Protocol of the Session on March 23, 2018

- Das hätte den Schnitt nach oben gezogen, Frau Kollegin. Das hätte mich gefreut.

(Heiterkeit und Beifall)

Es ist vielleicht kein Zufall, dass es die junge Generation ist, die darauf drängt und sagt: Wir müssen diese Altschulden der Vergangenheit planbar abbauen.

Wir wissen - das ist ja auch gesagt worden -: Es sind nicht nur die Kapitalmarktschulden, es sind die hohen Pensionsverpflichtungen - kapitalisiert ungefähr 34 Milliarden € -, es ist die Infrastruktur mit 5 Milliarden €, es sind die neuen Schulden der HSH, die auf uns zukommen.

Natürlich stellt sich die Frage: Wie viel will ich in den nächsten Jahren für Vergangenheit bezahlen, und wie viel will ich für Zukunftsgestaltung bezahlen? Denn wir wissen es: Je schneller ich die Schulden reduziere, desto weniger Zinslast habe ich in

der Zukunft. Aber je schneller ich die Schulden reduziere, desto weniger Gestaltungsspielraum habe ich natürlich in den Jahren, in denen ich Schulden tilge.

Wenn wir uns einmal anschauen, wie viel Schleswig-Holstein denn inzwischen für Vergangenheitskosten zahlt, dann sehen wir, wenn wir nur die Zinsen und die Pensionsverpflichtungen nehmen, dass dies im Jahr 2018 ungefähr 17 % unserer Ausgaben ausmacht. Werden noch Verpflichtungen aus der Sanierung der Infrastruktur hinzugenommen, dann sind wir bei mindestens 20 %, die wir schon heute für Vergangenheit bezahlen, die wir aus den Einnahmen hierfür einsetzen.

Nun sagt der Landtag - und das ist die große Herausforderung -: Wir wollen zusätzlich noch einen Teil unserer Einnahmen nehmen, um davon Schulden zu tilgen.

Deshalb ist es auch richtig, dass wir uns Zeit nehmen und diese Debatte auch gründlich mit Expertinnen und Experten führen. Gern wollen wir als Finanzministerium einen ersten Baustein für die Debatte liefern. Wir werden Ihnen einen ausführlicheren Bericht erstellen. Ich hoffe, dass dies dann eine gute Grundlage darstellt und dass dieser Bericht auch im Vergleich zu den anderen Bundesländern aufzeigen kann, wo wir als Land bei der Verschuldung stehen, wo wir bei der Zinssteuerquote stehen. Die unterschiedlichen Möglichkeiten, die es nun gibt, werden wir Ihnen ebenfalls aufzeigen; mit Sicherheit wird es sogar noch weitere Möglichkeiten geben.

Ich habe mir in einem ersten Gedankenspiel einmal überlegt, wie dies denn erfolgen könnte. Wir könnten natürlich sagen: Wir nehmen einen festen Prozentsatz unserer Ausgaben und legen diesen Betrag immer für Vergangenheitskosten zurück, also für Tilgung, für Zinszahlungen, für Versorgung.

Die zweite Möglichkeit wäre, dass wir einen festen Prozentsatz unserer Ausgaben immer für Zins und Tilgung einsetzen. Sind die Zinsen niedrig, ist die Tilgung hoch, oder umgekehrt. Damit hätte man auch eine gute finanzpolitische Planbarkeit.

Die dritte Möglichkeit: Wir nehmen eine feste Summe, etwa 100 Millionen €, 200 Millionen €. Würden wir beispielsweise 250 Millionen € für Tilgung einsetzen, bräuchten wir 120 Jahre. Das wäre am Anfang eine große Belastung, wenn es um 250 Millionen € pro Jahr ginge. In 50 bis 60 Jahren würden die dann amtierenden Abgeordneten aufgrund der Kostenentwicklung wohl sagen: „Ja, das zahlen wir aus der Portokasse.“

(Ministerin Monika Heinold)

Die vierte Möglichkeit: Wir nehmen eine Anfangssumme, beispielsweise 150 Millionen €, und steigern diese inflationsbereinigt, sodass dieser Betrag im Verhältnis immer gleich ist. Dann bräuchten wir nicht 120 Jahre, sondern nur rund 100 Jahre.

Die fünfte Möglichkeit: Wir sagen, wir brauchen ja immer einen bestimmten Abstand zur Verfassung, weil wir einfach zukünftig keine Schulden mehr machen müssen. Das heißt, unsere zukünftigen Haushalte dürfen wir nicht mehr auf der Null planen. Wir werden immer strukturelle Ausgaben als Puffer einplanen müssen. Natürlich wäre es auch eine Möglichkeit zu sagen: Da schreibt man eine Summe fest, und wenn das Jahr wie geplant läuft, geht dies automatisch in die Tilgung der Altschulden, steht dann aber auch nicht mehr für Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung. - Also, die Dinge stehen auch gegeneinander.

Es gibt sicherlich viele weitere Möglichkeiten. Ich kann Ihnen aus meiner Erfahrung als Finanzministerin sagen: Wichtig ist, dass wir auch immer Reservepuffer für den Alltag mit einplanen - die Flut, die Schweinepest, die Keimkrise, Medikamentenankäufe, Lehrernachsteuerung; es gibt viel, was uns dort begegnen kann.

Ich freue mich auf die Debatte. Es wird mit Sicherheit eine spannende Debatte, und es wird eine notwendige Debatte sein. Diese Debatte wird möglicherweise aber auch ein bisschen wehtun. Denn wenn die Zahlen deutlich werden, wenn sich die Größenordnungen abzeichnen, die wir eigentlich bräuchten, um voranzukommen, dann ist damit natürlich auch eine Selbstbegrenzung dessen verbunden, was wir sonst alles noch tun könnten.

Insofern: Wir liefern gerne einen Bericht, und dann schauen wir, zu welcher guten gemeinsamen Lösung wir kommen. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, vereinzelt SPD und SSW)

Die Ministerin hat die vereinbarte Redezeit um 2 Minuten und 44 Sekunden überzogen. Diese Redezeit stünde nun den Fraktionen jeweils noch zur Verfügung. Ich sehe aber nicht, dass davon Gebrauch gemacht werden soll. Weitere Wortmeldungen liegen auch darüber hinaus nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer diesem Antrag zustimmen

will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Damit ist der Antrag, Drucksache 19/591, einstimmig beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Kirchen auf Eiderstedt retten

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/568

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die antragstellende Fraktion hat der Abgeordnete Lars Harms vom SSW.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich könnte es mir heute wirklich einfach machen und einfach nur sagen, dass diejenigen, die noch in der letzten Landtagstagung mit großer Inbrunst für den protestantisch-christlichen Reformationstag als Feiertag eingetreten sind, jetzt auch einmal wirklich der Evangelischen Kirche helfen können, indem ein einmaliges Kulturgut - die Eiderstedter Kirchen - auch mit Landesmitteln erhalten wird. Das wäre natürlich populistisch, und deshalb sage ich es ja auch nicht.

(Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber Scherz beiseite: Mir ist schon klar, dass die Zuwendungen, die die Nordkirche auch von Landesseite erhält, natürlich auch Bauzuschüsse beinhalten. Es gibt allerdings auch andere Lebensbereiche, in denen wir noch mehr Geld als üblicherweise lockermachen. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn es sich um eine besondere Herausforderung handelt. Das kann eine besondere finanzielle Herausforderung sein oder eben auch eine besondere inhaltliche Herausforderung.

Betrachten wir die finanzielle Herausforderung, dann kann man schon sagen, dass der Erhalt von 16 der 18 Eiderstedter Kirchen für den Kirchenkreis Nordfriesland durchaus eine Herausforderung ist. Hier ballt sich der Sanierungsbedarf, der über das allgemeine Maß auch im Gebiet des Kirchenkreises an sich hinausgeht.

Das hat auch der Bund gesehen und zugesagt, sich mit 9,3 Millionen € an der Gesamtsumme von 18,6 Millionen € zu beteiligen. Der Kirchenkreis geht aufgrund der besonderen Situation besondere Wege, indem er ein Fundraising macht, das über

(Ministerin Monika Heinold)

das normale Maß hinausgeht. Er nennt dieses Fundraising „Eiderstedter Schutzengel“ und wendet sich dabei auch über eine Homepage direkt an Bürger und Gäste, um hier jeden Euro lockerzumachen. Trotzdem fehlen immer noch Millionenbeträge. Das heißt, jeder Euro, auch aus der Landeskasse, hilft.

Aber auch inhaltlich haben wir hier eine besondere Situation. Da ist die kulturgeschichtliche Bedeutung der Kirchen. Die Dichte an Kirchengebäuden ist einmalig in Deutschland, und sie zeugt nicht nur von der Christianisierung Nordfrieslands, sondern auch von der wirtschaftlichen Entwicklung Eiderstedts im Mittelalter. Das macht die Kirchen zu mehr als nur Gotteshäusern. Die Kirchen sind eben nicht nur einfach Gotteshäuser, sondern auch Kultur- und Veranstaltungsstätten - und auch das über das normale Maß hinaus. Da gibt es zum Beispiel seit 1977 die „Sommerkirche Welt“ mit Kulturveranstaltungen, Konzerten und Vorträgen. Dort hört man etwas über den „Spagat zwischen zwei Kulturen - Christentum und Islam“ oder auch über das Thema „Fracking - Fluch oder Segen?“. Aktuelle Themen werden nicht nur in der Kirche in Welt, sondern in den Kirchen auf ganz Eiderstedt in den verschiedensten Veranstaltungen angesprochen. Die Kirche in Westerhever am Nationalpark Wattenmeer und inmitten des Vogelschutzgebiets Eiderstedt soll nun möglicherweise auch als Umweltkirche genutzt werden.

Das ist der eigentliche Kern: Eiderstedt vermarktet sich als eine Region, die den Kulturtourismus und den Naturtourismus großschreibt, und beides findet in den Eiderstedter Kirchen statt. Gerade das Naturerlebnis, das man am Strand, auf dem Deich oder in der Marsch haben kann, wird in Vorträgen und Veranstaltungen in den Kirchen noch vertieft - eigentlich ein Idealzustand, den wir aus Sicht des Naturund Kulturtourismus gerne überall hätten. Hier haben wir ihn, und dieser Idealzustand ist bedroht, weil die Gebäude an sich bedroht sind. Genau hier setzen wir an.

Wir haben in unserem Antrag bewusst keine Summe genannt, und zwar zum einen, weil wir wissen, dass eine Finanzierung anspruchsvoll ist, zum anderen aber auch, weil wir wissen, dass es natürlich verschiedene Möglichkeiten gibt - wenn denn der politische Wille da ist. Und für den politischen Willen werben wir heute. Man kann einmalig eine größere Summe in die Hand nehmen, oder man kann die Maßnahmen mit kleineren Summen jährlich bis zur endgültigen Fertigstellung im Jahr 2024 unter

stützen. Beides hätte etwas für sich, und beides würde helfen.

Wir möchten, dass die Landesregierung mit dem Kirchenkreis und mit der Nordkirche in Gespräche eintritt, und hoffen, dass dann für die nächsten Haushaltsberatungen eine Lösung gefunden werden kann, eine Lösung, die hilft, ein einmaliges Kulturgut zu erhalten, und die gleichzeitig durchaus auch als Unterstützung für den Natur- und Kulturtourismus gesehen werden kann.

Meine Damen und Herren, ich beantrage die Überweisung des Antrags in den Finanzausschuss.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Anette Röttger.

Sehr geehrter Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wer auf der Halbinsel Eiderstedt unterwegs ist, erlebt nicht nur einen ganz besonderen Landstrich, sondern einen einzigartigen Teil Schleswig-Holsteins. Hier kann man nicht nur weit gucken, hier hat ein Landstrich auch seine Bewohner geprägt. Hier ist im wahrsten Sinne des Wortes „die Kirche im Dorf geblieben“. Die 18 historischen Kirchen auf der Halbinsel Eiderstedt sind Zeugnis für ein ganz besonderes Kulturerbe. Sie erinnern in ihrer Ausstattung an die Zeiten intensiver Handelsbeziehungen mit England und den Niederlanden. Eine derartige Kirchendichte findet sich sonst in keiner anderen Region Deutschlands. Seit dem 12. Jahrhundert prägen die Kirchtürme als höchste Erhebungen dieses Flachland.

Die Kirchen sind die Orte des Christentums, an denen Menschen immer schon zusammengekommen sind, um getauft, konfirmiert, getraut oder beerdigt zu werden. Die Dorfkirchen sind aber auch Orte der Besinnung und der Entschleunigung und darüber hinaus geeignet für eine Vielzahl kultureller Veranstaltungen. Mehr denn je suchen heute Menschen in ihrer freien Zeit im Jahr nach derartigen Räumen und Besinnungsorten, an denen man mal so richtig abschalten kann und abschalten muss.

(Vereinzelter Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So weit, so gut. An dieser Stelle freuen wir uns sehr darüber, dass es eine Finanzierungszusage des Bun

(Lars Harms)

des aus dem November 2015 in Höhe von 9,3 Millionen € für die notwendigen Renovierungen dieses Kirchenensembles gibt. Der kalkulierte Finanzierungsbedarf liegt allerdings mit über 18 Millionen € doppelt so hoch. Nun stellt sich die Frage: Wer kommt eigentlich für den Rest auf?

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Gute Frage!)

Für die Sanierung der Eiderstädter Kirchen hat es vor einigen Jahren diese Antragstellung beim Bund gegeben, ohne zeitgleich die erforderlichen Komplementärmittel vor Ort abzusichern. Hierüber hätte man doch bereits in der vergangenen Legislaturperiode ausführlich reden müssen!

Liebe Abgeordnete vom SSW, Herr Harms, Sie hätten längst und spätestens vor wenigen Wochen im Rahmen der Haushaltsberatungen einen Antrag stellen können. Darauf haben Sie verzichtet.