächen reduzieren müssen. In dem Bereich Wirtschaft, Verkehr, Siedlungsentwicklung liest sich die gleiche Thematik schon ein bisschen anders. Das ist ein großes Problem. Es ist auch nicht einfach so vom Tisch zu wischen. Das ist uns klar.
Klar muss auch sein: Wir haben keinen Planeten B. Boden und Fläche sind endliche Ressourcen, die nicht vermehrbar sind. Deshalb ist es wichtig, dass wir Konzepte entwickeln. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir einen Prüfauftrag auf den Weg bringen, um einmal ressortübergreifend aus den jeweiligen Perspektiven aufzuschreiben, wie der Status ist und welche Lösungsansätze es gibt.