Eines ist für mich unumstößlich: Geschlossene Massenlager an der Grenze, wie sie sich die CSU erträumt, wird es mit der SPD nicht geben.
Es geht uns nicht um den Namen, sondern um die Sache. Wir reden im Übrigen über die Menschen derzeit im niedrigen zweistelligen Bereich täglich -, die Asylverfahren schon in anderen EU-Staaten haben, sogenannte EURODAC-I-Fälle, wenn sie an die Kontrollposten der deutsch-österreichischen übrigens nicht der bayerisch-österreichischen, sondern der deutsch-österreichischen - Grenze kommen. Da gilt deutsches Recht und nicht bayerisches Landrecht. Auch darauf weise ich hin.
Fest steht übrigens, dass wir das ungerechte Dublin-Verfahren ändern müssen, um den Staaten zu helfen, die wie Italien und Griechenland an den Außengrenzen die meisten Flüchtlinge haben. Auch das steht in unserem Fünf-Punkte-Plan. Lieber Herr Ministerpräsident, schön, dass Sie über Einwande
rungsrecht reden. An der SPD scheitert das nicht. Der Entwurf kommt sogar von uns. Die Union hat es bisher aufgehalten; in diesem Jahr wird das beschlossen.
Lieber Herr Kollege Habeck, Sie werden heute Morgen in den „Kieler Nachrichten“ und „Lübecker Nachrichten“ mit dem Satz zitiert, Stegner habe der Jamaika-Koalition wegen des neuen Abschiebegefängnisses Vorwürfe gemacht, da werde er doch wohl kaum einem gefängnisartig organisierten Transitzentrum mit 60.000 Menschen zustimmen können. - Sie haben recht. Das wird er nicht, hat er nicht, kommt auch nicht.
Man darf in diesem Hause kritisieren, dass die Grünen ihre Einschätzung zum Abschiebegefängnis geändert haben. Ich habe meine Position zu den Transitzonen nicht geändert. Ich bin dagegen, Menschen einzusperren.
Herr Seehofer hat heute Geburtstag, und er mag sich geschlossene Einrichtungen für Flüchtlinge an der Grenze wünschen. Ich kann nur sagen: Das wird nichts. Wir wollen keine Familien hinter bewachten Zäunen.
Nicht einmal seine politischen Freunde Kurz und Salvini machen das mit. Lassen Sie mich meinen Kollegen Lothar Binding zitieren:
,,Die Union repariert ein Problem, das keiner hat, mit Werkzeug, das nicht funktioniert und das in einem Werkzeugkasten liegt, zu dem Österreich den Schlüssel hat.“
Heute hat übrigens noch jemand anderes Geburtstag: Heide Simonis wird heute 75. Sie hat sich um unser Land sehr verdient gemacht. Wenn ich ihr heute von dieser Stelle herzlich zum Geburtstag gratuliere, dann gilt das auch einer Frau, die immer für eine menschliche Politik stand. Das gilt auch weiter für die SPD. Wir wollen eine Flüchtlingspolitik mit klaren Regeln, mit rechtsstaatlichen, schnellen Verfahren, aber keine Schikane von Menschen auf der Flucht, egal ob sie Asylbewerber, Kriegsflüchtlinge sind oder vor Armut und Elend geflüchtet sind.
Die eigentliche Katastrophe ist doch, dass immer noch Menschen im Mittelmeer ertrinken. Seenotrettung ist unsere allererste Pflicht und nicht der Streit darüber, ob es Öffentliche oder Private sind. Auch die Bekämpfung der Fluchtursachen ist unsere Pflicht. Die Fluchtursachen sind doch klar: Es sind Waffenexporte, es ist Umweltzerstörung, es ist die Landwirtschafts- und Handelspolitik, es ist der weltweite Kapitalismus, der die Menschen unterdrückt. Das sind die Fluchtursachen. An die müssen wir herangehen, wenn wir etwas ändern wollen, und wir dürfen nicht nur darüber reden, wer hier wie untergebracht wird.
Herr Ministerpräsident, in Ihren wenigen Bemerkungen zur Landespolitik haben Sie die schwarze Ampel als alternatives Politikmodell dargestellt. Ein deutsches Sprichwort sagt: Jeder Krämer lobt seine Ware. Keine Frage: Sie haben ein paar Ladenhüter aus Ihrem Sortiment genommen. Ich freue mich, dass wir über Abschiebe-TV und Schweinefleischpflicht in Kantinen nicht mehr reden. Das geht ja mit den Grünen zusammen auch nicht. Das ist ein echter Fortschritt.
Aber wenn Sie sagen, Sie seien ein Bündnis, das auf die Stimme der Bürgerinnen und Bürger hört, muss ich sagen, bei dem G-8-/G-9-Verfahren merkt man das nicht.
Da ist das mit dem Dialog nicht so weit her. Auch was Sie in den Landtagsausschüssen manchmal machen, wenn Sie Anhörungen verhindern, ist nicht so doll. Oder wie Sie die Regionalplanung durchpeitschen. Da muss ich sagen: Das entspricht eher nicht dem Dialogstil.
Auch die Nadelstiche gegen die Gemeinschaftsschulen, die von der Bildungsministerin wieder kommen, sind nichts, was dem Dialog dient. Die Sozialdemokratie stellt sich vor und hinter die Gemeinschaftsschulen in diesem Lande.
Herr Ministerpräsident, Sie haben völlig recht, wenn Sie Ihre Regierungserklärung „SchleswigHolstein hält Kurs“ nennen. Das ist wirklich ein passender Titel, wenn Sie über die Erfolge Ihrer Koalition reden. Denn wirklich vorzeigbar sind Ihre
Ergebnisse mit wenigen Ausnahmen insbesondere da, wo Sie Schleswig-Holstein auf dem Kurs der Vorgängerregierung halten: mehr Investitionen, Stellenaufbau für die innere Sicherheit und bei der Bildung, Glasfaserausbau, Digitalisierung der Landesverwaltung.
- Bei all dem halten Sie den Kurs der Küstenkoalition und machen das mit mehr Geld, weil Sie günstige Einnahmen haben. Das begrüße ich, dazu gratuliere ich Ihnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP und der CDU, die Sie so schön dazwischenrufen, IMPULS vorher verdammt haben und das jetzt umsetzen müssen, da muss man sich ein bisschen mühen. Sie tun das. Der Kollege und Pädagoge Habersaat würde sagen: Man muss pädagogische Anstrengungen so ausgestalten, dass man Fortschritte lobt. Ich tue das bei Ihnen ausdrücklich.
Aber natürlich gibt es auch andere Gebiete, Herr Ministerpräsident. Wir haben nicht die Zeit, die im Einzelnen zu erwähnen, aber Sie wissen das selbst: Die Ankündigungen bei der A 20 haben Sie einziehen müssen, bei Windkraftanlagen kriegen 90 % der Menschen eben nicht mehr Abstände, anders als Sie versprochen haben. Das ist ziemlich traurig. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Das Ankündigen ist natürlich prima. Sie kündigen an, dass die Kita-Beiträge günstiger werden sollen. In Wirklichkeit isolieren Sie uns aber in Norddeutschland, weil Sie die einzige Regierung sind, die nicht in Richtung Beitragsfreiheit will.
Das ist falsch. Das finden wir falsch. Es ist eine Frage von Lebenschancen, dass man das anders macht. Auch was die Unterstützung von bezahlbarem Wohnen angeht, ist das ziemlich mau. Ich freue mich in diesem Zusammenhang sehr über die Pläne der neuen Ampelkoalition in Kiel, die da einen vorbildlichen Kurs einschlagen wird und städtische Wohnungsbaugesellschaften unterstützt. Das finde ich eine wunderbare Sache. - Da dürfen Sie ruhig klatschen, Herr Kollege von der FDP.
(Beifall SPD, Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf Chri- stopher Vogt [FDP])
Wenn man anschaut, was Sie beim Thema gute Arbeit machen, ist das kein Grund, sich zu freuen. Arbeit hat bei Ihnen leider keine Lobby. Ich muss auch ehrlich sagen: Es passt auch nicht zu dem liberalen Kurs in der Flüchtlingspolitik, was Sie gerade gesagt haben, wenn das Gesetz, das Sie zur Abschiebehaft vorlegen, in der Sache sogar Sachsen an Schärfe übertrumpft. Das ist wirklich falsch.
Schärfe brauchten wir übrigens an ganz anderer Stelle. Ich würde mir wünschen, Herr Minister Grote, wenn sich Ihr Kollege auf Bundesebene einmal darum kümmern würde, dass die Gefährder und die Schwerstkriminellen zurückgeführt und Passersatzpapiere beschafft werden. Stattdessen ist gestern der erste Abschiebeflieger nach Afghanistan gestartet, in dem nicht Straftäter, sondern junge Auszubildende saßen. Wir lehnen so etwas ab, das will ich ganz ausdrücklich sagen. Das ist falsch.
Herr Ministerpräsident, im Vergleich zum Berliner Unionstheater fällt es momentan nicht schwer, dass die Landesregierung einen halbwegs anständigen Eindruck macht. Das gelingt Ihnen dank professioneller Öffentlichkeitsarbeit, sprudelnder Kassen und eines sympathisch auftretenden Landestraumschiffkapitäns. Aber auf Dauer - das sage ich Ihnen - wird das nicht reichen. Ich bin unbesorgt: Halten Sie Kurs, wird die schwarze Ampel ein Projekt von überschaubarer Dauer bleiben; denn mit Blick auf Ihre PR-Abteilung, Herr Buchholz arbeitet da ja sozusagen im Nonstop-Betrieb,
will ich gerne zum Schluss den griechischen Philosophen Sophokles zitieren, der ein wunderschönes maritimes Bild gewählt hat:
„Wer allzu straff die Segeltaue spannt und niemals schießen lässt, der kentert bald und mag, den Kiel nach oben, weitersegeln.“
Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. In dem Sinne: Bleiben Sie gern auf Kurs. Ich kann nur sagen: Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn es um gemeinsames Europa geht, Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn es um eine seriöse Politik für die Men
schen in diesem Land geht und wenn wir gemeinsam gegen Rechtspopulismus arbeiten. Wenn wir uns dagegen wenden, was dort an Schmierenkomödie in der Unionsfamilie ausgetragen wird, dann sind wir zusammen. - Vielen herzlichen Dank.