Protocol of the Session on July 4, 2018

Mehr noch: Sie benötigen eine flüchtlingspolitische 180-Grad-Wende. Doch dazu fehlt Ihnen und der CDU insgesamt die Kraft und - ich würde auch sagen - der Mut.

Deutschland ist in Europa isoliert. Selbst die Schlepperschiff-Kommandantur in Berlin macht ja nun auf Druck des bayerischen Kapitäns kleinere Kursänderungen - zwar marginal, aber immerhin. Sie aber halten als Traumschiffkapitän stoisch den abgesteckten links-grünen Kurs.

Ich komme dabei leider nicht umhin, festzustellen, dass Sie eine ungewöhnliche Kommunikationsstrategie verfolgen: In dieser Woche eine 1-A-Regierungserklärung abzugeben, die sinngemäß lautet „alles super!“, während in Berlin die Koalition gerade mit Ansage gegen die Wand fährt, das ist durchaus mutig. Zumindest vor der heutigen Sitzung war der Bundesinnenminister noch im Amt und wurde die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU noch durch einen Formelkompromiss zusammengehalten. Doch im Gegensatz zu vielen in Ihrer Partei und bei Ihrer bajuwarischen Stiefschwesterpartei lavieren Sie zumindest nicht herum; wir haben es ja eben von Ihnen gehört. Sie stehen zu der verantwortungslosen Politik Angela Merkels, Sie sehen den Eisberg vor sich aus dem Wasser ragen und befehlen trotzdem: Volle Kraft voraus!

(Beifall AfD)

Die Menschen im Land sollen ruhig wissen, wohin ihr Kurs führt. Alle verbliebenen CDU-Wähler im Land sollen wissen, dass Sie neben den vielen Arbeitsmigranten, die über den Königsteiner Schlüssel auf das Land verteilt werden, zusätzlich noch wei

tere 500 Arbeitsmigranten aufnehmen wollen und auch wie selbstverständlich sofort „Hier!“ rufen, wenn das Schlepperschiff „Lifeline“ mal wieder in Malta anlegt. Der Applaus des ehemaligen Schlepperkapitäns und heutigen Flüchtlingsbeauftragten des Landes, Herrn Kapitän Schmidt, war Ihnen gewiss, und er kam natürlich auch prompt.

(Zuruf: Das war auch gut so!)

Meine Damen und Herren, das Wassertaxi „Lifeline“

(Zuruf Jette Waldinger-Thiering [SSW])

ist nach aktuellem Informationsstand in einem Wassersportverband und nicht in einem nationalen Schifffahrtsregister registriert. Die „Lifeline“ bringt, wie andere Wassertaxis auch, Menschen, die sich vorsätzlich an der libyschen Küste in Seenot bringen, nach Europa. Sie sind Helfershelfer der Schlepper vor Ort in Afrika, die ihren Fahrgästen hohe Geldsummen für eine nicht einmal 20 km lange Schlauchbootfahrt abnehmen.

(Beifall AfD)

Selbst der Rechtspopulist der Grünen, Herr Boris Palmer, nennt es - ich zitiere - „bewusst geschaffene Seenot, keine Rettung“.

Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, die Organisation der Seenotrettung in Küstengewässern obliegt einzig und allein dem jeweils zuständigen Küstenstaat. Hilfreich wäre es daher, die libysche Küstenwache zu stärken. Aber Wassertaxis wie die „Lifeline“ gewährleisten den Schleppern in Afrika die Überbrückung des entfernungsmäßig viel längeren Weges über das Mittelmeer. Herr Günther, Sie befördern mit Ihrem völlig anknüpfungsfreien Aufnahmeangebot illegale Schlepperei. Sie schaffen mit einem Lufttaxi von Malta nach Kiel erst noch weitere Fluchtgründe. Sie nennen das Rettung aus Seenot. Ich nenne das Beihilfe zur Schlepperei.

Doch nicht nur bei den Neuankömmlingen an der südlichen Peripherie mischen Sie mit. Am Sonntagabend haben Sie Ihr Versagen bei Anne Will im Ersten selbst deutlich herausgestellt: Von den 2.600 in Dänemark als Flüchtlinge Registrierten, die illegal nach Schleswig-Holstein eingewandert sind und die ausnahmslos zurückgeschoben werden müssten, haben Sie gerade einmal 200 zurückführen können. Offensichtlicher Fakt ist: SchleswigHolstein schiebt viel zu wenig ab. Gerade einmal 20 Abschiebehaftplätze wollen Sie nun schaffen. Anstatt diese kleine frohe Kunde, dieses Stück gelebte Selbstverständlichkeit, ganz selbstbewusst zu

(Jörg Nobis)

präsentieren, führen Sie einen Eiertanz auf. Sie werben für die freiwillige Rückkehr. Die gibt es zwar, aber doch viel, viel zu wenig. Und wer ausreisepflichtig ist und nicht freiwillig geht, der muss abgeschoben werden, meine Damen und Herren. Das sollte eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit sein.

(Beifall AfD)

Sie entschuldigen sich geradezu dafür, ein wenig Rechtsstaatlichkeit wieder einziehen zu lassen. Aber das passt ins Bild: Sie sind Teil dieser Lebenslüge. Wer einmal die eigene moralische Überheblichkeit über das Recht und die Vernunft stellt, der kommt aus dieser argumentativen Sackgasse nicht mehr heraus.

Sehr geehrter Herr Günther, ein Jahr Jamaika ist auch ein Jahr Regierungsversagen. Das ist ein Jahr Staatsversagen. Das ist auch Ihr persönliches Versagen. Wir haben es nicht nur einmal hier im Plenarsaal gehört: Alle Flüchtlinge, die hier sind, bleiben auch hier. Die Anzahl der Abschiebungen sinkt, obwohl die Anzahl der Ausreiseverfügungen stetig zunimmt. Den Willen, geltendes Recht auch in Schleswig-Holstein durchzusetzen, lassen Sie deutlich vermissen, Herr Ministerpräsident. Sie lassen sich nach wie vor am grünen Nasenring durch die Manege führen. Ein Ersetzen der CSU in Berlin durch die Grünen ist nun auf Bundesebene eine realistische Alternative, und allzu groß sind die ideologischen Unterschiede nicht mehr. Die Grünen-Abgeordnete Claudia Roth, ihres Zeichens eine Deutschlandhasserin und trotzdem Bundestagsvizepräsidentin,

(Thomas Hölck [SPD]: Was für ein Hetzer!)

antwortete letzten Donnerstag auf die eigentlich rhetorische Frage, wie viele der übers Mittelmeer schippernden Migranten wir denn aufnehmen sollten: alle! - Keine Überraschung, aber mit dieser Position könnte Frau Roth mittlerweile fast schon Mitglied in der Union sein, meine Damen und Herren.

In der Bewältigung der Asylkrise stecken Ihre grünen Offiziere einen Kurs noch links neben der Kanzlerrichtlinie ab. Herzlichen Glückwunsch dazu, Herr Ministerpräsident! Dieser Kurs wird die CDU auch hier im Norden nicht mehr ans Ziel führen.

(Beifall Dr. Frank Brodehl [AfD])

Der Wind dreht sich. Es ist an der Zeit, den Kurs zu ändern, bevor wir in Europa völlig isoliert werden.

Die von Ihnen unterstützte Flüchtlingspolitik kostet darüber hinaus ganz konkret hier bei uns in Schleswig-Holstein zum einen Sicherheit, zum anderen kostet sie auch ganz ordinär Geld. Im Dezember 2017 hat Frau Heinold noch gesagt - ich zitiere -: Der Haushalt 2018 atmet Zukunft. - Meine Damen und Herren, das Einzige, was der Haushalt 2018 atmet und was auch der kommende Haushalt 2019 atmen wird, ist Steuergeld, Steuergeld der hart arbeitenden Schleswig-Holsteiner. Einen Ansatz, in einer Zeit bester Wirtschaftslage und bei niedrigsten Zinsen auch einmal deutlich mehr zu sparen, ist nicht erkennbar. Geld ist halt der Kitt, der Jamaika zusammenhält.

Wir begrüßen natürlich die deutlich gestiegene Investitionsquote - das sage ich ausdrücklich -, die im aktuellen Haushaltsjahr und wahrscheinlich auch für die Folgejahre geplant ist. Aber im Verhältnis zu den Mehreinnahmen bleibt die Schuldentilgung dahinter sehr zurück. Hier ist insbesondere vor dem Hintergrund der letzten Steuerschätzung im Mai mit immerhin über 800 Millionen € Mehreinnahmen in den kommenden Jahren eine echte Chance vertan worden. Als erste Landesregierung überhaupt haben Sie das große Privileg, Steuergelder in großem Stil verpulvern und trotzdem noch einige wenige Millionen tilgen zu können. Aber genau deshalb müssten Sie gerade jetzt sparen: vor dem Hintergrund der HSH Nordbank, vor dem Hintergrund stetig steigender Pensionslasten des Landes, vor dem Hintergrund von massivem Investitionsbedarf in Bildung und in den sozialen Wohnungsbau, um nur zwei weitere Beispiele zu nennen.

Bei den sehr hohen Ausgaben des Landes für die Bewältigung der Asyl- und Migrationskrise gibt es nicht einmal seitens der ehemals konservativen CDU irgendein Bestreben, doch noch gegenzusteuern. Es bleibt, wie es ist, oder es wird sogar noch schlimmer.

Meine Damen und Herren, was hätten wir für die Bildung im Land mit den 451 Millionen € erreichen können, die wir allein in diesem Jahr für die Asylkrise aufwenden müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob jemand eine langfristige Bleibeperspektive hat oder nicht? Ich höre immer wieder Ihre Argumentation, niemandem werde durch die Flüchtlinge etwas weggenommen. Aber die Wahrheit ist, meine Damen und Herren: Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Und mit den zig Milliarden, die deutschlandweit allein seit 2015 für die Asylkrise aufgewendet wurden, hätten wir viel Gutes tun können, Gutes für die Bürger dieses Landes genauso wie für die Hilfsbedürftigen in Krisenge

(Jörg Nobis)

bieten. Fluchtursachen bekämpft man nun einmal primär nicht in Deutschland, sondern vor Ort.

(Beifall AfD)

Ganz folgerichtig kann und darf die Integration aller derzeit in Deutschland registrierten Flüchtlinge unabhängig davon, ob sie einen Anspruch auf Asyl oder einen Schutzstatus haben, nicht das Ziel politischen Handelns oder Unterlassens sein. Bereits heute steht nämlich fest, dass die ganz überwiegende Anzahl der Asylbewerber hier keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus erhalten wird. Es ist daher vielmehr dringend geboten, die Asylbewerber und Flüchtlinge möglichst schnell auf die Rückkehr in ihre Heimatländer vorzubereiten und sie dann auch dorthin zurückzuführen, meine Damen und Herren.

Im Bereich der Bildung begrüßen wir die zügige Umstellung von G 8 auf G 9. Aber eine echte Bildungsoffensive sieht dennoch anders aus. Die vielen mit dem Haushalt 2018 neu geschaffenen Lehrerstellen hatte man überwiegend im Jahr zuvor abgebaut. Die wenigen Lehrerstellen, die nun 2018 wirklich neu geschaffen wurden, sind ausschließlich Lehrerstellen für Flüchtlingskinder, konkret für „Deutsch als Zweitsprache“.

Auch die Stärkung der Förderzentren ist letztlich in weiten Teilen nur eine Reaktion auf die Migrationskrise. Das Schulsystem wird durch Schüler belastet, die kulturell und sprachlich oft nicht in den regulären Schulbetrieb eingegliedert werden können. Sie versuchen, dies mit viel Mitteleinsatz auszubügeln. Das meinen Sie mit Kurshalten, und das sollen die Menschen ruhig wissen, Herr Ministerpräsident.

Die Schüler, die hier schon länger lernen, haben rein gar nichts von Ihrer als Bildungsoffensive verkauften Wählertäuschung. Ihre vermeintliche Bildungsoffensive hilft uns auch nicht, Schleswig-Holstein im Gesamtranking des Bildungsmonitors von den letzten Plätzen im Bundesvergleich zu heben.

Meine Damen und Herren, im Zeitraum von 2015 bis 2017 hat sich der Unterrichtsausfall weiter verstärkt. 2 % aller Unterrichtsstunden fallen ersatzlos aus, und der Anteil der nicht planmäßig erteilten Unterrichtsstunden, also der Vertretungsunterricht, hat sich auf 7,5 % deutlich erhöht. An den berufsbildenden Schulen ist die Unterrichtsversorgung mit 91 % noch schlechter. Also, Herr Ministerpräsident, bei der schlechten Bildungspolitik halten Sie in der Tat - mit Ausnahme der erwähnten Umstellung auf G 9 - den schlechten Kurs der ehemaligen Küstennebelkoalition bei. Dabei wäre gerade in der Bildung eine echte, durchgreifende Kursänderung notwendig.

Im Bereich der inneren Sicherheit haben Sie, Herr Ministerpräsident, versprochen, es werde mehr Geld für die Polizei ausgegeben. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Jamaika spart bei der Polizei. Auch diese Wahrheit gehört zu Ihrem Kurshalten. Meine Damen und Herren, es ist amtlich: die Landesregierung gibt zig Millionen Euro mehr für die Bewältigung der Migrationskrise aus als für die gesamte Landespolizei in Schleswig-Holstein, und das ist der falsche Kurs.

(Beifall AfD)

Dabei gäbe es gerade bei der Polizei viel zu tun. Die Landespolizei müsste tatsächlich gestärkt werden, personell und bei der technischen Ausstattung. Leider passiert auch in diesem Bereich der inneren Sicherheit viel zu wenig. Auch hier tun Sie nur das Nötigste, um nicht noch weiter abzufallen. Neue Polizisten wird der Bürger auf der Straße so schnell jedenfalls nicht sehen.

Nein, Herr Ministerpräsident, Ihre Regierungsbilanz nach einem Jahr überzeugt uns nicht, nicht bei der Bildung, nicht bei der inneren Sicherheit und ganz sicher nicht bei der Landwirtschaft und bei Ihrer katastrophalen Energiepolitik ebenso wenig wie bei der Migrations- und Asylpolitik.

Die MS Schleswig-Holstein steuert auf unruhiges Wetter zu, und ich sehe nicht, dass Sie die politische Großwetterlage richtig erfassen und zu den notwendigen Schritten bereit wären. Ich halte fest: Ein Schiff steuert man nicht mit Scheinmoral, sondern mit klarem Blick für die Realitäten im Land, Herr Ministerpräsident. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Herr Abgeordneter Nobis, Sie haben in Ihrer Rede die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages als „Deutschlandhasserin“ bezeichnet. Das ist ein Ausdruck von erheblicher Respektlosigkeit vor Amt und Person und des Schleswig-Holsteinischen Landtags nicht würdig.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich bin natürlich geneigt, über die große Politik in Berlin zu reden. Allerdings behan

(Jörg Nobis)

delt die Regierungserklärung eher den Kurs der Landesregierung, der weitergeführt werden soll. Trotzdem werde ich mit Sicherheit noch auf zwei, drei Dinge hier eingehen. Allerdings glaube ich, dass es richtig und wichtig ist, einmal eine Bewertung der Landesregierung in ihrer Gesamtheit vorzunehmen.

Natürlich ist nicht alles gut, und natürlich ist nicht alles schlecht. Wie sollte es auch anders sein? Aus der Opposition heraus hat man natürlich manchmal andere Haltungen. Trotzdem kann ich sagen - das hat vielleicht auch eine Dimension in Bezug auf die Bundespolitik oder auf Politik im Allgemeinen -, dass die Landesregierung offen gegenüber Vorschlägen aus der Opposition ist. Das ist nicht normal, das ist ungewöhnlich. Dafür mein höchster Respekt, weil unsere Landesregierung damit - übrigens genauso wie die Vorgängerregierung - zeigt, dass man Politik auch anders machen kann. Das finde ich gut. Das steht uns als Land SchleswigHolstein wirklich sehr gut, meine Damen und Herren.

(Vereinzelter Beifall CDU und Beifall Den- nys Bornhöft [FDP])

Auch das ist klar: Die Politik der Küstenkoalition wird in relativ großen Teilen weitergeführt.