Protocol of the Session on September 5, 2018

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 19/919, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist der Änderungsantrag, Drucksache 19/919, gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der Abgeordneten des SSW abgelehnt.

Ich lasse jetzt über den Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 19/496, in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Somit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Fraktionen von

CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und AfD bei Enthaltung der SPD und der Abgeordneten des SSW angenommen worden.

Ich danke Ihnen und unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.

(Unterbrechung: 13:12 bis 15:04 Uhr)

Meine Damen und Herren, wir wollen die Sitzung fortsetzen. Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre Plätze finden, damit wir gemeinsam auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags herzlich die Landfrauen Berkenthin und Umgebung begrüßen können. Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:

Rahmenbedingungen für Freiwilligendienste verbessern

Antrag der Abgeordneten des SSW und der Fraktion der SPD Drucksache 19/885 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Abgeordneten des SSW Frau Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.

Sehr geehrte Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In der politischen Sommerpause werden ja manchmal merkwürdige Dinge geboren. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht gehört für mich eindeutig in diese Kategorie. Bevölkerungsumfragen mögen da eine mehr oder weniger klare Mehrheit ergeben. Aber für diese Maßnahme gibt es einfach keinen rationalen Grund.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundeswehr ist schon lange eine Freiwilligenarmee mit Zeit- und Berufssoldaten. Viele Experten befürchten sogar, dass sie durch die Wiedereinführung der Wehrpflicht ins Chaos stürzt. Noch dazu gibt es massive juristische Bedenken, denn eine staatlich auferlegte Dienstpflicht ist nun mal ein schwerer Eingriff in die Freiheitsrechte der Menschen. Schon deshalb lehnt der SSW alle Pläne in Richtung Zwangsdienst oder Dienstpflicht ab.

(Minister Dr. Heiner Garg)

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Doch ein klares Nein hierzu reicht uns nicht. Uns ist wichtig, dass wir uns genau um die Menschen kümmern, die einen Dienst für unsere Gesellschaft leisten, die Tag für Tag in Altenheimen, Krankenhäusern oder Einrichtungen der Behindertenhilfe arbeiten, oftmals unter erschwerten Bedingungen und noch dazu völlig freiwillig. Wir meinen, dass wir genau diese über 100.000, oft sehr jungen, Freiwilligendienstler in den Blick nehmen müssen, denn für mein Gefühl sind sie nicht nur in der aktuellen Debatte viel zu kurz gekommen, auch ihr Einsatz für unsere Gesellschaft wird insgesamt viel zu wenig honoriert. Wir wollen, dass sich das ändert. Deshalb haben wir den vorliegenden Antrag eingebracht.

Wir alle kennen den Vorwurf, dass sich Politik höchstens mal in Sonntagsreden bei Ehrenamtlern oder Freiwilligendienstlern bedankt. Wenn wir ehrlich sind, dann ist da auch etwas Wahres dran. Auch aus diesem Grund ist es mir und meiner Partei so wichtig, ganz konkrete Punkte zu nennen, wenn es um bessere Rahmenbedingungen geht. Dabei sind Forderungen nach einer halbwegs auskömmlichen Bezahlung oder einer vergünstigten Beförderung im ÖPNV natürlich nicht von uns erfunden. Aus meiner Sicht sollten sie eigentlich auch selbstverständlich sein. Fakt ist aber nun mal, dass sich hier seit Jahren - und damit auch in der letzten Legislaturperiode - wenig bewegt hat.

Egal, ob wir über das Freiwillige Soziale Jahr oder das Freiwillige Ökologische Jahr auf Landesebene oder über die Bundesfreiwilligendienste sprechen: Alle Menschen, die sich hier engagieren, übernehmen auf ihre Art gesellschaftliche Verantwortung. Alle leisten einen wertvollen Beitrag für unsere Gemeinschaft, und alle verdienen unseren Respekt und unsere volle Anerkennung.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus Sicht des SSW sollte uns dieser Einsatz einfach deutlich mehr wert sein. Wir müssen deshalb gemeinsam schauen, wie wir den Freiwilligendienstlern mehr Wertschätzung entgegenbringen und wir diese Dienste attraktiver gestalten können.

Mit unserem Antrag liegen einige wichtige Punkte auf dem Tisch. Es kann doch kaum überraschen, dass es dabei auch um Geld geht. Wir sind der Meinung, dass sich das Land auch finanziell stärker einbringen sollte; denn die wenigsten Träger in diesem Bereich können hohe Taschengelder zahlen.

Die Spanne bei der Gesamtauszahlung, also dem Taschengeld und den Zusatzleistungen, liegt bundesweit zwischen 190 € und 850 € im Monat. Das führt bei vielen Freiwilligen zu ernsten finanziellen Schwierigkeiten, und es erklärt, dass es sich vor allem junge Leute mit höheren Abschlüssen und wohlhabenderen Eltern leisten können, einen solchen Dienst zu machen. Aus Sicht des SSW sollten wir diese finanziellen Unterschiede durch eine erhöhte Landesförderung zumindest angleichen. Wir wollen, dass Freiwilligendienste prinzipiell allen offenstehen, nicht nur denjenigen, die noch Geld mitbringen.

Daneben gibt es natürlich noch viele weitere Möglichkeiten, um die Rahmenbedingungen für die vielen Freiwilligen zu verbessern. Diese machen sich ja auch selbst viele konstruktive Gedanken. Wir sollten mit ihnen und den Trägern reden und diese Vorschläge sehr ernsthaft prüfen. Die Belange der Freiwilligen und bessere Arbeitsbedingungen müssen im Zentrum der Debatte stehen, nicht die Frage danach, ob und, wenn ja, wie wir junge Menschen in einen Dienst für unsere Gesellschaft zwingen.

Ich würde mich freuen, wenn das Hohe Haus unserem Antrag zustimmen könnte. Ansonsten freue ich mich auf die weitere Beratung im Ausschuss. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat das Wort Frau Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe Katrin Schweikert! Frau Schweikert absolviert bei uns in der CDU-Fraktion seit letzter Woche Montag ihr Freiwilliges Soziales Jahr mit dem Schwerpunkt Politik. Ich begrüße aber auch alle anderen Freiwilligen, die ihre Dienste in den Kitas, in den Krankenhäusern, in den Altenheimen und in sonstigen Einrichtungen verrichten.

Ein paar Fakten: In Schleswig-Holstein werden in eigener Zuständigkeit seit 2013 792 FSJ-Plätze vom Land gefördert. Dazu zählt das Freiwillige Soziale Jahr, das Freiwillige Politische Jahr und das Freiwillige Kulturelle Jahr. Zudem wird noch das FÖJ - also Freiwilliges Ökologisches Jahr - mit 175 € gefördert. Alle Freiwilligendienste, also auch

(Jette Waldinger-Thiering)

die des Bundes, gelten nicht als Arbeitsverhältnisse, sondern sollen arbeitsmarktneutral sein. Dementsprechend gibt es am Monatsende auch keinen Lohn, sondern ein Taschengeld oder eine Aufwandsentschädigung für das freiwillige Engagement. Die erforderlichen Beiträge zur Sozialversicherung werden selbstverständlich komplett von den Arbeitgebern übernommen. Und natürlich besteht auch eine Unfallversicherungspflicht. Auch werden die notwendigen Kosten für die verbindlichen Seminare voll erstattet, und während des FSJ wird das Kindergeld auch weiterhin von der Familienkasse übernommen.

Ich möchte an dieser Stelle besonders auf die Anerkennungskultur aufmerksam machen, denn es ist toll, wenn sich junge Leute freiwillig engagieren, wenn sie sich in sozialen Projekten oder im Umweltschutz oder wie bei uns in der Politik engagieren. Aber in Schleswig-Holstein haben wir so viel nicht zu bieten. Bis auf den Anspruch auf ein vergünstigtes ÖPNV-Ticket und eine Bahncard 25 haben sie kaum individuelle Vergünstigungen. Da ist tatsächlich sehr viel Luft nach oben. Da müssen wir auch schauen, was wir für die jungen Leute tun können.

In den meisten Bundesländern wird das Freiwillige Jahr auf die Ausbildungszeit der Erzieherinnen und Erzieher und auf einige weitere Ausbildungen angerechnet. Es gibt auch Teilanrechnungen auf die Fachhochschulreife, auf die Medizinausbildung und auf das Studium der Sozialen Arbeit. Aber nicht bei uns. Im Saarland, in Nordrhein-Westfalen und anderen Ländern gilt das Freiwillige Soziale Jahr auch als Wartesemester. Auch das ist, finde ich, sehr reizvoll. Wir sehen: Es ist eine völlig heterogene Landschaft in der Anerkennungskultur. Da sollten wir etwas tun.

Ich möchte jetzt den Blick auf die Forderungen des Südschleswigschen Wählerverbandes und auch der SPD, die dem Antrag beigetreten ist, werfen. Es wird eine grundsätzliche Befreiung von der GEZ gefordert. Meine Damen und Herren, das ist ein frommer Wunsch. Für die GEZ haben wir es nicht in der Hand, die Beiträge festzusetzen. Nach meinem Kenntnisstand ist sie erst vor Kurzem neu geregelt worden. Aber man kann es ja einmal versuchen.

Man möchte eine einheitliche Anerkennung an den Unis und Hochschulen. Meine Damen und Herren, das ist ein guter Wunsch, aber das müssen wir zusammen mit den Hochschulen machen, denn es gibt noch so etwas Ähnliches wie eine Hochschulautonomie.

Eine grundsätzliche Ermäßigung bei der Nutzung des ÖPNV wird gewünscht, ebenso bei der Nutzung von Schwimmhallen und Kinos. Mal ganz ehrlich: Wie möchte ich einem Kinobetreiber vorschreiben, dass er FÖJler oder FSJler vergünstigt in sein Kino hineinlässt? Das müssen sie schon selbst entscheiden. Das sind Privatunternehmen. Ich glaube, dass wir zwar appellieren können, aber wir können niemandem etwas vorschreiben und schon gar nicht vorgaukeln, dass sie es könnten. Das halte ich für falsch. Genauso ist es bei den Schwimmhallen. Einige sind in privater Hand.

(Zuruf SPD: Was?)

- Doch. Es gibt welche in privater Hand. Man mag es nicht glauben. - Da ist es auch schwierig, wenn wir denen vorschreiben wollen, was sie zu tun und zu lassen haben.

Aber und überhaupt: Es ist kein normales Arbeitsverhältnis. Sie schreiben von auskömmlicher Vergütung. Was soll das sein, eine auskömmliche Vergütung? Es ist kein Arbeitsverhältnis. Es ist ein Taschengeld, eine Aufwandsentschädigung. Ich weiß nicht, ob Sie dabei in der Höhe an Hartz-IV-Sätze gedacht haben. Das müssen wir auch noch einmal im Ausschuss miteinander besprechen. Vielleicht erhalten wir dadurch ein wenig Erhellung.

Deshalb schlage ich vor, dass wir diesen Antrag in den Sozialausschuss überweisen, um miteinander zu diskutieren. Es gibt Sinnvolles; einiges ist etwas schwierig. Aber ich bin der Meinung: Wir sollten aufeinander zugehen und gemeinsam die Situation der Freiwilligendienste in Schleswig-Holstein verbessern. Das sehe ich als unsere Aufgabe. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Abgeordnete Özlem Ünsal.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Engagement, Solidarität, Zivilcourage sind zentrale Punkte für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das haben wir heute Vormittag auch diskutiert. Sie werden mir beipflichten, wenn ich sage, dass diese Worte insbesondere in diesen Tagen noch einmal ein ganz anderes Gewicht bekommen und wir ganz stark im Schulterschluss Solidarität leben sollten. Solidarität

(Katja Rathje-Hoffmann)

bedeutet für mich, aufeinander Acht geben. Solidarität bedeutet gesellschaftlicher Zusammenhalt und nicht Hetze und Spaltung. Dazu müssen wir uns bekennen.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das tun inzwischen auch schon 30 Millionen Menschen in der ganzen Republik. Sie engagieren sich verantwortungsvoll für den Zusammenhalt. Ich glaube, das wird auch weiterhin so bleiben. Diesen Menschen gebührt unser besonderer Respekt. Und das ist - denke ich - einen kräftigen Applaus an dieser Stelle wert.

(Beifall SPD und SSW, vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Nichtsdestotrotz - das hat auch die Aktuelle Stunde gezeigt - ist es wichtig, dass wir eine politische Debatte darüber führen, wie wir das Thema Engagement, bürgerschaftliches Engagement und natürlich auch die Freiwilligendienste als konkretes Thema heute diskutieren. Das ist nicht nur überfällig, das ist notwendig. Bei der Palette und der Facette, wie wir es tun können - in der Tat, Katja Rathje-Hoffmann -, gibt es viele Aspekte, und da finden sich hoffentlich in den Ausschüssen auch Anlässe, sehr intensiv darüber zu diskutieren. Hierbei ist es vor allem - das ist unser heutiges Thema - wichtig, genauer hinzuschauen, wie die Rahmenbedingungen insbesondere für die Freiwilligendienste aussehen.

In Schleswig-Holstein existieren - sei es zum Erwerb von Kenntnissen oder auch in der Phase der Orientierung - verschiedene Möglichkeiten der Freiwilligendienste, und sie alle haben unterschiedliche Rahmenbedingungen. Viele engagieren sich, indem sie sich für einen Zeitraum verpflichten. Sie entscheiden sich freiwillig und leisten damit ihren ganz konkreten Beitrag für die Gesellschaft.