Protocol of the Session on April 27, 2018

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/688

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die SPD diesen Antrag vor zwei Jahren vorgelegt hätte, dann hätten wir alle gesagt: Ja, gut so! Endlich möchte auch die SPD die Bürgerinnen und Bürger in Boostedt unterstützen. Endlich möchte auch die SPD die Gemeindevertreter und den Bürgermeister bei der Konversion unterstützen. - Das kommt zwar spät von den Sozialdemokraten, aber besser spät als nie!

Leider kommt dieser Antrag erst jetzt. Natürlich hat der Antrag nur damit etwas zu tun, dass wir in ein paar Tagen eine Kommunalwahl bei uns im Land haben. Das einzige Ziel dieses Antrages der SPD ist es daher, Stimmung zu machen. Um Inhalte geht es den Sozialdemokraten schon lange nicht mehr.

Lassen Sie mich deswegen an dieser Stelle drei Dinge klarstellen:

Erstens: Die Vorgängerlandesregierung unter dem ehemaligen SPD-Ministerpräsidenten Albig hat

(Jan Marcus Rossa)

sich wenig für Boostedt interessiert. Weder die Bürgerinnen und Bürger, noch die Gemeindevertreter, noch der Bürgermeister wurden in die Pläne zur Eröffnung einer Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung Neumünster eingebunden. Nicht zuletzt wegen dieser Gutsherrenart hat die SPD dafür eine Quittung bei der letzten Landtagswahl erhalten.

Zweitens: Seitdem die CDU gemeinsam mit Grünen und FDP diese Landesregierung führt, findet wieder eine enge Abstimmung zwischen Kommunal-, Landes- und Bundespolitik statt. Insbesondere die Staatskanzlei und das Innenministerium in Kiel treiben dieses Thema voran und binden die Verantwortlichen ein.

Eben dieses Zusammenwirken hat dazu geführt, dass Boostedt nun tatsächlich Planungssicherheit hat. Denn das Bundesverteidigungsministerium hat klargestellt, dass es keinen konkreten Bedarf gibt, die Rantzau-Kaserne ganz oder teilweise zu nutzen.

Ich persönlich finde das schade. Die Bundeswehr war jahrzehntelang prägend für Boostedt. Und die Boostedter standen immer hinter „ihrer“ Bundeswehr. Ich weiß, dass für die Soldatinnen und Soldaten dieser Rückhalt aus der Bevölkerung immer sehr wichtig war, insbesondere dann, wenn wieder schwierige Auslandseinsätze bevorstanden. Deswegen möchte ich diese Gelegenheit nutzen, um von dieser Stelle aus unseren Soldatinnen und Soldaten für ihren Einsatz zu danken und ihnen meine persönliche Anerkennung auszusprechen.

Dritter Punkt: Ich weise entschieden die unterschwellige Unterstellung im SPD-Antrag zurück, dass die ehrenamtlich Tätigen in Boostedt nicht das notwendige Know-how haben, um die Konversion voranzubringen. Genau das Gegenteil ist der Fall! Nach dem Abzug der Bundeswehr haben die Boostedter schnell den Blick nach vorne gerichtet und aktiv nach Möglichkeiten zur Nutzung des Kasernengeländes gesucht. Nach der einsamen Entscheidung der SPD-Landesregierung, auf dem Kasernengelände in Boostedt Flüchtlinge unterzubringen, hat man sich über dieses einseitige Vorgehen geärgert. Aber so, wie wir die Boostedter kennen, wurden die Ärmel hochgekrempelt, geholfen und das Beste aus der Situation gemacht.

Genau das macht die Gemeinde jetzt auch. Bei allen immer noch vorhandenen, aber lösbaren Zwistigkeiten mit Bundesbehörden richten die Gemeinde und ihre Bürgerinnen und Bürger den Blick nach vorne. Deshalb wird die Konversion erfolgreich sein, da bin ich sicher.

Wir in der CDU und der Landesregierung stehen zu Boostedt und unterstützen die Gemeinde und ihre Bürgerinnen und Bürger gern.

Herr Präsident! Die Gemeinde Boostedt hat sich vor Jahren mit Zuversicht und Engagement auf den Weg gemacht, um mit der Konversion der RantzauKaserne neue Entwicklungsmöglichkeiten für die Gemeinde zu erschließen. Bürgerinnen und Bürger, die Kommunalpolitik und der ehrenamtliche Bürgermeister haben in einem gemeinsamen Ringen so manche Hürde genommen. Dass dieses große Verfahren eine besondere Herausforderung ist, war den meisten Beteiligten klar.

Bis zur Entwicklung konkreter Ideen haben sich die Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter und der ehrenamtliche Bürgermeister in zahlreichen Sitzungen, Gesprächen, Veranstaltungen mit der weiteren Entwicklung der Planungen auseinandergesetzt. Immer wieder mussten Detailfragen in aufwendigen Abstimmungsrunden geklärt werden. Die ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker haben sich in zahlreiche Gesetze und Bestimmungen eingearbeitet. Oft wurden die Boostedter von Pontius nach Pilatus geschickt. Das war ein Kraftakt für alle Beteiligten. Und hier hat die Gemeinde auch richtig Geld in die Hand genommen.

Dass 2015 die Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Gelände der Rantzau-Kaserne ihren Betrieb aufnehmen konnte, ist auch ein Verdienst der Gemeinde Boostedt. Hier hat die Gemeinde Großartiges geleistet. Der Gemeinderat und der ehrenamtliche Bürgermeister haben sich, trotz durchaus heftiger Diskussionen, als sehr zuverlässige Partner bei der Einrichtung der Erstaufnahme erwiesen. Das war für alle Beteiligten viel Arbeit und besonders beeindruckend, da hat die Gemeinde Haltung gezeigt! Ehrenamtliches Engagement hat mit viel Unterstützung dazu beigetragen, dass die Erstaufnahme in Boostedt gut gelingen konnte und gelingt. Bis 2019 laufen die Verträge mit dem Land. Im Frühjahr 2016 wurde mit Unterstützung der BImA die GKU Standortentwicklung mit der Rahmenplanung der Konversion beauftragt. Seit Mitte 2017 gibt es Absprachen mit einem Investor, der in Bauschritten eine Gewerbeentwicklung auf dem Gelände plant. Auch die Gemeinde hat eigene Zukunftspläne entwickelt. Neben einem Wohnbaugebiet - Waldsiedlung - sind ganz konkrete Projekte geplant. So soll endlich die Feuerwehr einen neuen Standort bekommen und mit einem zweiten Kindergarten das

(Wolf Rüdiger Fehrs)

Betreuungsangebot endlich dem Bedarf der Boostedter Familien entsprechen.

Dass die Konversion eine Herkulesaufgabe sein würde, war allen Beteiligten bewusst. Aber dass sich die Zusammenarbeit mit der BImA, mit den Ministerien, der Stadt Neumünster und allen weiteren Beteiligten derartig zäh und nervig gestalten würde, hatte niemand erwartet. In den letzten Monaten allerdings haben die aktuellen Entwicklungen zu viel Irritation und Unverständnis geführt.

Das Hin und Her bei den Überlegungen des Verteidigungsministeriums, die Entscheidung der Bundeswehr bei dem sogenannten N1-Gebäude jetzt „Eigenbedarf“ anzumelden, obwohl die Planungen für den Umzug der Feuerwehr schon so weit gediehen waren, sorgt für Frustration und hat Konsequenzen für die gesamte Planung. Hier hängt eben alles mit allem zusammen. Die Gemeindevertreter fühlen sich übergangen, nicht ernst genommen. Der ehrenamtliche Bürgermeister rennt von einem Termin zum anderen, Briefe werden nicht beantwortet, Entscheidungen angedeutet und dann wieder revidiert. Bürgerinnen und Bürger sind enttäuscht, weil ihrer Zuversicht bei der Entwicklung von Kinderbetreuung und Feuerwehr die Basis genommen wird.

So darf mit dem ehrenamtlichen Engagement in der Kommunalpolitik nicht umgegangen werden! Gerade wenn kleine Gemeinden große Aufgaben zu bewältigen haben, müssen sie sich auf hauptamtliche Beratung und Hilfestellung verlassen können. Gerade hier in Schleswig-Holstein, mit vielen ehrenamtlich geführten Kommunen muss in allem Respekt zuverlässige Unterstützung sichergestellt werden.

Daher fordere ich die Landesregierung auf, der Gemeinde gerade jetzt in der Kommunikation mit der Bundesverteidigungsministerium, mit der BImA, mit den Ministerien des Landes, mit der Landesplanung und auch mit dem Oberzentrum Neumünster zur Seite zu stehen. Die anstehenden Fragen müssen jetzt beantwortet werden. Hierzu ist von allen Akteuren einschließlich des Bundes gemeinsam ein verlässliches Vorgehen für die weitere Planung der zukünftigen Nutzung der Liegenschaft sicherzustellen und eine enge Abstimmung des weiteren Verfahrens zu erreichen. Ziel ist insbesondere ein höchstmögliches Maß an Planungssicherheit für die Gemeinde Boostedt.

Im gesamten Verfahren ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Gemeinde ehrenamtlich verwaltet wird. Die ehrenamtlichen Gemeindevertreterinnen und -vertreter dürfen in einem solch komplexen Verfahren nicht alleingelassen werden.

Herr Präsident! Die Bundeswehr ist in vielen Kommunen fest verankert. Für die Gemeinden ist das Vorhandensein eines Bundeswehrstandorts im Gemeindegebiet mit vielen Vorteilen verbunden. Mit dem Einzug der Bundeswehr kam in vielen Gemeinden ein stattlicher Bevölkerungszuwachs und wirtschaftlicher Aufschwung. Je größer jedoch der Standort, desto größer wird auch die Abhängigkeit der Gemeinde. Größer werden damit auch die Probleme, die sich ergeben, wenn ein solcher Standort geschlossen wird. Die Gemeinden verlieren nicht nur viele Bürger, da sich viele Mitarbeiter im zivilen und militärischen Bereich in der betreffenden Gemeinde niederlassen. Der Weggang trifft Gemeinden vor allem strukturell, denn meist fällt der größte Wirtschaftsfaktor weg.

Darüber hinaus bleiben nach dem Weggang der Streitkräfte großflächige Liegenschaften zurück, mit denen die Gemeinden umzugehen haben. Hierin liegt auch eine große Chance für die Gemeinden und ihre Stadtentwicklung. Diese Potentiale zu nutzen, ist jedoch ein Kraftakt, bei dem wir die Gemeinden nicht alleinlassen dürfen.

Dass die Konversion militärisch genutzter Flächen gelingen kann, zeigt etwa das Beispiel der Gemeinde Wentorf. Hier wurden die in den 1990er-Jahren frei gewordenen Flächen der Bundeswehr einer zivilen Nutzung zugeführt und städtebaulich integriert. Der neu entstandene, rund 60 ha große Stadtteil ist heute eine attraktive Wohngegend, die insbesondere junge Familien in die Gemeinde geführt haben. Wentorf hat heute gut doppelt so viele Einwohner wie früher. Damit sind Chancen verbunden, die genutzt werden müssen, und als Land müssen und wollen wir dies unterstützen.

Voraussetzung für eine gelingende Konversion ist eine gründliche Planung, im Dialog mit den Bürgern. Der Bund ist daher aufgefordert, verbindliche Zusagen zu machen, die eine verlässliche Planung erlauben. Wir als Land müssen die Gemeinde Boostedt bestmöglich dabei unterstützen, die Chancen für einen prosperierenden wirtschaftlichen Aufschwung zu nutzen.

Herr Präsident! Ja. Der SSW unterstützt die Bemühungen der Gemeinde Boostedt, das Gelände der Kaserne und insbesondere einzelne Gebäude zu nutzen. Sie hat schon erhebliche Vorarbeit geleistet und dann muss entsprechend gewürdigt werden.

(Kirsten Eickhoff-Weber)

Die Bundeswehr hat sich gerade bei diesem Konversionsprojekt als schwieriger Verhandlungspartner erwiesen, denn erst nachdem die Gemeinde schon weit fortgeschrittene Planungen für den Umzug ihrer Feuerwehr vorgelegt hatte, meldete sie dann doch plötzlich Bedarf an dem betreffendem Gebäude an. Sie sträubt sich auch gegen die Kommunalisierung der Zufahrtsstraße. Solche Winkelzüge können auch der besten Planung einen Strich durch die Rechnung machen, hat aber im kleinen, ehrenamtlich geführten Boostedt für echte Enttäuschung gesorgt. Das ist außerordentlich zu bedauern. Die Entscheidungsketten im Verteidigungsministerium greifen aber nicht nur in Boostedt nicht reibungslos ineinander; es gibt noch andere Konversionsprojekte, bei denen es hakt. Da SchleswigHolstein ein regelrechter Schwerpunkt der Konversion ist, erscheint eine generelle Konversionspolitik der Landesregierung geboten.

Es ist der Gemeinde Boostedt zu wünschen, dass sich der Kontakt mit dem Verteidigungsministerium verbessert und dass sie mit Hilfe landesseitiger Unterstützung ihre Projekte umsetzen kann.

Herr Präsident! In Schleswig-Holstein ist die Konversion von ehemaligen Militärliegenschaften ein besonders wichtiges Thema, weil wir als herausgehobener Bundeswehrstandort viele Militärstandorte im Land haben, die mittlerweile aufgegeben wurden und somit nach einer sinnvollen zivilen Nachnutzung suchen. Nur ist das, und alle Experten wissen das genau, nun mal ein ziemlich komplexer Prozess mit vielen Beteiligten: Die betroffenen Kommunen spielen eine wichtige Rolle, es gibt Investoren mit unterschiedlichsten Ideen und Vorstellungen, das Land ist beteiligt und selbstverständlich auch der Bund. Es sind also umfangreiche Abstimmungen und Planungsschritte erforderlich, und deshalb ziehen sich solche Konversionsvorhaben oft zeitlich ganz schön hin.

Das Land unterstützt diesen Prozess mit umfangreicher Beratung, mit der Organisation von gemeinsamen Abstimmungsrunden, mit professionellen Konversionsmanagements - derzeit noch in den Kreisen Nordfriesland und Plön - sowie mit der Förderung der Erschließung von Konversionsliegenschaften. Konkret heißt das: Bei gewerblicher Anschlussnutzung geht es um GRW-Mittel, sonst können auch Städtebauförderungsmittel zum Einsatz kommen.

Es ist doch selbstverständlich, dass wir Kommunen dabei tatkräftig unterstützen, ob sie nun ehrenamtlich oder hauptamtlich verwaltet werden. Aber mal ehrlich: Dazu braucht es doch keinen Antrag! Wir hier spreche ich sowohl für das Wirtschafts- als auch das Innenministerium - unterstützen die Kommune Boostedt seit 2015 intensiv bei ihrem Konversionsvorhaben. Wir haben verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten angeboten - zum Beispiel Städtebauförderungsmittel oder die Unterstützung durch ein Regionalmanagement Konversion. Aber die Kommune hat diese Angebote nicht in Anspruch genommen, auch nicht die von der Landesplanung angebotene Unterstützung der erforderlichen Abstimmung mit dem benachbarten Neumünster. Das ist auch in Ordnung so - schließlich sind das unsererseits Hilfsangebote, die die Kommune annehmen kann oder nicht. Wir respektieren die kommunale Selbstverwaltung und die Entscheidungen, die vor Ort getroffen werden, das Land steht aber selbstverständlich auch in Zukunft mit allen seinen Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten für die Kommune Boostedt bei Bedarf jederzeit bereit.

Ausdrücklich hervorheben möchte ich an dieser Stelle auch, dass es eine ausgesprochen konstruktive Zusammenarbeit zwischen der Gemeinde Boostedt, dem Land und weiteren Beteiligten gab, als es im Zuge der Flüchtlingskrise um die schnelle Etablierung einer Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Gelände der Rantzau-Kaserne ging. Da haben alle mit angepackt und ihren Beitrag geleistet, dass alles gut funktioniert. Boostedt war somit schnell eine unserer „Vorzeige-Einrichtungen“ - und dafür gebührt allen, insbesondere auch den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, ganz herzlicher Dank!

Vonseiten des Landes besteht in diesem Fall deshalb eine ganz besondere Bereitschaft, die Kommune Boostedt auch in den kommenden Jahren bei der Konversion des Geländes zu unterstützen. Auf Grund der guten Lage der Fläche kann man zuversichtlich sein, dass das Projekt gelingen wird.

Vor Ort hat unterdessen leider für Verstimmung gesorgt, dass die Bundeswehr entgegen bisheriger Planungen das sogenannte Gebäude N1 weiterhin nutzen will. Dieses Gebäude war nach Wunsch der Gemeinde eigentlich für die Unterbringung der Feuerwehr eingeplant. Minister Grote hat in dieser Sache sofort an die Bundesverteidigungsministerin geschrieben und sich für die Interessen der Gemeinde Boostedt starkgemacht. Sie sehen also, meine Damen und Herren, wir stehen der Gemeinde Boostedt mit jeglicher Form der Unterstützung, die uns

(Lars Harms)

zur Verfügung steht, zur Seite. Das hat die Vorgängerregierung getan, und das tun wir selbstverständlich auch weiterhin.

(Minister Dr. Bernd Buchholz)