Herr Dr. Stegner, haben Sie uns nicht gerade unseriöse Finanzpolitik vorgeworfen und gesagt, wir würden keine Vorsorge für den nahenden Abschwung schaffen, sondern das Geld mit einem Füllhorn übers Land ausschütten?
- Schauen Sie schon alleine die Gleichsetzung in Ihrer Formulierung! Sie finden, es ist ein Füllhorn, wenn man den Beschäftigten das gibt, was man ihnen versprochen hat. Das ist offenbar Ihre Einschätzung. Das teile ich ausdrücklich nicht.
Wir haben in der Tat andere Prioritäten. Wir finden die Beitragsfreiheit richtig, wir finden das bezahlbare Wohnen richtig, wir finden es richtig, die eigenen Beschäftigten ordentlich zu behandeln. Das finden wir in der Tat richtig. Das unterscheidet uns möglicherweise von Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Herr Dr. Stegner, haben Sie aber nicht gerade suggeriert, wir würden Geld ausgeben, strukturelle Aufwüchse fordern und im Endeffekt nicht genug Vorsorge finanzieller Art für einen Abschwung betreiben?
- Frau Kollegin, vielleicht können Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir andere Vorstellungen davon haben, wie das Geld ausgegeben wird. Wir machen Ihnen Vorschläge dazu, und Sie lehnen sie ab. Es ist Ihr gutes Recht, das mit der Mehrheit zu tun, aber das darf man ja hier in diesem Hause kritisieren. Das möchte ich dann auch so tun.
- Ich finde es ja schön, dass Sie viel wissen wollen; trotzdem möchte ich meine Rede jetzt fortsetzen.
Ich frage Sie noch einmal: Wie viel besser muss die Haushaltslage des Landes eigentlich werden, bis Sie sich daran gebunden fühlen, Ihre Versprechen einzuhalten?
Übrigens: Würden Sie sich nicht sperren, dann könnten Sie längst schon den zweiten Schritt gehen. Stattdessen drucksen Sie herum, und der Landesdienst wird kein Stück attraktiver.
Herr Sozialminister, weil mir Ihre Zwischenrufe immer so gut gefallen, will ich Ihnen einmal sagen: Auch der Wettbewerbsnachteil für Beschäftigte, die in Schleswig-Holstein arbeiten und sehen, dass sie in Hamburg keine Beiträge bezahlen müssen, ist einer, der Leute daran hindert, bei uns zum Beispiel Polizist werden zu wollen, bei uns in den Dienst zu kommen oder andere Tätigkeiten in Schleswig-Holstein auszuüben. Fragen Sie einmal in Pinneberg, in Elmshorn, in Bad Oldesloe, in Norderstedt oder anderswo, was die Leute davon halten, dass Sie glauben, das sei nicht so wichtig. Das ist ein Thema für ganz viele Menschen in Schleswig-Holstein.
Das Gleiche, was ich Ihnen für die Beschäftigten insgesamt vorgehalten habe, gilt für die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer im Besonderen. A 13 kommt - im Schneckentempo. Die meisten werden längst im Ruhestand sein, wenn das nach Ihren Plänen realisiert werden soll, das heißt, sie haben gar nichts mehr davon. Wer heute Gehaltstabellen vergleicht, wird sich kaum für Schleswig-Holstein entscheiden. Und ja, in früheren Zeiten konnte man das nachvollziehen. Da waren die Bedingungen schlecht. Heute sind sie gut. Heute gibt es überhaupt keinen Grund mehr, diese Wettbewerbsnachteile zulasten unseres Landes in Kauf zu nehmen. Für die jungen Menschen ist das ein großer Verlust. Aber mit dem Thema „gute Arbeit“ haben Sie es bekanntermaßen ohnehin nicht so. So langsam Sie mit den Verbesserungen für das eigene Personal sind, so schnell sind Sie mit den Verschlechterungen für die anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wenn ich an die Aushöhlung des Tariftreue- und Vergabegesetzes in Schleswig-Holstein denke.
Das ist und bleibt ein Skandal, meine sehr verehrten Damen und Herren. Da treffen Sie auf unseren Widerstand. Das können Sie hundert Mal begründen, das, was Sie mittelstandfreundlichstes Bundesland nennen, heißt arbeitnehmerfeindlichstes Bundesland. Das ist nämlich das, was eigentlich hinter solchen Sprüchen steckt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Koalition ist mit großen Ankündigungen gestartet. Ökonomie und Ökologie wollten Sie verbinden, ein neues Politikmodell leben, ganz andere Wege einschlagen. Aber manchmal scheitert es schon am schlichten Handwerk. Wenn man nur einmal an die Förderrichtlinie für die dringend notwendige Sanierung der Frauenhäuser denkt - dort sind Menschen, die wirklich dringend Hilfe brauchen -, wenn man sieht, wie lange Sie dafür brauchen, dann muss man sagen: Das ist miserables Handwerk. Man sieht daran: Das Wappentier Ihrer Koalition ist und bleibt die Schnecke. Das habe ich Ihnen schon ein paar Mal vorgehalten. So etwas Einfaches kriegen Sie nicht hin. Sie brauchen über eineinhalb Jahre, um so etwas zu realisieren, meine sehr verehrten Damen und Herren.
In anderen Dingen sind Sie schneller. Da kommen dann ganz flott die zweistelligen Millionenbeträge für Ihr Parade-Abschiebegefängnis in Glückstadt. Das kriegen Sie schnell auf die Reihe. Herr Kollege Koch, eines will ich Ihnen zur Debatte von gestern einmal ganz deutlich sagen: Selbst dünnhäutig zu sein bei der Kritik, aber dann auf den Social-MediaSeiten der CDU-Landtagsfraktion herumzuholzen, das ist unanständig.
Und ja: Wir bekennen uns zu einer humanitären Flüchtlingspolitik. Frau Finanzministerin, Sie haben es angesprochen. Wir bekennen uns ausdrücklich dazu. Aber das, was meine Kollegin Serpil Midyatli gestern gesagt hat, ist doch ein Fakt: Das ganze Land, die ganze Republik, rückt nach rechts, und wir können uns doch entscheiden, ob wir die humanitären Spielräume ausdehnen und so weit wie möglich nutzen wollen. Das war immer die Politik hier in diesem Hause, außer von denjenigen, die jetzt unglückseligerweise in dieser Legislaturperiode dazugekommen sind.
Ich muss Ihnen trotzdem sagen: Ich finde, es sollte Markenzeichen Schleswig-Holsteins bleiben, dass wir uns am Schäbigkeitswettbewerb anderer nicht beteiligen. Ins Gefängnis gehören Gefährder und Gewaltkriminelle, aber keine ganz normalen Flüchtlingsfamilien. Das ist immer noch unsere Überzeugung.
Und wer nicht will, dass Kinder dort hineinkommen, der macht keine Gesetzentwürfe, durch die das erlaubt wird. Das ist ganz einfach.
- Da können Sie schreien, so viel Sie wollen. Bei den Grünen ist das schlechtes Gewissen. Aber wir werden Sie noch mit konkreten Gesetzesänderungen zu Ihrem Abschiebehaftgesetz, das Sie gemacht haben, konfrontieren. Dann schauen wir einmal, wie die Grünen abstimmen werden, wenn wir das hier am Ende zur Abstimmung stellen.
(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir schauen einmal, wie die SPD da- mit umgeht! - Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie waren doch auf Wer- betour für die GroKo! - Weitere Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Wie die SPD dann abstimmen wird, werden Sie erleben. Wir werden die Vorschläge nämlich selbst einbringen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Man kann große und man kann kleine Beispiele wählen für den Murks, den Sie machen. Ich will ein weiteres Beispiel nennen: das großzügige Angebot für die Finanzierung der Kirchen auf Eiderstedt, bei denen 4 Millionen € vom Land kommen müssten, aber von Ihnen nur eine halbe Million kommt. Was wird das Ergebnis sein? Sie können dem Bund doch gar keine bessere Gelegenheit geben, seinen eigenen Beitrag zur Kofinanzierung wieder zurückzuziehen. Das wird er auch tun, wenn Sie so handeln. - Das ist nur ein Beispiel von vielen. Das kann man jetzt nicht so wichtig finden. Es ist Kultur. Dazu haben Sie ja vorhin etwas gesagt, Frau Ministerin. Aber das ist natürlich, gemessen an den großen Ankündigungen, die Sie hier immer machen, schlechte Politik.
was man ganz deutlich merkt, ist, dass dieser Koalition die Sensibilität für das Soziale in diesem Land fehlt.
Das ist etwas, was ich in Ihren Reden, in dem, was Sie sagen, in dem, was Sie tun, schmerzlich vermisse.
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Mich irritiert schon manche Debatte. Die meisten Menschen, ob in Süderlügum oder in Wedel, ob in Glückstadt oder in Lübeck oder sonst wo haben doch nicht Angst vor der Islamisierung ihrer Kommune, sondern sie wollen wissen, ob sie ihre Mieten bezahlen können, ob die Rente reicht, wie das mit der Ausbildung der Kinder oder der Pflege der Eltern ist. Das sind die Themen, die die Menschen interessieren. Da muss man Sensibilität zeigen und die Akzente setzen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Um Ihnen noch ein anderes Beispiel zu nennen: Es ist doch irre, wenn in Teilen Schleswig-Holsteins als Folge des Fachkräftemangels die Therapieplätze für Schlaganfallpatienten verlost werden müssen. Und gleichzeitig stimmen Sie dagegen, wenn wir hier die schulgeldfreie Ausbildung für soziale Berufe beantragen. Das ist doch ein Widerspruch, das ist unsozial und richtet sich gegen die Menschen.
Sie können sagen: Ja, damit hätte man schon viel früher beginnen können. - Das ist immer richtig, aber es ist kein Grund, dagegen zu stimmen, wenn man das hier beantragt. Es ist doch eigentlich ein Hammer, dass Menschen immer noch für ihre Ausbildung bezahlen müssen. Eigentlich müssten sie alle Geld für die Ausbildung bekommen, und das auch in der Höhe des Mindestlohns. Das ist unsere Überzeugung. Wir beantragen solche Dinge, und Sie lehnen sie ab. Sie lassen die Menschen im Stich. Das ist unsozial, das ist die falsche Priorität, meine sehr verehrten Damen und Herren.