Dass Sie die Stirn haben, heute zu sagen, das bleibe auf der Homepage der CDU stehen - ich empfehle jedem, das einmal nachzulesen -, finde ich wirklich verblüffend.
Ich erinnere mich sehr gut an den Landtagswahlkampf. Viele Bürgerinnen und Bürger haben sich bei uns über Windkraftanlagen beschwert. Die SPD hätte es sich leicht machen, den Menschen auf Fehmarn, in Dithmarschen, Nordfriesland oder Rendsburg-Eckernförde größere Abstände versprechen und gleichzeitig behaupten können, dass die Energiewendeziele trotzdem eingehalten werden. Wir hätten das so tun können, haben das aber nicht gemacht, weil wir in monatelangen Dialogverfahren intensiv um Kompromisse gerungen haben. Das ist übrigens etwas, das Sie kritisiert und von dem Sie immer gesagt haben, das dauere viel zu lange, was passiere da eigentlich, das sei ein Riesenverfahren, wir sollten endlich einmal zu Potte kommen. Das haben Sie der Regierung Albig vorgeworfen. Wir hätten das alles über den Haufen werfen müssen, um zu einem anderen Ergebnis zu kommen.
Herr Ministerpräsident, wir haben das nicht gemacht, denn schon vor einem Jahr war völlig klar jedenfalls jedem, der die Grundrechenarten einigermaßen beherrscht -: Die gleichzeitige Einhaltung der Energiewendeziele und die deutliche Erhöhung der Abstände ist nicht möglich, zumindest dann nicht, wenn man die Landesfläche nicht zulasten von Niedersachsen vergrößern will. So friedfertig sind Sie immerhin, dass Sie das nicht wollen, Herr Ministerpräsident.
Lassen Sie mich darum eines klarstellen, Herr Ministerpräsident: Dass Sie Ihre Abstandsversprechen nicht einhalten konnten, hat überhaupt nichts mit der Frage zu tun, welches Wahlergebnis die CDU erreicht hat. Es hat sehr viel damit zu tun, dass Schleswig-Holstein heute genauso groß ist wie vor einem Jahr. Daran hat sich geografisch nichts geändert.
In diesem Zusammenhang erstaunt mich schon ein bisschen die schwarz-grüne Duldsamkeit der Grünen. So stoisch muss man sich erst einmal den Schwarzen Peter vom Ministerpräsidenten zuschieben lassen. Das scheint der neue Stil in Ihrer Koalition zu sein, wenn ich die Äußerungen aus der FDP zum Thema HSH Nordbank an die Adresse von Frau Heinold gestern richtig nachgelesen habe, dass sie inzwischen so miteinander umgehen. Aber das beiseite.
Herr Ministerpräsident, ich schätze Sie intellektuell sehr. Deswegen bin ich sicher, dass Sie wussten, dass Sie Ihre Wahlversprechen nicht einhalten können. Das wussten Sie, als Sie es gesagt haben. Da finde ich es ziemlich dreist, sich heute hinzustellen und zu sagen, eigentlich seien die Grünen daran schuld.
Das ist die Methode Ihrer Regierung: Wir bauen die A 20 in fünf Jahren fertig, wir schaffen die Straßenausbaubeiträge ab, wir entlasten die Familien bei den Kita-Beiträgen - vielleicht ja in der nächsten oder übernächsten Regierung. Stück für Stück müssen Sie auf Distanz zu Ihren vollmundigen Wahlkampfversprechen gehen. Ich habe gemerkt, wie still es war, als Sie vorgetragen haben, Herr Innenminister. Die Begeisterung war in Ihren eigenen Reihen nicht sehr groß, wenn das so ein großartiges Ergebnis ist. Lassen Sie uns Ihre großartige Windeinigung einmal etwas näher betrachten, Herr Innenminister.
Für 90 % der Menschen, die sich bislang über Beeinträchtigungen durch Windenergie beschwert haben und denen Sie Verbesserungen versprochen haben, wird sich auch jetzt nichts ändern. Das ist Fakt: Für 90 % der Menschen, die sich über Beeinträchtigungen beschwert haben, wird sich nichts ändern. Das steht im Widerspruch zu dem, was Sie angekündigt haben.
Die Abstände von Windkraftanlagen zu Splittersiedlungen bleiben mit 400 m sogar die gleichen, die es schon unter der Regierung Carstensen gab. Das ist schon ein bisschen her. Also auch hier nichts Neues. Die junge Frau, deren Namen ich nicht weiß, hat vorhin vor dem Landeshaus mit dem Megafon vorgetragen, dass das so ist. Da hat Sie recht. Wir haben es ihnen nicht versprochen, aber die, die es ihnen versprochen haben, haben sie angelogen. Das ist Fakt. Das konnten wir heute Morgen noch einmal hören.
Der Mindestabstand der dreifachen Anlagenhöhe war längst Bestandteil der Planungen der Küstenkoalition in der letzten Legislaturperiode. Es braucht keine Demonstrationen vor dem Landeshaus, um zu erkennen: Was Sie versprochen haben, konnten Sie nicht einhalten, wollten Sie nicht einhalten, haben Sie nicht eingehalten. Das haben wir hier heute festzustellen.
Herr Ministerpräsident, es wäre traurig genug, wenn Sie dafür nur die Arbeitszeit der Ministeriumsmitarbeiter über Monate eingespannt hätten. Aber es ist ja nicht nur das. Ich erinnere noch einmal an die Kritik an den Planungen der vorherigen Regierung. Wir haben gesagt: Das Gerichtsurteil hat uns gezwungen, dieses Verfahren einzugehen, weil wir die Bürger gern beteiligen wollten. Das haben Sie kritisiert. Ich kann mich an die schneidigen Reden erinnern, die Sie hier im Landtag als Oppositionsführer zu dem Thema gehalten haben. Das haben Sie kritisiert.
Jetzt spannen Sie die Mitarbeiter monatelang ein. Wir haben Ihnen prognostiziert, dass das herauskommen wird, und es kommt nichts anderes heraus. Ob die Pläne rechtssicher sind oder eine Klagewelle
auf uns zurollt, steht in den Sternen. Sollte das passieren - wir haben immer davor gewarnt -, wäre das geradezu eine Katastrophe für die Akzeptanz der Windenergie im Norden. Und das ist die Wertschöpfungschance für den Norden, die mit keinem anderen Thema zu vergleichen ist. Sie gefährden mit Ihrer Hinhaltetaktik Arbeitsplätze. Das ist nicht gut, das wissen die Menschen in Schleswig-Holstein, und das muss man Ihnen heute kritisch vorhalten. Daran ändert es im Übrigen nichts, wenn Sie jetzt versuchen, die Schuld auf andere zu schieben.
Übrigens: Ihre beiden Koalitionspartner tragen natürlich gemeinsam mit Ihnen die Verantwortung dafür, dass es so ist. Wir haben in Schleswig-Holstein wirklich nicht zu viele Arbeitsplätze, es ist schwer, hier neue Branchen anzusiedeln. Wer da, wo wir stark sind, auf der Bremse steht, gefährdet Arbeitsplätze, und das ist nicht vertretbar.
Alles viel besser als vorher - so kann man kurz zusammenfassen, was der Herr Innenminister hier vorgetragen hat. Da muss ich sagen: Ich staune. Ich habe Ihnen sehr genau zugehört, Herr Innenminister. Wenn es so ist, warum musste eigentlich die SPD einen Berichtsantrag stellen, bevor die Koalition aus dem Quark gekommen ist?
Erst beim Fehmarnbelt, jetzt bei der Windkraft: Ihre üblichen PR-Feuerwerke der ersten Monate weichen jetzt neuer Bescheidenheit. Oder gibt es womöglich einen anderen Grund, Herr Kollege Vogt?
Ich glaube, den gibt es. Der andere Grund ist nämlich der 6. Mai. Sie wollen den Menschen vor der Kommunalwahl keinen reinen Wein einschenken. Das ist Fakt.
Auf Ihrer Homepage hieß es übrigens bis vor Kurzem: Mitte Mai. Jetzt steht dort: Mitte des Jahres. Das sind wirklich kurzweilige Verrenkungsmanöver.
Ich sage Ihnen: Wir lassen Ihnen das nicht durchgehen. Sie wollen nach wie vor unmittelbar nach der Kommunalwahl die neuen Planentwürfe in die Ressortabstimmung geben und im Kabinett beschließen. Dann erst kann man nämlich wirklich sehen, welche Auswirkungen die Pläne der Landesregierung in der Realität haben. Bis dahin müssen sich die Menschen mit der schwammigen Liste von überarbeiteten Kriterien begnügen, die alles und nichts bedeuten können.
Bei aller Freundlichkeit, Herr Innenminister: Sie haben hier zwar einen ordentlichen Bericht vorgetragen, aber als Fakt bleibt bestehen: Die Bürger wissen nicht, woran sie sind. Es mag sein, dass die Abstände an der einen oder anderen Stelle etwas größer werden - vielleicht aber auch nicht. Es mag auch sein, dass die Planänderung bei den Naturschutzkriterien Windkraftanlagen dort, wo es bisher nicht möglich war, plötzlich doch möglich macht. Was wäre das für eine tolle Überraschung für die Menschen - wenige Wochen nach der Kommunalwahl, wo Sie ihnen doch auch an dieser Stelle etwas ganz anderes versprochen haben.
Ihre Rede, sehr verehrter Herr Innenminister, hat da nun überhaupt keine Klarheit gebracht. Sie haben ja auch gar nicht versucht, das hier zu verdecken, sondern es zum Schluss Ihrer Rede selbst eingeräumt.
Erschreckend gut passt in dieses Bild, dass Ihr Verfahren die muffige Luft der Hinterzimmer atmet: nicht eine Sitzung des Landesplanungsrates, nicht ein Fachgespräch mit Fraktionen und Verbänden, nicht eine öffentliche Dialogveranstaltung, sondern eine eilige Krisensitzung der Koalition und dann ein solches Magerquark-Ergebnis. Ich muss Ihnen sagen: Das ist wirklich schwach, sehr geehrter Herr Minister.
Die Liste zur Änderung des Kriterienkatalogs, von der ich eben gesprochen habe, steht seit dem 27. März 2018 beim NDR auf der Homepage online. Auf der Seite der Landesregierung steht sie hingegen nicht. Die Sozialdemokraten sind zwar wirklich überzeugte Anhänger des öffentlich-rechtlichen Rundfunks,
Das sollten Sie schon selbst machen und nicht der NDR. Ich muss aber sagen: Ich bewundere den Norddeutschen Rundfunk, das ist gute Informationsarbeit.
Das heißt aber trotzdem, dass man daraus vor allen Dingen entnehmen kann, wie groß das Transparenzinteresse der Landesregierung ist: Es ist glatt null. Wer zehn Monate nach der Regierungsübernahme allen Ernstes erklärt, er könne die Pläne rein zufällig erst kurz nach der Kommunalwahl vorlegen, versucht die Menschen für dumm zu verkaufen. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.