Wir diskutieren über ein extrem sensibles Thema. Für viele Frauen bedeutet eine ungewollte Schwangerschaft eine riesige Zäsur in ihrem Leben. Nicht jede kann die Herausforderung „Leben mit einem Kind“ zu jedem Zeitpunkt bewältigen. Sie steht in einem Konflikt zwischen ihrem Recht auf Selbstbestimmung und dem Recht auf Leben des ungeborenen Kindes.
Aber um diese extrem schwierige Grundsatzfrage geht es heute nicht, zumindest nicht im Kern. Es geht um Frauen, die nach geltendem Recht völlig legal einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen möchten. Es geht nicht darum, dass nun mehr oder weniger Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden.
Das ärztliche Standesrecht verbietet Ärztinnen und Ärzten grundsätzlich irreführende, anpreisende und berufswidrige Werbung. Das gilt natürlich auch für Gynäkologinnen und Gynäkologen und für Schwangerschaftsabbrüche.
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verbietet unterschiedlichste Handlungen von Dienstleisterinnen und Dienstleistern, die dazu geeignet sind, sich einen Vorteil gegenüber Konkurrentinnen und Konkurrenten zu verschaffen. Ärztinnen und Ärzte sind medizinische Dienstleisterinnen und Dienstleister. Auch auf sie trifft dieses Gesetz zu. Aus grüner Sicht gibt es deshalb keine Veranlassung, Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zusätzlich im Strafgesetzbuch zu verbieten. Wir fänden es am einfachsten, § 219 a ersatzlos zu streichen.
- Ganz ruhig, ganz ruhig. Die Folge: Sachliche Informationen sind möglich, Werbung bleibt verboten - eine gute und überfällige Lösung.
Eine Abtreibung bleibt nach § 218 a straffrei, wenn sie von einer Ärztin oder einem Arzt vorgenommen wird, vor der zwölften Woche stattfindet und eine umfassende Beratung stattgefunden hat. Wenn ich in meinen Bekannten- und Freundinnenkreis unterwegs bin oder in meine Partei schaue, erlebe ich die Auseinandersetzung über dieses Thema nicht in dieser polarisierenden Art und Weise. Man ist sich ziemlich einig darüber, dass die Selbstbestimmung der Frau so lange erkämpft wurde und dass sie wei
Wir diskutieren hier aber über ein Thema - ich finde wichtig, das zu betonen -, das die Hälfte der Gesellschaft betrifft, während in diesem Parlament nur 30 % Frauen vertreten sind. Das finde ich nicht unerheblich in der Frage. Das heißt nämlich, dass nur 30 % derer, die hier diese hochsensible Frage beantworten müssen, überhaupt in der Situation sein können oder womöglich schon waren.
Bei der Diskussion, die wir Grüne zusammen mit CDU und FDP geführt haben, um zu schauen, ob wir auf einen gemeinsamen Weg kommen, fand nicht nur eine Auseinandersetzung zwischen drei Parteien statt, sondern eine Auseinandersetzung, die so auch in der Gesellschaft stattfindet.
Ich finde, man kann das in einer solchen Parlamentsdebatte auch einmal offen ansprechen. Wir hätten uns in dieser Frage nicht diametraler gegenüberstehen können: auf der einen Seite die Position von uns Grünen, die wir für die Streichung des § 219 a sind, und auf der anderen Seite die Position der Beibehaltung des Paragrafen oder die teilweise Streichung. Uns eint das gemeinsame Ziel, dass es möglich sein muss, dass erstens Ärztinnen und Ärzte nicht dafür bestraft werden und zweitens Frauen sachliche Informationen bekommen. Als Folge haben wir uns gemeinsam überlegt, sich der bestehenden Bundesratsinitiative nicht völlig zu verschließen, sondern das Genannte zu berücksichtigen, das Urteil mit in den Blick zu nehmen und sich offen zu zeigen.
Wir haben uns als Koalition vorgenommen, fünf Jahre gemeinsam dieses Land zu gestalten und auch gesamtgesellschaftliche Fragen zu beantworten. Wir diskutieren manchmal Themen, auf die wir völlig unterschiedlich blicken. Aber sich bei diesem extrem schwierigen, ethisch kontroversen Thema auf einen Weg zu begeben, zeigt meiner Meinung nach, dass wir auch den Anspruch haben, uns nicht einfach nur zu enthalten, sondern zu sagen: Wir haben uns vorgenommen, zusammen progressiv nach vorne zu blicken und auch bei schwierigen Themen zu schauen, wie wir uns einigen können. Wenn wir in dieser Art fortfahren zu diskutieren und politisch zu gestalten, setzen wir um, was wir uns als Koalition vorgenommen haben.
Uns gemeinsam in einem - erstmalig im Saarland geschlossenen und dann gescheiterten - Bündnis den Zukunftsfragen zu stellen und
die beste Lösung, unabhängig von ideologisch verhafteten Standpunkten, zu finden, das ist mir und uns als grüner Fraktion wichtig.
Wir schlagen die Überweisung des Antrags des SSW und der SPD sowie des Antrags der Koalition in den Ausschuss vor und werden den Antrag der AfD ablehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD hat es wieder getan. Sie hat einen neutralen Antrag gestellt und dann in der Begründung hier im Plenum ihre wahren Motive offengelegt,
Sie sind, um mich einmal in Bildern auszudrücken, der Wolf im Schafspelz, nur haben Sie heute den Schafspelz zu Hause gelassen. Das ist gut so, denn dann können wir uns mit Ihnen beschäftigen und dem entgegentreten, was Sie tatsächlich verfolgen.
Es geht hier um eine hochsensible Frage, und das ist die Frage, ob das Recht von Frauen auf eine sachliche und ethisch neutrale Information über Schwangerschaftsabbrüche eingeschränkt werden darf im Hinblick auf das ebenfalls zu schützende ungeborene Leben. Darum geht es und nicht um diesen Globalantrag, den Sie hinter Ihrem gestellten Antrag verbergen. Um die Antwort vorwegzunehmen: Es ist auch mit Blick auf den gebotenen Schutz des ungeborenen Lebens kein sachliches Argument erkennbar, dass es zu rechtfertigen vermag, eine ethisch neutrale Unterrichtung über Schwan
Sie haben sich auf Strafrechtskommentierungen gestützt und sich auf juristische Überlegungen und Standpunkte berufen, und ich möchte Sie dort korrigieren: Es ist schon heute hochfraglich, ob die Verurteilung der Gießener Ärztin auf Basis des § 219 a StGB rechtmäßig ist.
Sie verkennen nämlich - ich hätte mir von Ihnen gewünscht, wenn Sie sich mit juristischer Literatur beschäftigen, das zu berücksichtigen -, dass die Überschrift des § 219 a StGB, in dem es ausdrücklich heißt, dass die Werbung für den Abbruch von Schwangerschaften verboten ist, Teil der Strafrechtsnorm ist. Hier ging es nicht um Werbung für Schwangerschaftsabbrüche, sondern um die Unterrichtung über Schwangerschaftsabbrüche. Diese Differenzierung erwarte ich auch von Ihnen, wenn Sie sich hier juristisch mit uns auseinandersetzen wollen.
Ich kann aber leider Gottes auch der SPD nicht in vollem Umfang recht geben mit ihrem Antrag und mich diesem anschließen.
- Ja, aber die vollständige Aufhebung des § 219 a stellt ein System infrage, das der Gesetzgeber nach mühevollem Ringen so geschaffen hat. Im Zentrum steht ja die Frage des Schwangerschaftsabbruchs. Ja, er ist legal in Deutschland, aber er ist an enge Voraussetzungen geknüpft, die meine Vorrednerin dargestellt hat. Das Neutralitätsgebot in der Schwangerschaftsberatung ist ein ganz wesentliches Kriterium. Deswegen ist natürlich eine Werbung für Schwangerschaftsabbrüche in diesem Zusammenhang nicht möglich, und das Verbot darf auch nicht durch die Aufhebung des § 219 a unterlaufen werden.
Das ist der Hintergrund für den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen, die sich dazu entschieden haben, sehr deutlich zwischen dem Informationsanspruch von Frauen in einer derart schwierigen Lage, in der man sich als Frau befindet, zu differenzieren: Es muss möglich sein, dass Ärzte unter Wahrung des Berufsrechts und des Werberechts für
freie Berufe in der Lage sind, straffrei über Schwangerschaftsabbrüche zu unterrichten. Das Werben durch Dritte, durch Verbände, durch Vereine, egal durch wen, muss aber weiterhin verboten und unter Strafe gestellt bleiben.
Deshalb werbe ich für unseren Antrag und dafür, den in den Ausschuss zu überweisen, und für die Ablehnung des AfD-Antrags. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Herren und Damen! Das Merkwürdige an dieser Debatte ist doch, dass wir teilweise sehr aufgeregt über einen Paragrafen diskutieren, den bis zum Prozess der Gießener Ärztin im letzten Jahr die meisten Leute gar nicht auf dem Schirm hatten, und das, obwohl es große Diskussionen und Reformen schon in den 70er- und den 90er-Jahren gab. Ich bin mir sicher, dass viele von uns in den letzten Wochen und Monaten auf der Arbeit, mit Freundinnen und Freunden, in der Beziehung oder in der Familie über das Thema „Schwangerschaftsabbrüche“ diskutiert haben.
Ich persönlich habe mit beiden meiner Söhne darüber gesprochen. Beide sind unter 30 Jahre alt, und einer von ihnen ist vor Kurzem Vater geworden. Sehr schnell kamen wir in diesem Gespräch an den Punkt, an dem beide meiner Söhne vor mir saßen und fragten: Was genau ist hier eigentlich das Problem? - Für beide war vollkommen unverständlich, dass Ärztinnen und Ärzte in ihrer Informationsarbeit eingeschränkt werden.
Wo liegt also das Problem in dieser Debatte? Ist es ein Generationenstreit? Ist es ein Streit zwischen Männern und Frauen? Ist es ein Streit zwischen Konservativen und Liberalen? Oder ist es eine juristische Diskussion?
Manchmal, glaube ich, es ist nichts davon. Oft glaube ich, wir führen eine Stellvertreterdiskussion. Im Privaten wie im Öffentlichen dauert es manchmal nur Momente, da wandelt sich die Unterhaltung von einem Gespräch über Informationszugänge zu einem Gespräch, in dem es eigentlich darum