Protocol of the Session on November 15, 2017

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zwei Bemerkungen vorausschicken, bevor ich auf das Thema im engeren Sinne eingehe. Erstens zum ehemaligen Ministerpräsidenten. Man muss es in der Tat nicht so machen, wie er es gemacht hat. Es war alles legal, das ist keine Frage. Es ist aber schon eine ungewöhnliche Kombination, wenn man in einer niederländischen Firma eine Aufsichtsfunktion wahrnimmt, um ein Museum in Deutschland zu betreiben. Wir haben viele eingetragene Vereine und Gemeinden, die Museen betreiben. Man könnte sein ehrenamtliches Engagement auch anders gestalten; das wäre vielleicht etwas leichter. Sollte die Firma, in der Herr Carstensen tätig ist, in irgendeiner Art und Weise einem Firmengeflecht angehören, das dazu dient, Steuern zu sparen, haben wir als Politiker und ehemalige Politiker durchaus eine eigene Verantwortung, eine moralische Verantwortung. Das muss Herr Carstensen aber mit sich selber abmachen.

Zweitens finde ich - gerade in der heutigen Zeit, wo man regelmäßig darüber redet, nicht wir, aber manch anderer, dass wir eine Lügenpresse hätten, dass Dinge durch die Presse gesteuert würden -, ist es erfrischend und beruhigend zu sehen, dass die

sogenannte vierte Gewalt flächendeckend, ja sogar international zusammenarbeitet und solche Dinge aufdeckt. Dafür bin ich der Presse sehr dankbar, insbesondere auch den öffentlich-rechtlichen Medien.

(Beifall SSW, CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun zum engeren Thema. Stellen wir uns einmal vor, wir hätten einheitliche Steuersätze. Das wäre wunderbar. Dann gäbe es innerhalb der Staaten keinen Steuerwettbewerb mehr. Übrigens haben wir das auch auf kommunaler Ebene, wo man bei der Gewerbesteuer fleißig miteinander konkurriert. Wenn die Umsätze immer in den jeweiligen Staaten versteuert werden sollen - was eine Idealvorstellung ist -, muss man sich allerdings genau überlegen, was das für ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland bedeutet, bei dem Außenhandel, den wir betreiben. Das heißt, VW, BMW, Mercedes und wie sie alle heißen, zahlen ihre Steuern dann in China, wenn sie dort Autos verkaufen, zu den dort höheren Steuersätzen und nicht mehr über Firmengeflechte in Deutschland.

Das muss man nur wissen. Das kann einem durchaus auf die Füße fallen, wenn man sich für so etwas einsetzt; das kann unserer Wirtschaft schaden. Das muss in der Diskussion berücksichtigt werden.

Trotzdem glaube ich, dass der ehemalige Präsident Obama das Richtige im Auge gehabt hat. Er hat damals zu den Panama Papers gesagt - dort hat man nicht nur legale, sondern auch illegale Praktiken aufgedeckt -: Mich interessieren die illegalen Geschäfte nicht, weil die strafverfolgt werden, sondern mich interessieren einzig und allein die Dinge, die derzeit noch legal sind, weil es da politischen Handlungsbedarf gibt.

Und das ist für mich das Entscheidende: Wo habe ich eigentlich diesen Handlungsbedarf? - Den gibt es auf vielen Ebenen, aber insbesondere gibt es ihn für uns auf der EU-Ebene. Die EU will demnächst eine schwarze Liste mit Steuerparadiesen veröffentlichen. Das ist erst einmal sehr lobenswert, wenn man sagt: Mit denen wollen wir nicht zusammenarbeiten, diese Dinge wollen wir anprangern, da wollen wir auch selber Gesetzesinitiativen ergreifen, damit die ihr Geschäftsmodell so nicht mehr weiterführen können. Das ist zunächst einmal eine klasse Idee.

Die Frage, die sich mir stellt, ist aber: Warum wird diese schwarze Liste ohne Malta erstellt - EU-Mitglied -, warum ohne Portugal - Madeira ist ein

(Jörg Nobis)

Steuerparadies -, warum ohne die Niederlande mit ihren Firmengeflechten, die dort immer noch legal sind, warum ohne Österreich, warum ohne Zypern, warum ohne Großbritannien - immer noch EU-Mitglied? Da gibt es die Britischen Jungferninseln, da gibt es die Kanalinseln, da gibt es die Isle of Man, also viele Steuerparadiese, die Teil der EU sind.

Ich glaube, wenn wir ernsthaft darüber reden und den Leuten draußen auch ernsthaft erzählen wollen, dass wir dagegen vorgehen, dann muss man auch innerhalb der EU vor der eigenen Haustür fegen, anders geht das nicht.

(Beifall Jörg Nobis [AfD])

Deshalb muss die EU dafür sorgen, dass die eigenen Steuerparadiese komplett trockengelegt werden. Es kann nicht sein, dass ich mich als Milliardär immer noch einfach in einem österreichischen Bundesland ansiedeln und meine Steuersätze individuell mit dem Staat aushandeln kann. Das ist nicht gerecht, das passt nicht, und das muss auch geändert werden.

(Beifall SSW und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dritter Punkt: Es ist ganz, ganz wichtig, dass wir bei der Steuerzahlung Transparenz herstellen. Derzeit gibt es etwa 50 Staaten, die dies zumindest versuchen, indem sie die Steuerdaten, insbesondere von großen Unternehmen, veröffentlichen, damit man sehen kann, wie viele Steuern sie zahlen, und ungefähr abschätzen kann, ob diese Unternehmen sagen wir es einmal so - halbwegs so nach den nationalen Steuergesetzen arbeiten, wie man das von ihnen erwarten kann.

Allerdings haben wir diese Diskussion auch auf EU-Ebene. Da ist es so, dass die Bundesrepublik Deutschland in der Kommission sagt: Wir wollen das nicht! Sie hat das vor Kurzem abgelehnt. Wir haben aber immer noch die Diskussion im Europäischen Parlament darüber, dass man Transparenzregeln haben möchte, damit zumindest innerhalb der EU ganz klar ist, dass die einzelnen Unternehmen und auch einzelne Steuerpflichtige ihre Steuerdaten veröffentlichen sollen, damit diese miteinander abgeglichen werden können, um zu gucken, ob es innerhalb der EU Steuersparmodelle gibt, die sich insbesondere große internationale Konzerne zunutze machen. Diese Initiative muss von Erfolg gekrönt sein. Ich würde mich freuen, wenn das Parlament das beschließt - darüber bin ich mir sogar sehr sicher -, aber ich würde mich auch freuen, wenn gerade unsere deutschen Vertreter in der Europäischen Kommission über ihren Schatten springen

und es möglich machen würden, dass genau diese Transparenz innerhalb der EU auch in Zukunft stattfinden kann.

(Beifall SSW und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was können wir nun selber tun? - Das wurde gerade eben von dem Kollegen Koch schon angesprochen. Das Entscheidende für uns ist, dass wir dafür Sorge tragen, dass diese großen Unternehmen, die durch ihre logistischen Möglichkeiten in der Lage sind, Steuersparmodelle internationaler Art zu nutzen, besser kontrolliert werden. Das ist zunächst einmal der Kern. Das kann auf zweierlei Art und Weise geschehen, zum einen, indem wir selber hier in Schleswig-Holstein das tun. Wir wissen aber genau, all das, was wir möglicherweise durch solche Sachen an zusätzlichen Steuern eintreiben, bekommen wir - zum Beispiel für das Personal - durch den Bund nicht erstattet, sondern das wird über den jeweiligen Finanzausgleich bundesweit verteilt. Der Anreiz ist also relativ gering. Ich glaube auch, es ist unheimlich schwer, in jedem einzelnen Bundesland so versierte Steuerfachleute zusammenzuziehen, dass sie alle Unternehmen entsprechend kontrollieren können. Insbesondere in den Ländern, in denen diese Konzerne beheimatet sind, wird das eine Schwierigkeit sein. Deshalb finde ich es einen klugen Gedanken, dieses Personal in einer bundeseinheitlichen Behörde zusammenzuziehen, die dann diese besonderen Steuerfälle beobachtet.

Lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Es ist wichtig, noch einmal genau darauf zu achten, dass all die Daten, die gerade offengelegt worden sind, legale Steuerpraktiken abbilden. Da passiert nichts Illegales. Das heißt: Jeder, der dort genannt wird, ist zunächst einmal unschuldig. Es ist wichtig, deutlich zu machen, dass diese legalen Steuergestaltungsmöglichkeiten zunächst einmal nichts Verwerfliches sind, solange wir als Politik die Gesetze nicht entsprechend ändern. Die müssen wir ändern. Ich glaube allerdings auch nicht, dass jede Steuergestaltungsmöglichkeit unbedingt dazu führen muss, dass wir die entsprechenden Gesetze ändern. Aber an den großen Auswüchsen, die jetzt offengelegt worden sind, müssen wir etwas ändern.

Nicht alles, was legal ist, ist auch moralisch verantwortbar. Natürlich kann ich immer sagen: Dann zahl doch einfach mehr Steuern! Aber wir wissen alle, wie die Welt wirklich ist. Ich weiß, dass auch wir uns anders verhalten. Wenn wir und auch die Menschen dort oben auf der Tribüne unsere eigene Steuererklärung abgeben, dann geben auch wir sie so ab, dass man möglichst wenig Steuern bezahlen

(Lars Harms)

muss. Bisher ist mir kein Mensch bekannt, der gesagt hat: „Ich zahle so gern Steuern! Ich gebe die Steuererklärung so großzügig ab, dass ich einfach ein paar Punkte weggelassen habe; den Kinderfreibetrag gebe ich nicht an, meinen Weg zur Arbeit gebe ich nicht an, Werbungskosten gebe ich nicht an, und auch Sonderausgaben gebe ich einfach nicht an.“ - Natürlich macht man das, und das macht ein Großteil der Steuerflüchtigen eben auch. Da, wo es wirklich moralisch verwerflich wird, da wo diese Verflechtungen auftauchen, da müssen wir -

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

- Genau da, bei den Briefkastenfirmen, müssen wir ansetzen. Genau da müssen wir aber auch die Gesetze ändern. Wir können nicht darauf warten, dass uns andere Leute möglicherweise dazu Vorschläge vorlegen, wie wir das zu machen haben.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Die Erkenntnisse haben wir, wir wissen, wo man etwas ändern muss. Genau das sollten wir tun, sowohl auf europäische Ebene als auch bei der Strafverfolgung der Unternehmen hier bei uns im Land. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, vereinzelt CDU, AfD und Bei- fall Wolfgang Kubicki [FDP])

Das Wort für die Restredezeit von 3 Minuten und 18 Sekunden hat der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vier Anmerkungen zur Debatte.

Erstens teile ich die Kritik an der Großen Koalition, daran, dass wir dort Dinge haben nicht durchsetzen können. Das habe ich hier selbst vorgetragen, dass wir uns leider haben nicht durchsetzen können. Ich teile auch in Teilen die Selbstkritik, wenn bestimmte Menschen davon betroffen sind. Das habe ich unabhängig von Parteibüchern formuliert. Ich finde das gleichermaßen falsch.

Aber, lieber Kollege Harms, der Punkt ist nicht, dass es Steuerschlupflöcher gibt. Die meisten Menschen, die hier auf der Tribüne und anderswo sitzen, die bekommen das vom Lohn einfach abgezogen. Die haben keine teuren Anwälte, über die sie so etwas machen lassen können. Der Staat ist beim Stopfen der Steuerschlupflöcher nie schnell genug, weil es immer hochbezahlte Anwälte gibt, die wie

der neue finden. Das ist nicht nur ein Problem der Politik, sondern auch derjenigen, die das machen. Das ist der Punkt eins.

(Zurufe FDP und CDU)

Punkt zwei. Frau Kollegin von Kalben, ich finde schon, dass man Worte gegen Worte stellen kann. Ich finde die Worte wunderbar, die von der Finanzministerin kommen und die Sie aufschreiben. Ich setze dem aber entgegen, was der Kollege Kubicki in Interviews gesagt hat. Herr Kollege Kubicki, es ist eine gute Methode, Dinge zu behaupten, die gar keiner gesagt hat. Ich kritisiere nicht, dass Sie Rechtsanwalt sind und Ihre Mandanten vertreten. Was ich kritisiere, ist, dass Sie Interviews zum Thema Steuer-CDs geben, wo Sie Briefkastenfirmen loben, wo Sie zu Cum-Ex sagen, das könne sogar legal sein. Das kritisiere ich. Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim. Darin besteht der Unterschied zwischen uns beiden, verehrter Herr Kollege Kubicki. Das möchte ich deutlich sagen.

(Beifall SPD)

Drittens. Herr Kollege Koch, ich habe gestern mit dem Chef Ihrer Mittelstandsvereinigung diskutiert. Er hat mir in fast allem recht gegeben. Das finde ich ganz wunderbar. Dann habe ich ihn gefragt: Wie stimmen Sie eigentlich im Deutschen Bundestag und im Europäischen Parlament ab? - Da stimmen die Konservativen und Liberalen immer dagegen, wenn wir solche Sachen durchsetzen wollen. Deshalb kommen die in Europa nämlich auch nicht. Auf diesen Punkt mangelnder Glaubwürdigkeit muss man hinweisen.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Schließlich der letzte Punkt, wenn ich das einmal sagen darf, Herr Kollege Koch: Sie haben mir vorgeworfen, ich würde hier einfach Behauptungen in den Raum stellen.

(Christopher Vogt [FDP]: Ja, gerade eben!)

Das habe ich gar nicht, sondern ich habe aus öffentlichen Quellen zitiert und Fragen gestellt. Dieses Museum in Alkersum hat sage und schreibe 2,7 Millionen € Fördermittel bekommen - das ist ein privates Museum -, die drei Direktoren werden mit sage und schreibe 90.000 € bezahlt, und die Union hat sage und schreibe 568.000 € an Parteispenden bekommen.

(Tobias Koch [CDU]: Wo ist da der Vor- wurf? - Weitere Zurufe CDU)

- Das sind keine Peanuts, Herr Kollege. Dass die Öffentlichkeit ein Interesse daran hat, das aufzuklä

(Lars Harms)

ren, das finde ich richtig. Ich finde, dem muss nachgegangen werden. Ich erlaube mir hier als Oppositionsführer, dazu Fragen zu stellen. Das ist Ihnen unangenehm, darüber wollen Sie nicht reden. Ich habe mich auf veröffentlichte Quellen bezogen. Stellen Sie sich hier hin und sagen, dass diese Summen, die ich gerade vorgetragen habe, falsch sind. Die sind öffentlich bekannt.

Nach den Zusammenhängen darf man fragen. Wie viele private Museen gibt es in Schleswig-Holstein, die solche Fördersummen bekommen? Wie viele Parteispenden bekommt man von Chefs solcher Briefkastenfirmen in Schleswig-Holstein? Wie viele Direktoren werden direkt so bezahlt, nachdem sie vorher in der Landespolitik tätig waren?

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Das alles sind Fragen, die stellen wir. Die sind Ihnen unangenehm. Die müssen beantwortet werden. Darum geht es, meine sehr verehrten Damen und Herren, um nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall SPD - Wolfgang Kubicki [FDP]: Was bekommt denn Frau Alheit, Herr Steg- ner? - Weitere Zurufe CDU)

Das Wort für die Landesregierung hat die Finanzministerin Monika Heinold.