Protocol of the Session on March 22, 2018

(Beifall CDU, FDP und Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bevor wir in der Rednerliste fortfahren, begrüßen Sie bitte mit mir auf der Besuchertribüne unseren ehemaligen Kollegen Claus Ehlers. - Herzlich willkommen.

(Beifall)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende Eka von Kalben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Uns liegt ein Entwurf der Fraktionen zur Änderung des Landesplanungsgesetzes vor. Liebe Kollegin Eickhoff-Weber, warum das jetzt der Untergang des Abendlandes sein soll, wenn wir aus der Mitte des Parlaments diesen Antrag vorlegen und wir einen Änderungsantrag dazu einbringen, dass das ein

Trick aus der parlamentarischen Trickkiste sein soll - und das in der ersten Lesung -, das sehe ich überhaupt nicht. Dieser Antrag wird jetzt im Ausschuss behandelt. Wieso das jetzt also aus der Trickkiste sein soll, wenn man schon in der ersten Lesung einen Änderungswunsch hat, das verstehe ich nicht richtig. Vielmehr freue ich mich auf die Beratungen im Ausschuss.

Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf dient dazu, den Prozess der Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung in Sachen Windkraft zu beschleunigen. Das ist gut, und wir Grüne begrüßen es; denn es eilt. Wir wollen schnell eine Landesplanung, die trägt. Dieses ist mit drei Anforderungen verbunden:

Erstens muss die Planung gewährleisten, dass so viel Windenergie erwirtschaftet wird, dass wir unsere Klimaziele erreichen können.

Zweitens brauchen wir die Akzeptanz der Energiewende durch die Bürgerinnen und Bürger.

Drittens - das ist ganz wichtig - muss die Planung rechtssicher sein. Denn alles, was nicht rechtssicher ist - das haben wir ja leidvoll erlebt -, führt nur wieder zu weiteren Verlängerungen.

Das aber darf uns nicht passieren. Wir haben nämlich aufgrund des Klimawandels nicht die Zeit, uns bis morgen oder gar übermorgen Gedanken darüber zu machen, wo wir die erneuerbaren Energien haben wollen und wo wir die Windmühlen aufstellen wollen, sondern wir müssen jetzt handeln, aber nicht nur, um - wie in den Reden vor mir schon gesagt worden ist - den Investoren Sicherheit zu geben. Wir alle, soweit wir auf der „Energy“ waren, haben ja gemerkt, dass insoweit eine große Unsicherheit besteht und viele Arbeitsplätze davon abhängig sind. Ganz bewusst sage ich auch als Grüne: Wir müssen auch deshalb jetzt handeln, weil wir den Klimawandel vor der Tür haben und weil dieses Ziel - auch wenn es in Berlin leider ein bisschen aus den Augen verloren worden ist - immer noch ein wichtiges Ziel ist, zu dem wir uns in der Jamaika-Koalition ganz klar bekennen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Deshalb hat die Einhaltung der Klimaziele oberste Priorität auch für diese Koalition und für Schleswig-Holstein.

Ein Journalist sagte neulich, wenn er die Grenze von Hamburg nach Schleswig-Holstein überquere, dann sehe er auf seinem GPS-Gerät, wie weit unter null man eigentlich sei, wenn man auf den Autobahnen in Schleswig-Holstein fahre.

(Claus Christian Claussen)

(Thomas Hölck [SPD]: Unter null kann man nicht fahren!)

- Unter null kann man nicht fahren, aber wir liegen nur knapp darüber. Bei unter null bräuchten wir einen Tunnel. Obwohl: Bald haben wir ja einen Tunnel; die Diskussion kommt gleich noch.

Wir wissen aber, dass wir in Schleswig-Holstein ganz konkret von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Dazu gehören steigende Pegelstände, die mit einer wachsenden Gefahr für die Deiche verbunden sind. Zudem wissen wir, dass wir auch für die Menschen in anderen Ländern eine Verantwortung tragen. Deshalb dürfen wir dieses Anliegen nicht aus dem Blick verlieren.

Ja, wir haben eine Verzögerung. Deshalb wollen wir ein Gesetz beschließen, das eine Beschleunigung erreicht. Gleichzeitig beschließen wir schon jetzt ein Moratorium, das heißt eine Verlängerung der Planung. Das ist Ergebnis dessen, dass wir uns nach der Wahl erneut über die Kriterien Gedanken gemacht haben. Die Bürgerinnen und Bürger haben so entschieden, und diese Regierung hat es sich auf die Fahnen geschrieben hat - und dies auch im Koalitionsvertrag vereinbart -, dass die Kriterien erneut angeschaut werden. Wir sind dabei, und wir sind auf sehr gutem Weg. Natürlich werden die Kriterien, sobald sie abgestimmt sind, transparent gemacht; das ist logisch. Aber es muss genau geschaut werden, wie man die Kriterien so ändern kann, dass das Ziel von knapp 2 % der Landesfläche trotzdem erreicht wird. Das ist eine große Herausforderung; das wissen alle, die sich fünf Jahre lang damit beschäftigt haben. Diese Herausforderung werden wir meistern. Da wir etwas länger brauchen, wird das Moratorium verlängert werden müssen.

Meine Damen und Herren, wenn diese Verlängerung dazu führt, dass wir a) am Ende Rechtssicherheit haben und b) am Ende eine höhere Akzeptanz der Energiewende in Schleswig-Holstein erreichen, dann, finde ich, ist es gut investierte Zeit. Dann ist diese Verlängerung eine gute Investition in die Sicherheit der Energiewende und in die Erreichung des Ziels, dass Schleswig-Holstein das Energiewendeland Nummer eins in Deutschland bleibt. - Herzlichen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für die AfD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende Jörg Nobis das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wurde höchste Zeit für die Regierung, in Sachen Optimierung des Landesplanungsrechts tätig zu werden. Nun haben wir einen Entwurf vorliegen, der, wie wir finden, mitunter vernünftige Aspekte aufweist. Es ist sicherlich im Sinne eines schlanken Verfahrens, das Innenministerium als oberste Landesbehörde für die Landesplanung verantwortlich zu machen. Das begrüßen wir.

Aus gleichem Grund ist es zu begrüßen, dass die Kreise, Städte und Gemeinden ihre Stellungnahmen zu Raumplanungen nunmehr direkt an die oberste Landesbehörde schicken können. Die nun noch in den Entwurf aufgenommene Verlängerung des Moratoriums für den Neubau großer Windkraftanlagen begrüßen wir ausdrücklich. Zukunftsweisend für unser Land wäre hier aber eine dauerhafte Regelung, eher offshore statt onshore; denn offshore gibt es einfach weniger Betroffene. Schleswig-Holstein sollte aus unserer Sicht nicht weiter verspargelt werden.

Bei der einen oder anderen Regelungsänderung waren wir dann aber doch etwas irrirtiert. Zunächst soll der Landesentwicklungsplan nicht mehr, wie bisher, eine Umweltprüfung enthalten, was wir sehr bedauerlich finden. Die Grünen dagegen scheinen froh zu sein, bei Windkraftparks und ähnlichen Vorhaben auf die Aspekte der Umwelt nicht länger Rücksicht nehmen zu müssen. Zukünftig entfällt die Beteiligung des Landesplanungsrates bei grundsätzlichen Fragen der Raumordnung. Der Landesplanungsrat ist ein Gremium, das die Landesplanung in grundsätzlichen Fragen der Raumordnung berät. Der Landesplanungsrat setzt sich bekanntlich aus Vertretern von Parteien, Kammern, Gewerkschaften und Verbänden zusammen. Wir begrüßen diese Form von breiter bürgerlicher Beteiligung nachdrücklich und fragen uns, was die Regierung gegen dieses Engagement einzuwenden hat.

In diesem Modus der verkürzten Beteiligung geht es weiter. So bestimmt der künftige § 17, der das vereinfachte Raumordnungsverfahren regelt, dass Vorhaben nicht mehr, wie bisher, zur Unterrichtung der Öffentlichkeit auf Kosten des Trägers des Vorhabens ortsüblich bekannt zu machen sind. Die neue Fassung soll vielmehr regeln, dass es anstelle einer solchen Einbeziehung der Öffentlichkeit aus

(Eka von Kalben)

reicht, mit der zuständigen Stelle zu entscheiden. Vorhabenträger haben also nicht mehr den oft so unbequemen Weg der Bürgerbeteiligung zu gehen, sondern brauchen sich nunmehr nur noch mit der zuständigen Behörde auseinanderzusetzen. Hierbei ist leider anzunehmen, dass gerade hinsichtlich Windkraftanlagen die Bedenken der Verwaltung weniger weit gehen als die der betroffenen Bürger.

Die Landesplanung soll auch dazu beitragen, dass die Menschen in den verschiedenen Teilräumen des Landes gleichwertige Lebensverhältnisse haben. Vorhaben sollen daher in die Umgebung passen und diese nicht entstellen. Ob das der Fall ist, kann nur ein reger Austausch mit den Bürgern ermitteln, deren Lebensbereiche von den Vorhaben betroffen sind.

Bei allem Verständnis für Ihr Bemühen um beschleunigte Verfahren können wir die Verkürzungen der Bürgerbeteiligung nicht hinnehmen. Die AfD steht fest an der Seite der Bürger bei der Wahrung ihrer legitimen Interessen. Diese Problembereiche müssen Gegenstand der weiteren Beratung im Ausschuss werden. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Vorsitzende Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesplanung zu reformieren, ist ein ehrgeiziges Vorhaben; es sollen schließlich die Strukturgrundlagen für die nächsten Jahrzehnte gelegt werden. Mittels der Landesplanung wird die Flächennutzung festgelegt, die Zersiedelung gestoppt und nicht zuletzt dem demografischen Wandel Rechnung getragen. Die Bürgerinnen und Bürger haben das Recht auf frühzeitige Einbindung ihrer Interessen. Dazu müssen die Verfahren laufend verbessert und auch vereinfacht werden.

Für den SSW steht außer Zweifel, dass die Bürgerinnen und Bürger in die Beratung über alle Zukunftsfragen eingebunden werden müssen. Bürgerbeteiligung ist kein Schreckgespenst, sondern die Grundlage für nachhaltige Entscheidungen.

Doch zurück zum Landesplanungsgesetz: Es sollte so eindeutig wie möglich, so transparent wie nötig und vor allen Dingen eindeutig in den Formulierungen sein. Nach dem ersten Anschein dient der vorliegende Gesetzentwurf keinem dieser Ziele, son

dern verzettelt sich in Details. Der vorgelegte Gesetzentwurf enthält leider keine Begründung, sodass viele Fragen offenbleiben.

Erstens. Der neue erste Satz von Absatz 4 des § 5 spricht in der Neufassung von der frühzeitigen Information über die geplante Aufstellung. Es ist nicht erkennbar, welchen Zeitraum konkret der Terminus „frühzeitig“ benennen soll. Das führt automatisch irgendwann zu Konflikten.

Zweitens. Der neue Absatz 7 des gleichen Paragrafen sieht eine angemessene Verlängerung oder Verkürzung der Fristen vor. Nun können drei Tage, drei Wochen oder auch drei Monate angemessen sein, je nach Standpunkt. Eine Konkretisierung wäre auch hier wünschenswert und muss nachgeholt werden; denn die Regelung in der vorgeschlagenen Fassung birgt Konfliktpotenzial.

Drittens. Geringfügige Änderungen können bislang innerhalb einer Frist von drei Monaten vorgenommen werden. Diese Frist soll laut Neufassung des § 6 „angemessen“ verkürzt werden. Was auch immer eine Behörde für angemessen erachtet, möchte ich gern vor der Verabschiedung wissen. Auch hier ist eine Konkretisierung nachzureichen.

Viertens. Die Unterlagen sollen vorrangig elektronisch zur Verfügung gestellt werden, was deren Weiterleitung und Bearbeitung natürlich vereinfacht. Das ist der richtige Weg. Vorher regelte das Landesplanungsrecht, dass Unterlagen zusätzlich in elektronischer Form übermittelt sowie im Internet bereitgestellt werden. Damals hieß es also: Papier zuerst! - Das erscheint mir natürlich nicht mehr zeitgemäß. Aber auch laut Neufassung erhalten Kreise und Städte automatisch eine schriftliche Variante mit der Post. Das ist der Regelung geschuldet, die wir in der Landesverfassung haben, dass auch Menschen, die entweder keinen Internetzugang haben oder diesen einfach nicht nutzen wollen, gleichberechtigten Zugang zu Informationen und natürlich auch die gleichen Beteiligungsmöglichkeiten haben müssen. So weit, so gut. Aber es stellt sich schon die Frage, warum alle Verwaltungen im gesamten Land standardmäßig diese Unterlagen per Post erhalten und man diese nicht erst bei konkret angemeldetem Bedarf zur Verfügung stellt. Das könnte möglicherweise viel Verwaltungsarbeit einsparen. Diese Fragen müssen im Zuge der Ausschussberatungen geklärt werden.

Fünftens. Die Neufassung des § 15 spricht von „ernsthaft in Betracht kommenden Alternativen“. Die Leerformel „ernsthaft“ war mir bislang in Gesetzestexten nicht untergekommen.

(Jörg Nobis)

(Heiterkeit SPD)

Nicht alles, was möglich wäre, ist auch wahrscheinlich; das stimmt. Aber „ernsthafte Alternativen“? Welche Hierarchie der Alternativen steckt denn dahinter? Sollen die Bürgerinnen und Bürger das im Einzelfall herausfinden oder sich die juristische Bedeutung durch eine Google-Suche erschließen?

Welche Verbesserungen bekommt der Gesetzgeber, wenn er mögliche Alternativen ausschließt und nur die ernsthaften aus seiner Sicht zulässt, die möglicherweise nicht die ernsthaften sind, die vielleicht ein Naturschutzverband gut findet?

Zu guter Letzt, kommen wir noch nur Änderung des § 18 a. Dieser ist sicherlich der Knackpunkt des Gesetzentwurfs. Alles andere kann man noch einigermaßen zum Guten ändern. Ich bezweifle, dass die damit geplante Verlängerung des Moratoriums wirklich standhält. Es gibt dafür nicht einmal eine Gesetzesbegründung. In dem gesamten Werk gibt es die nicht. Das macht diese Regelung juristisch angreifbar.

Meine Damen und Herren, deshalb sehe ich die Gefahr, dass Sie mit der Verlängerung dieses Moratoriums für die Windenergie einer erfolgreichen Klage Tür und Tor öffnen. Dann haben wir im wahrsten Sinne des Wortes den Spargelsalat. Dann ist die Bahn frei für den unkontrollierten Ausbau von Windkraftanlagen, eigentlich das, was wir alle in diesem Hohen Haus nicht wollen.

Angesichts der Herausforderungen der Landesplanung im Bereich Windenergie und Siedlungsstruktur, aber auch im Bereich der Mobilität hätte ich mir einen ernsthafteren Gesetzentwurf gewünscht. Er macht den Eindruck, als ob er ein bisschen zusammengeschustert ist, und man schreibt zusammen, was man gern hätte. Das hätten wir auch alles gern. Aber in einem juristischen Text muss man sehr genau formulieren. Wenn man das im Gesetz selbst nicht tut, muss man es zumindest sehr genau begründen. Diese Begründung fehlt in diesem Gesetzentwurf.

(Beifall SSW und SPD)

Liebe Kollegen, bitte begrüßen Sie mit mir auf der Besuchertribüne unsere ehemalige Kollegin und jetzige Oberbürgermeisterin aus Flensburg, Frau Simone Lange. - Herzlich willkommen.

(Beifall)