Protocol of the Session on November 16, 2017

(Kai Vogel)

Der zweite Grund ist, mal zu gucken: Was kostet das denn? Sie sagen ja immer, die Bäderbahntrasse gibt es, und deshalb kostet das ja nichts. Wer die Bäderbahn betreiben will, wenn die zwei Gleise auf der Strecke als Hinterlandanbindung zur Verfügung stehen, muss eine Ausfädelungssituation für die Gleise schaffen und Haltepunkte einrichten. Die ganze Geschichte, die ausschließlich aus Landesmitteln zu finanzieren wäre, kostet 25 bis 30 Millionen €. 25 bis 30 Millionen € allein, um den Betrieb fortsetzen zu können, und zwar pur aus Landesmitteln, das ist wirtschaftlich so nicht darstellbar.

Lassen Sie mich noch einen dritten Grund anführen. Abgesehen davon, dass wir, wenn wir dieses Geld ausgeben würden, die Bäderbahntrasse zusätzlich elektrifizieren müssten, weil da nicht dauerhaft die alten Dieselloks herumfahren können, würden wir eine Ausweichstrecke schaffen, die bei Schließung eines der Gleise an der Hauptstrecke dazu führen könnte, dass die Bahn sagt: Wir haben eine Ausweichstrecke und schicken die Güterzüge der Hinterlandanbindung jetzt über die Ausweichstrecke. - Das will in den Bäderorten niemand, und das gilt es zu verhindern.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist der dritte Grund. Deshalb muss es darum gehen, eine vernünftige Lösung zu finden, indem wir sagen: Nein, wir stellen die wichtigste Sache, nämlich die Trasse entlang der Autobahn, nicht infrage, und versuchen nun, trotzdem etwas Vernünftiges aufzubauen.

Das Vernünftigste ist, wenn die meisten Menschen direkt durchfahren können und nicht umsteigen müssen. Sie haben es an dem Beispiel der Strecke Ratzeburg - Puttgarden festgemacht. Ich sage einmal, wir versuchen es hinzubekommen, dass die Menschen zwischen Hamburg und Neustadt nicht umsteigen müssen und es Haltepunkte wie Ratekau/ Timmendorfer Strand gibt. Hoffentlich gibt es den mal, und die Beteiligten vor Ort können sich auf einen gemeinsamen Haltepunkt einigen. Eine direkte Anbindung von Scharbeutz und Neustadt vom Hamburger Hauptbahnhof in der Saison im Halbstundentakt wäre ein Riesenfortschritt. Das streben wir an, weil dann die Neustädter direkt und unmittelbar verkehrlich angebunden wären.

Lesen Sie einmal in den „Lübecker Nachrichten“ vom letzten Sonntag, was Pendler dazu sagen. Einige sagen, ja, es wäre schön, wenn man die Trasse noch hätte. Viele sagen, ich muss von Neustadt nach Hamburg. Ich brauche immer eine wahnsinnig

lange Umsteigezeit in Lübeck. Direkt nach Hamburg durchzukommen, wäre eine Riesenattraktion für die. Für die Bäderorte, für den Tagestourismus wäre eine direkte Verbindung vom Hamburger Hauptbahnhof zu einem Halt Ratekau/Timmendorfer Strand, zu einem Halt Neustadt in Holstein ein Superangebot. Dieses Durchbinden der Züge von Hamburg bis nach Neustadt ohne die Notwendigkeit, in Lübeck umzusteigen, ist der Hintergrund der neuen Grundregelung. Ich finde, das ist eine unglaublich starke Verbesserung.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogel?

Selbstverständlich, auch wenn ich meine Redezeit überziehe.

Sie haben keine.

Das dürfen Sie als Minister doch sowieso. In der letzten Legislaturperiode hat Minister Habeck seine Redezeit einmal um eine Dreiviertelstunde überzogen. Also, darüber müssen Sie im Gegensatz zu uns sich keine Gedanken machen.

Okay, gut.

- Herr Minister, Sie haben eben dargestellt, welche Vorteile gegebenenfalls der Ausbau einer Strecke Hamburg-Neustadt hätte. Ich habe nicht den Eindruck, dass wir den Ausbau der Strecke Hamburg-Neustadt mit unserem Antrag in irgendeiner Weise infrage gestellt haben. Es ist also nicht so, dass das gestrichen ist. Ich vermute auch, dass Sie aus unserem Antrag nicht abgeleitet haben, dass wir zum Beispiel nicht mehr zum Ausbau der S 21 oder der S 4 stehen. Vielmehr geht es einzig und allein um eine Vernetzung zweier Strecken, die - ich sage einmal - bedingt gut angenommen werden und auf diese Art und

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

Weise stärker angenommen würden. Ich hoffe, dass Sie das auch im Fokus haben.

- Ich will darauf gern eingehen, Herr Vogel; denn eine Überlegung, die Grundlage Ihrer damaligen Betrachtung war, ist heute nicht mehr gültig: Ein wichtiger Aspekt für eine S-Bahn-Verbindung Ratzeburg-Lübeck war damals der Lübecker Flughafen Blankensee mit erheblichen Personenbewegungen. Den haben wir nicht mehr.

(Zuruf FDP)

- Es kann sein, dass der wiederkommt. Dann sollten wir wieder darüber nachdenken. Dazu bin ich dann auch bereit. Wenn wir dort die entsprechenden Fahrgastzahlen haben, weil Lübeck-Blankensee von dem Investor tatsächlich so ausgebaut wird, dass wir da wahnsinnig viele Flugbewegungen haben, und viele Menschen da wegmüssen, die dann auch schnell an die Bahn ran sollen, dann müssen wir darüber nachdenken. Zurzeit aber sind die Verkehre, die wir da haben - da hat der Kollege Tietze völlig recht - viel zu gering, um eine durchgehende S-Bahn-Verbindung von Ratzeburg bis nach Puttgarden zu schaffen.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU und Beifall Jörg Nobis [AfD])

Das würde ein immenses Geld kosten, ohne dass wir einen erheblichen Fahrgastnutzen daraus hätten. Der viel höhere Fahrgastnutzen besteht in der Durchbindung von Hamburg bis an die Ostseeküste beziehungsweise Neustadt.

Lassen Sie mich an der Stelle noch einen wichtigen Gesichtspunkt hinzufügen. Sie sagen immer, das, was ihr wollt, das kommt erst in 15 oder 18 Jahren, also im Jahre 2032 oder so. Wir bestellen zurzeit die Verkehre für das Netz Ost. Wir bestellen sie im Hinblick auf eine Elektrifizierung dieser Strecke im Jahre 2022. Das heißt, unabhängig von der Frage, wann der Belt-Tunnel gebaut wird, ist die Bahn jetzt dabei, das Planfeststellungsverfahren für die Hinterlandanbindung, und zwar eine elektrifizierte Hinterlandanbindung, im Rahmen einer Zweigleisigkeit durchzuführen. Es kann also sehr wohl sein, dass wir diese Schienen frühzeitiger zur Verfügung haben und darauf dann auch die Nahverkehre abwickeln können.

Wir reden davon, dass wir wahrscheinlich noch zehn Jahre Zeit haben. Ja, aber zehn Jahre sind etwas anderes als das, was Sie angegeben haben. Innerhalb dieser zehn Jahre gilt es nun, auch noch andere oder - ich sage einmal - eine Verbesserung der Konzepte zu erreichen. Denn natürlich entsteht in

einem Ort ein nicht ganz kleiner Abstand zu dem Haltepunkt der Bahntrasse, die wir dann haben werden, bis Timmendorfer Strand, vielleicht mit Ratekau zusammen. Mein Favorit wäre es, wenn Ratekau/Timmendorfer Strand ein neuer, ein richtig guter Umschlagsbahnhof wäre, von dem man sagen könnte, dass er das Tor zu den Bäderorten der Lübecker Bucht ist. Von einem solchen Haltepunkt aus muss man die Fahrgäste, die Touristen beziehungsweise Besucher des Ortes Timmendorfer Strand, verkehrlich besser anbinden als heute, wobei der Bahnhof auch heute, wenn wir ehrlich sind, am Rande des Siedlungsbereiches liegt, und es ist nicht anzunehmen, dass ein ankommender Tourist mit seinen Koffern durch ganz Timmendorfer Strand watscheln würde. Also, so viel passiert da auch nicht. Wir überlegen also, mit modernen innovativen Mobilitätskonzepten, mit Shuttle-Bussen und mit einem Bäderbus, der dann die Bäderorte an die Bahnhöfe anbindet, eine Verbindung zu schaffen.

Wir überlegen - deshalb 2+X -, auf der Trasse der alten Bäderbahn etwas zu machen, was nicht nur innovativ, sondern vielleicht auch touristisch hochinteressant sein könnte. Wir überlegen, ein Modellprojekt zu starten und zu fragen: Nehmen wir die alte Trasse, auf der keine Schienen mehr liegen, und probieren wir ein emissionsarmes, autonom fahrendes Shuttle-Konzept zwischen Ratekau und Sierksdorf aus? Stichwort Freizeitpark. Das wäre ein Shuttle, der auch ein Magnet wäre, der innovativ wäre, mit dem wir etwas für die Republik insgesamt und nicht nur für Schleswig-Holstein vorzeigen könnten. Wir könnten zeigen, dass wir autonomes Fahren im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs nicht nur auf einem Testgelände, sondern tatsächlich im Einsatz haben.

Das ist die Idee, eine moderne, innovative Idee, die wir nach vorn bringen wollen. Das ist die Zukunft. Es hat auch in den touristischen Orten und im Dialog mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern vor Ort viel Zustimmung gefunden, lieber darüber nachzudenken, als die alte Bäderbahn zu reaktivieren. Seien Sie herzlich eingeladen, an diesen Überlegungen teilzuhaben, und seien Sie versichert: Wir wollen, dass das beste Verkehrskonzept für die Ostseeküste realisiert wird. Das ist, so denke ich, mit unseren Plänen gewährleistet. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

Der Minister hat die Redezeit um 3 Minuten 40 Sekunden überschritten. Diese Zeit steht nun allen Fraktionen als zusätzliche Redezeit zur Verfügung. - Ich sehe aber keine weiteren Wortmeldungen und schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag in der Drucksache 19/281 sowie den Alternativantrag Drucksache 19/339 dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Berufung von Arbeitnehmervertretungen in den Mittelstandsbeirat

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/294

Dialog mit Mittelstand und Gewerkschaften fortsetzen

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/338

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgang Baasch von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Mittelstandbeirat, einem vom Wirtschaftsministerium gegründeten Beratergremium, sollen in regelmäßigen Abständen mittelstandsrelevante Themen wie der Ausbau der Infrastruktur und der Digitalisierung und die Akquisition von Fachkräften, um nur einige wenige Stichworte zu nennen, erörtert werden. So steht es jedenfalls im Koalitionsvertrag der Jamaika-Regierung in Schleswig-Holstein.

Dabei scheinen die Gewerkschaften als die legitimen Vertreter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Bundesland zu stören. Dass in den Mittelstandsbeirat der Jamaika-Regierung keine Vertreterin und kein Vertreter der Arbeitnehmer berufen worden ist, ist dabei nicht nur ein Mangel an Wertschätzung, sondern vor allem auch ein deutlich werdendes fehlendes Interesse an den Aktivitä

ten, Ideen und Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Bundesland.

(Zuruf CDU: So ein Quatsch!)

Für wirtschaftlichen Erfolg stehen in unserem Bundesland nicht nur gute Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, sondern auch hochmotivierte, leistungsfähige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Für gute Arbeit und faire Arbeitsbedingungen stehen in einer funktionierenden Sozialpartnerschaft starke Gewerkschaften, Betriebsräte und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber.

Vor diesem Hintergrund fragt man sich zu Recht: Steht diese Landesregierung noch zur Sozialpartnerschaft? Werden Gewerkschaften und die organisierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land respektiert? Ich sage: Nein.

(Beifall SPD)

Hier werden Gewerkschaften ausgegrenzt, und die Landesregierung mutiert zu einer reinen Arbeitgeber-Lobby.

(Unruhe CDU)

Gute Arbeit und faire Arbeitsbedingungen sollen im Mittelstandsbeirat keine Rolle spielen. Herr Minister Buchholz betreibt mit der Einberufung und der Themensetzung seines Mittelstandsbeirats pure Klientelpolitik.

(Beifall SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften wollen mitgestalten. Dass eine gute Sozialpartnerschaft in Schleswig-Holstein funktioniert, hat die Fachkräfteinitiative mehr als eindrucksvoll bewiesen.

Meine Enttäuschung will ich an dieser Stelle aber auch über die Haltung unseres früheren Koalitionspartners ausdrücken. Ich hätte darauf gewettet, dass die Landtagsfraktion der Grünen einem Mittelstandsbeirat der Landesregierung, in dem Vertretungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mitarbeiten, kein Okay gibt.